Sendesperrfrist 21. Juli 2016, 10.30 Uhr Es gilt das gesprochene Wort! Rede Dr.-Ing. Mathias Kammüller Vorsitzender VDMA Baden-Württemberg anlässlich der Jahrespressekonferenz am 21. Juli 2016 in Stuttgart Baden-Württembergischer Maschinenbau blickt mit Selbstvertrauen in die Zukunft Guten Morgen, meine Damen und Herren. Auch ich begrüße Sie zur Jahrespressekonferenz des VDMA. Es gibt eine Reihe von Themen, die uns in den letzten Tagen bewegt, zum Teil bestürzt haben, wenn wir an Nizza oder die Lage in der Türkei denken. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch Auswirkungen auf unsere Branche haben. Dazu kann ich heute jedoch noch keine Aussagen machen. Damit zum eigentlichen Thema dieser Pressekonferenz. Der Maschinenbau in Baden-Württemberg ist mit mehr als 300.000 Beschäftigten die beschäftigungsstärkste Industriebranche im Land. Der Umsatz entwickelt sich seit 2009 kontinuierlich nach oben, wir sind international erfolgreich und in vielen Bereichen Technologieführer. Es passte allerdings nicht zum mittelständisch geprägten und oftmals familiengeführten Maschinenbau, in Selbstzufriedenheit zu verfallen. Wir wollen unsere Betriebe erfolgreich in die Zukunft führen – auch weil wir Verantwortung empfinden für unsere Standorte, für unsere Mitarbeiter, für unsere Region. 1 Diese Zukunft wird maßgeblich durch die Digitalisierung geprägt sein – ein Thema, mit dem sich bereits viele Unternehmen beschäftigen. Wir müssen und wollen uns als Unternehmen und als Industriebranche hierbei einbringen. Die neue Landesregierung ist aufgerufen, uns zu unterstützen und die Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Digitalisierung zu einem nachhaltigen Innovationsmotor für das Land zu machen. Die Betriebe sind angehalten, sich weiterhin mutig auf die digitale Ära einzustellen und die Chancen zu ergreifen, die sich national und auf dem Weltmarkt bieten. Der Maschinenbau im Land hat, dies nehme ich gern vorweg, alle Voraussetzungen dafür, seine Erfolgsgeschichte fortzuschreiben – wenn uns auch in der Zukunft die Fachkräfte zur Verfügung stehen, die wir benötigen und die Rahmenbedingungen beispielsweise bei der Infrastruktur stimmen. Als neuer Vorsitzender des VDMA Baden-Württemberg freue ich mich, diese große Chance zur Weiterentwicklung des Maschinenbaus aktiv begleiten zu können. *** Nun zu den Ergebnissen unserer aktuellen Konjunkturumfrage, an der 259 Unternehmen mit knapp 200.000 Mitarbeitern teilgenommen haben. Sie repräsentieren annähernd Zwei Drittel des baden-württembergischen Maschinen- und Anlagenbaus. Die Konjunkturumfrage liefert uns aktuelle Ergebnisse zur Lage der Unternehmen und gibt Antworten darauf, was die Unternehmen derzeit beschäftigt. Und sie liefert die Erkenntnis, dass die Betriebe – auch in einem derzeit herausfordernden Umfeld – zuversichtlich und selbstbewusst in die Zukunft schauen. Unternehmen zufrieden mit Auftragseingängen Während laut amtlicher Statistik die Auftragseingänge für den badenwürttembergischen Maschinenbau in den ersten Monaten 2016 leicht unter dem Vorjahr liegen, zeigen sich die an unserer Konjunkturumfrage beteiligten 2 Unternehmen zufrieden mit ihrer gegenwärtigen Auftragseingangslage (Chart 1). 48 Prozent sprechen von einer derzeit guten oder sehr guten Auftragseingangssituation, dies entspricht ungefähr dem Vorjahreswert. 