Buschmannliteratur Übersetzt von R. Schmitz - Scherzer Neben Felsbildern, die zu Tausenden in den Bergen des südlichen Afrika zu finden sind, ist auch ein wenig Literatur der Buschmannstämme überliefert.. So ist vor fast zwei Jahren ein Buch über Geschichten, Lieder und Vermächtnisse der /Xam Buschleute der nördlichen Kapregion erschienen. “The First Bushman’s Path” (Der Weg des ersten Buschmanns) von Alan James im Verlag University of Natal Press, Pietermaritzburg 2001 wird in Südafrika von der Kritik sehr gelobt. Die /Xam, ein Stamm der Buschmänner in der Kapregion, gibt es seit gut 100 Jahren nicht mehr. Entrechtet, vertrieben und zur Sesshaftigkeit gezwungen starben die letzten um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Einige ihrer Lieder, Erzählungen und Mythen wurden buchstäblich im letzten Moment von ein paar weitsichtigen Weissen gesammelt. Sie erinnern an die /Xam und gemahnen gleichzeitig an das Schicksal der heute noch (über)lebenden Buschmänner aus anderen Regionen des südlichen Afrika. Sie leben oft ohne besondere Zukunftsperspektive und ihrer Identität als Buschmänner beraubt am Rande der Gesellschaft, am Rande auch von Siedlungen und Farmen im Elend und vom Untergang bedroht. Die folgenden aus dem erwähnten Buch stammenden Texte schildern Aspekte der Lebenssituation der Buschmänner. Der erste Text lässt die Auswirkungen der Zerstörung der Buschmannkultur auf die Familie und das Familienleben erahnen. Dennoch zeigt er die grosse Liebe, die die Familienmitglieder miteinander verband und z. T. heute noch verbindet, auch wenn sie entfernt voneinander leben mussten und müssen, um überhaupt zu überleben. Die Nähe zu den Tieren und überhaupt zur Natur wird in den beiden weiteren Texten über Springböcke und den Mond deutlich. Ein ungebrochenes Erleben der Natur, direkt und konkret. Die Springböcke waren als Nahrungsgrundlage sehr wichtig für die Buschmänner und gleichzeitig auch mythische Wesen. So glaubten die Buschmänner, dass die Menschen einst als Springböcke die Erde belebten. Auch der Mond war in ihr spirituelles Leben integriert. Fern aller Fragen zu der Niederschrift dieser Texte in der schwierigen Sprache der /Xam, zu der Übersetzung ins Englische und der erneuten hier vorgenommenen Übertragung vom Englischen ins Deutsche, bleibt ihre dichte Aussage. Sie sagt über das zerstörte Leben der einst nomadisierenden und nun ihrer Identität beraubten und untergehenden Buschmänner, was auf dieser Ebene der Literatur zu sagen ist. Wer hören kann, der hört es. Es ist natürlich nicht klar, ob die Buschmänner - wie wir - Gedichte und andere Formen von Texten kannten und voneinander unterschieden. Aber oft scheint eine gewisse Nähe zur Liedform angedeutet. So habe ich auch bei diesen hier vorgelegten Übersetzungen eine Annäherung an diese Form gewählt - freilich ohne Entscheidung für Lied oder Gedicht. Ich habe mich auch bemüht, die Sprechweisen und Sprachfiguren der Originale in den übertragenen Texten beizubehalten. So kommt das ausdrucksstarke Archaische vor allem in der Handhabung der Wiederholungen der Sätze und Wörter aber auch in beeindruckenden Sprachbildern vielleicht besser zum Ausdruck. *** Rachel’s Botschaft * Mutter, ich grüsse Dich, Rahel, deine Tochter, ist in Prieska und grüsst dich heute. Die Herrin, die neben mir sitzt, derweil ich rede, sagt dir dies: ich, Rahel, bin immer noch deine Kleine und wohlauf und immer noch lebe ich hier und lebe noch eine kleine Weile hier, und ich habe gehört, dass du immer noch eine Zeit lang in Kenhardt leben wirst. Du musst mich wissen lassen, ob du deinen Bruder gesehen hast, du musst mich wissen lassen, ob du deine Tochter gesehen hast. Du musst sie von mir grüssen und mir von ihnen erzählen. Meine jüngste Tochter arbeitet für einen Herren in Graskraal und meine zweitjüngste ist zu ihr gezogen um dort mit ihr zu leben und ich weine um beide und sehne mich danach, meine Töchter wieder zu sehen. Meine Söhne sind fortgegangen und ich warte auf den Ältesten. Ich warte, aber ich weiss nicht, wann er mich wieder besuchen wird. 2 Mutter, deine Tochter