Weltklimavertrag – Konsequenzen für die Wirtschaft

Position
Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
Stand: Juli 2016
www.vbw-bayern.de
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Vorwort
Vorwort
Klimaschutzengagement fair und wirtschaftsverträglich realisieren
Der Ende 2015 in Paris beschlossene Weltklimavertrag ist das erste globale Abkommen, das alle Staaten zur Festlegung und Umsetzung nationaler Klimaziele verpflichtet. Hierdurch entscheidet es sich von seinem Vorgänger, dem Kyoto-Protokoll, das nur
für eine kleine Gruppe von Industriestaaten verbindliche Emissionsreduktionsziele vorsah.
In den nächsten Monaten und Jahren wird sich die internationale Staatengemeinschaft
damit befassen, das Pariser Abkommen mit Leben zu füllen und dessen Umsetzung
voranzutreiben.
Bis 2018 sind alle Staaten aufgerufen, Emissionsminderungsziele zu kommunizieren,
die sicherstellen, dass die globale Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius
begrenzt wird. In diesem Kontext ist es wichtig, dass sich alle Staaten, insbesondere
die großen Treibhausgasemittenten, zu angemessenen Klimazielen verpflichten. Ferner sollten sich alle Industriestaaten, aber auch Schwellenländer und der Privatsektor
in adäquater Form an der Klimafinanzierung beteiligen.
Die EU und Deutschland leisten bereits einen entscheidenden Klimabeitrag. Vor diesem Hintergrund dürfen keine verschärften Zielsetzungen oder Verpflichtungen eingegangen werden, die über dem Ambitionsniveau von Staaten mit ähnlich hohem Treibhausgasaufkommen liegen.
Dies gilt es auf nationaler Ebene vor allem bei der aktuellen Erarbeitung des Klimaschutzplans 2050 zwingend zu berücksichtigen. Maßnahmen zu Lasten der deutschen
Industrie, wie erhöhte Klimaauflagen oder die Aufhebung von Entlastungstatbeständen,
müssen abgewendet werden. Denn nur wenn gleiche Rahmenbedingungen für alle
großen Emittenten vorliegen, können Carbon, Job und Investment Leakage in
Deutschland und Europa vermieden werden.
Bertram Brossardt
28. Juli 2016
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Inhalt
Inhalt
1
Kernforderungen .......................................................................................... 1
2
Einleitung ...................................................................................................... 3
2.1
Aktueller Stand des globalen Emissionsaufkommens .................................... 3
2.2
Wissenschaftliches Fundament für Klimaschutz ............................................ 4
3
Historie der internationalen Klimapolitik ................................................... 7
4
Kernpunkte des Weltklimavertrags ............................................................ 9
4.1
Verbindlichkeit der Ergebnisse der 21. UN-Klimakonferenz........................... 9
4.2
Dekarbonisierungsziel (Artikel 2 und 4) ........................................................ 11
4.3
4.3.1
4.3.2
4.3.3
Nationale Klimabeiträge (NDCs) (Artikel 3 und 4) ........................................ 11
Anvisierte nationale Klimabeiträge (INDCs) ................................................. 12
Synthesebericht zum Klimaeffekt der anvisierten nationalen Klimabeiträge 13
Festsetzung der nationalen Klimabeiträge ................................................... 13
4.4
Globale Bestandsaufnahme (Artikel 14) ....................................................... 14
4.5
Internationale Kooperationsmechanismen (Artikel 6) ................................... 14
4.6
Klimaanpassung (Artikel 7) und Umgang mit klimabedingten Schäden und
Verlusten (Artikel 8) ...................................................................................... 15
4.7
Klimafinanzierung (Artikel 9)......................................................................... 15
4.8
Transparenz und Berichterstattung (Artikel 13) ............................................ 17
4.9
Kontrollmechanismus (Artikel 15) ................................................................. 17
4.10
Position der vbw ........................................................................................... 17
5
Umsetzung des Weltklimavertrags ........................................................... 19
5.1
Unterzeichnung und Ratifizierung des Abkommens..................................... 19
5.2
Verhandlungsetappen zur Umsetzung des Abkommens ............................. 20
5.3
Position der vbw ........................................................................................... 21
6
Folgen für die EU und Deutschland.......................................................... 23
6.1
Klima- und Energieziele der EU ................................................................... 23
Inhalt
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6.2
Instrumente zur Erreichung der EU-Klima- und Energieziele ....................... 24
6.3
Klima- und Energieziele Deutschlands ......................................................... 25
6.4
Instrumente zur Erreichung der nationalen Klima- und Energieziele ........... 25
6.5
Position der vbw ........................................................................................... 26
7
Fazit ............................................................................................................. 29
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................. 31
Ansprechpartner / Impressum ...................................................................................... 33
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Kernforderungen
1
1 Kernforderungen
Umsetzung des Weltklimavertrags unter wettbewerbsgerechten Rahmenbedingungen
Die vbw begrüßt den Weltklimavertrag und bekennt sich zu dem Ziel, die globale
Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Um die Einhaltung des Zielkorridors sicherzustellen, müssen sich alle Staaten, insbesondere die großen Treibhausgasemittenten, zu ambitionierten und aufeinander abgestimmten Emissionsreduktionszielen verpflichten.
Die EU und Deutschland leisten bereits einen entscheidenden Klimabeitrag. Eine Verschärfung der europäischen und nationalen Klimaziele darf daher nur auf dem Niveau
anderer Industriestaaten erfolgen. Weitere einseitige Belastungen zu Lasten der Industrie müssen zwingend abgewendet werden. In keinem Fall dürfen Unternehmensstandorte, Arbeitsplätze und Lösungskompetenz in Staaten mit geringeren oder keinen
Klimaschutzauflagen verlagert werden.
Bei der Umsetzung des Abkommens sollte der Etablierung eines transparenten Rechenschaftsrahmens oberste Priorität eingeräumt werden. Dieser muss klare Regelungen für das Messen, Berichten und Verifizieren der zugesagten Klimaschutz-, Anpassungs- und Finanzierungsleistungen definieren. Nur so kann gewährleistet werden,
dass die nationalen Klimabeiträge in ihrer Ambition vergleichbar sind und von den
Staaten umgesetzt werden.
Darüber hinaus gilt es, die Entwicklung eines neuen Marktmechanismus zügig voranzutreiben, der eine kosteneffiziente Erschließung von Minderungspotentialen ermöglicht und erfolgreich zum Technologietransfer beiträgt.
Um das anvisierte ambitionierte Klimafinanzierungsziel in Höhe von 100 Mrd. USDollar pro Jahr zwischen 2020 und 2025 zu erreichen, muss ein für alle Geberländer
durchdachtes und sorgfältig geprüftes sowie gerechtes Finanzierungskonzept entwickelt werden. Auch der Privatsektor und Schwellenländer sollten bei der Klimafinanzierung entsprechend eingebunden werden. Die deutschen Transferleistungen dürfen das
Ambitionsniveau anderer Länder mit ähnlich hohem Treibhausgasaufkommen nicht
überschreiten.
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3
Einleitung
2 Einleitung
Klimaschutzengagement zeigt Wirkung
Zwischen 1990 und 2013 sind die globalen Treibhausgasemissionen um das 1,6-fache
angestiegen. 2014 hat sich dieser Trend trotz eines weltweiten Wirtschaftswachstums
von drei Prozent nicht weiter fortgesetzt.
Laut der Internationalen Energieagentur ist die Höhe der energiebezogenen globalen
CO2-Emissionen in 2014 zum ersten Mal seit 40 Jahren konstant geblieben, ohne dass
dies auf einen Wirtschaftsabschwung zurückzuführen sei. So lagen die energiebezogenen CO2-Emissionen in 2014 wie auch im Vorjahr bei 32,2 Gigatonnen (Gt) CO2.
Für die anvisierte Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius ist
jedoch eine deutlich massivere Trendwende erforderlich. Aus Sicht der Wissenschaft
bedarf es hierfür einer nahezu vollständigen Dekarbonisierung bis zum Ende dieses
Jahrhunderts.
2.1
Aktueller Stand des globalen Emissionsaufkommens
In 2014 wurden, gemäß Angaben des Global Carbon Projects, weltweit 35.890 Millionen Tonnen (Mt) CO2 emittiert. Nahezu die Hälfte des globalen CO2-Aufkommens wurde von drei Staaten ausgestoßen: China, die USA und Indien.