22 Prozent sprechen von einem schwachen, schlechten oder sehr schlechten Auftragseingang. Für den weiteren Jahresverlauf erwarten 23 Prozent eine Verbesserung der Auftragseingänge, 65 Prozent gehen von einer unveränderten Lage aus. Lediglich knapp 12 Prozent gehen von einer Verschlechterung innerhalb der nächsten Monate aus (Chart 2). Die Ergebnisse unserer Konjunkturumfrage deuten darauf hin, dass insbesondere in der zweiten Jahreshälfte die Auftragseingänge im badenwürttembergischen Maschinenbau anziehen könnten. Abzuwarten bleibt jedoch, inwieweit gerade im letzten Quartal 2016 das Brexit-Referendum auf die Order durchschlägt und wie stabil die Bestelleingänge aus dem bisherigen Ankermarkt Inland sind. Nur so viel zum Brexit: Großbritannien ist für uns der viertwichtigste Markt nach den USA, China und Frankreich. Die baden-württembergischen Maschinenlieferungen nach Großbritannien belaufen sich auf über 1,9 Milliarden Euro, dies entspricht einem Anteil von 4,9 Prozent aller badenwürttembergischen Maschinenausfuhren. Laut einer bundesweiten VDMAUmfrage aus dem Jahr 2014 haben etwa 155 Mitgliedsunternehmen des VDMA in Großbritannien Niederlassungen, davon 63 aus Baden-Württemberg. Inlandsmarkt ist wichtigster Zielmarkt Gefragt nach dem Exportwachstum äußern sich die Unternehmen etwas verhaltener als noch vor einem Jahr. So rechnen 59 Prozent der Unternehmen mit einem Exportwachstum für das laufende Jahr, vor einem Jahr waren dies noch 68 Prozent. 32 Prozent gehen in diesem Jahr von einem Exportwachstum von mehr als 5 Prozent aus – gegenüber 43 Prozent im letzten Jahr (Chart 3). 3 Impulse erwarten die Unternehmen folgerichtig vor allem vom Inlandsmarkt. 75 Prozent der Unternehmen geben Deutschland als besonders gut laufenden Zielmarkt an. Damit hat sich das Inland als Wachstumstreiber gegenüber dem vergangenen Jahr noch einmal gesteigert (Chart 4). Auslandsmärkte: China mit rückläufiger Bedeutung Nach wie vor positiv verläuft für viele der befragten Unternehmen der USamerikanische Markt, wenn auch im Vergleich zum Vorjahr eine nachlassende Dynamik erkennbar ist. Klar rückläufige Bedeutung hat für die Unternehmen derzeit China. Nur noch etwas mehr als jedes fünfte Unternehmen gibt die Volksrepublik als positiv laufenden Zielmarkt an. Wir meinen jedoch, dass diese Entwicklung auf dem chinesischen Markt nicht von Dauer sein muss. In China haben die Jahre des starken Wachstums zu Fehlallokationen unter anderem auf dem Immobilien- oder dem Rohstoffmarkt geführt. Nun ist das Land in eine Konsolidierungsphase eingetreten, in der die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltiger ausgerichtet werden soll. An dieser Strategie kann der deutsche Maschinen- und Anlagenbau langfristig partizipieren; schließlich wird unter dem Stichwort Energie- und Ressourceneffizienz eine Technologie benötigt, die gerade unsere Branche liefern kann. Schwache Zielmärkte Schwach präsentieren sich nach Angaben der Unternehmen derzeit vor allem die Märkte Russland und Brasilien (Chart 5). Russland war 2015 mit einem Ausfuhrvolumen von knapp 900 Millionen Euro nur noch Exportland Nr. 15 des baden-württembergischen Maschinenbaus, dies entspricht einem Rückgang der Ausfuhren von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 4 Ungeachtet dessen – so wissen wir aus vielen Gesprächen – haben die Maschinenbauer in Baden-Württemberg ein hohes Interesse daran, in Russland zu investieren. Für die Unternehmen gilt es daher, die langfristige Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren und Kunden- und Partnerkontakte weiter zu pflegen. Ein Rückzug vom russischen Markt würde bedeuten, ihn den zumeist asiatischen Wettbewerbern zu überlassen. Beim Umsatz setzt sich der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fort Die Umsatzentwicklung sehen die an der Umfrage beteiligten Unternehmen für das laufende Jahr positiv. 