Franz Schubert am Sendemast

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Das Wochenblatt für Thüringen
2. Jahrgang · 28. Ausgabe · 22. Juli 2016 · www.meinanzeiger.de
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Reisen: Jazz und Jambalaya –
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dieser Au
usgabe.
Franz Schubert am Sendemast
Von Michael Steinfeld
Der gewaltige Flügel steht
völlig unerwartet im Wohnzimmer von Björn Sauer.
Kaum vorstellbar, wie das
Instrument durchs schmale
Treppenhaus die Wendeltreppe hoch in die Wohnung gekommen ist. Hier ist also der
Ort, an dem so intensiv geprobt wird, dass in der Küche
nebenan ganz vergessen der
Kaffee kalt wird. So jedenfalls
lautet die Legende, die dem
Erfurter Liedermacher-Duo
seinen Namen beschert. Tilo
Schäfer bestätigt: „Das ist uns
tatsächlich in einer Woche
viermal passiert.“
„Kalter Kaffee“ geht gerade
ins zwölfte Jahr. Kennengelernt haben sich Sauer
und Schäfer beim Studium.
Schnell bemerkten die Kinder
Eine Besucherin des Gelato-Festivals mit Eis der Sorte „Fonder 90er ihr gemeinsames
dente Cacao S. Domingo“. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert / dpa
Ziel. „Bei 90er-Jahre-Musik ist
alles o.k., so lange man nicht
auf den Text hört“, urteilt der
33-jährige Schäfer. Gute deutsche Lyrik, die unterhält und
zum Nachdenken anregt – die
müsste doch zu schreiben
sein, waren sich beide einig.
Die Deutschen und ihre Lust auf Speiseeis
Sie behielten Recht.
Dem ersten Konzert im
Erfurter Unikum folgten
Ruhrpott, im Rheinland und
Vanille, Schokolade, Stracweitere auf diversen Studenin Bayern.
ciatella? Oder doch lieber
tenfeiern, dann Auftritte im
Erdbeere-Balsamico und Birne
ganzen Land. In der Thürinmit Parmesan? Geht es um
Im Durchschnitt 113 KuSpeiseeis, werden die Kreatio- geln verspeiste jeder Deutsche ger Liedermacherszene sind
die Musikkabarettisten seit
nen immer exotischer. Neun
im Jahr 2015, knapp acht
Jahren eine feste Größe. Auf
Dinge, die man wissen sollte: Liter.
ihrem Youtube-Kanal wurden
die 35 Videos zehntausendDem Wort nach gibt es
In Eisdielen und der Gasfach angeklickt. Mittlerweile
„Speiseeis“ in Deutschland
tronomie selbst hergestelltes
haben die beiden Musiker so
erst seit Beginn der 1930erSpeiseeis hat einen Marktviele Songs geschrieben, dass
Jahre – erstmals geregelt in
anteil von einem Fünftel am
es überfällig ist, ihre vierte CD
der „Speiseeisverordnung“.
deutschen Gesamtkonsum.
aufzunehmen.
Zuvor war gut 120 Jahre lang
„Die Themen für die Lieder
von „Gefrorenem“ die Rede.
Nordeuropäer schlecken
fliegen uns ständig zu. Wir
besonders gern: Die Norwemüssen nur permanent einen
Der Ursprung liegt vermut- ger zum Beispiel verzehren
Stift und einen Zettel haben,
lich in China. Schon vor 3000 doppelt so viel Eis wie die
um sie zu notieren und später
Jahren sollen dort Milch und
Deutschen.
weiterzuverarbeiten“, erklärt
Fruchtsäfte gemischt worden
Tilo Schäfer, der im Kabarett
sein, um eine Art Speiseeis
Trotz aller exotischer
drei Sparten erkennt: Politiherzustellen.