Tabelle 1
CO2-Ausstoß der sechs weltweit größten CO2-Emittenten im Jahr 2014
Rang
Land
CO2-Ausstoß [Mt]
Anteil am globalen CO2Ausstoß [%]
1
China
9.680
27,0
2
USA
5.561
15,5
3
Indien
2.597
7,2
4
Russland
1.595
4,4
5
Japan
1.232
3,4
6
Deutschland
789
2,2
Quelle: Global Carbon Project
4
Einleitung
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Der europäische CO2-Ausstoß ist seit 1990 kontinuierlich gesunken. In 2014 lag er
Angaben der Europäischen Umweltagentur zufolge 23 Prozent unter dem Niveau von
1990.
Deutschland belegt Rang sechs der weltweit größten CO2-Emittenten. Gemäß dem
Umweltbundesamt sind die deutschen Treibhausgasemissionen (neben CO2 sind
hierbei auch andere Kyoto-Gase wie CH4 oder N2O berücksichtigt) in 2014 erstmals
seit drei Jahren gesunken. Mit 901,9 Mt CO2-Äquivalenten (CO2e) lagen die Emissionen in 2014 rund 4,6 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. Gegenüber dem
Referenzjahr 1990 entspricht dies einer Minderung um 27,7 Prozent. Innerhalb der
EU ist Deutschland der größte CO2-Emittent.
Tabelle 2
CO2-Ausstoß der fünf größten CO2-Emittenten in der EU im Jahr 2014
Rang Land
CO2-Ausstoß [Mt]
Anteil am CO2-Ausstoß
der EU [%]
1
Deutschland
789
23,0
2
Großbritannien
428
12,5
3
Italien
331
9,7
4
Frankreich
327
9,6
5
Polen
310
9,1
Quelle: Global Carbon Project
2.2
Wissenschaftliches Fundament für Klimaschutz
Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) fasst im
Rahmen seiner regelmäßig erscheinenden Sachstandsberichte den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand über die globale Klimaerwärmung zusammen.
Gemäß dem fünften Sachstandsbericht, der zwischen September 2013 und November
2014 veröffentlicht wurde, ist für die Sicherung des Zwei-Grad-Ziels eine Emissionsminderung bis 2100 auf nahezu null erforderlich. Bis 2050 wird eine Treibhausminderung um 40 bis 70 Prozent gegenüber 2010 empfohlen.
Zudem wird für die anvisierte Begrenzung der Erderwärmung eine Emissionsobergrenze von 2.900 Gt CO2 benannt. Da bis 2011 bereits zwei Drittel dieses Deckels emittiert
wurden, dürften künftig nur noch 1.000 Gt CO2 freigesetzt werden.
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Einleitung
5
Gleichwohl weist der IPCC darauf hin, dass auch bei einer Einhaltung des Zwei-GradZiels negative Beeinträchtigungen durch den Klimawandel nicht ausgeschlossen werden können. So müssten sich zahlreiche Staaten auf veränderte Lebensbedingungen
einstellen, wie beispielsweise einen wachsenden Migrationsdruck aufgrund der Verschlechterung der Nahrungsmittelversorgung oder des Meeresspiegelanstiegs.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der IPCC, eine geringere Erderwärmung anzustreben. Bis zum Jahr 2018 wird der IPCC einen Bericht zu den Auswirkungen einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad Celsius veröffentlichen. Dieser wird zudem Entwicklungspfade zu den Treibhausgasemissionen aufzeigen, die mit einer solchen Erwärmung
konsistent sind.
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Historie der internationalen Klimapolitik
7
3 Historie der internationalen Klimapolitik
Der lange Weg zu einem völkerrechtlich verbindlichen Weltklimavertrag
In den letzten 25 Jahren wurden zahlreiche Abkommen und Maßnahmenpakete beschlossen. Diese dienten als wichtige Entscheidungsbasis bei den internationalen
Klimaverhandlungen und mündeten Ende vergangenen Jahres im ersten völkerrechtlich verbindlichen Weltklimavertrag.
1992 einigten sich die Vereinten Nationen auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro,
Brasilien, auf die Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on
Climate Change – UNFCCC). Mit deren Unterzeichnung erklären sich die UNFCCCVertragsstaaten dazu bereit, dem vom Menschen verursachten Klimawandel
entgegenzuwirken.
Die UNFCCC trat 1994 in Kraft. Seither finden einmal jährlich die Treffen der
UNFCCC-Vertragsstaaten statt, die auch als UN-Klimakonferenzen oder UNKlimagipfel bezeichnet werden. Bis zum heutigen Zeitpunkt haben 197 Staaten
die UNFCCC ratifiziert.
Das Kyoto-Protokoll wird häufig als Meilenstein der internationalen Klimapolitik bezeichnet. Das 1997 auf der 3. UN-Klimakonferenz in Kyoto, Japan, beschlossene Protokoll sah für 39 Industriestaaten quantitative Emissionsminderungsziele vor. Ziel der
Kyoto-Vertragsstaaten war es, ihre Treibhausgasemissionen zwischen 2008 und 2012
um durchschnittlich 5,2 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Das Protokoll trat
2005 in Kraft.
Seit dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls verlaufen die Verhandlungen auf den UNKlimakonferenzen in zwei parallelen Verhandlungssträngen: dem UNFCCC-Pfad und
dem Kyoto-Pfad. Während auf dem Kyoto-Pfad die Beschlüsse zum Kyoto-Protokoll
verhandelt und ausgearbeitet werden, dient der UNFCCC-Pfad als Plattform für die
Treffen aller Staaten, die die UNFCCC unterzeichnet hatten.
Auf der 15. UN-Klimakonferenz in Kopenhagen, Dänemark, in 2009 sollte ursprünglich
ein internationales Abkommen verabschiedet werden, das das Kyoto-Protokoll ergänzen oder vollständig ablösen sollte. Die Kopenhagener Konferenz scheiterte jedoch am
hohen Erwartungsdruck. Vor diesem Hintergrund wurden die nachfolgenden Klimagipfel genutzt, um ein stabiles Fundament für die Verabschiedung eines internationalen
Abkommens zu schaffen.
2011 wurde auf der 17. UN-Klimakonferenz in Durban, Südafrika, festgelegt, bis 2015
ein rechtlich verbindliches Abkommen auszuarbeiten, das 2020 in Kraft treten soll.
8
Historie der internationalen Klimapolitik
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Um den Zeitraum zwischen dem Auslaufen der ersten Kyoto-Verpflichtungsperiode
(2008 bis 2012) und dem Inkrafttreten des neuen Weltklimavertrages zu überbrücken,
wurde 2012 auf der 18. UN-Klimakonferenz in Doha, Katar, die Verlängerung des
Kyoto-Protokolls um eine zweite Verpflichtungsperiode (2013 bis 2020) beschlossen
(sog. Doha Amendment). Bevor diese Verlängerung in Kraft treten kann, müssen drei
Viertel der Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls (144 der 192 Parteien) diese ratifizieren. Aktuell liegen von 65 Staaten Ratifizierungen vor.
2014 wurden auf dem 20. UN-Klimagipfel in Lima, Peru, mit dem Lima call for climate
action paper die Grundbausteine für den neuen Weltklimavertrag gebildet. Zudem wurden alle Staaten aufgerufen, bis zum Ende des ersten Quartals 2015 ihre anvisierten
Emissionsminderungsbeiträge für die Zeit nach 2020 an das UNFCCC-Klimasekretariat
zu übermitteln.
Um ein Scheitern der 21. UN-Klimakonferenz in Paris, Frankreich, zu verhindern, wurde im Jahresverlauf 2015 kontinuierlich an der Ausgestaltung des Vertragstextes gefeilt. Im Oktober 2015 lag die finale Entwurfsfassung vor, die als Basis für die Pariser
Klimaverhandlungen dienen sollte.
Die Pariser Konferenz startete am 30. November 2015 im Konferenzzentrum im Pariser Vorort La Bourget. Bereits zum Auftakt der Konferenz waren mehr als 150 Staatsund Regierungschefs vor Ort und signalisierten den politischen Willen, eine gemeinsame globale Lösung für den Klimaschutz zu finden.