65 Prozent gehen von einem Umsatzanstieg aus, 34 Prozent erwarten einen Anstieg bis 5 Prozent, 31 Prozent sogar von mehr als 5 Prozent. (Chart 6). Im gewichteten Durchschnitt erwarten die Unternehmen einen Anstieg von nominal 2 Prozent. Das entspricht aufgrund der niedrigen Preissteigerung einem realen Plus von ca. 1,4 Prozent. Auf Basis dieser Erwartungen könnte der baden-württembergische Maschinen- und Anlagenbau 2016 einen Umsatz von 75,5 Mrd. Euro realisieren und so den Wachstumstrend der vergangen Jahre – wenn auch etwas moderater – fortsetzen (Chart 7). Personalstand hat sich weiter erhöht Besonders erfreulich ist es, dass die Unternehmen in einem konjunkturell anspruchsvollen Umfeld weiter Personal aufbauen. Im Jahr 2015 hat der Maschinen- und Anlagenbau in Baden-Württemberg über 306.000 Menschen beschäftigt. Dies entspricht einer Steigerung von 0,6 Prozent oder knapp 2.000 Mitarbeitern gegenüber dem Jahr 2014 (Stand jeweils zum Stichtag 30. September bei Unternehmen mit über 20 Mitarbeitern). Das Beschäftigungswachstum im Maschinenbau hat sich zwar verlangsamt, dennoch sind seit Jahresanfang 2016 laut amtlicher Statistik noch einmal ca. 900 Mitarbeiter hinzugekommen (bei Unternehmen über 50 Mitarbeiter). 5 Auch unsere Konjunkturumfrage bestätigt, dass die Betriebe personell weiter wachsen wollen. So haben im ersten Halbjahr 2016 39 Prozent der befragten Unternehmen Personal aufgebaut, nur 14 Prozent mussten Personal abbauen. Für die nächsten Monate planen 32 Prozent der Betriebe einen Personalaufbau, 14 Prozent werden Personal abbauen (Chart 8). Offene Stellen im Maschinenbau auf Vorjahresniveau Der Bedarf an Fachkräften ist auch im laufenden Jahr auf einem hohen Niveau. 59 Prozent der antwortenden Betriebe berichten von derzeit offenen Stellen, im vergangenen Jahr waren es 60 Prozent. Insgesamt haben uns die Betriebe 1.121 offene Stellen gemeldet, diese entfallen zu 43 Prozent auf Ingenieure und zu 33 Prozent auf Facharbeiter (Rest: Sonstige, Chart 9). Noch genügend Azubis im Maschinenbau Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes ist der Maschinenbau mit einer Ausbildungsquote von 6,6 Prozent eine der am stärksten ausbildenden Branchen. Unsere Betriebe engagieren sich hier mit Nachdruck, denn sie wissen, dass sie sich über eine gute Ausbildung die Fach- und Führungskräfte von morgen sichern. Für die Unternehmen ist es jedoch keine Selbstverständlichkeit mehr, die Auszubildenden zu bekommen, die sie benötigen. Viele Jugendliche zieht es in ein Studium oder sie verbleiben zunächst im schulischen System. Diesem Trend müssen wir in den nächsten Jahren mit noch mehr Engagement gegensteuern. Die in unserer Konjunkturumfrage rückmeldenden Unternehmen schaffen es noch zu einem Großteil, genügend Nachwuchs für ihre gewerblich-technischen und kaufmännischen Ausbildungsberufe zu akquirieren. 85 Prozent der Betriebe konnten 2016 ihre Ausbildungsplätze besetzen. 6 Dies bedeutet jedoch zugleich, dass immerhin 15 Prozent der Unternehmen trotz entsprechender Bemühungen ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen konnten. Investitionen 2016 auf stabilem Niveau Bei der Investitionstätigkeit gibt es zum Vorjahr nahezu keine Veränderung. 2016 möchten 35 Prozent der Unternehmen ihre Investitionen im Vergleich zu 2015 steigern, 50 Prozent sie unverändert halten und 14 Prozent sie reduzieren (Chart 10). Obwohl sich die globalen Unsicherheiten im laufenden Jahr eher noch verstärkt haben, wollen die Betriebe also weiter in neue Produkte und Prozesse investieren. Begünstigt wird das Investitionsklima durch eine gute Kapitalausstattung der Unternehmen. Sie verfügen derzeit über eine Eigenkapitalquote von im Durchschnitt 40 Prozent. Erträge stellen die Unternehmen zufrieden, Schere geht jedoch auseinander Knapp 41 Prozent der Unternehmen antworten auf die Frage nach ihrer derzeitigen Ertragssituation mit sehr