Clemens Weißenberger, Frankfurt hr 1-Zuspruch am Dienstag, 19. Juli 2016 Fußball und Religion In der letzten Schulwoche war ich mit Schülern im Frankfurter Waldstadion. Da haben wir das Eintracht Museum besucht, die Pokale und Fahnen angeschaut, Trikots und Plakate der Eintracht bestaunt. Vieles, was im Stadion selbstverständlich ist, kennen meine Schüler: Die Massen pilgern ins Stadion, die Spieler betreten den Heiligen Rasen, es werden gemeinsame Lieder angestimmt, bei Erfolgen liegen sich alle in den Armen, Fahnen in den Vereinsfarben werden geschwungen, alles passiert nach einem geordneten und allen Anhängern bekannten Ablauf. Was es im Fußball gibt, gibt es auch in der Kirche: Wallfahrten und Prozessionen zu Feiertagen und besonderen Anlässen, der Pfarrer und die Messdiener ziehen ein, die Orgel begleitet Lieder, Fahnen werden zu Festen aufgehängt, und der ganze Gottesdienst und alle anderen Handlungen haben ihren bekannten Ablauf. Selbst Reliquien gibt es im Fußball: Mein Orthopäde ist ehemaliger Vereinsarzt der Eintracht. Der hat von einem Spieler ein besonderes Trikot geschenkt bekommen, von Jan Åge Fjørtoft. Das hat er angehabt, als er am letzten Spieltag die Eintracht mit dem letzten Tor vor dem Abstieg bewahrte. Und der Nagel, der in Charlie Körbels Bein war, nach seinem Beinbruch, der ist im Eintracht Museum zu sehen. Ich kenne viele Menschen, für die bedeutet ihr Verein so viel, dass sie sagen: Fußball ist ihre Religion. Ich verstehe dann: Mein Verein ist mir wichtig, ich zittere bei Misserfolgen und freue mich bei Siegen. Ich gebe einiges an Zeit und oft auch an Geld, weil er mir etwas bedeutet. Und ich habe Freunde, die genau so denken wie ich. Und die auch infiziert sind vom Fußball-Virus. Das kenne ich, auch ich bin Fußballfan, ich halte zu „meiner Eintracht“. Dann ist es für mich aber auch schon zu Ende mit dem Vergleich. Ich habe nach dem letzten Abstieg nicht geweint. Oder mein Trikot zerrissen. Einen Spieler würde ich nicht beschimpfen, weil er schlecht spielt. Und ich würde nie einen Spieler zum „Fußballgott“ erheben. Fußball ist Fußball und Religion ist Religion. Nur in meinem Glauben klären sich die wichtigen Fragen in meinem Leben: Dass ich von Gott gewollt bin und ein Teil seiner Schöpfung bin. Ich sehe einen Sinn im Leben und darin, ein freier Mensch zu sein mit eigenen Entscheidungen. Ich will von Jesus erzählen und versuche so zu handeln wie er. Und ich weiß, dass ich nach dem Tod zu Gott kommen werde. Immerhin: Beides bereitet mir Freude – Fußball und Religion.
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