Präsident und damit Verhandlungsleiter der Pariser Klimakonferenz war der französische Außenminister Laurent Fabius. Die deutsche Bundesregierung wurde seitens
Kanzlerin Angela Merkel, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller vertreten.
Am 12. Dezember 2015 wurde das Pariser Abkommen, der erste völkerrechtlich
bindende Klimavertrag, erfolgreich verabschiedet.
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4
Kernpunkte des Weltklimavertrags
9
Kernpunkte des Weltklimavertrags
Basis für ein neues Verständnis von Klimagerechtigkeit
Kernziel des Weltklimavertrags ist, eine Strategie für den Umgang mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen zu entwickeln. Gleichermaßen soll das Abkommen zu
einer emissionsarmen und nachhaltigen Entwicklung und der Armutsbekämpfung beitragen. Hierbei soll der Fokus vor allem auf den Ländern liegen, die besonders stark
von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.
Zu diesem Zweck werden drei langfristige Ziele anvisiert:
– Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius, wenn möglich
sogar auf 1,5 Grad Celsius
– Erhöhung der Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel
– Bereitstellung von Finanzmitteln für Klimaschutz und -anpassungsaktivitäten
Zur Erreichung dieser Zielsetzungen umfasst der Weltklimavertrag ein umfangreiches
Maßnahmenpaket, das verschiedene Verpflichtungen für die einzelnen Staaten festlegt. Hierbei wird am Leitprinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten festgehalten. Dieser Grundsatz ist in der UNFCCC verankert und drückt aus, dass der Schutz des Klimas zwar eine Gemeinschaftsaufgabe aller Staaten ist, die Industriestaaten aufgrund ihrer historischen Verantwortung für den Klimawandel jedoch weitaus größere Klimaschutzlasten zu tragen
haben, als Entwicklungs- und Schwellenländer.
Im Pariser Abkommen wird dieser Grundgedanke jedoch um die Formulierung angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten ergänzt. Hierdurch wird verdeutlicht, dass alle Staaten in die Verantwortung genommen werden, den nationalen
Umständen allerdings Rechnung getragen wird. Folglich wird die starre Zweiteilung
zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufgehoben.
4.1
Verbindlichkeit der Ergebnisse der 21. UN-Klimakonferenz
Das Abschlussdokument zur 21. UN-Klimakonferenz umfasst insgesamt 31 Seiten.
Das Pariser Abkommen, auch bezeichnet als Weltklimavertrag oder als Paris Agreement, ist als Anhang in dem Dokument enthalten und hat einen Umfang von zwölf
Seiten. Das Abkommen ist völkerrechtlich verbindlich und muss von den jeweiligen
nationalen Parlamenten der Vertragsparteien ratifiziert werden. Seit April 2016 liegt es
auch in deutscher Sprache vor.
Neben dem Abkommen beinhaltet das Abschlussdokument die Beschlüsse der
21. UN-Klimakonferenz. Diese flankieren den Weltklimavertrag und konkretisieren auf
10
Kernpunkte des Weltklimavertrags
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19 Seiten mitunter die Bestimmungen zur Unterzeichnung, Ratifizierung und Umsetzung des Abkommens.
Im Wesentlichen lassen sich folgende zentrale Ergebnisse der 21. UN-Klimakonferenz
festhalten:
– Alle Staaten werden verpflichtet, nationale Klimaziele festzusetzen und Maßnahmen
zu ergreifen, diese zu erreichen.
– Das Ambitionsniveau der nationalen Zielsetzungen soll alle fünf Jahre erhöht
werden.
– Die Fortschritte bei der Implementierung und Zielerreichung müssen in Form von
regelmäßigen Berichten dokumentiert werden.
– Bis 2025 sollen jährlich 100 Mrd. US-Dollar für die Klimafinanzierung bereitgestellt
werden. Für die Zeit ab 2025 soll ein neues Finanzierungsziel festgesetzt werden,
welches die 100-Mrd.-US-Dollar-Marke überschreitet.
– Es soll ein marktbasierter Mechanismus zur Reduzierung der Treibhausgase und
zur Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung etabliert werden.
Tabelle 3 gibt einen Überblick, welche wesentlichen Ergebnisse der Pariser Konferenz
direkt im Abkommen zu finden und damit völkerrechtlich verbindlich sind, und welche
Elemente nicht direkt im Abkommen verankert sind und damit keine Verbindlichkeit
erlangen.
Tabelle 3
Völkerrechtliche Verbindlichkeit der Ergebnisse der 21. UN-Klimakonferenz
Elemente mit verbindlichem Charakter
Elemente ohne Verbindlichkeit
Zwei- bzw. 1,5-Grad-Ziel
Verpflichtung zur Festlegung und Umsetzung nationaler Klimabeiträge
Nationale Klimaziele
(Listung in öffentlichem Register)
Regelmäßige Anpassung der nationalen
Klimabeiträge im Fünf-Jahres-Rhythmus
Möglichkeit zur Nutzung internationaler
Kooperationsmechanismen
Berichterstattung über die Umsetzung der
nationalen Klimabeiträge
Bereitstellung finanzieller Mittel zur Unter- Bereitstellung von 100 Mrd.-US-Dollar pro
stützung der Entwicklungsländer bei KliJahr von 2020 bis 2025 und von mehr als
maschutz und Klimaanpassung
100 Mrd.-US-Dollar pro Jahr ab 2025
(enthalten in den Beschlüssen zur
21. UN-Klimakonferenz)
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Kernpunkte des Weltklimavertrags
11
So steht beispielsweise die Verpflichtung der Staaten, nationale Klimaschutzbeiträge
festzusetzen, zu kommunizieren und weiterzuentwickeln im Pariser Abkommen und ist
damit völkerrechtlich verbindlich. Die Ziele selbst sind jedoch nicht Bestandteil des Abkommens und werden in einem öffentlichen Register gelistet. Folglich haben diese
keinen verbindlichen Charakter und müssen von den Staaten nicht zwingend eingehalten werden. Ebenso ist ein Sanktionierungsmechanismus bei Nichteinhaltung der
selbst gesteckten Minderungsziele nicht vorgesehen. Damit liegt das Klimaschutzengagement auch zukünftig in den Händen der nationalen Regierungen.
Die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei Klimaschutz und Klimaanpassung findet sich im Abkommen selbst und ist damit verbindlich. Die anvisierte Höhe der Klimafinanzierung – 100 Mrd.-US-Dollar pro Jahr von
2020 bis 2025 und mehr als 100 Mrd.-US-Dollar pro Jahr ab 2025 – wird allerdings nur
in den Beschlüssen zur 21. UN-Klimakonferenz genannt.
4.2
Dekarbonisierungsziel (Artikel 2 und 4)
Mit dem Abkommen wird das verbindliche Ziel festgesetzt, die Erderwärmung deutlich
unter zwei Grad Celsius zu halten. Darüber hinaus sollen die Staaten Anstrengungen
unternehmen, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Zur Erreichung dieses Ziels sollen die globalen Emissionen sobald wie möglich ihren
Höhepunkt erreichen. Hierbei wird anerkannt, dass dieser Prozess in Entwicklungsländern mehr Zeit in Anspruch nehmen wird. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sollen
nur noch so viele Treibhausgase emittiert werden, wie durch Treibhausgassenken wieder aufgenommen werden können. Treibhausgassenken sind Reservoirs, die die
Treibhausgase aufnehmen und speichern. Zu den wichtigsten Senken zählen Wälder,
Ozeane und Moore.
4.3
Nationale Klimabeiträge (NDCs) (Artikel 3 und 4)
Das Abkommen verpflichtet alle Staaten, möglichst ambitionierte nationale Absichtserklärungen (Nationally determined contributions – NDCs) festzusetzen und Maßnahmen
zur Erreichung dieser zu ergreifen. Die nationalen Klimabeiträge können neben Klimaschutzzielen auch Anpassungsbedarfe an den Klimawandel definieren und konkrete
politische Instrumente benennen. Während die Industriestaaten aufgefordert sind, sich
zu quantifizierten absoluten Emissionsreduktionszielen zu verpflichten, werden die
Entwicklungsländer zu einer Verstärkung der Minderungsanstrengungen aufgerufen
und ermutigt, mit der Zeit Reduktionsziele festzulegen. Die Klimabeiträge werden in
einem Register erfasst und sind damit nicht Bestandteil des völkerrechtlich verbindlichen Abkommens.
