Presserede Dr. Kammüller

Sendesperrfrist 21. Juli 2016, 10.30 Uhr
Es gilt das gesprochene Wort!
Rede
Dr.-Ing. Mathias Kammüller
Vorsitzender VDMA Baden-Württemberg
anlässlich der Jahrespressekonferenz
am 21. Juli 2016 in Stuttgart
Baden-Württembergischer Maschinenbau
blickt mit Selbstvertrauen in die Zukunft
Guten Morgen, meine Damen und Herren. Auch ich begrüße Sie zur
Jahrespressekonferenz des VDMA.
Es gibt eine Reihe von Themen, die uns in den letzten Tagen bewegt, zum Teil
bestürzt haben, wenn wir an Nizza oder die Lage in der Türkei denken. Sie
werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch Auswirkungen auf unsere Branche
haben. Dazu kann ich heute jedoch noch keine Aussagen machen.
Damit zum eigentlichen Thema dieser Pressekonferenz. Der Maschinenbau in
Baden-Württemberg ist mit mehr als 300.000 Beschäftigten die
beschäftigungsstärkste Industriebranche im Land. Der Umsatz entwickelt sich
seit 2009 kontinuierlich nach oben, wir sind international erfolgreich und in
vielen Bereichen Technologieführer.
Es passte allerdings nicht zum mittelständisch geprägten und oftmals
familiengeführten Maschinenbau, in Selbstzufriedenheit zu verfallen. Wir wollen
unsere Betriebe erfolgreich in die Zukunft führen – auch weil wir Verantwortung
empfinden für unsere Standorte, für unsere Mitarbeiter, für unsere Region.
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Diese Zukunft wird maßgeblich durch die Digitalisierung geprägt sein – ein
Thema, mit dem sich bereits viele Unternehmen beschäftigen.
Wir müssen und wollen uns als Unternehmen und als Industriebranche hierbei
einbringen. Die neue Landesregierung ist aufgerufen, uns zu unterstützen und
die Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Digitalisierung zu einem
nachhaltigen Innovationsmotor für das Land zu machen. Die Betriebe sind
angehalten, sich weiterhin mutig auf die digitale Ära einzustellen und die
Chancen zu ergreifen, die sich national und auf dem Weltmarkt bieten.
Der Maschinenbau im Land hat, dies nehme ich gern vorweg, alle
Voraussetzungen dafür, seine Erfolgsgeschichte fortzuschreiben – wenn uns
auch in der Zukunft die Fachkräfte zur Verfügung stehen, die wir benötigen und
die Rahmenbedingungen beispielsweise bei der Infrastruktur stimmen.
Als neuer Vorsitzender des VDMA Baden-Württemberg freue ich mich, diese
große Chance zur Weiterentwicklung des Maschinenbaus aktiv begleiten zu
können.
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Nun zu den Ergebnissen unserer aktuellen Konjunkturumfrage, an der
259 Unternehmen mit knapp 200.000 Mitarbeitern teilgenommen haben. Sie
repräsentieren annähernd Zwei Drittel des baden-württembergischen
Maschinen- und Anlagenbaus.
Die Konjunkturumfrage liefert uns aktuelle Ergebnisse zur Lage der
Unternehmen und gibt Antworten darauf, was die Unternehmen derzeit
beschäftigt. Und sie liefert die Erkenntnis, dass die Betriebe – auch in einem
derzeit herausfordernden Umfeld – zuversichtlich und selbstbewusst in die
Zukunft schauen.
Unternehmen zufrieden mit Auftragseingängen
Während laut amtlicher Statistik die Auftragseingänge für den badenwürttembergischen Maschinenbau in den ersten Monaten 2016 leicht unter dem
Vorjahr liegen, zeigen sich die an unserer Konjunkturumfrage beteiligten
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Unternehmen zufrieden mit ihrer gegenwärtigen Auftragseingangslage
(Chart 1).
48 Prozent sprechen von einer derzeit guten oder sehr guten
Auftragseingangssituation, dies entspricht ungefähr dem Vorjahreswert. 22
Prozent sprechen von einem schwachen, schlechten oder sehr schlechten
Auftragseingang.
Für den weiteren Jahresverlauf erwarten 23 Prozent eine Verbesserung der
Auftragseingänge, 65 Prozent gehen von einer unveränderten Lage aus.
Lediglich knapp 12 Prozent gehen von einer Verschlechterung innerhalb der
nächsten Monate aus (Chart 2).
