PDF - Katholische Kirche beim hr

hr1-Zuspruch am Samstag, 6. August 2016
Pia Arnold-Rammé, Katholische Kirche Frankfurt
Der große Medaillenhype
44 Medaillen gab es für die Deutschen bei den Olympischen Spielen 2012 in
London. Hört sich viel an, finde ich. Aber die Fachverbände des deutschen
Olympischen Sportbundes hatten anderes erwartet: 86 sollten es sein, und davon
28 Goldene. Da war die Enttäuschung groß. Das soll diesmal nicht passieren. Jetzt
erwartet man eben „nur“ 44 Medaillen, so viele wie in London tatsächlich geholt
wurden. Man hat sich also den Realitäten angepasst. Da kann man auch nicht so
leicht enttäuscht werden. Aber ist das denn gut so? Muss man nicht mehr fordern,
um den Ehrgeiz der Athleten zu wecken?
Auf der anderen Seite heißt es aber: dabei sein ist alles! Und wenn das stimmt,
dann kommt es letztlich nicht auf den Medaillenspiegel an. Und viele Sportler und
Sportlerinnen wehren sich mittlerweile ja auch gegen den Medaillendruck. Sie
sagen: „Wir geben alle unser Bestes. Und eine Medaille bedeutet schließlich,
mindestens Drittbester der Welt zu sein. Kann es nicht schon ziemlich fabelhaft sein
Zehntbester zu werden? Und bin ich dann nicht trotzdem stolz wie Bolle, auch ohne
Medaille?“
Ich meine, das stimmt. Ich bedaure zwar auch immer Athleten, die bei den
Olympischen Spielen Vierter werden. Das ist doch wirklich der undankbarste Platz
der Welt. Aber warum eigentlich? Nur weil man nicht auf dem Treppchen steht? Na
klar träumt davon jeder. Aber der viertschnellste der Welt zu sein oder den Diskus
am viertweitesten von allen zu werfen - das ist doch eine klasse Leistung.
Und im nicht-sportlichen Alltag ist das doch auch so: müssen Leistungen immer
erstklassig sein? Was ist mit denen, die nie Chancen auf ein Treppchen haben -sei
es im Sport, in der Schule oder in der Arbeit? Ich versuche mein Bestes, nach
meinen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Wenn alle das an dem Ort tun, an dem sie
gerade sind, dann wäre das doch schon großartig!
Und so möchte ich jetzt schon im Voraus all denen herzlich gratulieren, die einen
vierten, zehnten oder zwanzigsten Platz belegen werden bei diesen Olympischen
Spielen. Und ich hoffe, dass alle in ihrem Umfeld Menschen haben, die das ähnlich
sehen. Die sie loben und ihnen eine Siegesfeier bereiten, auch ohne Medaille allein dafür, dass sie ihr Bestes gegeben haben.