12
4.3.1
Kernpunkte des Weltklimavertrags
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Anvisierte nationale Klimabeiträge (INDCs)
Bereits im Vorfeld der 21. UN-Klimakonferenz in Paris waren alle Staaten aufgefordert,
ihre anvisierten nationalen Minderungsbeiträge (INDCs) an das UNFCCC-Sekretariat
zu kommunizieren. Die INDCs der fünf weltweit größten Emittenten können Tabelle 4
entnommen werden.
Tabelle 4
INDCs der fünf weltweit größten CO2-Emittenten
Land
INDC
China
Minderung der Emissionsintensität bis 2030 um 60 bis 65 Prozent gegenüber 2005, Peak der Emissionen bis spätestens 2030
Zur Erreichung der Ziele soll u. a. die Erhöhung des Anteils nicht-fossiler
Energien am Primärenergieverbrauch bis 2030 auf 20 Prozent sowie die
Implementierung des Emissionshandelssystems in 2017 beitragen.
USA
Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2050 um 26 bis 28 Prozent
gegenüber 2005
Zur Erreichung des Emissionsreduktionsziels soll mitunter der Clean
Power Plan beitragen. Des Weiteren soll der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 auf 20 Prozent erhöht werden.
EU
Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens
40 Prozent gegenüber 1990
Das anvisierte Ziel soll mithilfe der geplanten bzw. bereits umgesetzten
Legislativmaßnahmen des 2020- und 2030-Klima- und Energiepaketes
erreicht werden.
Indien
Minderung der Emissionsintensität bis 2030 um 33 bis 35 Prozent gegenüber 2005, Erhöhung des Anteils nicht-fossiler Energieträger an der
installierten elektrischen Leistung bis 2030 auf 40 Prozent
Zur Erreichung dieses Ziels soll mitunter der Kapazitätsausbau erneuerbarer Energien von derzeit 36 Gigawatt auf 175 Gigawatt bis zum Jahr
2022 beitragen. Darüber hinaus soll die installierte Leistung an Kernkraftwerken bis 2032 von derzeit sechs auf 63 Gigawatt erhöht werden.
Russland
Senkung der Treibhausemissionen bis 2030 um 25 bis 30 Prozent gegenüber 1990
Hierbei soll die Aufnahmekapazität der Wälder maximal angerechnet
werden. Ohne Miteinbezug der Forstwirtschaft repräsentiert diese Zielsetzung eine Emissionsminderung in Höhe von sechs bis elf Prozent
gegenüber 1990.
Quelle: UNFCCC
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Kernpunkte des Weltklimavertrags
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Die derzeit vorliegenden Klimabeiträge differieren in ihrer Ausgestaltung stark und sind
daher nur schwer miteinander zu vergleichen. So werden mitunter unterschiedliche
Basisjahre als Bezugszeitpunkte genannt. Beispielsweise haben die EU und Russland
das Bezugsjahr 1990 gewählt, wohingegen die USA und Kanada das Bezugsjahr 2005
festgesetzt haben. In den meisten Staaten sind die Treibhausgasemissionen seit 1990
angestiegen. Folglich entspricht eine 20-prozentige Treibhausgasreduktion bis 2030,
die sich auf das Jahr 2005 bezieht, in der Regel einer weniger ambitionierten Minderung als eine 20-prozentige Treibhausgasreduktion, die auf das Jahr 1990 Bezug
nimmt. So hat sich beispielsweise Kanada eine Emissionsminderung bis 2030 um 30
Prozent gegenüber 2005 (Höhe der Emissionen: 731 Mt CO2) zum Ziel gesetzt. Dies
entspricht einer Senkung der Emissionen bis 2030 auf ein Niveau von 511 Mt CO2. Bei
der Wahl des Basisjahres 1990 (Höhe der Emissionen: 589 Mt CO2) müssten die
Emissionen bei einer 30-prozentigen Minderung bis 2030 auf 412 Mt CO2 gesenkt werden.
Ein weiterer Aspekt, der eine Vergleichbarkeit der Minderungsbestrebungen erschwert,
ist die Bezugnahme einiger Staaten auf die Emissionsintensität, das heißt die Emissionen gemessen am Bruttoinlandsprodukt, bei der Festsetzung ihrer Emissionsminderungsziele. Durch die Wahl relativer Reduktionsziele, die an das Bruttoinlandsprodukt
geknüpft sind, können die Treibhausgasemissionen in Staaten mit einer stark expandierenden Wirtschaft trotz einer sinkenden Emissionsintensität weiter ansteigen.
4.3.2
Synthesebericht zum Klimaeffekt der anvisierten nationalen Klimabeiträge
Anfang Mai 2016 wurde vom UNFCCC-Sekretariat ein Bericht vorgelegt, der die bis
dato eingereichten angestrebten Klimabeiträge von 189 Staaten analysiert. Diese repräsentieren 95,7 Prozent der globalen Emissionen. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die bislang kommunizierten Beiträge weder zur Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels
noch zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels ausreichen würden. Unter der Annahme der
Umsetzung der angekündigten Klimabeiträge würden die globalen Emissionen bis
2025 auf rund 51 bis 57 Gt CO2e und bis 2030 auf rund 52 bis 59 Gt CO2e ansteigen.
Zu einem ähnlichen Schluss kam eine erste Analyse des UNFCCC-Klimasekretariats,
die Ende Oktober 2015 veröffentlicht wurde. Diese ergab, dass die 147 bis Oktober
2015 eingereichten anvisierten Klimaziele lediglich zu einer Begrenzung der Erderwärmung auf 2,7 Grad Celsius führen würden.
Vor diesem Hintergrund wurden auf der Pariser Klimakonferenz alle Staaten aufgerufen, ihre Klimaschutzbeiträge nachzubessern.
4.3.3
Festsetzung der nationalen Klimabeiträge
Die Festlegung der ersten nationalen Klimabeiträge (NDCs) erfolgt im Zuge der Ratifizierung des Weltklimavertrages. Hierbei wird in der Regel die im Vorfeld durch den
Staat vorgelegte INDC in eine NDC überführt. Die Staaten haben jedoch auch die Mög-
14
Kernpunkte des Weltklimavertrags
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lichkeit, einen neuen nationalen Klimabeitrag zu hinterlegen. Es bleibt abzuwarten,
inwieweit einige Staaten bei der Fixierung der Beiträge ihr Ambitionslevel anheben
oder eventuell sogar senken.
In 2018 soll im Rahmen eines Vereinfachenden Dialogs (facilitative dialogue) eine erste Überprüfung aller bis dato vorgelegten Zielsetzungen sowie eine erste Analyse der
Minderungsfortschritte vorgenommen werden.
Die Ergebnisse des Vereinfachenden Dialogs sollen den Staaten als Entscheidungsbasis bei der Festlegung der nationalen Klimabeiträge in 2020 dienen. In 2020 sollen
Staaten, die bislang nur ein Ziel für das Jahr 2025 festgelegt haben, ihre Zielsetzung
für 2030 mitteilen. Staaten, die bereits ein 2030-Ziel kommuniziert haben, sollen dieses
bestätigen oder aktualisieren. Darüber hinaus sollen die Staaten in 2020 ihre Strategien für darüber hinaus gehende Minderungsanstrengungen vorlegen.
Von 2020 an sollen die nationalen Klimabeiträge im Fünf-Jahres-Rhythmus kontinuierlich fortgeschrieben werden. Nach dem Prinzip der Progression müssen die nachfolgenden Beiträge jeweils ambitionierter sein, als die vorangegangenen.
4.4
Globale Bestandsaufnahme (Artikel 14)
Jeweils zwei Jahre vor dem Zeitpunkt, zu dem die fortgeschriebenen nationalen
Klimabeiträge kommuniziert werden müssen, findet eine globale Bestandsaufnahme
(sog. global stocktake) statt. Diese erfolgt erstmals in 2023 und von dort an alle fünf
Jahre. Der Vereinfachende Dialog in 2018 ist als eine Art vorläufige globale Bestandsaufnahme zu verstehen.
