Lösung Fall 1: Genutzt und weiterveräußert 1) Anspruch des L gegen E gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall, 818 Abs. 2 BGB auf Wertersatz für die weiterveräußerte Wohnung L könnte gegen E einen Anspruch gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall, 818 Abs. 2 BGB auf Wertersatz in Höhe von € 120.000,00 haben. Voraussetzung hierfür wäre zunächst, dass L der E etwas geleistet hat. Unter einer Leistung versteht man die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. L hat seiner Tochter das Eigentum und den Besitz seiner Wohnung übertragen und insoweit eine Leistung erbracht. Weitere Voraussetzung ist, dass die Leistung ohne Rechtsgrund erfolgte. Da der Schenkungsvertrag zwischen L und E unwirksam war, erfolgte die Leistung des L gegenüber E ohne Rechtsgrund. L kann daher von E das Eigentum und den Besitz an der Wohnung herausverlangen. Problematisch ist jedoch, dass E die Wohnung für € 140.000,00 rechtswirksam an den X übertragen hat, eine Rückübertragung ist daher unmöglich. Nach h. M. muss E auch nicht versuchen, die Unmöglichkeit durch einen Rückerwerb der Wohnung zu beseitigen. Fraglich ist weiterhin, ob auf diesen Fall § 818 Abs. 1, 2. Halbsatz BGB (Herausgabepflicht von Nutzungen und Surrogaten) oder § 818 Abs. 2 BGB (Wertersatz im Falle der Unmöglichkeit der Herausgabe) anzuwenden ist. Im ersteren Falle hätte die E dem L € 140.000,00 zu bezahlen, die sie für die Veräußerung der Wohnung an X erhalten hat, es sei denn, der Mehrerlös würde allein auf einem besonderen Verkaufsgeschick der E beruhen. Im letzteren Fall müsste E lediglich € 120.000,00 an L bezahlen, da die Wohnung objektiv nur so viel wert war. Nach herrschender Meinung versteht man unter einem Surrogat im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB nicht den Veräußerungserlös aus einem weiteren Rechtsgeschäft mit der erhaltenen Sache, da die Übertragung eines Rechts (des Eigentums) nicht die bestimmungsgemäße Ausübung dieses Rechtes oder eine Nutzung desselben darstellt (BGHZ 24, 106, 110; 75, 203, 206; streitig). Auch stellt die rechtsgeschäftliche Veräußerung nach h. M. keine Entziehung der Sache dar, weil sie freiwillig erfolgt. Nach herrschender Meinung hat daher die E dem L lediglich € 120.000,00 zu ersetzen; den weitergehenden Betrag aus dem Rechtsgeschäft mit X in Höhe von € 20.000,00 kann sie jedoch behalten. Seite 1 von 7 2) Anspruch des L gegen E auf Herausgabe des Erlöses gemäß § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass E als Nichtberechtigte verfügt hat. L hat jedoch wirksam Eigentum an E übertragen. Die Unwirksamkeit des Schenkungsvertrages führt nicht zur Unwirksamkeit der Übereignung (Abstraktionsprinzip). Da E also als Berechtigte an X verfügt hat, scheidet die Anwendung von § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB aus. 3) Anspruch des L gegen E gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall, 818 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB auf Herausgabe der Nutzungen L könnte gegen E einen Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen gemäß §§ 812 Abs. 1, 1. Fall, 818 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB haben. Wie bereits erörtert, hat E das Eigentum und den Besitz an der Wohnung ohne Rechtsgrund von L erhalten. E hat die Wohnung auch benutzt. Die dadurch erlangten Gebrauchsvorteile sind Nutzungen im Sinne des § 100 BGB und müssen daher grundsätzlich gemäß § 818 Abs. 1 BGB herausgegeben werden. Da die Herausgabe der Gebrauchsvorteile in Natur unmöglich ist, muss gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz geleistet werden. Dabei ist nach herrschender Meinung der objektive Wert zu ersetzen, d. h. die verkehrsübliche Miete zu zahlen. E könnte allerdings entreichert sein. Gemäß § 818 Abs. 3 BGB hat der Schuldner die Bereicherung nur insoweit herauszugeben, als er eigene