KÜNDIGUNG BEI RÜCKKEHR AUS DEM MUTTERSCHAFTSURLAUB In der Schweizer Presse war in letzter Zeit viel über Fälle zu lesen, in denen Frauen bei der Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub die Kündigung erhielten. Der Bundesrat bedauerte diese Diskriminierung kürzlich in seiner Antwort auf eine parlamentarische Interpellation 1. Er schlägt vor, dass die vom Arbeitgeber in solchen Fällen geschuldete Entschädigung erhöht wird und ein Kulturwandel in den Betrieben stattfindet, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten. Ein weiterer parlamentarischer Vorstoss, der im März 2016 eingereicht wurde, spricht für sich: «Mutter werden und dann den Job verlieren?» > WÄHREND DER SCHWANGERSCHAFT UND DES MUTTERSCHAFTSURLAUBS IST EINE KÜNDIGUNG NICHT ERLAUBT – UND DANACH? Eine Kündigung wegen Mutterschaft gilt als diskriminierend und ist deshalb illegal (Art. 3 Abs. 1 Gleichstellungsgesetz [GlG] und Art. 336 Abs. 1 Bst. a Obligationenrecht [OR]). Eine solche Kündigung ist dennoch gültig, allerdings muss der Arbeitgeber eine Entschädigung zahlen, die im besten Fall bis zu sechs Monatslöhne beträgt (Art. 5 Abs. 2 und 4 GlG). Frauen werden nach der Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub manchmal Opfer einer diskriminierenden Kündigung. Einige Arbeitgeber scheuen nicht davor zurück, nach Ablauf der 16-wöchigen Schutzfrist eine Kündigung auszusprechen, weil sie fürchten, die neuen Familienpflichten der Arbeitnehmerin könnten ihre Präsenz am Arbeitsplatz beeinträchtigen. Eine solche Kündigung ist diskriminierend, weil sie nicht auf objektiven Kriterien wie z.B. der Arbeitsqualität oder der wirtschaftlichen Lage beruht, sondern einzig und allein auf dem Status der Frau. > WAS SOLL MAN IM FALLE EINER DISKRIMINIERENDEN KÜNDIGUNG TUN? Bei einer diskriminierenden Kündigung (Art. 3 GlG) gelten analog die Bestimmungen für eine missbräuchliche Kündigung (Art. 336 OR). Die Arbeitnehmerin kann die Kündigung zwar anfechten, jedoch nicht annullieren lassen. Sie kann auch nicht verlangen, wieder angestellt zu werden. Die Stelle ist also verloren, allerdings besteht ein Anspruch auf Entschädigung. Bei einem 1 https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20163248 [Texte] Unter der Lupe – Juli 2016 1 öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis kann die Kündigung angefochten und die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses verlangt werden. Den betroffenen Frauen wird empfohlen, ihre Rechte geltend zu machen, denn nur so lässt sich diese Diskriminierung – die nicht nur sie selbst, sondern ihre ganze Familie betrifft – aufhalten. Es ist möglich, die kantonale Schlichtungskommission für Streitigkeiten nach dem Bundesgesetz über die Gleichstellung einzuschalten. 2 Es kann sinnvoll sein, sich zuvor mit dem Bereitschaftsdienst für juristische Auskünfte der Dienststelle für Arbeitnehmerschutz und Arbeitsverhältnisse in Verbindung zu setzen. Einige Frauen wenden sich auch an ein Anwaltsbüro, um ihre Ansprüche gegen den Arbeitgeber durchzusetzen und wenn nötig bis vor das Arbeitsgericht zu gehen. Andere lassen sich von ihrer Gewerkschaft beraten. Es kann vorkommen, dass eine Frau zur Kündigung gedrängt wird, wenn sie es ablehnt, nach der Geburt zum selben Pensum zu arbeiten wie vorher. In einem solchen Fall darf sie nicht von der Arbeitslosenkasse benachteiligt werden. Gemäss Artikel 16 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) kann