Im Rahmen der Bestandsaufnahme sollen die Implementierung des Abkommens überprüft und die Fortschritte bei der Erreichung der Zielsetzungen in puncto Klimaschutz,
Klimaanpassung sowie finanzieller und technologischer Unterstützung bewertet werden.
Die globale Bestandsaufnahme soll der Unterrichtung der Staaten über den Status Quo
dienen und für diese als Entscheidungsgrundlage bei der Aktualisierung bzw. Nachbesserung der Klimabeiträge fungieren.
4.5
Internationale Kooperationsmechanismen (Artikel 6)
Für die Umsetzung der nationalen Klimabeiträge wird den Staaten die Möglichkeit eingeräumt, internationale Kooperationsmechanismen zu nutzen. Hierfür werden drei Varianten genannt:
– Kooperationsansätze zur gemeinsamen Durchführung von Minderungsmaßnahmen
und dem Transfer der Minderungsergebnisse (Artikel 6 Absatz 2 und 3)
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Kernpunkte des Weltklimavertrags
15
– Marktmechanismus zur Minderung der Treibhausgasemissionen und zur Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung. Die im Rahmen des Mechanismus erzielten
Reduktionen müssen real, messbar, langfristig und zusätzlich sein, sich auf spezifische Aktivitätsbereiche beziehen und von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle
verifiziert und zertifiziert werden (Artikel 6 Absatz 4 bis 7).
– Mechanismus für nicht-marktbasierte Ansätze (Artikel 6 Absatz 8 und 9)
4.6
Klimaanpassung (Artikel 7) und Umgang mit klimabedingten Schäden und
Verlusten (Artikel 8)
Im Hinblick auf den Umgang mit den Klimawandelfolgen wird angestrebt, die Kapazitäten zur Anpassung an den Klimawandel auszubauen, um die Vulnerabilität zu senken
und die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel zu erhöhen. Entwicklungsländer sollen bei der Klimaanpassung besonders unterstützt werden. Hierdurch soll
sichergestellt werden, dass diese durch Anpassungsaktivitäten keine zusätzlichen
Belastungen zu tragen haben.
Darüber hinaus ruft das Abkommen alle Staaten auf, Anpassungspläne zu entwickeln
und diese umzusetzen. In Form einer Anpassungsmitteilung soll regelmäßig über Anpassungsaktivitäten berichtet werden. Die Fortschritte im Bereich der Klimaanpassung
sollen im Rahmen der globalen Bestandsaufnahme (siehe Punkt 4.7) überprüft werden.
Das Anpassungskommittee, das 2010 auf der 16. UN-Klimakonferenz in Cancún,
Mexiko, ins Leben gerufen wurde, soll in 2017 die Reform der anpassungsbezogenen
Prozesse und Gremien vorbereiten und überprüfen, ob die bestehenden Finanzmittel
für die Klimaanpassung dem Anpassungsbedarf entsprechen.
Des Weiteren sieht das Abkommen die Verankerung eines Mechanismus für den Umgang mit klimawandelbedingten Schäden und Verlusten vor. Dieser Mechanismus soll
der Unterstützung armer Länder dienen, beispielsweise durch die Einführung von
Frühwarnsystemen oder einer Notfallvorsorge oder durch die Etablierung von Klimaversicherungen. Gleichwohl wird in den Beschlüssen zur 21. UN-Klimakonferenz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit dem Mechanismus keine Basis für Haftung
oder Schadensersatz geschaffen wird.
4.7
Klimafinanzierung (Artikel 9)
Zur Unterstützung von Entwicklungsländern bei Klimaschutz und –anpassungsaktivitäten, wurde in Paris die Bereitstellung von jährlich 100 Mrd. US-Dollar zwischen
2020 und 2025 seitens der Industriestaaten beschlossen.
Um sicherzustellen, dass die anvisierte Finanzsumme ab 2020 tatsächlich bereitgestellt wird, ruft das Abkommen die Industriestaaten auf, ihre finanzielle Unterstützung
zu erhöhen und zeitnah einen konkreten Fahrplan vorzulegen. Zudem müssen alle
zwei Jahre Informationen zu den bereits geleisteten und zugesagten Finanzmitteln
16
Kernpunkte des Weltklimavertrags
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
bereitgestellt werden. Schwellen- und Entwicklungsländer sind eingeladen, auf freiwilliger Basis einen Beitrag zu leisten.
In 2025 soll ein neues kollektives Finanzierungsziel für die Zeit ab 2025 beschlossen
werden, welches über die 100 Mrd.-US-Dollar-Marke hinausgehen soll. Fraglich ist, wie
dieses noch ambitioniertere Ziel erreicht werden kann, da derzeit nicht bekannt ist, wie
die anvisierte jährliche Bereitstellung der 100 Mrd. US-Dollar ab 2020 realisiert werden
soll.
Als zentrales Instrument für die Klimaanpassung fungiert der Green Climate Fund. Dieser wurde 2010 auf der 16. UN-Klimakonferenz in Cancún, Mexiko, ins Leben gerufen.
Der Fonds sitzt in Songdo, Südkorea, und wird von einem 24-köpfigen Gremium unter
den beiden Kovorsitzenden Ewen McDonald und Zahee Fakir geleitet. Das Gremium
tritt drei Mal pro Jahr zusammen.
Der Green Climate Fund soll einen wesentlichen Anteil der 100 Mrd. US-Dollar verwalten, die ab 2020 von den Industriestaaten jährlich für Klimaaktivitäten in Entwicklungsländern bereitgestellt werden.
Ende 2014 erreichte der Fonds die anvisierte Erstausstattung in Höhe von 10 Mrd. USDollar, um erste Projekte fördern zu können. Bislang haben 42 Staaten, drei Regionen
und eine Stadt Finanzierungszusagen zum Green Climate Fund abgegeben. Das
Fondsvolumen bemisst sich derzeit auf 10,3 Mrd. US-Dollar.
Die Mittel des Fonds sollen im Verhältnis 50 zu 50 in Klimaschutz- bzw. Klimaanpassungsmaßnahmen fließen, wobei 50 Prozent der Anpassungsgelder für die ärmsten
bzw. am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder bestimmt sind.
Die durch den Fonds finanzierten Projekte sollen durch fachkundige Institutionen beauftragt werden. Mittels eines strengen Akkreditierungsverfahrens für entsprechende
Organisationen soll die Einhaltung treuhänderischer, sozialer und ökonomischer Standards gewährleistet werden. Um die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer zu
stärken, ist angedacht, den ansässigen Institutionen einen direkten Mittelzugang zu
ermöglichen.
Bislang wurden 33 Institutionen akkreditiert, darunter die deutsche Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW), die Asiatische Entwicklungsbank, das UN-Entwicklungsprogramm, das United Nations Environment Programme, die Weltbank, die Europäische
Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie die Deutsche Bank AG.
Im November 2015 wurden die ersten acht Projekte des Green Climate Fund mit Zuschüssen in Höhe von 168 Mio. US-Dollar genehmigt, darunter auch ein Projekt der
KfW. Die bewilligten Projekte zielen vor allem auf Maßnahmen zur Klimaanpassung
ab (z. B. Errichtung von Flutschutzbauen, klimaangepasstes Wassermanagement,
Informations- und Warnsysteme zu Klimarisiken). Im Bereich Klimaschutz wurde ein
Projekt der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) genehmigt. Dieses sieht die
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Kernpunkte des Weltklimavertrags
17
Gründung eines Programms für grüne Anleihen für Energieeffizienzprojekte in Lateinamerika und der Karibik vor.
Für das Jahr 2016 wurden bislang Projektvorschläge in Höhe von 1,5 Mrd. US-Dollar
eingereicht. Auf der 13. Sitzung des Green Climate Fund-Direktoriums Ende Juni 2016
wurden die ersten neun Projekte für das Jahr 2016 mit einem Volumen in Höhe von
257 Mio. US-Dollar bewilligt. Insgesamt sollen in 2016 Zuschüsse in Höhe von 2,5 Mrd.
US-Dollar ausgeschüttet werden.
4.8
Transparenz und Berichterstattung (Artikel 13)
Zur Sicherstellung und Überprüfung der tatsächlichen Fortschritte bei der Umsetzung
des Abkommens, sieht der Weltklimavertrag einheitliche Transparenzregeln und Berichtspflichten vor.