Aufwendungen erspart hat. Da E für die Anmietung der Wohnung allenfalls einen Betrag von € 300,00 aufgewandt hätte, ist sie daher nur in Höhe dieses Betrages bereichert, darüber hinaus hat sie keine Aufwendungen erspart. E ist daher gemäß § 818 Abs. 2 BGB nur zum Wertersatz in Höhe von € 3.600,00 (= 12 x € 300,00) verpflichtet. n. B.: Wird die Herausgabe der Nutzung gemäß § 818 Abs. 1 BGB geschuldet, sind für diesen Anspruch zunächst die tatsächlich gezogenen Nutzungen maßgeblich. Zieht der Schuldner daher Nutzungen, die über dem objektiven Nutzungswert der Sache liegen, muss er diese dennoch herausgeben, es sei denn, der Mehrerlös beruht ausschließlich auf seinen besonderen Fähigkeiten (Verkaufsgeschick). Hat der Schuldner die Sache dagegen nicht genutzt, ist er insoweit auch nicht bereichert. Seite 2 von 7 Können die Nutzungen nicht in Natur herausgegeben werden, wie z. B. die Nutzung einer Mietwohnung, dann findet § 812 Abs. 2 BGB Anwendung. Hier wird der Wert der Nutzungen nach herrschender Meinung anhand des objektiven Wertes (Marktwertes) festgesetzt. Daher ist z. B. bei der unberechtigten Nutzung einer Wohnung der verkehrsübliche Mietzins zu bezahlen (anders der BGH beim rechtsgrundlosen Eigentumserwerb im Rahmen eines Kaufvertrages zur Eigennutzung; hier gilt das Abschreibungsprinzip). Allerdings kann sich der Bereicherungsschuldner darauf berufen, er hätte diese Aufwendungen selbst nicht getätigt (Luxusaufwendungen). Sehr streitig ist die Frage, ob im Anwendungsbereich des § 818 Abs. 3 BGB der Einwand des Bereicherungsschuldners, er hätte die Leistung am Markt billiger erhalten können, beachtlich ist. Beispiel: A überlässt dem E schenkungsweise eine Wohnung zur Nutzung (ohne Eigentumsübertragung). Später stellt sich heraus, dass der Schenkungsvertrag unwirksam ist. Die ortsübliche Miete für die Wohnung hätte € 1.000,00 betragen. E hätte daher zunächst gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall, 818 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB den objektiven Wert der gezogenen Nutzungen, mithin € 1.000,00, zu ersetzen. Könnte E einwenden, dass wenn er diese Wohnung nicht schenkungsweise zur Nutzung überlassen bekommen hätte, er von einem Freund besonders günstig eine gleichwertige Wohnung für nur € 500,00 angemietet hätte, dass er mithin geringere Aufwendungen als die ortsübliche Miete gehabt hätte? Meines Erachtens muss dieser Fall gleich behandelt werden wie der Fall, in dem der Schuldner sich eine so teure Wohnung gar nicht erst geleistet hätte und eine kleinere, billigere Wohnung angemietet hätte. Zu Lösung Fall 1 1. Abwandlung: Auch der Kaufvertrag zwischen E und X ist unwirksam (so genannter Doppelmangel) Anspruch des L gegen E gem. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB L könnte gegen E einen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB haben, auf Herausgabe des Eigentums sowie des Besitzes an der Wohnung. E hat das Eigentum und den Besitz durch Leistung des L ohne Rechtsgrund erlangt. Folglich ist E gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Seite 3 von 7 Grundsätzlich wäre die E daher dazu verpflichtet, dem L das Eigentum und den Besitz an der Wohnung herauszugeben. Die Herausgabe des Erlangten könnte jedoch der E unmöglich sein. Es bestünde dann gemäß § 818 Abs. 2 BGB möglicherweise eine Pflicht zur Leistung von Wertersatz. Nach einer Mindermeinung wird in diesen Fällen die Unmöglichkeit verneint. Da der Kaufvertrag E-X unwirksam sei, habe die E einen Bereicherungsanspruch gegen X. Wenn sie diesen durchsetze, könne sie ihre Pflicht zur Herausgabe von Eigentum und Besitz erfüllen. Unmöglichkeit im Sinne des § 812 Abs. 2 BGB sei daher zu verneinen. Nach dieser Ansicht ist E daher verpflichtet, den Bereicherungsanspruch gegen X geltend zu machen und durchzusetzen; L hat im Ergebnis einen Verschaffungsanspruch. Nach