Rahel hat kein Kind, das mit ihr lebt, sie fühlt sich wie eine Waise, wie eine richtige Waise fühlt sie sich, weil Blocki nun tot ist, die Frau deines Sohnes ist tot, ich weine Mutter, weil Blocki tot ist, Blocki, die wie meine Schwester war. Sie ist tot und Blocki’s jüngste Tochter ist auch tot und die, die übrig blieb von Blocki’s Töchtern, nahm ich zu mir. Und ich weine, weil ich eine Waise bin, eine wirkliche Waise. Aber sage mir jetzt, welche Neuigkeiten weißt du von meinem Bruder? Hast du deinen Sohn gesehen? Und hast du meine Schwester Mikki gesehen? Das musst du mir erzählen, dass ich es höre, dass ich es weiss. Du musst mir erzählen ob du meinen Bruder gesehen hast du musst mir erzählen ob du deine Tochter gesehen hast. Grüsse meinen Bruder und seinen Sohn, grüsse sie herzlich von mir. Oh Mutter, alt bin ich geworden und lahm und ich habe noch eine Weile zu leben, ich bin so alt wie du, Mutter, wir sind beide alt, wir sind im gleichen Alter. Ich grüsse dich, meine Mutter, deine Tochter Rachel grüsst dich und ich denke an dich. *Von Rachel, der Frau von Guiman, als Botschaft an ihre Mutter aufgegeben und von Dorothea Bleek aufgeschrieben, dokumentiert und übersetzt. Es handelt sich um einen der letzten überlieferten Texte der /Xam. *** Die Rückkehr der Springböcke * Die Wolke streckte ihre Regenbeine aus und es regnete. 3 Es regnete als die Wolke vorüberzog und es regnete, als sie sich niederlegte und an den Himmel gelehnt ausstreckte: ihr Körper war schwarz und hart. Es regnete überall und die Wasser flossen den Hartebeestfluss hinunter und füllten die ausgetrockneten Tümpel dort. Und die Wasser liessen sich nieder in den ausgetrockneten Tümpeln. Und die Springböcke tranken das Blut des Regens und zogen weiter. Sie galoppierten und sprangen herum Weil es regnete. Wenn der Regen gefallen ist, kehren die Springböcke zurück. Die Böcke sind noch dünn und geschmeidig aber die Weibchen sind schon fett. Ihr Haar ist schön, weil es der Regen gewaschen hat. Sie werden früher fett als die Böcke und zeigen auch als Erste ihr neues Haar. Sie schütteln das alte Sommerhaar, das lang gewachsen und von der heissen Sonne hell gebleicht war, aus ihrem Fell. Sie schütteln es ab, damit das neue Haar wachsen kann. Und das neue Haar ist fein und rot 4 und es ist schön, weil es der Regen gewaschen hat. Und die Menschen sehen die zurückgekehrten Weibchen, wie sie herumwandern und trinken und Gras fressen. Und die Menschen sehen, dass sie fett geworden sind und schönes neues Haar haben, und gehen des Nachts hinaus sie zu schiessen. *Erzählt von //Kabbo und übersetzt und dokumentiert von Lloyd. *** Ein guter Mond sagt nichts Falsches voraus* Seht doch den Mond! Er ist ein guter Mond, sagten unsere Mütter, wenn sie den Mond sahen. Er lügt nicht, sondern sieht wie ein Mann aus, der im Netz auf seinem Rücken seine Jagdbeute heimträgt. Und er ist ein guter Mond, der weiss, dass die Männer Beute finden und heimtragen werden. Der Mond, würden unsere Mütter sagen, weiss Dinge, die die Menschen nicht wissen. Und er sieht, was geschehen und wann es geschehen wird. Der Mond ist ein guter Mond, würden unsere Mütter sagen. 5 Wir haben auf ihn gewartet. Denn während er daniederlag, haben die Männer keine Beute schiessen können. Und wir warteten, dass er zurück käme damit die Männer Beute fänden. Werden wir nicht die Männer sehen, wie sie im Netz eine Schildkröte mach Hause tragen? würden sie sagen. Und wir Kinder würden warten und Ausschau halten um zu sehen, ob unsere Väter wirklich Beute fanden. Und als wir warteten, würden unsere Mütter sehen wie der Mond höher hinauf in den Himmel steigt. Seht den Mond, er ist ein guter Mond, denn er hat Blut, würden sie rufen als er rot aufgeht. Einer der Männer wird ein Tier schiessen und sein Blut wird fliessen und es wird seinen Körper verlassen. Das Blut des Tieres ist dort auf dem Mond und der Mond ist deshalb rot. Erzählt von Dia!kwain und übersetzt und dokumentiert von Lloyd. Die Buschleute nennen den Jupiter übrigens das Herz der Dämmerung *** 6
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