gut oder gut. Die Unternehmen zeigen sich mit ihren Erträgen somit zufriedener als noch vor einem Jahr (Chart 11). Zugleich sehen sich jedoch mit 20 Prozent der Unternehmen deutlich mehr Betriebe als im letzten Jahr in einer „sehr schlechten“ oder „schlechten“ Ertragslage. Vor einem Jahr waren es 12 Prozent. Aufgrund der auseinanderlaufenden Ertragssituation der Unternehmen gilt es, insbesondere die Tarifpolitik weiter im Auge zu behalten und unverhältnismäßige Belastungen der Betriebe zu vermeiden, auf Innovationen zu setzen und ertragsreiche Geschäftsfelder wie das Servicegeschäft weiter auszubauen. 7 Erwartungen für 2017 vielversprechend Für das kommende Jahr erwarten knapp 73 Prozent der befragten Unternehmen ein Umsatzwachstum. Dabei gehen 44 Prozent von einem Zuwachs von mindestens 5 Prozent aus, 9 Prozent erwarten sogar einen Zuwachs von über 10 Prozent (Chart 12). Trotz der zunehmenden Volatilität der Märkte sind die Unternehmen für das kommende Jahr also optimistisch. Dies liegt auch daran, dass die Flexibilität in den Betrieben zugenommen hat und sich konjunkturelle Unsicherheiten so besser abfangen lassen. Die Unternehmen haben zudem ihr Eigenkapital aufgestockt und sehen sich bei wichtigen Technologiethemen wie Industrie 4.0 auf dem richtigen Weg. Haupthindernisse für Wachstum Gefragt nach den derzeitigen Haupthindernissen für ein stärkeres Wachstum sehen 59 Prozent der befragten Unternehmen die schwache Konjunktur an erster Stelle (Chart 13). Das Wachstumshemmnis durch Krisen im Euroraum steht an zweiter Stelle, wird jedoch mit 45 Prozent als weniger prekär eingestuft als noch vor einem Jahr. Der Fachkräftemangel belastet mit 23 Prozent ungefähr jedes vierte Unternehmen. Zeitarbeitsgesetz belastet Unternehmen Unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurde am 1. Juni 2016 ein Gesetz für die Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung auf den Weg gebracht. Es enthält zentrale Änderungen unter anderem in den Bereichen Equal Pay, Höchstüberlassungsdauer und Werkverträge. Der VDMA Baden-Württemberg hat sich in Gesprächen mit Bundes- und Landespolitikern immer wieder gegen weitere Restriktionen bei Zeit- und Leiharbeit sowie 8 Werkverträgen ausgesprochen, um die Flexibilität der Unternehmen nicht weiter zu beschränken. Unsere aktuelle Konjunkturumfrage zeigt, dass die Betriebe die Regularien durchaus spüren. 38 Prozent der Unternehmen sehen sich durch das Zeitarbeitsgesetz „durchschnittlich belastet“ und 13 Prozent geben sogar eine starke Belastung an (Chart 14). Wir meinen: Die Flexibilisierung der Betriebe insbesondere beim Thema Beschäftigung war und ist ein Erfolg, den wir nicht aufs Spiel setzen dürfen. Sie hat zu mehr, nicht zu weniger Beschäftigung geführt und wird dringend benötigt, um Schwankungen in der Kapazitätsauslastung aufzufangen. Jede weitere Einschränkung ist ein Rückschritt, der zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit zu Lasten aller geht. Infrastruktur ausbauen Als Ergebnis der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 13. März 2016 wurde die bundesweit erste grün-schwarze Regierungskoalition auf den Weg gebracht. Es gilt nun, die politischen Rahmenbedingungen für eine starke Wirtschaft im Land richtig zu setzen. Dazu zählen: Klare Vorfahrt für den Ausbau von Verkehrswegen und Breitbandnetzen, eine zukunftsweisende digitale Agenda, erstklassige duale Ausbildungsmöglichkeiten sowie eine ausgezeichnete Infrastruktur für Forschung, Entwicklung und Technologietransfer. Dies sind politische Kernforderungen, die gerade den Maschinenbau als mittelständisch geprägte Industriebranche in Baden-Württemberg weiterbringen. Das Ergebnis der Konjunkturumfrage bestätigt die