herrschender Meinung ist der E als Zwischenerwerberin die Herausgabe des Erlangten zumindest so lange unmöglich, wie sie ihren Bereicherungsanspruch gegenüber X nicht geltend macht und durchsetzt (nach der Entscheidung BGH NJW 2002, 1872, ist allerdings fraglich, in welchem Umfang der BGH hieran in Zukunft noch festhalten wird). Zur Durchsetzung dieses Anspruchs ist E aber nicht verpflichtet. Anderenfalls wäre der Bereicherungsschuldner zur Naturalrestitution verpflichtet, was die Grenzen zwischen Bereicherungsrecht und Schadensersatz-recht verwischen würde. Der Bereicherungsschuldner soll nur das in seinem Vermögen Vorhandene herausgeben. Es besteht kein Verschaffungsanspruch. Die E ist daher nach bislang herrschender Meinung gemäß § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich lediglich zum Wertersatz verpflichtet. Anmerkung: Wenn die E allerdings ihren Bereicherungsanspruch gegen X durchsetzt und von X Eigentum und Besitz an der Eigentumswohnung zurückerlangt, wird ihr die Herausgabe des Erlangten wieder möglich. In diesem Fall könnte man die Auffassung vertreten, dass sich dann der Bereicherungsanspruch des L wieder auf Rückübertragung von Eigentum und Besitz und nicht auf Wertersatz richtet, jedenfalls solange noch kein Wertersatz geleistet wurde. Meines Erachtens muss die Frage der Unmöglichkeit mit Augenmaß entschieden werden. Ist es der E ohne weiteres möglich, ihren Anspruch gegen X durchzusetzen, wäre es meiner Meinung nach verfehlt, den bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch in Bezug auf die Wohnung zu verneinen und den L auf reinen Wertersatz zu verweisen. Seite 4 von 7 Nach herrschender Meinung müsste E dem L also gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz leisten (€ 120.000,00). E hat gegen X einen Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums und des Besitzes an der Immobilie. Eigentum und Besitz befinden sich zur Zeit im Vermögen des X. X hat jedoch umgekehrt einen Anspruch auf Rückzahlung von € 140.000,00 gegen E. Wirtschaftlich betrachtet befindet sich im Vermögen der E (zur Zeit) daher lediglich ein Bereicherungsanspruch gegen den X. Daher könnte sich die Herausgabepflicht der E gegenüber L gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf die Abtretung dieses Anspruchs beschränken. Nach bis heute herrschender Meinung, insbesondere nach der Rechtsprechung des BGH, richtet sich der Bereicherungsanspruch des L gegen die Zwischenerwerberin lediglich auf Abtretung des Bereicherungsanspruchs gegen X (Kondiktion der Kondiktion). Die Verpflichtung des Bereicherungsinhabers beschränkt sich daher auf die Herausgabe der tatsächlich noch vorhandenen Bereicherung. Nach einer in der Literatur stark vertretenen Meinung muss E dagegen Wertersatz leisten, ohne die Möglichkeit, sich auf Entreicherung zu berufen. Zur Begründung wird angeführt, dass L sich im Falle der Abtretung des Bereicherungsanspruchs gemäß § 404 BGB alle Einwendungen des X entgegenhalten lassen müsse. X könnte gegenüber L einwenden, dass er zur Herausgabe nur Zug um Zug gegen Rückerstattung des Kaufpreises verpflichtet ist. Überdies müsste L das Risiko der Insolvenz des X tragen. Dies sei eine unangemessene Verteilung des Entreicherungsrisikos. Nach dieser Meinung beschränkt sich die Verpflichtung der E daher nicht auf Abtretung des ihr zustehenden Bereicherungsanspruches (Kondiktion der Kondiktion); vielmehr ist E zum Wertersatz verpflichtet. Anmerkung: Die Gegenmeinung beruht auf grundsätzlichen Arbeiten von Canaris. Dieser hat für die Leistung im Mehrpersonenverhältnis folgende Kriterien aufgestellt: 1. Jeder Partei eines fehlerhaften Kausalverhältnisses sollen ihre Einwendungen gegen die andere Partei erhalten bleiben. Seite 5 von 7 2. Umgekehrt soll jede Partei vor Einwendungen geschützt werden, die ihr Vertragspartner aus seinem Rechtsverhältnis zu einem Dritten herleitet. 