Glasbläser p - Worte von Hans Borchert

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Glasbläser
Fotos Dorothea Schmid
Niemand weiß so ganz genau, wie der Glasbläser seine Arbeit aushält. Bei Temperaturen um die 55
Grad Celsius, die einem das Hirn im Schädel backen wie die Fleischfüllung in einer Pastete.
Staubtrocken ist die Luft und die Hitze trifft wie ein Faustschlag ins Gesicht.
Durst, brüllen die Männer. Durst.
Fünf Flaschen? Acht? Zehn Flaschen? Nur Irena weiß, wieviel Bier ein Glasbläser bei seiner Arbeit
trinken kann. Wieviele Becher Tee, wieviele Krüge Mineralwasser. Irena führt darüber unbestechlich
Buch. Sie ist die heilige Marketenderin der Glashütte und Sklavin der Arbeiter zugleich.
Mit einem Wägelchen, darauf eine Margarinedose für das Wechselgeld, schiebt sie durch die
Fabrikhalle. Sechs Flaschen für Meister Janek, sieben Flaschen für Michal Chlupác, je fünf für Petr, für
Ludek, für Martin Farsky. Von frühmorgens bis mittags nimmt die kleine blonde Frau Bestellungen
entgegen und schafft unablässig Waren herbei. Geschmierte Brote. Süßigkeiten. Zigaretten. Und immer
und immer wieder achtprozentiges Leichtbier, süffiges Bräu der Marke Svijanska osmicka Strijany.
Nie hat einer sie das Plateau erklimmen sehen, auf dem sich Glasholer- und Bläser - illuminiert von
grell-orangem Licht - wie auf einer Theaterbühne bewegen. Und nie hat sie auch nur einen Blick
durch eines der sechzehn Schürlöcher ins Ofeninnere riskiert. Gierig saugende Schlünde sind das, die
pressen den letzten Sauerstoff und das letzte Quentchen Feuchtigkeit aus der Luft. Geradewegs da
hinab stoßen die Holer ihre Stahlstangen. Wüßte Irena es nicht besser, sie würde schwören, Satan
persönlich spucke Glasmasse auf die Pfeifenspitzen.
Seit vier Monaten versieht sie ihren Dienst aber noch immer ängstigt sie sich vor den Gluthitze
speienden Öfen. Ungeheueres, flüssiges Feuer. Das kocht und brodelt, gasgeschürt auf 1240 Grad
Celsius. Legt den Männern einen Schleier aus Schweiß vor die Augen, macht aus ihren Kehlen
Reibeisen und aus ihren Muskeln Dörrfleisch. Gäbe es nicht Irena, alle nahe diesem unheimlich
lodernden Vesuv wären Verlorene.
Durst, brüllen die Männer. Durst.
Wie sind wir glücklich! Manchmal steht die Tür zur Vergangenheit noch einen Spalt weit auf. Man
schlüpft hindurch, ehe sie für immer zufällt, und berührt die Geschichte. So - wie jetzt - in der 1712
gegründeten Glashütte Harrachov. Die liegt im tschechischen Riesengebirge, gehörte einst dem Grafen
Harrach und dort, wie auch an anderer Stelle im Böhmer- und im Bayerwald, sang man in alter Zeit:
»Schlote rauchen, Öfen glühen, aus Retorten strömt das Gas. Und wir schwingen unsre Pfeifen, formen
aus der Glut das Glas. Und wir schleifen und polieren, das es funkelt wie Kristall. Wie die Sonne von
den Bergen scheint in unser schönes Tal.«
Aber vorbei - nichts mehr davon. Verstummt ist die Musik, geschlossen sind die meisten Hütten. Bis
auf eben diese eine, die es auf wundersame Weise fertigbringt von der kunstvollen Meisterschaft ihrer
Arbeiter zu leben. Meister Janek und Meister Remsa, Michael Clupác und Martin Farsky - sie und die
sechzig anderen Glasmacher - kennen keinen Computer-Knopfdruck. Sie verdienen sich ihr Brot noch
immer wie vor dem industriellen Sündenfall.