Im Einzelnen sollen die Staaten in einem zweijährigen Turnus über den Umfang und
die Zusammensetzung ihrer Treibhausgasemissionen sowie die erzielten Erfolge im
Hinblick auf die anvisierte Emissionsminderung berichten. Darüber hinaus soll über
geplante oder umgesetzte Klimaanpassungsmaßnahmen und gegebenenfalls Unterstützungsbedarf in diesem Bereich informiert werden. Des Weiteren soll eine Berichterstattung zu gewährter bzw. erhaltener Unterstützung in Form von Finanzmitteln,
Technologien und Kapazitätsaufbau erfolgen.
Hierbei sollen Entwicklungsländer, denen es derzeit noch an Kapazitäten für ein entsprechendes Monitoringsystem mangelt, beim Aufbau eines solchen Systems unterstützt werden.
Die nationalen Berichte fließen in die globale Bestandsaufnahme (siehe Punkt 4.4) ein.
4.9
Kontrollmechanismus (Artikel 15)
Zur Förderung der Einhaltung der Vorgaben des Weltklimavertrages soll ein Ausschuss
eingerichtet werden, der einen vermittelnden Charakter hat und in einer transparenten,
nicht streitig angelegten und nicht auf Strafen ausgerichteten Weise handelt.
Im Wesentlichen baut der Vertrag jedoch auf die anvisierten Transparenzregeln, um
die Erfüllung der Verpflichtungen sicherzustellen. Der drohende Verlust von Glaubwürdigkeit sowie politischem und diplomatischem Ansehen soll die Staaten zur Pflichterfüllung motivieren.
4.10 Position der vbw
Die vbw begrüßt den Weltklimavertrag und bekennt sich zu dem Ziel, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Ebenso wird begrüßt, dass das
18
Kernpunkte des Weltklimavertrags
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Abkommen alle Staaten zur Festlegung und Umsetzung nationaler Klimaziele verpflichtet.
Zu einer weltweiten Klimagerechtigkeit ist es jedoch noch ein weiter Weg. So sind die
Klimaziele selbst nicht verbindlich. Zudem gibt es keinen Sanktionsmechanismus, der
bei Nichteinhaltung der Klimabeiträge greift. Damit liegt das Klimaschutzengagement
auch zukünftig in den Händen der nationalen Regierungen.
Die EU und Deutschland leisten bereits einen entscheidenden Klimabeitrag. Die europäischen und deutschen Unternehmen unterliegen schon heute strengen Anforderungen und hohen Einsparzielen.
Staaten mit weniger ambitionierten Klimazielen sind nun aufgerufen, das Ambitionsniveau ihrer Klimabeiträge anzuheben. Denn die bislang vorliegenden Klimaziele
reichen für eine Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels nicht aus.
Nur wenn angemessene und vergleichbare Zielsetzungen vorliegen, können Carbon,
Job und Investment Leakage verhindert werden. Und nur unter dieser Voraussetzung
können die EU, Deutschland und Bayern einen wirtschaftsverträglichen Beitrag zum
Klimaschutz leisten.
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
5
Umsetzung des Weltklimavertrags
19
Umsetzung des Weltklimavertrags
Rahmen für transparente und faire Lastenverteilung schaffen
Grundsätzlich ist das Pariser Abkommen nicht als globale Zielsetzung zu verstehen,
sondern vielmehr als eine Strategie zur Treibhausgasminderung, die es zu erarbeiten
und kontinuierlich weiterzuentwickeln gilt.
In diesem Kontext müssen in den nächsten Monaten und Jahren zahlreiche Richtlinien,
Leitfäden und Prozesse zur Umsetzung des Abkommens definiert werden.
5.1
Unterzeichnung und Ratifizierung des Abkommens
Am 22. April 2016 fand in New York eine offizielle Zeremonie zur Unterzeichnung des
Abkommens statt. In deren Rahmen signierten 174 Staaten und die EU den neuen
Weltklimavertrag. 15 Staaten, darunter viele kleine Inselstaaten, die besonders vom
Klimawandel betroffen sind, hinterlegten in diesem Zuge bereits ihre Ratifikationsurkunden. Das Pariser Abkommen liegt noch bis zum 21. April 2017 zur Zeichnung auf.
Mit der Unterzeichnung des Abkommens stellen die Vertragspartner ihre Zustimmung
zu den Vertragsinhalten fest. Im Gegensatz zur Ratifikation des Abkommens, die zur
völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Vertrags führt, ist die Unterzeichnung eher als
symbolischer Akt zu verstehen.
Das Pariser Klimaabkommen tritt am 30. Tag in Kraft, nachdem es von mindestens
55 Staaten ratifiziert wurde, die mindestens 55 Prozent der globalen Emissionen abdecken. Aktuell (Stand: 13. Juli 2016) liegen die Ratifizierungen von 19 Staaten vor.
Diese sind für 0,18 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich.
Der aktuelle Ratifizierungsstand kann unter folgender Webseite eingesehen werden:
http://unfccc.int/2860.php
Die EU und ihre Mitgliedsstaaten ratifizieren das Abkommen gemeinsam. Die Ratifizierung des Abkommens muss vom EU-Rat beschlossen werden.
Am 10. Juni 2016 hat die EU-Kommission dem Rat und dem Parlament einen Vorschlag für einen Ratsbeschluss zur Ratifizierung des Abkommens vorgelegt. Der Rat
kann denn Beschluss erst dann annehmen, wenn das EU-Parlament seine Zustimmung zur Ratifizierung erteilt hat.
Zudem müssen die Parlamente aller 28 Mitgliedsstaaten der EU der Ratifizierung zustimmen.
20
Umsetzung des Weltklimavertrags
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Einige Mitgliedsstaaten haben bereits ihre nationalen Ratifizierungsprozesse
eingeleitet bzw. abgeschlossen. Das deutsche Bundeskabinett hat am 06. Juli 2016
den Gesetzesentwurf zur Ratifizierung des Weltklimavetrags beschlossen. Nach der
Sommerpause werden sich der Bundestag und der Bundesrat mit dem Entwurf
befassen.
Gleichwohl wird der Ratifizierungsprozess in den einzelnen Mitgliedsstaaten wohl längere Zeit in Anspruch nehmen. Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass
das Pariser Abkommen noch in diesem Jahr seitens der EU ratifiziert wird.
Die drei größten Treibhausgasemittenten, China, die USA und Indien, stellten eine Ratifizierung des Abkommens noch in diesem Jahr in Aussicht. Alleine mit der Ratifikation
dieser drei Staaten wären bereits rund 49,7 Prozent der globalen Emissionen abgedeckt.
5.2
Verhandlungsetappen zur Umsetzung des Abkommens
Auf der Bonner Klimakonferenz (16. bis 26. Mai 2016), dem G7-Gipfel in Ise-Shima,
Japan (26./27. Mai 2016) sowie dem Peterberger Klimadialog (03. bis 05. Juli 2016)
wurden erste Schritte zur Umsetzung des Pariser Abkommens eingeleitet.
In Ise-Shima sicherten die G7-Staaten zu, das Abkommen schnellstmöglich zu ratifizieren, um noch in diesem Jahr ein Inkrafttreten zu ermöglichen. Darüber hinaus bestätigten die G7-Staaten in Japan das Ziel, eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft
anzustreben. Sie einigten sich auf das Jahr 2025 als Frist für die Abschaffung ineffizienter Subventionen für die fossilen Brennstoffe Öl, Kohle und Gas.
Nicht zuletzt verständigten sich die G7-Staaten darauf, ihre Fahrpläne zur Treibhausgasminderung bis 2050 bereits deutlich vor 2020 vorzulegen. Die USA und Kanada
kündigten an, ihre 2050-Dekarbonisierungspläne noch in 2016 zu kommunizieren.
Auf der Bonner Klimakonferenz standen vor allem die technischen Details der Beschlüsse des 21. UN-Klimagipfels im Fokus. Diskutiert wurde mitunter, inwieweit die
Aspekte Klimaanpassung und Klimafinanzierung in die nationalen Klimabeiträge der
Staaten integriert werden sollen. Ferner wurde von den Entwicklungsländern abgefragt,
welche Erwartungen sie an die Klimafinanzierungs-Fahrpläne stellen, die von den Industrieländern vorgelegt werden sollen.