Varianten: Auf der Beliebtsches, Zwischenmenschliches
heitsskala der Deutschen
und das Spiel mit der Spraliegen 2016 weiterhin die
Milch, Eier, Zucker und
Sahne sind in der Regel die
Klassiker vorn – Vanille, Scho- che. „Wir versuchen, alle zu
bedienen.“ Auf der Bühne
Bestandteile von Milcheis. 70 kolade, Erdbeere.
improvisieren sie außerdem
Prozent Vollmilch verlangt
viel, lassen sich Städtenamen
das Lebensmittelrecht.
Zum „Eis des Jahres 2016“
zurufen, zu denen sie dann
wurde die Sorte Pistazie
dichten und musizieren.
Mit mehr als 500 Niedergekürt. Besonders beliebt sei
Björn Sauer, der auch im
die Kombination mit Schoko
lassungen gibt es nirgendwo
Erfurter Kabarett „Die Arche“
oder Haselnuss, teilte der
in Deutschland so viele EisKlavier spielt, bestätigt: „Wir
Verband der italienischen
dielen wie in Berlin. Schwerpunkte gibt es aber auch im
Speiseeishersteller mit. (dpa) mischen ganz gut. Aber jeder
Workshops im Knast, Videos im Netz, Festivals
für die Szene: Das Liedermacher-Duo
„Kalter Kaffee“ will sich nicht festlegen
• Björn Sauer (Klavier)
und Tilo Schäfer (Gitarre)
sind das Liedermacher-Duo
„Kalter Kaffee“.
• Brecht heißt der Pinguin,
der als „Wappentier“ die
Internetseite des Liedermacherduos schmückt:
www.kalter-kaffee.net
• Termin: 7. August, Suhl,
Tierparkfest
• Weitere Infos: Facebook
und www.meinAnzeiger.de
Neue Eiszeit
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Foto: Steinfeld
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kann sich gerne ein Thema
bei uns wünschen, zu dem es
ein Lied geben sollte.“
Musikalisch beschränken
sich die Thüringer ebenfalls
auf keinen Stil. Mit ReggaeKlängen klagen sie über
Marder-Schäden am Auto, mit
Country-Musik bekennen sie
sich zu Kartoffelfeld-Fans. Fast
schon an Franz Schubert erinnert ihre Wander-Ode „Am
Sendemast“, romantisch wird
es in Balladen über das Glück
oder die Liebe. „Wir wollen
uns nicht festlegen, nutzen
die Musik, um die Intention
des Textes zu unterstreichen.
Wenn man sich auf eine gewisse Sparte festlegt, beraubt
man sich an Handlungsfähigkeit“, sagt Schäfer.
Seit acht Jahren bieten sie
Liedermacher-Workshops
für Schüler, Jugendliche,
Migranten, Rentnern oder
Firmen an. Mit dem FriedrichBödecker-Kreis haben sie viele
Projekte realisiert und sogar
schon im Jugendknast mit
Inhaftierten musiziert. „Wer
einsitzt, beschäftigt sich sehr
mit seinem Leben. Das war
immer sehr ergreifend – auch
für uns“, so Björn Sauer.
In sozialen Brennpunkten
haben sie ihre Workshops
gegen Rassismus veranstaltet.
„Wir waren in den Städten,
die jetzt alle in den Nachrich-
ten auftauchen“, sagt Sauer,
der gebürtig aus Gumpelstadt
im Wartburgkreis kommt. Sie
baten die Kinder, ihre Themen für einen Liedtext in den
Hut zu werfen. „Unter den
zehn Zetteln tauchte fünfmal
Deutschland und viermal der
Ortsname auf.“
Beim Thüringer Liedermacher-Festival gehören sie
mittlerweile zur Gruppe
der Gastgeber. „Es ist eine
reichhaltige Szene, aber
sie alle sind nicht so megabekannt“, sagt Björn Sauer. In
Bayern und anderen Ländern,
könnten Liedermacher auch
mal im Fernsehen auftreten,
beobachten sie ein wenig
neidisch. Um dies für Thüringen zu realisieren, mussten
sie schon ein Faschingslied
schreiben, um zumindest
in einer Karnevalssendung
aufzutreten.