Den vornehmlich deutschen Touristen, die eintreten und im Gänsemarsch rund um die Öfen geführt
werden, kommt das vor wie ein Szenario à la Dante. Mindestens. Bildungsreisende fühlen sich gar an
Bilder des Hieronymus Bosch erinnert. Lauter, scheinbar aus der »Versuchung des Hl. Antonius«
entsprungene Gestalten - so schaut es aus. Und ist doch nur die ganz alltägliche Hölle eines uralten
Gewerbes.
Es führt, weil der deutschen Sprache mächtig, Frau Gisela die Gäste durch das arbeitsame Inferno. Sie
wurde erst unlängst in Erster Hilfe unterrichtet, weil manch einer, wohl der Hitze wegen, einfach
kollabierte oder gar in Ohnmacht fiel. Die Glasmacher registrieren solches nur am Rande - sie sind
nicht herzlos, aber sie arbeiten im Akkord. Es geht um jede Krone.
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Frau Gisela erklärt - »bitte Vorsicht, Herrschaften, selbst was nicht mehr rot glüht ist noch 500 Grad
heiß« - den Weg des Glases von der Schmelze bis in die Vitrine. Und der geht so: Zuerst werden nach
geheimer Rezeptur die Ingredienzen Quarzsand, Pottasche, Soda, Kalksteinmehl und Bariumkarbonat
gemischt, gesiebt und bis auf ’s Gramm genau ausgewogen. Den Job erledigt, wattiertes Tuch vor Mund
und Nase gebunden, Pavel Dvorak und der wird von keinem in der Hütte darum beneidet. Arbeitet er
doch alleine und weit entfernt von all den anderen in einer Art Verlies und füllt dort tagtäglich seine
Lungen mit Staub.
Nachmittags, gegen fünfzehn Uhr, schlägt Heizern und Schmelzern die Stunde. Es gilt das neue
Tagwerk vorzubereiten und dazu werden die in die Öfen eingelassenen »Häfen«, in Harrachov sind das
sechzehn riesengroße, runde, feuerfeste Keramikschüsseln, zuerst »ausgekratzt« und dann mit neuer
Rohstoffmischung bestückt.
Ein Dutzend Gasleitungen spielen fortan Flammenwerfer, schmelzen die Materie und erhitzen sie auf
exakt 1450 Grad. Der Prozeß dauert die ganze Nacht an und erst gegen Morgen tritt eine kurze Pause
ein. »Abgehen lassen«, so nannte man in alter Zeit diesen Vorgang, bei dem die Glasmasse auf 1240
Grad abkühlt. »Der Schmelzer«, so erzählt es Frau Gisela, »ging dann zu den Häusern, in denen die
Glasmacher wohnten und klopfte mit einem Buchenholzstock jeweils in einem ganz individuellen
Rythmus an die Fenster.« Signal zum Arbeitsbeginn.
Heutzutage klingelt überall der Wecker. Pünktlich um fünf Uhr. Ganze Familien machen sich jetzt auf
den Weg, darunter auch Meister Remsa, seine Frau Jaroslava und Sohn Oldrich. Die Glashütte als
Arbeitsstätte ganzer Sippen und zwar über Generationen hinweg - das ist noch immer Tradition. Wie
jetzt der Sohn, so hat auch Meister Remsa als kleiner Junge an der Hand des Vaters diesen Weg
zurückgelegt. Nun arbeitet er selbst schon seit vierzig Jahren in der Glashütte, aber die ersten, kleinen
Kristallkugeln, vom Kindermund geblasen, liegen noch immer daheim im Wohnzimmerschrank.
Wie es wohl damals zuging? »Rauch, überall war dicker Rauch«, erinnert sich Remsa. Die Hallendecke
war niedriger, die Lüftung schlecht. Und: »Die Meister waren streng. Manche von ihnen, die ganz alten
Männer, trugen noch die traditionelle Glasmacherkleidung. Schwarze Hose und blütenweißes Hemd.
Damals mußten die Jungen lange warten, bis sie an die Pfeife kamen. Manchmal fünfzehn Jahre.« Sohn
Oldrich dagegen stieg, wenn auch begabt, schon wenige Monate nach Abschluß der dreijährigen
Lehrzeit zum echten Glasbläser auf. »Viel zu schnell«, lautet des Vaters Urteil.
