Integration geht anders. Wie Berlin 30.000 Geflüchtete unterbringen

Marzahn-Hellersdorf
Wittenberger Straße 16–19
12589 Berlin
6 Grundmodule à 75 =
450 Wohnplätze
1 Funktionsgebäude
Marzahn-Hellersdorf
Albert-Kuntz-Straße
12627 Berlin
6 Grundmodule à 75 =
450 Wohnplätze
1 Funktionsgebäude
Marzahn-Hellersdorf
Martha-Arendsee-Straße 17
12681 Berlin
6 Grundmodule à 75 =
450 Wohnplätze
1 Funktionsgebäude
Neukölln
Kiefholzstraße 74
12435 Berlin
3 Grundmodule à 75 =
225 Wohnplätze
1 Funktionsgebäude
Pankow/Buch
Wolfgang-Heinz-Straße
13125 Berlin
6 Grundmodule à 75 =
450 Wohnplätze
1 Funktionsgebäude
Steglitz-Zehlendorf
Leonorenstraße 17, 33, 33A
12247 Berlin
8 Grundmodule à 60 =
480 Wohnplätze
1 Funktionsgebäude
Der neue Plattenbau: Auf
Basis eines Grundmoduls,
das in der Berliner Senatsverwaltung entworfen wurde, werden derzeit zehn
Integration geht
anders. Wie Berlin
30.000 Geflüchtete
unterbringen will
Die Berliner Senatsverwaltung hat mehr als 70 Liegenschaften
identifiziert, um dort „Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge“
und Containerdörfer zu errichten. Wohnraum tut not. Doch warum
baut man 2016 wider besseren Wissens noch Flüchtlingsheime?
Standorte mit „Modularen
Unterkünften für Flüchtlinge“ (MUF) bebaut
Rendering: aim architektur
management
Text Doris Kleilein
Das Grundmodul sieht ein
EG mit drei „Wohngruppen“,
einer barrierefreien Wohnung und Gemeinschaftsräumen vor. Im Regelgeschoss sind Zweibett- und
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THEMA
Bauwelt 28-29.16
Bauwelt 28-29.16
THEMA
Einzelzimmer geplant. In einem fünfgeschossigen Modul können so 75 Menschen
untergebracht werden.
Grundrisse im Maßstab
1:200
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Der Berliner Senat hat 200 öffentliche Grundstücke geprüft und plant, in großem Stil „Modulare
Unterkünfte für Flüchtlinge“ und Containerdörfer
zu errichten. Das klingt zunächst vielversprechend, hat sich doch in der Hauptstadt die Unterbringungsnot des Jahres 2015 verstetigt: 70.000
Geflüchtete leben in Gemeinschaftseinrichtungen, davon sogar noch 30.000 Menschen in Notunterkünften. Bis zum Herbst sollen nun bereits
15.000 Menschen aus Turnhallen und anderen
Provisorien in neu errichtete Containerdörfer
ziehen, im April erfolgte zudem der erste Spatenstich für Modulbauten in Marzahn, 60 weitere
Standorte sind in Entwicklung.
Verfügbare Grundstücke und ein gigantisches
Bedürfnis nach Wohnraum – was macht der
Senat aus dieser Situation? Den größten Wohnungsbauwettbewerb des Jahres? Ein DesignBuilt-Programm für die Berliner Architekturschulen? Mit Modulen lässt sich schnell vieles bauen,
man kann sie in Stahlbetonstrukturen parken
oder dreidimensional kombinieren, wie die Beispiele und Studien dieser Ausgabe zeigen. In
Berlin hat man sich für den Modul- und Containerbau in ganzer Härte entschieden: Wohnheim
statt Wohnungen, könnte die Devise lauten,
möglichst viele Geflüchtete an einem Ort, möglichst weit weg vom Zentrum – all das, wovon
Aktuelle Zahlen zeigen allerdings, dass niemand
damit rechnet, dass die Container 2019 wieder
abtransportiert werden. Zwar kommen derzeit
weniger Flüchtlinge in Berlin an, da aber viele
der Angekommenen Bleiberecht erhalten und
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) immer mehr Anträge bearbeitet, steigt
die Zahl derer weiter an, die mutmaßlich dauerhaft in der Hauptstadt bleiben werden. Der Berliner Sozialsenator addiert zudem jährlich 16.000
„sonstige wohnungslose Personen“ hinzu (Obdachlose, aber auch Flüchtlinge aus der EU), so
dass Ende 2017 85.000 Menschen untergebracht
werden müssen, im Jahr darauf 89.000 und Ende
2019 gar 93.500. Das Tempohome wird für einen
Teil der Gesellschaft zum dauerhaften Zuhause.
So manche Bürgerinitiative befürchtet darüber
hinaus, dass umstrittene Wohnungsbauvorhaben wie die Elisabeth-Aue in Pankow quasi durch
die Hintertür auf dem Weg des Sonderbaurechts
noch vor Erstellung des B-Plans angeschoben
werden. Die Anwohnerschaft, die gegen die ihrer
Meinung nach zu dichte Quartiersplanung mit
5000 Wohnungen gekämpft hat, wird nun wohl
mit einer umzäunten Batterie von Stahlcontainern
klarkommen müssen – eine gebaute Quittung
der öffentlichen Hand für die Not-in-my-Backyard-Haltung.
Ist das die Zukunft des
Wohnens für all jene, die
auf dem Wohnungsmarkt
nichts mehr finden?