Um für die und von der
Musik leben zu können,
unterrichtet Björn Sauer an
drei Tagen die Woche als
Grundschullehrer in Erfurt
und Tilo Schäfer ist wieder
aufs Land bei Hildburghausen
gezogen. Auf Erfolg sind sie
gar nicht aus. Am liebsten
soll alles schön klein, sympathisch und familiär bleiben.
Sauer grient. „Unsere Songs
sind nicht einmal bei der
Gema angemeldet.“
Die thüringische Landeshauptstadt will Lücke endlich schließen
Erfurt arbeitet an Plan für Bewerbung zum Unesco-Weltkulturerbe
Thüringens Unesco-Weltkulturerbe ist in Weimar und
Eisenach zu finden. Nun
hofft die Landeshauptstadt
Erfurt, auch diesen Status für
sein jüdisches Erbe mit der
Alten Synagoge erringen zu
können.
Studenten der Freien Universität Berlin betrachten in der Alten Synagoge Erfurt das Faksimile einer
Thorarolle aus dem 13. Jahrhundert. Die Stadtverwaltung Erfurt arbeitet an ihrer Bewerbung um
die Aufnahme des jüdischen Erbes zum Unesco-Weltkulturerbe.
Foto: Michael Reichel / dpa
Die Stadt Erfurt feilt an den
Details der Bewerbung um die
Aufnahme ihres jüdischen Erbes in das Weltkulturerbe der
Unesco. Gegenwärtig werde
dafür ein Managementplan
erarbeitet, der bis Ende 2017
fertig sein soll, sagt der Kulturdirektor der Stadt, Tobias
Knoblich. Erfurt will die Alte
Synagoge der Stadt und die
Mikwe, ein mittelalterliches
Ritualbad, als Bauwerke von
globaler Bedeutung anerkennen lassen. Die Synagoge
wurde erst Ende der 1990erJahre in der Erfurter Altstadt
wiederentdeckt und gilt als
das älteste bis zum Dach erhaltene jüdische Gotteshaus
Mitteleuropas.
Der Baubeginn der Alten
Synagoge wird auf 1094
datiert. Die Synagoge wurde
für mehrere Millionen Euro
saniert und beherbergt heute
ein Museum mit weltweit
einzigartigen Schätzen.
Erfurt peilt die Aufnahme
der jüdischen Stätten ins
Weltkulturerbe für 2022 an.
Knoblich ist nach eigenen
Worten „ziemlich optimistisch“, dass dies auch gelingt.
„Das gesamte jüdische Erbe ist
beim Weltkulturerbe unterrepräsentiert“, sagte er. Diese
Lücke könne Erfurt schließen.
Mit dem Managementplan
werden Knoblich zufolge die
Grundlagen für die eigentliche Bewerbung um den Status
als Unesco-Weltkulturerbe
gelegt. Unter anderem müsse
die Stadt dort wichtige
Aspekte wie Brandschutz,
Fluchtwege, die Lenkung von
Besuchern sowie den Betrieb
des Kulturerbes darstellen.
„Wenn der Plan fertig ist,
wird das ein richtig dickes
Dokument“, sagte Knoblich.
Er zeigte sich zuversichtlich,
dass die noch verbliebenen
bürokratischen Hürden
rechtzeitig genommen werden können. Die Stadt werde
dabei durch das Land Thüringen und das Auswärtige Amt
unterstützt.
In Thüringen gehören
bereits die Stätten des klassischen Weimar, die Weimarer
Bauhaus-Stätten und die
Wartburg in Eisenach zum
Unesco-Weltkulturerbe. Für
das evangelische Augustinerkloster in Erfurt hat die
Kultusministerkonferenz
einen entsprechenden Antrag
für 2017 gestellt.
(dpa)