Es ist 5, 45 Uhr, die Hüttensirene ertönt, Zeit, sich den letzten Schlaf aus den Augen zu reiben. Rund
um die beiden Öfen formieren sich die Glasmacher zu Gruppen. Die Träger und Holer, die Bläser, die
Meister. Und schon geht es los. Wer solches nie sah, der kann nun für Stunden staunend zuschauen.
Wie sie zuerst das flüssige Kristall aus den Häfen schöpfen. Wie dann die feuerroten Kugeln hin- und
herirrlichtern und verglühen. Geschickt sind die Männer - es ist, als spielten sie mit Seifenblasen. Kraft
paart sich bei ihrem Handwerk mit viel Gefühl. Flink und ausdauernd drehen sie die Pfeifen, senken sie
dann behutsam in wassergetränkte Buchenholzformen, blähen die Backen und blasen das Glas aus.
Alles greift minuziös ineinander, jeder Handgriff sitzt. Gleich einem zauberhaften, gut geölten
Räderwerk funktioniert die Teamarbeit, ja muß so funktionieren, denn die rasch erstarrende Masse
verlangt Eile. Schon der kleinste Fehler zerstört die Harmonie, den Rhythmus, senkt die
Produktionszahl und kostet damit aller Geld.
Die Glasmeister sitzen unterhalb des Ofenplateaus auf Werkbänken - das ist ihr Privileg. Sie ziehen
Stile, drehen Füße, verzieren, verschönern und geben ganz allgemein den Künstler. Um den Hals tragen
sie ein kleines Blasrohr: es ist Ausweis ihrer Meisterschaft. Über ihnen stehen oder laufen die anderen und zwar ohne Unterlaß. Sie sind es, denen die Hitze wie ein Preisboxer über acht lange Stunden Hieb
auf Hieb versetzt. Unter all denen ist Remsa’s Sohn, der junge Oldrich, die auffälligste Gestalt.
Blondgelockt sein Kopf, milchweiß die Haut, weich, fast kindlich die Gesichtszüge. Bläst er die
Glasmasse zu einer ersten kleinen Kugel, so hebt Oldrich die Pfeife gen Hallendach und mustert mit
kritischem Blick sein Werk. Ein wirklich hübscher Posaunenengel.
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Radek Barborak und seine Mannen, sie arbeiten an Ofen zwei, sind da von anderem Kaliber. Nichts an
denen ist filigran und fein. Muskelbepackt sind die, rauh und kernig, wie ihre Witze. Sie tragen
Räuberzivil: Turnschuhe, kurze Hosen, grellbunte T-shirts und flotte Stirnbänder nach gusto des
tschechischen Eishockeyhelden Hasek. In den Mundwinkeln wippen, am glühenden Kristall
entzündete, Zigarettenkippen. Kiloschwere, farbige Blumenvasen, Schalen und Briefbeschwerer - daran
arbeiten sie sich ab. Nasenflügel gebläht und schweißnaß wie Ackergäule. Aber da kommt schon Irena.
Durst, brüllen die Männer. Durst.
Wie wenig die Leute mit ihrer Knochenarbeit verdienen - darüber wundern sich allen voran die
deutschen Touristen. Sagt Frau Gisela. Auf 600 Kronen, umgerechnet knapp 30 Mark, bringt es ein
Meister an einem guten Tag. Dann stimmte Ist und Soll überein und ergab in der Summe 560 in
Handarbeit hergestellte, hauchdünne Kristall-Sektkelche. »Es ist eine Schande«, sagt Meister Janek,
»aber man bedient sich unserer nicht als Künstler, sondern als Roboter.« So ist es.
Schwankt der Monatsverdienst bei den Männern lediglich zwischen 250 und 500 Mark, so trifft es die
Frauen in der Glashütte noch ärger. Sie werden pauschal nach Stunden bezahlt und bekommen 22,80
Kronen. Das sind, umgerechnet und in Worten: eine Mark und zwanzig Pfennige. Vlasta Dostahlikova,
sie geht Meister Remsa zu Hand, erhält diesen Hungerlohn und auch Anna Kacikova.
