Landtag von Baden-Württemberg Beschlussempfehlung und Bericht

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 16 / 299
16. Wahlperiode
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ständigen Ausschusses
zu dem Schreiben des Verfassungsgerichtshofs
vom 12. April 2016, Az.: 1 VB 15/16
Verfassungsbeschwerde gegen die §§ 10 und 23 des Privatschulgesetzes und Nr. 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f der Vollzugsordnung zum Privatschulgesetz über die Anforderungen an
die wissenschaftliche Ausbildung von Lehrkräften an Ersatzschulen
Beschlussempfehlung
Der Landtag wolle beschließen,
in dem oben genannten verfassungsgerichtlichen Verfahren von einer Stellungnahme gegenüber dem Verfassungsgerichtshof abzusehen.
14. 07. 2016
Der Berichterstatter:
Der Vorsitzende:
Dr. Bernhard Lasotta
Dr. Stefan Scheffold
Bericht
Der Ständige Ausschuss hat das Schreiben des Verfassungsgerichtshofs vom
12. April 2016 in seiner 2. Sitzung am 14. Juli 2016 behandelt.
1.
Der Ausschussvorsitzende verwies eingangs darauf, dass ein Informationsvermerk
der Landtagsverwaltung vorliege, in dem der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens dargelegt sei.
Danach wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die von der Schulverwaltung
aufgestellte Anforderung, dass für die Anerkennung als Ersatzschule mindestens
zwei Drittel der Lehrkräfte das Zweite Staatsexamen besitzen müssen.
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Ausgegeben: 20. 07. 2016
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 16 / 299
Sie rügt im Wesentlichen die Verletzung der Privatschulfreiheit (Artikel 2 Abs. 1
Landesverfassung i. V. m. Artikel 7 Abs. 4 Grundgesetz) und des Gleichheitsgrundsatzes (Artikel 2 Abs. 1 Landesverfassung i. V. m. Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz).
Der Verfassungsgerichtshof hat dem Landtag mit Schreiben vom 12. April 2016
Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. August 2016 gegeben.
2.
Wie in dem Informationsvermerk dargestellt, ist die Beschwerdeführerin Trägergesellschaft einer Privatschule. Sie hat die staatliche Anerkennung für eine ihrer
staatlich genehmigten Ersatzschulen beantragt. Der Antrag wurde nicht beschieden. Die daraufhin erhobene Untätigkeitsklage hatte in zwei Instanzen keinen Erfolg.
Die Klagabweisung wurde darauf gestützt, dass nicht mindestens zwei Drittel der
Lehrkräfte die Anstellungsfähigkeit für das ihrer Tätigkeit entsprechende Lehramt
an öffentlichen Schulen besitzen (diese wird in der Regel durch das Zweite Staatsexamen erworben).
Die sogenannte Zwei-Drittel-Regelung basiert auf einem Erlass des Kultusministeriums. Dieser sieht vor, dass in einem den besonderen Gegebenheiten der betreffenden Privatschule angemessenen Umfang auf die Anstellungsfähigkeit verzichtet werden kann. Die besonderen Gegebenheiten beziehen sich auf Besonderheiten
des Ausbildungsgangs, nicht aber auf Probleme bei der Lehrergewinnung.
Die Beschwerdeführerin rügt in formeller Hinsicht, dass der Vorbehalt des Gesetzes nicht beachtet worden sei. Es fehle schon an einer Ermächtigungsgrundlage
für die Festlegung der Zwei-Drittel-Quote, weil § 23 Privatschulgesetz lediglich
zu näheren Bestimmungen über die Gleichwertigkeit der wissenschaftlichen Ausbildung der Lehrkräfte ermächtige, nicht aber über deren Gleichartigkeit. Auch
Nr. 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f der Vollzugsvorschriften zum Privatschulgesetz könne
die gesetzlichen Anforderungen an die Anerkennung einer Privatschule nicht in
zulässiger Weise präzisieren.
Jedenfalls sei es dem Gesetzgeber verwehrt, die für die Grundrechtsausübung nach
Artikel 7 Abs. 4 Grundgesetz wesentliche Entscheidung über die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Ersatzschule der Exekutive zu überlassen. Der Anspruchsnorm des § 10 Privatschulgesetz fehle es aber an jeglichem Hinweis auf das
Erfordernis der Anstellungsfähigkeit.
Weiter führt die Beschwerdeführerin an, dass die Zwei-Drittel-Regelung in den
Kernbestand der Privatschulfreiheit eingreife. Die Freiheit der Auswahl der Lehrkräfte müsse der Kontrolle des Staates außerhalb der Genehmigungsvoraussetzungen entzogen bleiben. Eine „vorverlegte Qualitätskontrolle“, die auf die Anstellungsfähigkeit der Lehrkräfte abstelle, sei unverhältnismäßig, weil auch die
anerkannte Ersatzschule die Abschlussprüfung nicht selbst durchführen und die
berufsqualifizierende Berechtigung erteilen dürfe, sondern das Land auf die nachträgliche Kontrolle durch eine staatliche Prüfungskommission nicht verzichte.
Schließlich macht die Beschwerdeführerin eine Ungleichbehandlung der Privatschulen gegenüber den staatlichen Schulen geltend. Lehrkräfte an Privatschulen
würden vom Land nicht zur Ausbildung an den Seminaren zugelassen, weshalb
diesen Lehrkräften das Zweite Staatsexamen von vornherein verschlossen sei. Damit erschwere das Land die Versorgung der Privatschulen mit anstellungsfähigen
Lehrkräften oder mache sie gar unmöglich.
Außerdem stelle das Land in großem Umfang Seiten- und Direkteinsteiger ein,
was zunächst zeige, dass der Staat das Fehlen der Anstellungsfähigkeit nicht per se
als Gefährdung der Qualität der Lehrkräfte ansehe. Zwar würden auch bei den Privatschulen Seiten- und Direkteinsteiger grundsätzlich auf die Zwei-Drittel-Quote
angerechnet. Allerdings sei die erforderliche Zusatzausbildung praktisch nur an
den staatlichen Seminaren möglich, wo Lehrkräfte an Ersatzschulen aber nur nachrangig zum Zuge kämen.
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3.
Wie der Ausschussvorsitzende erläuterte, äußert sich der Landtag nach der bisherigen Praxis in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren vor allem dann, wenn
durch den Ausgang des Verfahrens aus der Sicht des Landtags parlamentsspezifische Belange berührt sein können. In der Regel ist dies bei Rechtsstreitigkeiten zu
bejahen, in denen es um parlamentsrechtliche Fragen geht oder Gesetzesbestimmungen angegriffen werden, die der Landtag maßgeblich mitgestaltet hat, oder deren Ausgang auch für den Landtag grundsätzliche Bedeutung besitzt. Ferner kann
es Anlass für eine Stellungnahme sein, wenn die Gesetzgebungskompetenz des
Landes berührt ist.
Hauptangriffspunkt der Beschwerdeführerin sind nicht die gesetzlichen Regelungen, die der Landtag erlassen hat, sondern deren Anwendung durch die Verwaltung
und die Auslegung durch die Gerichte. Eine Stellungnahme des Landtags hierzu
scheint nicht angezeigt.
4.
Der Ausschussvorsitzende schlug vor, bei dieser Fallgestaltung von einer Stellungnahme abzusehen.
Der Ausschuss beschloss ohne förmliche Abstimmung, dem Plenum zu empfehlen,
in dem verfassungsgerichtlichen Verfahren von einer Stellungnahme gegenüber
dem Verfassungsgerichtshof abzusehen.
20. 07. 2016
Dr. Bernhard Lasotta
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