niemand zu einer Arbeit verpflichtet werden, die dem Alter, den persönlichen Verhältnissen oder dem Gesundheitszustand nicht angemessen ist. Eine solche Arbeit gilt als unzumutbar. Es ist daher wichtig, der Arbeitslosenkasse genau zu erklären, welche Umstände zur Kündigung geführt haben. Es ist zudem immer ratsam, sich vom Arbeitgeber eine schriftliche Bestätigung geben zu lassen, weshalb das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird. > RATSCHLÄGE ZUR VERHINDERUNG EINER ALLFÄLLIGEN KÜNDIGUNG Die Vorstellung, dass sich eine Mutter gleichzeitig um ein Kleinkind und ihren Job kümmern muss, kann bei bestimmten Arbeitgebern bewusst oder unbewusst zu Vorurteilen führen. Die Väter sehen sich hingegen weniger mit solchen vorgefassten Meinungen konfrontiert. Es ist wichtig, möglichst frühzeitig das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen, am besten schon bei der Mitteilung der Schwangerschaft. Ein offenes Gespräch hilft, Ängste abzubauen und gemeinsam die besten Lösungen zu finden, so dass sowohl die werdende Mutter als auch der Arbeitgeber beruhigt in die Zukunft blicken können. Manchmal werden die getroffenen Abmachungen für die Rückkehr nach dem Mutterschaftsurlaub auch in einer schriftlichen Vereinbarung festgehalten. Travail.Suisse stellt mit mamagenda den werdenden Müttern und den Arbeitgebern ein kostenloses Online-Tool für die Organisation der Zeit rund um die Schwangerschaft und Geburt zur Verfügung. Diese digitale Agenda hilft, die einzelnen Etappen am Arbeitsplatz rechtzeitig zu planen. Interessant ist auch das «Handbuch InfoMutterschaft» von Travail.Suisse. > VERSCHIEDENE RECHTSBEISPIELE Kanton Zürich - 14.03.2013 - Die Schlichtungsbehörde erzielt einen Vergleich 3 Während ihrer Schwangerschaft schlägt die Sachbearbeiterin und Projektbetreuerin der Gesuchgegnerin vor, nach dem Mutterschaftsurlaub nicht mehr wie bisher zu 2 c/o Dienststelle für Arbeitnehmerschutz und Arbeitsverhältnisse, Rue des Cèdres 5, 1950 Sitten, Telefon: 027 606 74 00, E-Mail: [email protected] 3 http://www.gleichstellungsgesetz.ch/d103-1651.html [Texte] Unter der Lupe – Juli 2016 2 100 Prozent, sondern zu einem reduzierten Pensum weiterzuarbeiten. Nach einiger Zeit willigt die Gesuchgegnerin ein. Als die Gesuchstellerin am vereinbarten Tag jedoch wieder zur Arbeit erscheint, erhält sie umgehend die Kündigung und wird informiert, dass bereits eine andere Person eingestellt wurde. Die Gesuchstellerin gelangt an die Schlichtungsbehörde und verlangt eine Entschädigung von insgesamt sieben Monatslöhnen. Die Parteien einigen sich auf einen Vergleich. Kanton Bern - 20.04.2015 - Die Schlichtungsbehörde erzielt einen Vergleich 4 Eine Mitarbeiterin im Spital wird nach der Geburt des ersten Kindes gefragt, ob sie ihr Pensum reduzieren möchte. Sie zeigt sich damit nicht einverstanden. Nachdem sie auch nach der Geburt des zweiten Kindes nicht darauf eingeht, muss sie aufgrund einer Änderungskündigung ihr Pensum reduzieren. Schliesslich folgt einige Monate später die ordentliche Kündigung. Die Klägerin verlangt eine Entschädigung aufgrund diskriminierender Kündigung wegen Mutterschaft und ein wohlwollendes Arbeitszeugnis. Die beiden Parteien schliessen einen Vergleich, die Arbeitnehmerin erhält eine Entschädigung sowie das verlangte Arbeitszeugnis 4 http://www.gleichstellungsgesetz.ch/d103-1721.html [Texte] Unter der Lupe – Juli 2016 3
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