Seit 30 Jahren steht die Mutter zweier Kinder an immer gleicher, zugiger Stelle: direkt vor dem
Kühlofen, dort, wo die fertigen Gefäße, noch an der Pfeife hängend, ankommen. Annas Aufgabe ist es,
die Gläser abzuschlagen. Sie bedient sich dazu einer wattierten, langstieligen Gabel und eines
wassergetränkten Holzstabes. Zweimal klopft sie - kurz und gezielt - gegen das noch immer heiße
Kristall und schon lösen sich Sektkelch oder Weinschale von der Pfeife. Anna stellt sie nun auf ein
kleines Fließband. Erneut wird die Materie auf über 500 Grad erhitzt und kühlt dann innerhalb einer
eindreiviertel Stunde langsam aus. »So wird verhindert, daß die Gläser springen. Scherben bringen
überall Glück, nur nicht in einer Glashütte«, doziert Frau Gisela und ruft burschikos: »Weiter
Herrschaften.«
Kappe abschneiden, waschen, polieren, den Trinkrand unter der züngelnden Flamme eines
Bunsenbrenners schmelzen und ihm damit seine Messerschärfe nehmen - vielerlei geschieht noch,
bevor ein Glas verkaufs- und reisefertig verpackt ist. Doch bekommen die Touristen längst nicht alles
zu sehen. Schon gar nicht Vaclav Jiran’s Werkstatt und Lager, wo alle nur erdenklichen Holzformen
nach Schablonenvorgabe gedrechselt, ausgebrannt, ausgekocht und aufbewahrt werden. Das ist ein
Heiligtum besonderer Art, lagern doch hier, mit Seriennummern versehen, nahezu 2000 Werkstücke für
die Produktion verschiedenster Hohlgefäße: Karaffen und Kelche, Schalen und Vasen. Welch schönes,
geschichtsträchtiges Stilleben.
Weiter zurück in die Glanzzeit böhmischer Glaskunst führt in Harrachov nur noch die der Hütte
angegliederte Schleiferei. Da muß man hineingetreten sein. Dahin muß man seine Kinder führen - das
es so etwas noch gibt! Hunderte von Gravur- und Schleifscheiben säumen, fein säuberlich auf
Holzstäbe gesteckt, die Wände des lichtdurchfluteten Raums. Darauf fällt der erste Blick. Schon der
Zweite gilt den Arbeitsplätzen der Graveure. Die Männer hocken, Arme aufgestützt und mit
gekrümmten Rücken, vor Holzbottichen. In den Händen halten sie kleine, mit aufgezeichneten
Mustern versehene, Kristallschalen. Die pressen sie gegen rotierende Scheiben und schleifen so Riefen
und Rillen in das Glas.
Vierzig und mehr Hohl- und Bleikristallgraveure gingen einst in diesem, mittlerweile
denkmalgeschützten und vor genau hundert Jahren eingerichteten, Raum ihrem Beruf - besser - ihrer
Berufung nach. Heutzutage gibt es nur noch für vierzehn Männer Arbeit und wären nicht die
Touristen, vermutlich stände längst die ganze Anlage still. Laut und vernehmlich macht Frau Gisela
ihrem Unmut darüber Luft. »Herrschaften«, ruft sie ihrer Gästeschar zu, »das wäre ein Jammer. So
etwas gibt es nirgendwo mehr auf der ganzen Welt.«
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Was vermutlich stimmt. Allein das komplett aus Holz hergestellte Antriebssystem verschlägt den
Technikgläubigen der Moderne die Sprache. Dabei dürfen sie nichtmal in den Keller, wo die, von einem
kleinen Bach gespeiste, Wasserturbine steht. Sie sorgt für Schwungkraft die über lederne Treibriemen,
mächtige Kurbelwellen, wieder andere, nun kleinere Treibriemen, bis in die Spindel am Arbeitsplatz
geleitet wird. Heissa, wie geschwind sich dort die Stein- und Keramikscheiben unter dem Tropfhahn
drehen und ein Wort wird nun sinnfällig - das »vom letzten Schliff.«
In der hintersten Ecke sitzt einer, der heißt Mathias Fronz und was den angeht, so gehört er, wie auch
das ganze Inventar, in eine andere Zeit. Ja, er weiß schon gar nicht mehr, warum er noch da sitzt.
