21. Juli 2016 (Do., 17 Uhr): Drei DEFA-Dokumentarfilme über unangepasste DDR-Kunst 1) Aktfotografie – z. B. Gundula Schulze DDR, 1983 - Dokumentarfilm - 11 min - Regie: Helke Misselwitz - Kamera: Thomas Plenert - mit Gundula Schulze Als Vorfilm für den Kinoeinsatz produziertes ungewöhnliches Porträt über die Fotografin Gundula Schulze, deren Porträts und Akte Mitte der 1980er Jahre in der DDR für Aufsehen sorgten. Helke Misselwitz konfrontiert die Aussagen Schulzes mit Aufnahmen aus dem DDR-Alltag und stellt das offizielle Frauenbild mit sanfter Ironie infrage. (Verleih: Deutsche Kinemathek) In Anwesenheit von Helke Misselwitz. 2) Kurzer Besuch bei Hermann Glöckner DDR, 1984 - Dokumentarfilm - 32 min - Regie: Jürgen Böttcher - Kamera: Thomas Plenert - mit Hermann Glöckner Hermann Glöckner (1889–1987) gehörte neben Gerhard Altenbourg (1926–1989) und Carlfriedrich Claus (1930–1998) zu den großen Solitären der Bildenden Kunst in der DDR. Jeder einzelne von ihnen stand als lebendiger Beweis für die Möglichkeit, eine in hohem Maße autonome künstlerische Sprache zu entwickeln und zu bewahren – und dies trotz aller staatlichen Behinderungen und Eingriffe. Dass sich Jürgen Böttcher Mitte der 1980er Jahre mit einem Film dem ältesten dieser Pioniere zuwendet, spricht Bände. Als Maler jahrzehntelang selbst ohne Ausstellungsmöglichkeiten, porträtiert er in diesem Film einen seelenverwandten Kollegen. Ästhetisch aus völlig unterschiedlichen Lagern kommend (Böttcher steht in der Tradition des figürlichen Expressionismus eines Ernst Ludwig Kirchner oder Max Beckmann, Glöckner ist strenger Konstruktivist), spürt man in jedem Augenblick des Films einen fast metaphysischen Konsens. Der jüngere, hinter der Kamera stehende Kollege stellt vorsichtige Fragen, der Ältere reagiert umgehend – entspannt, bisweilen ausgesprochen heiter und selbstironisch. Der 95jährige Glöckner zeichnet sogar hoch konzentriert vor laufender Kamera einige seiner berühmten „Kurvenblätter“ – ein sich unmittelbar auf den Zuschauer übertragender Akt des Vertrauens; ein künstlerisches Einvernehmen, wie es zuletzt vielleicht in HenriGeorges Clouzots Dokumentation über Picasso (1955) zu finden war. Hermann Glöckner verließ die DDR ein Jahr nach den Dreharbeiten in Richtung West-Berlin, wo er 1987 verstarb. (Verleih: Deutsche Kinemathek) 3) A propos X DDR, 1988 - Dokumentarfilm - 28 min - Regie: Joachim Hellwig - Kamera: Michael Jüttersonke - Musik: Gerhard Rosenfeld, Siegfried Matthus, Friedrich Goldmann - mit Hubertus Giebe, Sabine Slatosch, Norbert Wagenbrett 1988 fand in Dresden die X. Kunstausstellung der DDR statt – es sollte die letzte werden. In dem Dokumentarfilm A propos X versuchte sich ausgerechnet DEFA-Propagandist Joachim Hellwig an einem Gruppenporträt von drei eher unangepassten, jungen Künstlern: Hubertus Giebe, Sabine Slatosch und Norbert Wagenbrett. Die Fragestellungen wirken teils übergriffig, teils naiv, lassen das Bestreben erkennen, fünf Minuten nach zwölf die nonkonforme Kunst doch noch in den Kanon des sozialistischen Realismus einzubetten. Der Film gibt einen Vorgeschmack darauf, wie eine staatlich gelenkte Perestroika in der DDR ausgesehen hätte ... nämlich sehr peinlich und unangenehm. (Verleih: Deutsche Kinemathek) 4. August 2016 (Do., 17 Uhr): La Villette – 200 ostdeutsche Künstler in Paris DDR, 1990 - Dokumentarfilm - 60 min - Regie: Gerd Kroske – Kamera: Thomas Plenert mit Ausschnitten aus Le sang des bêtes von Georges Franju (1949) und Texten von Lautréamont - mit Allerleirauh, Jürgen Böttcher, Micha Brendel, Joachim Damm, Peter Dittmer, Ulrich Domröse, Else Gabriel, Conny Hege, Volker Henze, Klaus Killisch, Via Lewandowsky, Maurice Najman, Helga