Die Ergebnisse unserer Konjunkturumfrage deuten darauf hin, dass
insbesondere in der zweiten Jahreshälfte die Auftragseingänge im badenwürttembergischen Maschinenbau anziehen könnten. Abzuwarten bleibt jedoch,
inwieweit gerade im letzten Quartal 2016 das Brexit-Referendum auf die Order
durchschlägt und wie stabil die Bestelleingänge aus dem bisherigen Ankermarkt
Inland sind.
Nur so viel zum Brexit: Großbritannien ist für uns der viertwichtigste Markt nach
den USA, China und Frankreich. Die baden-württembergischen
Maschinenlieferungen nach Großbritannien belaufen sich auf über 1,9
Milliarden Euro, dies entspricht einem Anteil von 4,9 Prozent aller badenwürttembergischen Maschinenausfuhren. Laut einer bundesweiten VDMAUmfrage aus dem Jahr 2014 haben etwa 155 Mitgliedsunternehmen des VDMA
in Großbritannien Niederlassungen, davon 63 aus Baden-Württemberg.
Inlandsmarkt ist wichtigster Zielmarkt
Gefragt nach dem Exportwachstum äußern sich die Unternehmen etwas
verhaltener als noch vor einem Jahr. So rechnen 59 Prozent der Unternehmen
mit einem Exportwachstum für das laufende Jahr, vor einem Jahr waren dies
noch 68 Prozent. 32 Prozent gehen in diesem Jahr von einem Exportwachstum
von mehr als 5 Prozent aus – gegenüber 43 Prozent im letzten Jahr (Chart 3).
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Impulse erwarten die Unternehmen folgerichtig vor allem vom Inlandsmarkt.
75 Prozent der Unternehmen geben Deutschland als besonders gut laufenden
Zielmarkt an. Damit hat sich das Inland als Wachstumstreiber gegenüber dem
vergangenen Jahr noch einmal gesteigert (Chart 4).
Auslandsmärkte: China mit rückläufiger Bedeutung
Nach wie vor positiv verläuft für viele der befragten Unternehmen der USamerikanische Markt, wenn auch im Vergleich zum Vorjahr eine nachlassende
Dynamik erkennbar ist.
Klar rückläufige Bedeutung hat für die Unternehmen derzeit China. Nur noch
etwas mehr als jedes fünfte Unternehmen gibt die Volksrepublik als positiv
laufenden Zielmarkt an.
Wir meinen jedoch, dass diese Entwicklung auf dem chinesischen Markt nicht
von Dauer sein muss. In China haben die Jahre des starken Wachstums zu
Fehlallokationen unter anderem auf dem Immobilien- oder dem Rohstoffmarkt
geführt. Nun ist das Land in eine Konsolidierungsphase eingetreten, in der die
wirtschaftliche Entwicklung nachhaltiger ausgerichtet werden soll. An dieser
Strategie kann der deutsche Maschinen- und Anlagenbau langfristig
partizipieren; schließlich wird unter dem Stichwort Energie- und
Ressourceneffizienz eine Technologie benötigt, die gerade unsere Branche
liefern kann.
Schwache Zielmärkte
Schwach präsentieren sich nach Angaben der Unternehmen derzeit vor allem
die Märkte Russland und Brasilien (Chart 5).
Russland war 2015 mit einem Ausfuhrvolumen von knapp 900 Millionen Euro
nur noch Exportland Nr. 15 des baden-württembergischen Maschinenbaus, dies
entspricht einem Rückgang der Ausfuhren von 30 Prozent gegenüber dem
Vorjahr.
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Ungeachtet dessen – so wissen wir aus vielen Gesprächen – haben die
Maschinenbauer in Baden-Württemberg ein hohes Interesse daran, in Russland
zu investieren. Für die Unternehmen gilt es daher, die langfristige Perspektive
nicht aus den Augen zu verlieren und Kunden- und Partnerkontakte weiter zu
pflegen. Ein Rückzug vom russischen Markt würde bedeuten, ihn den zumeist
asiatischen Wettbewerbern zu überlassen.
Beim Umsatz setzt sich der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fort
Die Umsatzentwicklung sehen die an der Umfrage beteiligten Unternehmen für
das laufende Jahr positiv. 65 Prozent gehen von einem Umsatzanstieg aus,
34 Prozent erwarten einen Anstieg bis 5 Prozent, 31 Prozent sogar von mehr
als 5 Prozent. (Chart 6).