Gewiß, der Chef hat ihn gebeten, auszuharren und die Jungen anzuleiten. Der Chef schätzt seine
Kunstfertigkeit, seine Erfahrung, die ruhige Hand, das sichere Auge. Nur, leider: es fehlt an
anspruchsvollen Werkstücken. Spaß, nein Spaß macht es Mathias Fronz nicht, »kunstgewerblichen
Kleinkram gleich in Serie« zu produzieren. Oder Schälchen für Kronleuchter. Man wirft doch auch
keine Perlen vor die Säue.
Er steht auf, öffnet das schwere Schloß seiner Arbeitstruhe und holt heraus, was ihm alles bedeutet und
was doch weder Markt noch Käufer findet: eine schwere, mit komplizierten Ornamenten gravierte
Bleikristallvase. Kleine, filigran verzierte Schnapsgläser, in deren eingeschliffenem Dekor sich funkelnd
das Licht bricht. Auch eine mit üppigen Blütenreliefs verzierte Obstschale.
Daran arbeitet Mathias Fronz in seinen Pausen oder nach Feierabend. Voller Hingabe, mit Herz und
Leidenschaft. Seine schweren und doch so geschickten Händen drehen und wenden die Stücke. Immer
wieder. Die Gedanken gehen dabei weit zurück. Zu jenem fernen Vormittag, als er, damals gerade
siebzehn Jahre alt, zum ersten Mal die Schleiferei betrat und sich nicht satt sehen konnte an dem
geschäftigen Treiben. Was war das doch damals für ein Lärm. Und jetzt? »Still wie in einer Kirche.«
Mathias Fronz ist 65. Die Arme, der Rücken, Nacken und Hals - er spürt die Jahre. Nervenschmerzen
plagen ihn des Nachts. Aber mehr als die Arbeit ist ihm nicht geblieben. Er lebt allein, umgeben von
den kleinen Wunderdingen, die er mit seinen Händen schuf. Ein schelmisches Lächeln huscht über
seine Lippen. Gewiß doch, als junger Bursche hatte er bei den Mädchen Glück. Denen machte er
hübsche Geschenke, die bewunderten seine Geschicklichkeit. Und waren ihm gefällig: »Für Nichts«,
sagt Mathias Fronz, »macht selbst das kleine Hühnchen nichts.«
Manches seiner schönen Stücke schenkt er heute den Touristenkindern. Die schauen ihm neugierig bei
der Arbeit zu und zuweilen kommt er sich vor wie ein lebendiges Museumsstück. Ja, so ganz falsch ist
der Eindruck nicht. Frantisek Novosad, seit 1993 Besitzer der Glashütte Harrachov, sieht den
anschwellenden Besucherstrom mit großem Wohlgefallen. Alleine 40000 Touristen kamen im letzten
Jahr in seine Fabrik.
»Nur mit der Glasherstellung«, sagt er, »können wir nicht mehr überleben. In Kroatien und Serbien
entstehen gerade neue Hütten und die werden ihre Waren noch billiger anbieten. Der Preisdruck ist
einfach zu hoch. Deshalb habe ich ein Betriebsgebäude zum Museum umgebaut und mein großer
Traum ist es, der ganzen Anlage eine kleine Brauerei anzufügen.«
Was für ein seltsamer Gedanke. Eine Brauerei. Frantisek Novosad hat schon Pläne zeichnen lassen.
Danach werden die Gäste gemütlich an Tischen sitzen und sie werden - durch hohe Panoramascheiben
- einen Blick hinabwerfen können in die ganz alltägliche Hölle des Glasmacherhandwerks. Meister
Remsa, Meister Janek und all die anderen werden dann wohl immernoch im Angesicht der wütenden
Glut ihre Arbeit verrichten. Mit schweißtriefenden Gesichtern und trockenen Kehlen.
O heilige Irena, hörst du, was sie rufen: Durst. Wir haben Durst.