Asylrechtsorganisationen und die Architektenkammer abraten. Oder wie ist es zu verstehen,
dass Standorte mit 450 „Wohnplätzen“ in Planung
sind? Dass man in Randlagen umzäunte Wohnheime baut, die integrationsfeindlichste aller Bautypologien?
Zuhause im Tempohome
Die ersten zehn Unterkünfte werden vom Senat
gebaut, alle weiteren von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und der eigens gegründeten Berliner Gesellschaft zur Errichtung
von Flüchtlingsunterkünften (BEFU). Modulbauten
und Containerdörfer unterscheiden sich nicht
nur in der Materialität, sondern auch hinsichtlich
der Nutzungsdauer: Die Modulbauten sind langfristig geplant, die 30 Containerdörfer, neudeutsch „Tempohomes“, werden auf Grundlage
des Sonderbaurechts für Flüchtlingswohnen
(§246 ABs. 8 bis 10 BGB, Befristung bis 31.12.2019)
nur für den Zeitraum von drei Jahren errichtet.
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2015 hat der Berliner Senat
bereits sechs Containerdörfer gebaut (rechts:
Flüchtlingsunterkunft Hohentwielsteig in Zehlendorf).
2016 sollen 30 Containersiedlungen als „Tempohomes“ entstehen (links:
Entwurfsplanung Zossener
Straße in Marzahn)
Plan im Maßstab 1:1000
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Der Blick auf die Planung macht deutlich, dass
trotz der angekündigten Kursänderung eine Verschiebung vom Wohnen zur Unterbringung stattfindet. Ist das die Zukunft des Wohnens für all
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150 AZ
Langfristig im Heim
jene, die auf dem Wohnungsmarkt nichts mehr
finden? Eine Verstetigung des Provisoriums, ein
subsozialer Wohnungsbau? Die in die Nachbarschaft eingebundene Wohnung als Grundlage für
ein eigenständiges Leben – wird das für einen
Teil der Gesellschaft dauerhaft zur Wunschvorstellung? Und noch nicht einmal als Sparmodell
eignet sich dieser aus dem Boden gestampfte
Wohnraum, da durch Wachschutz, Betreuungspersonal und zum Teil auch Catering hohe Betriebskosten anstehen.
Man mag es vermessen finden, angesichts
von 30.000 in Schlafsälen ausharrenden Menschen auf Entwurfsqualität zu pochen. Doch die
Gesamtberliner Größenordnung sollte nicht zu
zentralistischer Planung verleiten: Fünf bis neun
Standorte sollen in jedem der Bezirke bebaut
werden, die ja für sich bereits Großstädte mit bis
zu 390.000 Einwohnern sind. Auf Bezirksebene
ist das überschaubar. Warum nutzt Berlin nicht
das Know-how der Architektenschaft und baut
auch in diesem Segment brauchbaren Wohnraum für die wachsende Stadt?
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20.3°
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13.12
150 AZ
Mit dem zweiten Bautypus, den „Modularen Unterkünften für Flüchtlinge“ (MUF), lebt vor allem
in den Großwohnungssiedlungen am Stadtrand
der Plattenbau wieder auf, dort, wo bis 2004
noch rückgebaut wurde. Die Unterkünfte basieren auf einem Amtsentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, einem Grundmodul
auf quadratischem Grundriss (18,5 x 18,5 Meter)
mit fensterlosen Sanitäranlagen. Eine Varianz aus
Ein- und Zweibettzimmern und 42 Quadratmeter
großen „Wohngruppen“ für vier Menschen ist
zwar eingeplant, doch allein die Größenordnung
spottet jedem integrativen Ansatz: Die fünfgeschossigen Grundmodule sind auf jeweils 75
„Wohnplätze“ ausgelegt und sollen flexibel den
Standorten angepasst werden – in den meisten
Fällen bedeutet dies die Anordnung von sechs
Grundmodulen plus Funktionsmodul zur Eingangskontrolle. Bei der Ausschreibung für die
ersten zehn Standorte hat der Generalunternehmer Klebl aus der Oberpfalz den Zuschlag bekommen. Produziert wird in den Klebl-Werken in
Sachsen-Anhalt und Brandenburg: drei mal
sechs Meter große Betonfertigteile, die auf Bodenplatten aus Ortbeton gesetzt werden. Anvisierte Bauzeit pro Standort ist ein knappes Jahr.
Nach anhaltender öffentlicher Kritik an dem Entwurf des Senats wurden die weiteren Standorte
Anfang 2016 „typenoffen“ ausgeschrieben. Gesucht wurden Generalübernehmer zur „Planung
und zum Bau von typisierten Wohnhausgruppen
in modularer Bauweise“. In einer Absichtserklärung des Sozialsenators und der Wohnungsbaugesellschaften vom Mai zeichnet sich auch ein
Strategiewechsel ab: Die Unterkünfte sollten
„als Wohngebäude mit einfachem Standard vergleichbar zum sozialen Wohnungsbau errichtet“
werden, vornehmlich mit Zwei- bis Drei-ZimmerWohnungen. Von Architekturwettbewerben ist
nach wie vor nicht die Rede. Das ist umso unverantwortlicher, da die Modulbauten anders als die
Containerdörfer nicht für drei, sondern für 50 bis
100 Jahre Nutzungsdauer ausgelegt sind. Eine
langfristige Nachnutzung als belegungsgebundene Wohnungen, Studentenwohnheim oder „im
geschützten Wohnsegment“ ist also ausdrücklich erwünscht.
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