Im gewichteten Durchschnitt erwarten die Unternehmen einen Anstieg von
nominal 2 Prozent. Das entspricht aufgrund der niedrigen Preissteigerung
einem realen Plus von ca. 1,4 Prozent.
Auf Basis dieser Erwartungen könnte der baden-württembergische
Maschinen- und Anlagenbau 2016 einen Umsatz von 75,5 Mrd. Euro realisieren
und so den Wachstumstrend der vergangen Jahre – wenn auch etwas
moderater – fortsetzen (Chart 7).
Personalstand hat sich weiter erhöht
Besonders erfreulich ist es, dass die Unternehmen in einem konjunkturell
anspruchsvollen Umfeld weiter Personal aufbauen. Im Jahr 2015 hat der
Maschinen- und Anlagenbau in Baden-Württemberg über 306.000 Menschen
beschäftigt. Dies entspricht einer Steigerung von 0,6 Prozent oder knapp 2.000
Mitarbeitern gegenüber dem Jahr 2014 (Stand jeweils zum Stichtag 30.
September bei Unternehmen mit über 20 Mitarbeitern).
Das Beschäftigungswachstum im Maschinenbau hat sich zwar verlangsamt,
dennoch sind seit Jahresanfang 2016 laut amtlicher Statistik noch einmal ca.
900 Mitarbeiter hinzugekommen (bei Unternehmen über 50 Mitarbeiter).
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Auch unsere Konjunkturumfrage bestätigt, dass die Betriebe personell weiter
wachsen wollen. So haben im ersten Halbjahr 2016 39 Prozent der befragten
Unternehmen Personal aufgebaut, nur 14 Prozent mussten Personal abbauen.
Für die nächsten Monate planen 32 Prozent der Betriebe einen
Personalaufbau, 14 Prozent werden Personal abbauen (Chart 8).
Offene Stellen im Maschinenbau auf Vorjahresniveau
Der Bedarf an Fachkräften ist auch im laufenden Jahr auf einem hohen Niveau.
59 Prozent der antwortenden Betriebe berichten von derzeit offenen Stellen, im
vergangenen Jahr waren es 60 Prozent.
Insgesamt haben uns die Betriebe 1.121 offene Stellen gemeldet, diese
entfallen zu 43 Prozent auf Ingenieure und zu 33 Prozent auf Facharbeiter
(Rest: Sonstige, Chart 9).
Noch genügend Azubis im Maschinenbau
Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes ist der Maschinenbau mit einer
Ausbildungsquote von 6,6 Prozent eine der am stärksten ausbildenden
Branchen. Unsere Betriebe engagieren sich hier mit Nachdruck, denn sie
wissen, dass sie sich über eine gute Ausbildung die Fach- und Führungskräfte
von morgen sichern.
Für die Unternehmen ist es jedoch keine Selbstverständlichkeit mehr, die
Auszubildenden zu bekommen, die sie benötigen. Viele Jugendliche zieht es in
ein Studium oder sie verbleiben zunächst im schulischen System. Diesem
Trend müssen wir in den nächsten Jahren mit noch mehr Engagement
gegensteuern.
Die in unserer Konjunkturumfrage rückmeldenden Unternehmen schaffen es
noch zu einem Großteil, genügend Nachwuchs für ihre gewerblich-technischen
und kaufmännischen Ausbildungsberufe zu akquirieren. 85 Prozent der
Betriebe konnten 2016 ihre Ausbildungsplätze besetzen.
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Dies bedeutet jedoch zugleich, dass immerhin 15 Prozent der Unternehmen
trotz entsprechender Bemühungen ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen
konnten.
Investitionen 2016 auf stabilem Niveau
Bei der Investitionstätigkeit gibt es zum Vorjahr nahezu keine Veränderung.
2016 möchten 35 Prozent der Unternehmen ihre Investitionen im Vergleich zu
2015 steigern, 50 Prozent sie unverändert halten und 14 Prozent sie reduzieren
(Chart 10).
Obwohl sich die globalen Unsicherheiten im laufenden Jahr eher noch verstärkt
haben, wollen die Betriebe also weiter in neue Produkte und Prozesse
investieren. Begünstigt wird das Investitionsklima durch eine gute
Kapitalausstattung der Unternehmen. Sie verfügen derzeit über eine
Eigenkapitalquote von im Durchschnitt 40 Prozent.