Wichtigster Impuls auf dem Petersberger Klimadialog war die Ankündigung Deutschlands zur Initiierung einer globalen Partnerschaft. Diese soll Entwicklungsländer bei der
Konkretisierung und Umsetzung ihrer Klimaschutzpläne unterstützen. Ferner kündigte
Kanzlerin Angela Merkel an, dass Deutschland den Weltklimavertrag noch in diesem
Jahr ratifizieren werde.
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Umsetzung des Weltklimavertrags
21
Die 22. UN-Klimakonferenz findet vom 07. bis 18. November 2016 in Marrakesch,
Marokko, statt. Der Fokus der Konferenz wird insbesondere auf der Strukturierung des
Verhandlungsprozesses zu den umfangreichen Umsetzungsbestimmungen des Weltklimavertrages liegen.
So soll unter anderem mit der Ausgestaltung der Berichte über die Klimafinanzierung
begonnen werden. Ferner wird die Konkretisierung des Mechanismus für den Umgang
mit klimabedingten Verlusten und Schäden anvisiert.
5.3
Position der vbw
Mit dem Weltklimavertrag wurde das Rahmengerüst für ein neues Verständnis von
Klimagerechtigkeit etabliert. Diesen Rahmen gilt es in den kommenden Monaten und
Jahren auszufüllen.
Mitunter muss das Rahmenwerk für das Messen, Berichten und Verifizieren der zugesagten Klimaschutz-, Anpassungs- und Finanzierungsleistungen definiert werden.
Ebenso gilt es, den Prozess bzw. Mechanismus für die globale Bestandsaufnahme
zu konkretisieren und das Register für die nationalen Klimabeiträge aufzubauen.
Auch die anvisierten internationalen Kooperationsmechanismen gilt es zu spezifizieren.
Bei der Entwicklung des angestrebten marktbasierten Mechanismus empfiehlt es sich,
an die Erfahrungen anzuknüpfen, die mit den Instrumenten Clean Development
Mechanism und Joint Implementation gesammelt wurden. Die beiden Mechanismen
wurden in der ersten Kyoto-Verpflichtungsperiode geschaffen und trugen sowohl zur
Emissionsminderung als auch zum Technologietransfer erfolgreich bei.
Ferner ist zu überprüfen, ob und wie die von den Industriestaaten zugesagten jährlichen Aufwendungen in Höhe von 100 Mrd. US-Dollar ab 2020 tatsächlich erbracht
werden können und welche Summe de facto benötigt wird. Es gilt, ein für alle Geberländer durchdachtes und sorgfältig geprüftes sowie gerechtes Finanzierungskonzept
zu entwickeln. Auch der Privatsektor und Schwellenländer sollten bei der Klimafinanzierung entsprechend eingebunden werden. Die deutschen Transferleistungen dürfen
das Ambitionsniveau anderer Länder mit ähnlich hohem Treibhausgasaufkommen
nicht überschreiten.
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
6
Folgen für die EU und Deutschland
23
Folgen für die EU und Deutschland
Klimapolitisches Engagement wirtschaftsverträglich gestalten
Die Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz haben in zahlreichen Staaten eine Debatte
über das Ambitionsniveau des derzeitigen Klimaschutzengagements sowie über potentielle Verschärfungen der Klimaziele ausgelöst.
Beispielsweise hat die französische Regierung im Mai 2016 angekündigt, ab 2017
einen nationalen CO2-Mindestpreis in Höhe von 30 Euro pro Tonne für den französischen Energiesektor einzuführen. Die Details zur Ausgestaltung der Maßnahme sollen
im Herbst 2016 vorgelegt werden. Nach derzeit vorliegenden Informationen soll, ähnlich wie in Großbritannien, ergänzend zum EU-Emissionshandelssystem eine CO2Steuer eingeführt werden. Hierbei soll die Höhe der Steuer der Differenz zwischen dem
Preis für das EU-Emissionshandelszertifikat und dem anvisierten Mindestpreis entsprechen.
Auch auf EU-Ebene wurde Anfang 2016 intensiv diskutiert, ob und inwieweit die klimaund energiepolitischen Zielsetzungen der EU aufgrund des neuen Weltklimavertrages
verschärft werden müssen. Letztlich bestätigte die EU-Kommission im März 2016
jedoch, an der derzeitigen Zielsetzung festzuhalten.
Die EU hat im Rahmen ihres anvisierten Klimabeitrags (INDC) angekündigt, ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Diese Zielsetzung basiert auf einem Beschluss des EU-Rates vom Oktober 2014, der den Rahmen
für die EU-Klima- und Energiepolitik für den Zeitraum 2020 bis 2030 vorgibt.
6.1
Klima- und Energieziele der EU
Neben dem Treibhausgasminderungsziel in Höhe von mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 hat sich die EU für das Jahr 2030 folgende Ziele gesetzt.
− Steigerung des Anteils der Erneuerbaren Energien an der Energieversorgung auf
mindestens 27 Prozent bis 2030
− Senkung des Primärenergieverbrauchs gegenüber dem für 2030 prognostizierten
Niveau um mindestens 27 Prozent.
Die Zielsetzungen für das Jahr 2020 wurden bereits 2008 mit dem Klima- und Energiepaket 2020 festgelegt. Hierin einigten sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine Treibhausgasreduktion um mindestens 20 Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990, eine
Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien auf 20 Prozent sowie eine 20-prozentige
Senkung des Primärenergieverbrauchs gegenüber dem für 2020 prognostizierten
Niveau.
24
Folgen für die EU und Deutschland
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Für den Fall, dass sich andere Industrienationen zu vergleichbaren Emissionsreduktionen verpflichten und Entwicklungsländer ebenfalls einen angemessen Beitrag leisten,
stellte die EU eine Anhebung des 2020-Treibhausgasminderungsziels auf 30 Prozent
in Aussicht.
6.2
Instrumente zur Erreichung der EU-Klima- und Energieziele
Zur Erreichung der angestrebten Treibhausgasreduktion sollen die Emissionen der
Sektoren, die dem EU-Emissionshandel unterliegen, bis 2030 um 43 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2005 gesenkt werden. Die Emissionen der nicht-emissionshandelspflichtigen Sektoren sollen bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2005 reduziert
werden.
Das EU-Emissionshandelssystem regelt die Emissionen der energieintensiven Industrie und des Stromsektors. Aktuell wird die vierte Emissionshandelsperiode vorbereitet.
Zur Ausgestaltung der neuen Handelsperiode, die in 2021 startet, wird derzeit die EUEmissionshandelsrichtlinie revidiert. Diese bildet den Kern des regulativen Rahmens
des Handelssystems.
Ein erster Vorschlag zur Revision der Richtlinie wurde bereits im Juli 2015 von der EUKommission vorgelegt. Dieser Vorschlag wird aktuell vom EU-Parlament und dem EURat beraten.
Wesentliche Diskussionspunkte der Richtlinienrevision sind:
− die Höhe des linearen Kürzungsfaktors, um den das Gesamtbudget an
Emissionsberechtigungen jährlich gekürzt werden soll
− die Höhe und die Berechnung der kostenfrei zugeteilten Emissionszertifikate
− die Methodik zur Ermittlung des Carbon Leakage-Risiko der jeweiligen Sektoren.
Als Instrument für die Erreichung der anvisierten Treibhausgasminderung in den nichtemissionshandelspflichtigen Sektoren (z. B. Gebäude, Verkehr, Abfall und Landwirtschaft) dient die sog. Entscheidung zur Lastenverteilung (Effort Sharing Decision). Mit
dieser wird für jeden Mitgliedsstaat ein individuelles nationales Ziel für die Treibhausgasminderung in den Nicht-Emissionshandels-Sektoren festgesetzt.
Im Juli 2016 soll ein Vorschlag für die Lastenverteilung für die Periode 2021 bis 2030
vorgelegt werden.
Nicht zuletzt soll in 2016 diskutiert werden, inwieweit der Bereich Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) als Instrument zur Erreichung des
Treibhausminderungsziels dienen kann. Hierzu hat beispielsweise Polen vorgeschlagen, Gutschriften aus Treibhausgassenken in das EU-Emissionshandelssystem aufzunehmen.