Paris, Sandow, Hanns Schimansky, Christoph Tannert, Agnes Wegner, Trak Wendisch und vielen anderen Im Januar 1990 lud die französische Regierung zahlreiche unangepasste Künstler aus der DDR in den einstigen Schlachthof La Villette von Paris ein, um unter dem Motto „L’autre Allemagne hors les murs“ eine Revision der landläufigen realsozialistischen Ästhetik vorzunehmen. Gerd Kroske und Thomas Plenert begleiteten das Spektakel und schufen damit gleichzeitig einen der letzten DEFA-Dokumentarfilme. (Verleih: Deutsche Kinemathek) In Anwesenheit von Gerd Kroske. 12. August 2016 (Fr., 19 Uhr): Lichter aus dem Hintergrund D, 1998 - Dokumentarfilm - 93 min - Regie: Helga Reidemeister - Kamera: Lars Barthel Musik: Conny Bauer - mit Helga Paris, Robert Paris, Frank Schäfer und anderen Bestandsaufnahme mentaler Befindlichkeiten in Teilen der Ost-Berliner Künstlerszene, die auf die einschneidenden Veränderungen nach der Wende mit einer trotzigen Verweigerungshaltung reagieren. Ein einfühlsamer Dokumentarfilm, in dessen Mittelpunkt sensible Künstlerpersönlichkeiten stehen, die den Verlust ihrer Kreativität infolge der gesellschaftlichen Veränderungen konstatieren. (Verleih: Deutsche Kinemathek) In Anwesenheit von Helga Reidemeister. 2. September 2016 (Fr., 19 Uhr): Zwischen Liebe und Zorn – Der Fotograf Harald Hauswald D, 2011 - Dokumentarfilm - 65 min - Regie: Jörg Herrmann - mit Harald Hauswald Harald Hauswald ist als Fotograf neben Christian Borchert und Helga Paris der vielleicht wichtigste DDR-Chronist – und gleichzeitig der am wenigsten angepasste. Sein Alltag wurde vom Ministerium für Staatssicherheit überwacht, „Zersetzungsmaßnahmen“ sollten seine Arbeit behindern. Dennoch gelang es ihm immer wieder, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und auf den Auslöser zu drücken. Viele seiner Bilder sind inzwischen zu Ikonen einer „DDR-Untersicht“ geworden. Der Film erzählt den Werdegang Hauswalds und gewährt Einblick in seine heutigen Ansichten. Harald Hauswald: „Als Fotograf bewege ich mich wie in einem Film. Für das Foto wird der Film kurz gestoppt. Wenn der Betrachter sich dann daraus seinen eigenen Film machen kann, in seinem Kopf ein ‚Vorher‘ und ein ‚Nachher‘ entstehen, dann ist das Bild gut.“ (Gefördert von der DEFA-Stiftung. Verleih: Jörg Herrmann) In Anwesenheit von Harald Hauswald und Jörg Herrmann. 9. September 2016 (Fr., 19 Uhr): Engelbecken D, 2014 - Dokumentarfilm - 80 min - Regie: Gamma Bak und Steffen Reck - Kamera: Gamma Bak, Steffen Reck, Dieter Vervuurt, Michael Krause - Musik: Fil Ieropoulos - mit Sandra Bahr, Wicki Bernhardt, György Kozma, Hans Krüger, Günther Lindner, Volker Ludwig, Brigitte Polak, Herbert Reck, Rolf Reck, Rüdiger Wehling, Jochen Wermann, Ulrich Zieger Der Essayfilm führt in die 1980er Jahre, in den Vorabend des Mauerfalls und in die oppositionelle Subkultur in Ost-Berlin, Prenzlauer Berg. Er verzichtet auf viele Elemente des klassischen Dokumentarfilms, vermittelt stattdessen die Ratlosigkeit, Ohnmacht, Beengung, Bedrohung, auch die Paranoia dieser Jahre. Es ist eine Zeit, in der Gamma Bak (West-Berlin) und Steffen Reck (Ost-Berlin) eine Beziehung – trotz der Mauer – zu leben versuchten. Gehen oder bleiben? Die Geschichte einer Flucht aus der DDR im Jahr 1988: Steffen Reck, Gründungsmitglied von „Zinnober“, der ersten und wohl auch einzigen freien DDR-Theatergruppe, erinnert sich hier an sein Gastspiel ohne Rückkehr. Der Film spiegelt den immer stärkeren äußeren und auch inneren Druck, der zur Entscheidung führt: zum Exil. (Gefördert von der DEFA-Stiftung und vom BKM. Verleih: GM Films.) In Anwesenheit von Gamma Bak und Steffen Reck.
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