Juli/August 2016 - Landesverband der Gartenfreunde

Landesverband der Gartenfreunde Baden-Württemberg e.V.
Heigelinstraße 15, 70567 Stuttgart, Telefon: 0711/715 53 06
e-mail: [email protected], Internet: www.gartenfreunde-landesverband-bw.de
Hausgarten-ABC Juli/August:
Verbinden statt trennen - Grenzeinrichtungen
Bevor Grenzeinrichtungen wie Zäune, Mauern und Hecken behandelt werden können, muss
zuerst noch das Thema „Gehölze“ der letzten Ausgabe des Hausgarten-ABC abgeschlossen
werden, wo die Abwehrmöglichkeiten gegen über die Grenze herüberwachsende Zweige
und Wurzeln sowie das freizuhaltende Lichtraumprofil über Gehweg und Straße aus Platzgründen noch offen bleiben mussten:
Ein häufiger Grund für Nachbarschaftsstreitigkeiten ist das Herüberhängen von Zweigen
über die Grenze auf das Nachbargrundstück oder unterirdische „Grenzverletzungen“ durch
eindringende Wurzeln.
Grundsätzlich darf der/die Betroffene zwar zur Selbsthilfe greifen, aber nur, wenn die Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigt wird und auch erst nach Information des Nachbarn
und Setzung einer angemessenen Frist – sinnvollerweise nicht unter 4-6 Wochen. Lässt der
Nachbar diese verstreichen, darf zur Säge gegriffen werden. Obstbäume genießen jedoch
einen besonderen Schutz: Bei ihnen kann nur ein Aufasten bis zu einer Höhe von 3 m gefordert werden. Höhere Zweige dürfen in den Luftraum des Nachbargrundstückes hineinragen,
es sei denn, dieses Grundstück wird erwerbsmäßig genutzt und durch die Zweige oder das
Fallobst entstehen wirtschaftliche Nachteile.
Besondere Vorsicht geboten ist bei der Kappung von Starkwurzeln: Nicht nur die dadurch
möglicherweise beeinträchtigte Verankerung des Baumes muss dabei berücksichtigt werden,
sondern auch das Eindringen von Bakterien und holzzersetzenden Pilzen, die auf längere
Sicht die Statik des Baumes schwächen können. Stürzt ein durch Eingriffe in den Wurzelbereich geschädigter Baum um, kann eine Mitverantwortung des peniblen Nachbarn nicht ausgeschlossen werden.
Wenn das Nachbarrecht von „Überfall“ spricht,
rückt nicht die Polizei aus, sondern es ist Bücken
angesagt, denn es handelt sich ganz unspektakulär um Früchte, die von über die Grenze ragenden Zweigen eines Obstbaumes auf das
Nachbargrundstück fallen. Sobald sie dort Bodenkontakt haben, werden sie zum Bestandteil
dieses Grundstücks und der Nachbar darf sie
aufsammeln und verwerten. Nicht erlaubt ist es
jedoch, dem „natürlichen Fruchtfall“ durch Schütteln o.ä. etwas nachzuhelfen, denn solange die
Früchte am Baum hängen, gehören sie dem
Baumbesitzer. Deshalb darf dieser auch z.B. mit Sogar leckere Äpfel können zu Nachdem Apfelpflücker die Früchte von den überhän- barschaftsstreitigkeiten führen…
genden Zweigen ernten, nicht aber die schon auf
dem Boden liegenden „aufgabeln“ oder gar durch ungenehmigtes Betreten des Nachbargrundstückes aufsammeln.
Ärgerlich wird es dann, wenn der mit der unbeabsichtigten Ernte gesegnete Nachbar nichts
damit anfangen kann oder will. Das Entsorgen geringer Mengen ist auch ohne Entschädigung zumutbar, bei höherem Aufwand oder durch das Fallobst z.B. auf Verkehrsflächen heraufbeschworenen Gefährdungen sollte gemeinsam mit dem Baumeigentümer eine Lösung
gefunden werden.
Grenzt das Grundstück an öffentliche Verkehrsflächen, muss die Bepflanzung entlang dieser
Straßen oder Wege das Lichtraumprofil einhalten, damit Fußgänger, Radfahrer und Fahrzeuge nicht beeinträchtigt werden.
Hecken dürfen den Gehweg nicht verengen und über ihn ragende Äste von Bäumen oder
Sträuchern müssen bis zu einer Höhe von 2,50 m entfernt werden. Über von KFZ befahrenen Flächen ist eine Höhe von 4,50 m freizuhalten, damit auch LKWs mit hohem Aufbau
passieren können.
Bei Eckgrundstücken an Kreuzungen oder Straßeneinmündungen ist oft im Bebauungsplan
eine die straßenseitige Ecke „abschneidende“ Linie eingetragen, die bedeutet, dass zwischen Straße und Linie wegen der Verkehrssicherheit ein sogenanntes „Sichtfeld“ freizuhalten ist, innerhalb dessen keine Pflanze oder Garteneinrichtung höher als 80 cm sein dürfen.
Zäune und Mauern sind heute in den Neubaugebieten glücklicherweise die absolute Ausnahme, üblicherweise werden Hecken („lebende Einfriedungen“, §12 NRG) als Grenzeinrichtungen oder zum Sichtschutz gepflanzt – aber auch diese sollten eher grüne Bindestriche als
trennende Demarkationslinien sein, auch wenn sie ab und zu Ursachen nachbarlichen Zwistes sein können:
Zu hoch gewachsen, zu dicht an der Grenze gepflanzt, die Grenze überwachsend, Gründe
lassen sich viele finden.