Erträge stellen die Unternehmen zufrieden, Schere geht jedoch
auseinander
Knapp 41 Prozent der Unternehmen antworten auf die Frage nach ihrer
derzeitigen Ertragssituation mit sehr gut oder gut. Die Unternehmen zeigen sich
mit ihren Erträgen somit zufriedener als noch vor einem Jahr (Chart 11).
Zugleich sehen sich jedoch mit 20 Prozent der Unternehmen deutlich mehr
Betriebe als im letzten Jahr in einer „sehr schlechten“ oder „schlechten“
Ertragslage. Vor einem Jahr waren es 12 Prozent.
Aufgrund der auseinanderlaufenden Ertragssituation der Unternehmen gilt es,
insbesondere die Tarifpolitik weiter im Auge zu behalten und
unverhältnismäßige Belastungen der Betriebe zu vermeiden, auf Innovationen
zu setzen und ertragsreiche Geschäftsfelder wie das Servicegeschäft weiter
auszubauen.
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Erwartungen für 2017 vielversprechend
Für das kommende Jahr erwarten knapp 73 Prozent der befragten
Unternehmen ein Umsatzwachstum. Dabei gehen 44 Prozent von einem
Zuwachs von mindestens 5 Prozent aus, 9 Prozent erwarten sogar einen
Zuwachs von über 10 Prozent (Chart 12).
Trotz der zunehmenden Volatilität der Märkte sind die Unternehmen für das
kommende Jahr also optimistisch. Dies liegt auch daran, dass die Flexibilität in
den Betrieben zugenommen hat und sich konjunkturelle Unsicherheiten so
besser abfangen lassen. Die Unternehmen haben zudem ihr Eigenkapital
aufgestockt und sehen sich bei wichtigen Technologiethemen wie Industrie 4.0
auf dem richtigen Weg.
Haupthindernisse für Wachstum
Gefragt nach den derzeitigen Haupthindernissen für ein stärkeres Wachstum
sehen 59 Prozent der befragten Unternehmen die schwache Konjunktur an
erster Stelle (Chart 13).
Das Wachstumshemmnis durch Krisen im Euroraum steht an zweiter Stelle,
wird jedoch mit 45 Prozent als weniger prekär eingestuft als noch vor einem
Jahr.
Der Fachkräftemangel belastet mit 23 Prozent ungefähr jedes vierte
Unternehmen.
Zeitarbeitsgesetz belastet Unternehmen
Unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurde am
1. Juni 2016 ein Gesetz für die Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung auf
den Weg gebracht. Es enthält zentrale Änderungen unter anderem in den
Bereichen Equal Pay, Höchstüberlassungsdauer und Werkverträge. Der VDMA
Baden-Württemberg hat sich in Gesprächen mit Bundes- und Landespolitikern
immer wieder gegen weitere Restriktionen bei Zeit- und Leiharbeit sowie
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Werkverträgen ausgesprochen, um die Flexibilität der Unternehmen nicht weiter
zu beschränken.
Unsere aktuelle Konjunkturumfrage zeigt, dass die Betriebe die Regularien
durchaus spüren. 38 Prozent der Unternehmen sehen sich durch das
Zeitarbeitsgesetz „durchschnittlich belastet“ und 13 Prozent geben sogar eine
starke Belastung an (Chart 14).
Wir meinen: Die Flexibilisierung der Betriebe insbesondere beim Thema
Beschäftigung war und ist ein Erfolg, den wir nicht aufs Spiel setzen dürfen. Sie
hat zu mehr, nicht zu weniger Beschäftigung geführt und wird dringend benötigt,
um Schwankungen in der Kapazitätsauslastung aufzufangen. Jede weitere
Einschränkung ist ein Rückschritt, der zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der
Unternehmen und damit zu Lasten aller geht.
Infrastruktur ausbauen
Als Ergebnis der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 13. März 2016
wurde die bundesweit erste grün-schwarze Regierungskoalition auf den Weg
gebracht.
Es gilt nun, die politischen Rahmenbedingungen für eine starke Wirtschaft im
Land richtig zu setzen. Dazu zählen: Klare Vorfahrt für den Ausbau von
Verkehrswegen und Breitbandnetzen, eine zukunftsweisende digitale Agenda,
erstklassige duale Ausbildungsmöglichkeiten sowie eine ausgezeichnete
Infrastruktur für Forschung, Entwicklung und Technologietransfer. Dies sind
politische Kernforderungen, die gerade den Maschinenbau als mittelständisch
geprägte Industriebranche in Baden-Württemberg weiterbringen.
