Guerilla-Gärtner Maurice Maggi: Der Blumenrebell

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Guerilla-Gärtner Maurice Maggi
Der Blumenrebell
von Beat Grossrieder / 16.7.2016, 05:30 Uhr
Weil er heimlich Samen streut, erblühen in Zürich Malven und andere PNanzen: Maurice Maggi schärft unseren Blick
auf die Stadtnatur und kämpft für mehr Grün im Grau.
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Ein Wegbereiter des Urban Gardening: Maurice Maggi. (Bild: Dominic Steinmann / NZZ)
«Blühten in Zürich früher die Linden, setzte die Stadt ein Inserat ins
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‹Tagblatt›, um der Bevölkerung mitzuteilen, sie könne die Blüten
ernten und bei der Verwaltung gratis Hochstammleitern ausleihen.»
Maurice Maggi schmunzelt, als er dieses Beispiel erzählt; es stammt
aus seiner Jugendzeit, Anfang der sechziger Jahre wird es gewesen sein.
Der 1955 Geborene wanderte später mit der Familie nach Rom aus, wo
er die Schule besuchte. 1972 zurück in Zürich, machte er eine Lehre als
Landschaftsgärtner und bildete sich autodidaktisch zum Koch und zum
Pionier des Urban Gardening weiter.
Maggi sitzt in einem Gartencafé auf dem Idaplatz in Zürich. Das
Beispiel mit den Lindenblüten zum Selberpflücken bringt für ihn auf
den Punkt, wie Mensch und Natur in einer Stadt harmonieren müssten.
Wer vom Baum ernte, der neben seinem Haus wachse, entwickle einen
sorgfältigeren Umgang damit und einen neuen Blick auf die Stadtnatur.
«Je grüner eine Stadt ist und je mehr wir das Grün auch nutzen können,
desto mehr Lebensqualität bietet uns die Stadt.»
Inspirationen aus New York
Urban Gardening liegt im Trend: Von Amsterdam bis Stockholm stellen
Städter Holzkisten auf die Strassen, füllen sie mit Erde und lassen darin
Beeren und Gemüse, Kräuter und Obst spriessen. Hochbeete stehen in
Hinterhöfen und bei Siedlungen, zieren brachliegende Grundstücke
und sind beim Altersheim genauso anzutreffen wie beim Jugendhaus.
Kein Zweifel: Die Schweizer Städte sind grüner geworden.
Dass es dafür Pioniere gebraucht hat, geht oft vergessen. Maurice
Maggi ist so ein Wegbereiter, ohne den Zürich heute nicht so sprösse.
Das hat auch damit zu tun, dass Maggi gern über den eigenen
Gartenhag schaut. Inspirieren lässt sich der 61-Jährige vor allem von
New York. Anfang der neunziger Jahre reiste er erstmals in die
pulsierende Stadt, um dort als Küchenchef zu arbeiten. Er lernte die
Green-Guerilla-Bewegung kennen, die dort seit den siebziger Jahren
aktiv ist.
«Es müsste konsequent das Recht des
Schwächeren gelten. Zuerst kommt die
Natur, dann der Fussgänger, dann das
Velo, dann am Schluss das Auto.»
Maggi selbst hatte in den frühen achtziger Jahren sein Markenzeichen
entwickelt: das Guerilla Gardening mit Blumen-Graffiti. Statt mit
Spraydose zieht er nachts mit Pflanzensamen durch die Gassen und sät
diese heimlich aus. Vor allem Malven haben es ihm angetan: Die «Rose
der Bauerngärten» blüht von Juni bis zum ersten Frost, ist anspruchslos
und robust, hat eine breite Farbpalette von Weiss bis Violett. «Sie blüht
auf Augenhöhe und wirkt beruhigend auf den Verkehr», sagt der
Landschaftsgärtner überzeugt. Stünden Malven an einer Kreuzung,
führe dies zu einer harmonischen Brechung der Strassenlinien und zu
einer Entschleunigung.
Neben dem Stadtgrün ist das gute Miteinander im städtischen Raum
ein weiteres Anliegen des Guerilla-Gärtners. Der öffentliche Raum
werde immer wichtiger, weil sich die Stadt gegen innen verdichte. Das
führe dazu, dass sich die Menschen mehr draussen auf Strassen und
Plätzen aufhielten. Diesen Räumen müsse man Sorge tragen: «Es
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müsste konsequent das Recht des Schwächeren gelten. Zuerst kommt
die Natur, dann der Fussgänger, dann das Velo, dann am Schluss das
Auto. Leider gilt bei uns nach wie vor das Recht des Stärkeren, das Auto
dominiert alles.»
Keine Obstbäume in Zürich
Dass es auch anders geht, wurde dem Zürcher kürzlich in New York
bewusst. Mit Glanz in den Augen berichtet Maggi von seinem letzten
Aufenthalt im Big Apple. Zu Weihnachten 2015 erfüllte er sich einen
Traum und fuhr mit dem Atlantikdampfer «Queen Mary 2» an die
Ostküste. «Es war ein erhebendes Gefühl, mit dem Schiff in den Hafen
einzulaufen und an der Freiheitsstatue vorbeizugleiten, so wie es
früher die Auswanderer gemacht hatten.» Von New York brachte Maggi
viele Ideen mit. «Bis 2030 will die Stadt die grünste Metropole der Welt
werden», berichtet er und redet sich ins Feuer. New York habe ein
Programm lanciert, um nachhaltiger zu werden. Zum Beispiel habe die
Stadt in den letzten Jahren eine Million Bäume gesetzt. «Eine Million –
das muss man sich einmal vorstellen!», sagt er und schüttelt lachend
den Kopf.
