Egon Krenz sagt Teilnahme ab Helmstedt Der Ex-SED-Chef verzichtet nach Kritik auf eine Teilnahme an den Uni-Tagen. Von Michael Strohmann Der ehemalige SED-Chef Egon Krenz hat seine Teilnahme an den Helmstedter Universitätstagen abgesagt. Er reagiert damit offenbar auf die Kritik an seiner geplanten Beteiligung an der Abschlussdiskussion, die der frühere Bürgermeister der Helmstedter Nachbargemeinde Beendorf (Sachsen-Anhalt), Karl-Heinz Friedrichs, öffentlich geäußert hat (wir berichteten). Der wissenschaftliche Leiter der Universitätstage, der Potsdamer Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow, gab am Dienstag die Absage von Krenz bekannt und kommentierte sie in einer ausführlichen Stellungnahme. In einem Interview mit unserer Zeitung hatte Sabrow vor einigen Tagen noch dargelegt, warum sich die Teilnahme des 79-Jährigen rechtfertigen lasse, der 1997 in den sogenannten Mauerschützenprozessen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Sabrow sagte darin unter anderem, dass Krenz zwar seine Ansichten nicht geändert, seine Haftstrafe aber verbüßt habe. „Ich sehe keinen Grund, ihn dauerhaft aus dem öffentlichen Gespräch auszuschließen. Die offene Gesellschaft des Westens hat den Systemwettlauf nicht nur aus ökonomischen Gründen gewonnen, sondern auch, weil ihre Offenheit sich der Abschließung ihres Kon- „Kritische Argumentation wurde durch bloße Ausgrenzung ersetzt.“ Prof. Dr. Martin Sabrow, wissenschaftlicher Leiter der Universitätstage. Der einstige DDR-Staatschef Egon Krenz hat nach öffentlicher Kritik an seinem geplanten Auftritt seinen Verzicht auf eine Teilnahme an den Helmstedter Universitätstagen erklärt. Foto: Britta Pedersen/dpa kurrenten als überlegen erwiesen hat. Unser Gemeinwesen sollte souverän genug sein, um auch Egon Krenz zu Wort kommen zu lassen – und zugleich Kritik an dieser Liberalität zu ertragen.“ Karl-Heinz Friedrichs hingegen hatte dazu aufgefordert, Krenz auszuladen, da es für die Menschen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze ein Affront sei, wenn einem Mann, der den Schießbefehl an der Grenze mit zu verantworten gehabt habe, ausgerechnet an einem für die ehemalige Grenze so bedeutsamen Ort wie Helmstedt ein öffentliches Forum geboten werde. Die Befürchtung des 73-Jährigen: Der hochrangige Vertreter des DDR-Apparates könnte versuchen, sich und sein Handeln von damals zu rechtfertigen. Sabrow teilte am Dienstag mit, dass Krenz seine Absage mit der Bitte um Verständnis verbunden habe, dass er den Universitätstagen, die vom 16. bis 18. September stattfinden werden, fortgesetzte Auseinandersetzungen ersparen wolle und dass er einen „Austausch unterschiedlicher Ansichten, der in bloße Konfrontation abgleitet, für nicht ergiebig hält“. In seiner Stellungnahme erläutert Sabrow, dass Hans-Otto Bräutigam als weiterer Gast der geplanten Abschlussdiskussion und er als Moderator die Entwicklung sehr bedauern würden. Bräutigam leitete von 1982 bis 1988 die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin. Im Gespräch mit dem früheren SEDPolitbüromitglied und SED-Generalsekretär Krenz sollte in der Abschlussdiskussion ein wechselseitiger Blick auf den politischen Gegenspieler im geteilten Deutschland geworfen werden. Die Entwicklung im Fall Krenz entspreche nicht der Tradition der Universitätstage, unterstreicht Sabrow. Ihr Selbstverständnis gründe von Anfang an auf Offenheit gegenüber unterschiedlichen Perspektiven und die Bereitschaft zur kontroversen Debatte im Geist der historischen Aufklärung. „Natürlich hat auch die Gästeauswahl ... sich der öffentlichen Hinterfragung zu stellen. Aber der Protest gegen eine Mitwirkung von Egon Krenz übersieht, dass der geplante Dialog ... nicht einen fachlichen Austausch distanzierter Beobachter zum Ziel hatte, sondern eine möglichst authentische Rekonstruktion der wechselseitigen Wahrnehmung damaliger Verantwortlicher hüben und drüben. Im Ergebnis hat die Kritik nicht zur gedanklichen Bereicherung, sondern zur Verarmung geführt: Kritische Argumentation wurde durch bloße Ausgrenzung ersetzt“, kommentiert Sabrow. Den Besuchern der Universitätstage werde nun die Chance genommen, einen tieferen Einblick in die Unterschiede und Ähnlichkeiten der wechselseitigen Beobachtung politischer Eliten im geteilten Deutschland zu gewinnen. Zur Erläuterung: Die Uni-Tage befassen sich in diesem Jahr mit Parallelbiografien, zu denen unter anderem das Paar Herbert Wehner und Erich Honecker gehört. Reden Sie mit! Ist die Kritik am Krenz-Auftritt in Helmstedt berechtigt oder übertrieben? helmstedter-nachrichten.de
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