Einschätzung, dass die Schaffung einer leistungsfähigen Infrastruktur bei Breitband-Versorgung und Verkehr das wichtigste Anliegen der Betriebe ist. 53 Prozent der befragten Unternehmen sehen hier den größten Handlungsbedarf (Chart 15). Gestützt auf diese Ergebnisse fordern wir deshalb mit Nachdruck, die Digitalisierung im Land weiter voranzutreiben. Neuartige Produkte und 9 Dienstleistungen kombiniert mit neuen Geschäftsmodellen auf Basis der Vernetzung zu Industrie 4.0 können dem Maschinenbau im Land ein echtes Alleinstellungsmerkmal verschaffen – wenn die entsprechende Infrastruktur geschaffen wird, mit der das anfallende Datenvolumen verarbeitet werden kann. Das Vorhaben der Koalition, mit einem Breitbandprogramm erhebliche Mittel bereitzustellen, um die flächendeckende Verfügbarkeit von Bandbreiten ab 50 Mbit/s zügig voranzutreiben, ist der richtige Ansatz, greift jedoch zu kurz. Im Sinne einer vorausschauenden Strukturpolitik muss jeder industrielle Gewerbestandort mit einem Breitbandanschluss mit mindestens 100 Mbit/s symmetrischer Übertragungsrate ausgestattet werden können. Hier muss nachgebessert werden, um aus der Digitalisierung einen nachhaltigen Innovationsmotor für das Land zu machen. Export unterstützen 47 Prozent der Betriebe wünschen sich, dass die neue Landesregierung besonderen Einsatz bei den Themen „Exportstärke fördern“ und „Marktpotenziale weiterentwickeln“ zeigt. Hierzu gehört auch ein klares Bekenntnis zum Freihandelsabkommen TTIP, für dessen Zustandekommen die Chancen mittlerweile schlechter stehen als noch während des Besuchs von Präsident Obama auf der Hannover-Messe. Die Unternehmen in Baden-Württemberg sind der Meinung, dass ein gut ausgehandelter TTIP-Vertrag dem USA-Geschäft zusätzliche Impulse verleihen und den Welthandel insgesamt beleben könnte. Der VDMA BadenWürttemberg fordert daher, den Verhandlungsprozess rund um das Thema von Seiten des Landes konstruktiv und zum Vorteil seiner mittelständischen Industrie zu begleiten. Fachkräfte finden und binden An dritter Stelle rangiert der Wunsch, Fachkräfte für den Industriestandort Deutschland zu sichern. Mehrere Faktoren spielen hier mit hinein. 10 Bedingt durch die demografische Entwicklung werden sich die Betriebe in den nächsten Jahren noch deutlicher als bereits heute auf einem Bewerbermarkt bewegen. Unsere Konjunkturumfrage zeigt zwar: Noch sind die Nachwuchssorgen der Maschinenbauer gedämpft. Gerade die hervorragenden Perspektiven gewerblich-technischer Berufe im Maschinenbau müssen wir den jungen Menschen jedoch immer wieder vor Augen führen. Der VDMA unterstützt die Unternehmen durch Schulungen, die aus Auszubildenden Mentoren machen. Denn sind Auszubildende erst einmal für die Branche gewonnen, sind sie hochzufrieden mit ihrer Wahl und die besten Botschafter ihrer Unternehmen. Positiv zu bewerten im Rahmen einer langfristig angelegten Fachkräftestrategie ist das Vorhaben der grün-schwarzen Koalition, das digitale Zeitalter in den Schulen einzuläuten. Unterrichtsmedien und Lerninhalte müssen so ausgerichtet werden, dass der Fachkräftenachwuchs frühzeitig auf die digitale Zukunft vorbereitet wird. Die neu eingerichteten Lernfabriken 4.0 an Berufsschulen sind ein wichtiger Schritt und gemäß den Anforderungen der Unternehmen weiterzuentwickeln. Nicht zuletzt soll auch das Thema Integration von Flüchtlingen an dieser Stelle genannt sein. Viele Unternehmen haben sich die Frage gestellt, wie durch die Integration in Arbeit und Ausbildung diesen meist jungen Menschen eine Perspektive geboten werden kann. Sie haben oftmals betriebsindividuelle Lösungen entwickelt und schaffen so nachhaltige Beschäftigung. Zu begrüßen ist, dass mit dem geplanten