3. Das Insolvenzrisiko soll angemessen verteilt werden: Jede Partei soll das und nur das Risiko der Zahlungsunfähigkeit desjenigen tragen, den sie sich selbst als Partner ausgesucht hat. Der BGH hat diese Auffassung, soweit ersichtlich, bis heute nicht übernommen. Sie dürfte auch insgesamt wieder auf dem Rückzug sein. Zu beachten ist auch, dass die Tatsache, dass zwischen L und E einerseits und zwischen E und X andererseits ein Leistungsverhältnis besteht, nach herrschender Meinung einen direkten Durchgriff von L auf X ausschließt (Vorrang der Leistungskondition). Ein Durchgriff des L auf den X kommt nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich nach § 822 BGB: Wenn der Vertrag zwischen L und E nichtig ist und E die Sache ihrerseits nicht weiterverkauft, sondern weiterverschenkt hatte und dadurch entreichert ist. Dieser Durchgriff ist notwendig, weil ein Anspruch L gegen E an § 818 Abs. 3 BGB scheitern würde. Der gesetzlich angeordnete Durchgriff ist auch gerechtfertigt wegen der minderen Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs durch X. Zu Lösung Fall 1 2. Abwandlung: L schenkt E nicht eine Wohnung, sondern € 120.000,00. Die E tilgt damit ein Darlehen in gleicher Höhe, für das sie ansonsten 13 % Zinsen jährlich hätte zahlen müssen. Der Schenkungsvertrag ist unwirksam. Kann L von E Nutzungen verlangen? Ansprüche des L gegen die E auf Herausgabe der ersparten Zinsen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB i. V. m. § 818 Abs. 1 BGB L könnte gegen E gemäß § 818 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der ersparten Zinsen verlangen (13 % pro Jahr). Gemäß § 818 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Herausgabepflicht auf die gezogenen Nutzungen, d. h. auf die Sach- und Rechtsfrüchte und sonstigen Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB). Hierzu zählen nach herrschender Meinung auch Zinserträge, die dem Seite 6 von 7 Bereicherungsschuldner aus einer kapitalvermehrenden Anlage des erlangten Geldflusses zugeflossen sind. E hat jedoch die erlangte Zahlung nicht zinsbringend angelegt, sondern zur Tilgung eigener Darlehensverpflichtung verwandt und sich somit die Zahlung von Sollzinsen erspart. Nach herrschender Meinung sind auch ersparte Darlehenszinsen als gezogene Nutzungen im Sinne des § 818 Abs. 1 BGB anzusehen. Zur Begründung führt die herrschende Meinung an, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein Unterschied darin liege, ob der Bereicherungsschuldner das erlangte Geld zinsbringend anlege und damit sein Vermögen vermehre oder ob er eine Verminderung des Vermögens vermeide, indem er eine eigene verzinsliche Schuld ablöse (siehe BGHZ 138, 160, 164). Da E die Vorteile nicht in Natur herausgeben kann, hat sie gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Dieser entspricht selbstverständlich der Höhe der nicht bezahlten Zinsen. Anmerkung: E hat selbstverständlich auch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, Fall 1, 818 Abs. 2 BGB den geschenkten Betrag zurückzubezahlen. E ist auch nicht entreichert, da der Vermögenswert bei ihr noch vorhanden ist. Nach der Rückzahlung steht E wieder so wie zuvor (E hat dann wieder € 120.000,00 Schulden). Maßgeblich für die Frage der Bereicherung ist der Stand des Vermögens vor dem Bereicherungs-vorgang, ob dieser negativ oder positiv ist, ist im Anwendungsbereich von § 812 BGB unbeachtlich. Der Bereicherungsschuldner darf nach Abschöpfung der Bereicherung durchaus ein negatives Vermögen haben, er darf nur nicht schlechter stehen als vor dem Bereicherungsvorgang. Im konkreten Fall ist die Bereicherung auch noch im Vermögen der E vorhanden, weil ihr Vermögen höher ist als vor dem Bereicherungsvorgang. Entreichert wäre E nur, wenn sie das Geld z. B. verschenkt hätte. Seite 7 von 7
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