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Folgen für die EU und Deutschland
25
Um die Erreichung des Erneuerbaren-Energien- und Energieeffizienzziels sicherzustellen, sollen in 2016 ein Vorschlag zur Revision der EU-Energieeffizienz-Richtlinie sowie
ein Erneuerbare-Energien-Paket vorgelegt werden.
Darüber hinaus soll in 2016 ein neues Governance-System geschaffen werden. Nach
diesem soll jeder Mitgliedstaat einen nationalen Plan erstellen, der darlegt, mit welchen
energie- und klimapolitischen Maßnahmen der landesspezifische Treibhausgasausstoß
gemindert, der Ausbau der Erneuerbaren Energien gesteigert, die Energieeffizienzbemühungen verstärkt und gleichzeitig Versorgungssicherheit gewährleistet werden
kann.
6.3
Klima- und Energieziele Deutschlands
Deutschland verfolgt das Ziel, seine Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens
40 Prozent, bis 2030 um mindestens 55 Prozent, bis 2040 um mindestens 70 Prozent
und bis 2050 um mindestens 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.
Darüber hinaus soll der Primärenergieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent und bis 2050
um 50 Prozent gegenüber 2008 gesenkt werden. Die auf den Endenergieverbrauch
bezogene Energieproduktivität soll jährlich um 2,1 Prozent ansteigen.
Ferner soll der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch in
2020 bei 18 Prozent und in 2050 bei 60 Prozent liegen. Der Erneuerbare-EnergienAnteil am Bruttostromverbrauch soll in 2020 35 Prozent und in 2050 80 Prozent
betragen.
6.4
Instrumente zur Erreichung der nationalen Klima- und Energieziele
Um sicherzustellen, dass das 2020-Ziel erreicht wird, wurde im Dezember 2014 das
Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 beschlossen. Mit dem Programm werden mögliche Potenziale und Handlungsfelder sektorspezifisch analysiert und Maßnahmen benannt, die bis 2020 umgesetzt werden sollen. Als zentrale Maßnahme zur Steigerung
der Energieeffizienz wurde ebenfalls im Dezember 2014 der Nationale Aktionsplan
Energieeffizienz (NAPE) verabschiedet.
Die Minderungsbeiträge der jeweiligen Sektoren können Tabelle 5 entnommen werden.
26
Folgen für die EU und Deutschland
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Tabelle 5
Anvisierte Minderungsbeiträge der Sektoren
Sektor
Anvisierte Treibhausgasminderung
Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz
ca. 25 – 30 Mio. t CO2e
Klimafreundliches Bauen und Wohnen
ca. 5,7 – 10 Mio. t CO2e
Verkehr
ca. 7 – 10 Mio. t CO2e
Nicht energiebedingte Emissionen in:
– Industrie, GHD und Abfallwirtschaft
– Landwirtschaft
ca. 3 – 7,7 Mio. t CO2e
3,6 Mio. t CO2e
Reform des EU-Emissionshandels
Je nach Ausgestaltung auf EU-Ebene
Weitere Maßnahmen, insbesondere im
Stromsektor
22 Mio. t CO2e
Für die Zeit nach 2020 wird derzeit der Klimaschutzplan 2050 erarbeitet. Dieser wird
Maßnahmen definieren, mit denen die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2050
um mindestens 80 bis 95 Prozent unter das Niveau von 1990 gesenkt werden sollen.
Die Ausarbeitung eines entsprechenden Strategiepapiers wurde bereits im Koalitionsvertrag der aktuellen Legislaturperiode festgeschrieben.
Die jüngste inoffizielle Entwurfsfassung des Klimaschutzplans mit Stand vom 21. Juni
2016 enthält ein umfangreiches Maßnahmenpaket für die Handlungsfelder Energiewirtschaft, Industrie und Wirtschaft, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Landnutzung und Forstwirtschaft.
Der Klimaschutzplan 2050 soll nach der Sommerpause beschlossen werden. Das Kabinett wird sich voraussichtlich im September 2016 mit dem Plan befassen.
6.5
Position der vbw
Die EU und Deutschland leisten bereits heute einen entscheidenden Klimabeitrag. Eine
Verschärfung der europäischen und nationalen Klimaziele darf nur auf dem Niveau
anderer Industriestaaten erfolgen.
Einen nationalen Alleingang sowie weitere einseitige Belastungen der Industrie, insbesondere Wettbewerbsverzerrungen im globalen Vergleich, gilt es zwingend abzuwenden. Dies muss bei der Erarbeitung des Klimaschutzplan 2050 dringend berücksichtigt
werden. Die Instrumente und Maßnahmen, die das Strategiepapier letztlich definieren
wird, dürfen nicht zu unverhältnismäßig hohen Belastungen für die Unternehmen und
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Folgen für die EU und Deutschland
27
damit verbunden zu einer Verlagerung von Unternehmensaktivitäten ins Ausland führen.
Die anvisierte weitgehende Treibhausgasneutralität in nahezu allen Sektoren kann,
wenn überhaupt, nur mit einem umfangreichen sozial-kulturellen Wandel erzielt werden. Entscheidende Grundlage hierfür ist vor allem eine funktionierende Wirtschaft,
die die erforderlichen Technologien bereitstellt und die Umstrukturierungen realisiert.
Daher gilt es zwingend, aktuell gültige Ausnahmetatbestände für die Industrie auch
weit über 2020 hinaus aufrecht zu erhalten. Denn nur so kann Carbon und Job
Leakage effektiv vermieden und das Langfristziel des Klimaschutzplans erreicht
werden.
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
7
Fazit
29
Fazit
Gerechte und transparente Umsetzung des Weltklimavertrags vorantreiben
Mit dem neuen Weltklimavertrag wurde das erste völkerrechtlich verbindliche Klimaabkommen verabschiedet, das gleichermaßen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer, entsprechend ihrer Möglichkeiten in die Pflicht nimmt. Hierdurch wurde die
starre Zweiteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufgehoben.
Den hiermit in Paris geschaffenen Rahmen für ein neues Verständnis für Klimagerechtigkeit gilt es in den nächsten Monaten und Jahren auszufüllen. Hierfür bedarf es zunächst einer Konkretisierung der einzelnen Ausführungsbestimmungen des Abkommens.
Für eine gerechte und transparente Verteilung der Klimaschutzmaßnahmen und für
eine Einhaltung der langfristigen Ziele des Abkommens sind bei der Umsetzung des
Weltklimavertrags folgende Elemente entscheidend:
– Die verbindlichen Vorgaben des Abkommens müssen von allen Staaten umgesetzt
werden.
– Alle Staaten, insbesondere die großen Treibhausgasemittenten, müssen sich zu
ambitionierten und aufeinander abgestimmten Klimazielen verpflichten.
– Es gilt einen transparenten Rechenschaftsrahmen zur Überprüfung und Sicherstellung der Vergleichbarkeit und die Durchführung der angekündigten nationalen Minderungs- und Unterstützungsmaßnahmen zu entwickeln.
– Alle Industriestaaten müssen einen adäquaten Beitrag zu Klimafinanzierung leisten.
Auch Schwellenländer und der Privatsektor sollten sich bei der Klimafinanzierung
beteiligen.
Die EU und Deutschland leisten bereits einen entscheidenden Klimabeitrag. Vor diesem Hintergrund dürfen keine verschärften Zielsetzungen oder Verpflichtungen eingegangen werden, die über dem Ambitionsniveau von Staaten mit ähnlich hohem Treibhausgasaufkommen liegen.
Denn nur wenn gleiche Rahmenbedingungen für alle großen Emittenten vorliegen,
können Carbon, Job und Investment Leakage in Deutschland und Europa vermieden
werden.
Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
CDM
Clean Development Mechanism
CO2e
CO2-Äquivalente
Gt
Gigatonnen
INDC
Intended Nationally Determinded Contribution
IDB
Interamerikanische Entwicklungsbank
IPCC
Intergovernmental Panel on Climate Change
JI
Joint Implementation
LULUCF
Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft
Mio.
Millionen
Mrd.
Milliarden
Mt
Millionen Tonnen
NAPE
Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz
NDC
Nationally Determinded Contribution
UNFCCC
United Nations Framework Convention on Climate Change
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Position – Weltklimavertrag –
Konsequenzen für die Wirtschaft
vbw – Juli 2016
33
Ansprechpartner / Impressum
Ansprechpartner
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co2ncept plus – Verband der
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