Das Ergebnis der Konjunkturumfrage bestätigt die Einschätzung, dass die
Schaffung einer leistungsfähigen Infrastruktur bei Breitband-Versorgung und
Verkehr das wichtigste Anliegen der Betriebe ist. 53 Prozent der befragten
Unternehmen sehen hier den größten Handlungsbedarf (Chart 15).
Gestützt auf diese Ergebnisse fordern wir deshalb mit Nachdruck, die
Digitalisierung im Land weiter voranzutreiben. Neuartige Produkte und
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Dienstleistungen kombiniert mit neuen Geschäftsmodellen auf Basis der
Vernetzung zu Industrie 4.0 können dem Maschinenbau im Land ein echtes
Alleinstellungsmerkmal verschaffen – wenn die entsprechende Infrastruktur
geschaffen wird, mit der das anfallende Datenvolumen verarbeitet werden kann.
Das Vorhaben der Koalition, mit einem Breitbandprogramm erhebliche Mittel
bereitzustellen, um die flächendeckende Verfügbarkeit von Bandbreiten ab
50 Mbit/s zügig voranzutreiben, ist der richtige Ansatz, greift jedoch zu kurz. Im
Sinne einer vorausschauenden Strukturpolitik muss jeder industrielle
Gewerbestandort mit einem Breitbandanschluss mit mindestens 100 Mbit/s
symmetrischer Übertragungsrate ausgestattet werden können. Hier muss
nachgebessert werden, um aus der Digitalisierung einen nachhaltigen
Innovationsmotor für das Land zu machen.
Export unterstützen
47 Prozent der Betriebe wünschen sich, dass die neue Landesregierung
besonderen Einsatz bei den Themen „Exportstärke fördern“ und
„Marktpotenziale weiterentwickeln“ zeigt. Hierzu gehört auch ein klares
Bekenntnis zum Freihandelsabkommen TTIP, für dessen Zustandekommen die
Chancen mittlerweile schlechter stehen als noch während des Besuchs von
Präsident Obama auf der Hannover-Messe.
Die Unternehmen in Baden-Württemberg sind der Meinung, dass ein gut
ausgehandelter TTIP-Vertrag dem USA-Geschäft zusätzliche Impulse verleihen
und den Welthandel insgesamt beleben könnte. Der VDMA BadenWürttemberg fordert daher, den Verhandlungsprozess rund um das Thema von
Seiten des Landes konstruktiv und zum Vorteil seiner mittelständischen
Industrie zu begleiten.
Fachkräfte finden und binden
An dritter Stelle rangiert der Wunsch, Fachkräfte für den Industriestandort
Deutschland zu sichern. Mehrere Faktoren spielen hier mit hinein.
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Bedingt durch die demografische Entwicklung werden sich die Betriebe in den
nächsten Jahren noch deutlicher als bereits heute auf einem Bewerbermarkt
bewegen. Unsere Konjunkturumfrage zeigt zwar: Noch sind die
Nachwuchssorgen der Maschinenbauer gedämpft. Gerade die hervorragenden
Perspektiven gewerblich-technischer Berufe im Maschinenbau müssen wir den
jungen Menschen jedoch immer wieder vor Augen führen. Der VDMA
unterstützt die Unternehmen durch Schulungen, die aus Auszubildenden
Mentoren machen. Denn sind Auszubildende erst einmal für die Branche
gewonnen, sind sie hochzufrieden mit ihrer Wahl und die besten Botschafter
ihrer Unternehmen.
Positiv zu bewerten im Rahmen einer langfristig angelegten Fachkräftestrategie
ist das Vorhaben der grün-schwarzen Koalition, das digitale Zeitalter in den
Schulen einzuläuten. Unterrichtsmedien und Lerninhalte müssen so
ausgerichtet werden, dass der Fachkräftenachwuchs frühzeitig auf die digitale
Zukunft vorbereitet wird. Die neu eingerichteten Lernfabriken 4.0 an
Berufsschulen sind ein wichtiger Schritt und gemäß den Anforderungen der
Unternehmen weiterzuentwickeln.
Nicht zuletzt soll auch das Thema Integration von Flüchtlingen an dieser Stelle
genannt sein. Viele Unternehmen haben sich die Frage gestellt, wie durch die
Integration in Arbeit und Ausbildung diesen meist jungen Menschen eine
Perspektive geboten werden kann. Sie haben oftmals betriebsindividuelle
Lösungen entwickelt und schaffen so nachhaltige Beschäftigung. Zu begrüßen
ist, dass mit dem geplanten Integrationsgesetz die Vorrangprüfung bei
Asylbewerbern und Geduldeten für drei Jahre befristet ausgesetzt werden kann.