Integrationsgesetz die Vorrangprüfung bei Asylbewerbern und Geduldeten für drei Jahre befristet ausgesetzt werden kann. Diese Maßnahme kann den Rekrutierungsprozess vereinfachen und Betrieben so mehr Planungssicherheit geben 11 Zusammenfassung Kurz zusammengefasst stellt sich die Lage derzeit folgendermaßen dar: • Im Rückblick auf das Jahr 2015 entwickelte sich der badenwürttembergische Maschinenbau deutlich besser als der Bundestrend. Beim Auftragseingang (+3 Prozent), beim Umsatz (+4 Prozent) und bei der Produktion (+4,5 Prozent) verbuchte die Branche im Land ein klares Plus. Diese Werte beruhen auf den Meldungen an das Statistische Landesamt und sind nominale Werte. • Trotz eines herausfordernden Umfeldes setzt der Maschinenbau auch für das laufende und das kommende Jahr bei Umsatz und Beschäftigung weiter auf Wachstum. • Wichtigster Motor für den baden-württembergischen Maschinenbau ist derzeit der Inlandsmarkt. Das Auslandsgeschäft insgesamt zeigt sich uneinheitlich. • Die Exporte in die Europäische Union liegen ungefähr auf Vorjahresniveau. Hier hat bereits 2015 eine Erholung eingesetzt, die sich in diesem Jahr fortsetzen sollte. Besonders gut laufen derzeit die Länder Frankreich, Italien und Spanien. • Das Auslandsgeschäft in Richtung USA läuft ebenfalls positiv, hat sich jedoch gegenüber Vorjahr abgeschwächt. • Dagegen wirkt die Wachstumsschwäche in China und einer Reihe von Schwellenländern wie Brasilien dämpfend auf den exportstarken Maschinenbau im Land. • Der Tenor der Konjunkturumfrage ist positiv, die Betriebe sind und bleiben optimistisch. Sie sind offenbar noch flexibler geworden und können sich gut, das heißt unter Fortbestand ihrer Mitarbeiterzahl, auf konjunkturelle Schwankungen einstellen. • Sie wissen, dass das Umfeld herausfordernd bleiben wird, vertrauen jedoch auf ihre technologische Stärke und internationale Präsenz. • Die Türkei – diese Information soll Ihnen an einem Tag wie diesem nicht vorenthalten sein – belegte 2015 mit einem Volumen von 925 Mio. Euro Platz 12 bei den Ausfuhrländern für den baden-württembergischen Maschinenbau. 12 Meine Damen und Herren, soweit die gegenwärtige Lage. Gestatten Sie mir zum Abschluss noch einige wenige persönliche Sätze. Ich übernehme dieses Amt im Gefühl der Verantwortung für den Maschinenund Anlagenbau in politisch wie gesellschaftlich bewegten Zeiten. Der Brexit, die Sanktionen gegen Russland, die Türkei, aber auch die Integration der nach Europa kommenden Menschen sind sichtbare Zeichen einer Welt im Wandel. Dabei geht es längst nicht mehr um die Wirtschaft allein, sondern um das Vertrauen in europäische oder staatliche Institutionen. Es herrscht Verunsicherung in der Bevölkerung – nicht nur bei uns, sondern überall auf dem Kontinent. Umso mehr verstehe ich es als eine zentrale Aufgabe der Wirtschaft, den Menschen den globalen Wandel zu erklären – sie mitzunehmen und nicht den radikalen Kräften zu überlassen. Gerade für den Maschinen- und Anlagenbau – eine vom Export lebende Branche – gilt, dass es in einer modernen, vernetzten Wirtschaftswelt keinen „Exit“ gibt. Wir leben vom freien Warenhandel und Personenverkehr, und zunehmend auch vom Austausch von digitalen Informationen! Dadurch bieten sich, hiervon bin ich zutiefst überzeugt, große Chancen für unsere Unternehmen und das Gemeinwesen. Dies ist eine der Botschaften, die ich in meiner Amtszeit als Vorsitzender des VDMA in Baden-Württemberg immer wieder nach draußen tragen möchte. Ich freue mich deshalb auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und im Besonderen, ich habe sie bereits am Anfang erwähnt, der neuen Landesregierung in Stuttgart. Vielen Dank! 13
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