Der erforderliche Grenzabstand ist im baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetz klar
definiert und lässt sich für den Innerortsbereich mit folgenden beiden Formeln zusammenfassen:
Grenzabstand Pflanzung = 50 cm + Mehrhöhe der Hecke über 180 cm
Beispiel: Eine 220 cm hohe Hecke muss mit einem Grenzabstand von 50 cm + 40 cm Mehrhöhe (220 cm -180 cm) = 90 cm gepflanzt werden.
Durch seitlichen Rückschnitt einzuhaltender Abstand zur Nachbargrenze für Hecken
höher als 180 cm = ½ des Grenzabstandes der Pflanzung
Beispiel: Eine 220 cm hohe Hecke muss auf einen Grenzabstand von 45 cm = 90 cm (50 cm
Grenzabstand + 40 cm Mehrhöhe) / 2) zurückgeschnitten werden.
Hecken bis 180 cm Höhe dürfen bis an die
Grundstücksgrenze wachsen, was theoretisch
großzügig klingt (Sichtschutz), jedoch im Gartenalltag häufig für Probleme sorgt, wenn das
Nachbargrundstück für die Pflege der Hecke betreten werden muss (siehe unten).
Bei den üblicherweise mehrtriebigen Heckensträuchern wird der Grenzabstand ausgehend
von „Zentrum“ der Triebe gemessen (§ 22 NRG).
Vom 1. März bis zum 30. September kann der
Besitzer einer Hecke nicht zum Zurückschneiden
(seitliches Einkürzen) oder Verkürzen (Höhenrückschnitt) verpflichtet werden.
Der Anspruch auf den Rückschnitt einer Hecke
verjährt zwar im Prinzip nicht, doch kann er
durch eine langjährige Duldung verwirkt werden,
z.B. wenn ein dann erforderlicher entsprechend
starker Eingriff die Hecke so schädigt, dass sie
praktisch wertlos wird – hier kommt dann der
Schutz des Eigentums zum Tragen.
Deshalb gilt auch hier: Besser gleich den Nachbarn auf einen Missstand hinweisen als jahrelang zähneknirschend zuzuschauen und irgendwann, wenn der „Leidensdruck“ zu groß wird,
dessen Beseitigung zu fordern.
Muss das Nachbargrundstück z.B. zum Heckenschneiden betreten werden, muss dessen Besitzer vorher informiert werden, am besten ca. 14
Tage vorher. Verweigern kann er das Betreten
seines Grundstückes normalerweise nicht, allerdings hat er Anspruch auf Schadensersatz, falls
bei den Arbeiten Schäden an seinem Eigentum
entstehen.
Erfahrungsgemäß können hierbei auch Konflikte
entstehen, so dass die Empfehlung, alle Grenzeinrichtungen so zu erstellen oder zu gestalten,
dass sie vom eigenen Grundstück aus gepflegt
werden können, nicht aus der Luft gegriffen ist.
Gleich 2 Fehler in einem Bild:
Erstens müssen die Seitenwände einer
Hecke trapezförmig geschnitten werden
(grüngestrichelte Linie), damit die tieferen Äste nicht von den höheren beschattet werden und auch der im natürlichen
Wuchsprogramm beinhalteten Spitzenförderung (stärkeres Wachstum der höheren Zweige und Unterdrückung tieferstehender ► Verkahlung von unten)
entgegengewirkt wird.
Zweitens muss schon beim Aufbau der
Hecke die Oberseite regelmäßig geschnitten werden, nicht erst bei Erreichen der „Wunschhöhe“ (gelbgestrichelte Linie). Es sollen maximal 5 cm Höhenzuwachs pro Jahr zugelassen werden, um eine zur Stabilität der Hecke
wichtige gleichmäßige und dichte Verzweigung schon von der Basis aus zu
erreichen. Bei hoher Schneelast fallen
die „Besen“ dieser Hecke auseinander.
Formschnitthecken sollten wie in der Aprilausgabe bereits beschrieben, nur bei beengten
räumlichen Verhältnissen gepflanzt werden, sonst ist freiwachsenden Hecken mit möglichst
ökologisch wertvollen Sträuchern der Vorzug zu geben. Pflanzenempfehlungen werden in
der nächsten Folge genannt.
Für Formschnitthecken besonders geeignet sind Hainbuche (winterlicher Sichtschutz durch
erst im Frühjahr abgeworfenes trockenes Laub), Feldahorn und Kornelkirsche, unter den
Immergrünen eigentlich nur die extrem rückschnittverträgliche und sehr robuste Eibe, ggf.
auch der Buchs-Nachfolger Japanische Hülse (Ilex crenata).
Bei großblättrigen Immergrünen wie Kirschlorbeer müssten die zu lang gewordenen Triebe
eigentlich einzeln (!) mit der Rebschere zurückgeschnitten werden, da die Heckenschere die
Blätter verstümmelt.
Immergrüne Hecken sind an Straßen, die im Winter gestreut werden, unbedingt vor dem
salzhaltigen Spritzwasser zu schützen, das zu Blatt-/Nadelverbrennungen führt.
Ein Rückschnitt im Hochsommer führt zu Sonnenbrandschäden (Ausbleichen und Vertrocknen), da die vorher geschützten inneren Blätter bzw. Nadeln an die direkte Sonnenbestrahlung nicht angepasst sind.
Aufgrund der Komplexität des Themas ist dieser Beitrag nun umfangreicher geworden als
geplant, so dass er in der Septemberausgabe fortgesetzt wird.
Landesfachberater Harald Schäfer