Diese Maßnahme kann den Rekrutierungsprozess vereinfachen und Betrieben
so mehr Planungssicherheit geben
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Zusammenfassung
Kurz zusammengefasst stellt sich die Lage derzeit folgendermaßen dar:
•
Im Rückblick auf das Jahr 2015 entwickelte sich der badenwürttembergische Maschinenbau deutlich besser als der Bundestrend.
Beim Auftragseingang (+3 Prozent), beim Umsatz (+4 Prozent) und bei
der Produktion (+4,5 Prozent) verbuchte die Branche im Land ein klares
Plus. Diese Werte beruhen auf den Meldungen an das Statistische
Landesamt und sind nominale Werte.
•
Trotz eines herausfordernden Umfeldes setzt der Maschinenbau auch für
das laufende und das kommende Jahr bei Umsatz und Beschäftigung
weiter auf Wachstum.
•
Wichtigster Motor für den baden-württembergischen Maschinenbau ist
derzeit der Inlandsmarkt. Das Auslandsgeschäft insgesamt zeigt sich
uneinheitlich.
•
Die Exporte in die Europäische Union liegen ungefähr auf
Vorjahresniveau. Hier hat bereits 2015 eine Erholung eingesetzt, die sich
in diesem Jahr fortsetzen sollte. Besonders gut laufen derzeit die Länder
Frankreich, Italien und Spanien.
•
Das Auslandsgeschäft in Richtung USA läuft ebenfalls positiv, hat sich
jedoch gegenüber Vorjahr abgeschwächt.
•
Dagegen wirkt die Wachstumsschwäche in China und einer Reihe von
Schwellenländern wie Brasilien dämpfend auf den exportstarken
Maschinenbau im Land.
•
Der Tenor der Konjunkturumfrage ist positiv, die Betriebe sind und
bleiben optimistisch. Sie sind offenbar noch flexibler geworden und
können sich gut, das heißt unter Fortbestand ihrer Mitarbeiterzahl, auf
konjunkturelle Schwankungen einstellen.
•
Sie wissen, dass das Umfeld herausfordernd bleiben wird, vertrauen
jedoch auf ihre technologische Stärke und internationale Präsenz.
•
Die Türkei – diese Information soll Ihnen an einem Tag wie diesem nicht
vorenthalten sein – belegte 2015 mit einem Volumen von 925 Mio. Euro
Platz 12 bei den Ausfuhrländern für den baden-württembergischen
Maschinenbau.
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Meine Damen und Herren,
soweit die gegenwärtige Lage. Gestatten Sie mir zum Abschluss noch einige
wenige persönliche Sätze.
Ich übernehme dieses Amt im Gefühl der Verantwortung für den Maschinenund Anlagenbau in politisch wie gesellschaftlich bewegten Zeiten. Der Brexit,
die Sanktionen gegen Russland, die Türkei, aber auch die Integration der nach
Europa kommenden Menschen sind sichtbare Zeichen einer Welt im Wandel.
Dabei geht es längst nicht mehr um die Wirtschaft allein, sondern um das
Vertrauen in europäische oder staatliche Institutionen. Es herrscht
Verunsicherung in der Bevölkerung – nicht nur bei uns, sondern überall auf dem
Kontinent.
Umso mehr verstehe ich es als eine zentrale Aufgabe der Wirtschaft, den
Menschen den globalen Wandel zu erklären – sie mitzunehmen und nicht den
radikalen Kräften zu überlassen.
Gerade für den Maschinen- und Anlagenbau – eine vom Export lebende
Branche – gilt, dass es in einer modernen, vernetzten Wirtschaftswelt keinen
„Exit“ gibt. Wir leben vom freien Warenhandel und Personenverkehr, und
zunehmend auch vom Austausch von digitalen Informationen!
Dadurch bieten sich, hiervon bin ich zutiefst überzeugt, große Chancen für
unsere Unternehmen und das Gemeinwesen. Dies ist eine der Botschaften, die
ich in meiner Amtszeit als Vorsitzender des VDMA in Baden-Württemberg
immer wieder nach draußen tragen möchte.
Ich freue mich deshalb auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und im Besonderen,
ich habe sie bereits am Anfang erwähnt, der neuen Landesregierung in
Stuttgart.
Vielen Dank!
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