Er selbst hat es kürzlich in Zürich mit vier Stück versucht – und ist
gescheitert. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hatte er an einer
zentralen Strasse vier Obstbäume in Beete gepflanzt, die das städtische
Gartenamt für Zierbäume vorbereitet hatte. Die Bäumchen wurden von
Anwohnern, Kindern und Passanten sofort ins Herz geschlossen; sie
gossen sie und freuten sich darauf, im Herbst die Früchte zu ernten.
Doch so weit kam es nicht: Grün Stadt Zürich grub die Bäume wieder
aus und versetze sie an einen anderen Ort. Dort ginge es den Bäumen
besser, war die Begründung, am alten Ort hätten sie unter Streusalz
und Hitze zu leiden gehabt und Passanten behindert. Maggi hält diese
Argumente für vorgeschoben: «Die Bäume wären dort genau richtig
gewesen, weil sie den Menschen vor Ort etwas gebracht hätten.»
Essen, was die Stadt hergibt
Dann kommt er wieder auf New York zu sprechen: Die Stadt habe nicht
nur viel Grün gepflanzt, sondern konsequent die Quartiere autonomer
gemacht und das Velo gefördert. So konnte man den Footprint an
Kohlendioxid um gut einen Fünftel senken. Bis 2050 wolle New York
City diesen Ausstoss gar um achtzig Prozent reduzieren. «Wie in New
York sollten die Quartiere auch in Zürich und anderen Städten
autonomer werden und sich weitgehend selbst versorgen», sagt Maggi.
Wo jedes Quartier eigene Parks pflege, eigenes Gemüse anbaue und
auch Arbeit, Kultur und Bildung ihren Platz hätten, schrumpfe die
Mobilität von selbst aufs Minimum. Dies erhöhe die Lebensqualität und
sorge erst noch für stärkere soziale Bindungen.
Dass es Maurice Maggi ernst ist mit der Behauptung, die Stadtnatur
müsse mehr Lebensmittel produzieren, beweist sein Buch «Essbare
Stadt». Das 320 Seiten dicke Werk ist 2014 im AT-Verlag erschienen
und versammelt siebzig vegetarische Rezepte mit Pflanzen aus der
Stadt von Ahorn, Bärlauch, Berberitze bis Mistel, Spitzwegerich,
Weissdorn. Zu jeder Jahreszeit, auch im Winter, zieht Maggi los und
sammelt vor der Haustür Pflanzen, die er fürs Kochen braucht. Beispiel:
Kaum wird es Frühling, zupft er jungen Löwenzahn, macht daraus Salat
mit einer Sauce aus hausgemachtem Waldmeisteressig und serviert
diesen mit eigenen Huflattich-Blinis und eigenem Bärlauch-
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Brunnenkresse-Pesto.
So wie in der Natur nichts von heute auf
morgen gedeihe, benötige auch eine
Stadt Zeit, bis sich etwas verändere.
Was abenteuerlich tönt, ist bei Maggi ein überlegter, ritualisierter
Ablauf. Er sammelt nicht einfach blindlings drauflos, was die
Stadtnatur hergibt, sondern geht bedächtig ans Werk. Er nimmt nur
das, was er kennt, und nur so viel, wie er braucht. Er lässt immer genug
stehen, damit andere auch noch etwas vorfinden und genug übrig
bleibt fürs langfristige Überleben der Art. Er rupft nicht aus, sondern
schneidet mit dem Messer ab; so erholt sich die Pflanze besser. Er
sammelt nicht in Schutzgebieten und lässt geschützte Arten stehen. Er
nimmt nicht von überall, sondern meidet Hundewege, befahrene
Strassen und nach Urin riechende Ecken.
Tourismuswerbung mit Malven
Dass man ihn als Guerilla-Gärtner bezeichnet, stört Maurice Maggi
nicht. Jedoch versteht er seine Kunst als ein sanftes Mittel, um
Prozesse in Gang zu bringen. Im Gegensatz zu Guerilla-Aktionen, die
auf Gewalt setzten, brauchten seine Initiativen vor allem eines:
Geduld. So wie in der Natur nichts von heute auf morgen gedeihe,
benötige auch eine Stadt als Organismus Zeit, bis sich etwas verändere.
Zuerst müsse in den Köpfen der Bewohner ein Umdenken einsetzen,
dann schwenkten auch die Behörden um – und irgendwann seien die
neuen Ideen salonfähig.
Maggi sieht dies exemplarisch bei seinen floralen Graffiti: Bis in die
achtziger Jahre habe Grün Stadt Zürich alle seine heimlich gepflanzten
Blumen entfernt. Das habe sich inzwischen grundlegend geändert, die
Stadt lasse die Malven stehen und freue sich sogar darüber. Mehr noch:
Macht Schweiz Tourismus heute im Ausland Werbung für Zürich,
präsentiert die Organisation nicht selten Strassenbilder, auf denen uns
Maggis Malven entgegenleuchten.
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