17/6108 - Niedersächsischer Landtag

Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6108
Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung
mit Antwort der Landesregierung
- Drucksache 17/5919 -
Ist der Umgang mit dem Frühwarnsystem beim Cross Compliance in Niedersachsen verhältnismäßig?
Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Hermann Grupe, Horst Kortlang und Dr. Stefan
Birkner (FDP) an die Landesregierung,
eingegangen am 08.06.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 15.06.2016
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 10.07.2016,
gezeichnet
Christian Meyer
Vorbemerkung der Abgeordneten
Bei der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik hat die EU im Bereich Cross Compliance (CC) ab
dem Jahr 2015 ein Frühwarnsystem eingeführt, das die bis 2014 geltende Bagatellregelung ersetzt.
Eine Frühwarnung wird demnach bei erstmaligen Verstößen gegen die CC-Regelungen ausgesprochen. Sanktionen sind nicht zu befürchten, wenn es sich um Geringfügigkeit handelt und es in
dem jeweiligen Bereich innerhalb von drei Jahren nicht zu einem Wiederholungsverstoß kommt.
Passiert dies, greift eine stufenweise Sanktionierung, die beim zweiten Verstoß eine 3-%-Sanktion
und beim dritten Verstoß eine 9-%-Sanktion der CC-relevanten Zahlungen vorsieht.
In einem Artikel in der LAND & Forst vom 12. Mai 2016, Seite 13, wurde berichtet, die EU-Kommission habe in einem Schreiben an Deutschland mitgeteilt, eine wiederholte und somit regelmäßige
Anwendung des Frühwarnsystems auf denselben Betrieb und denselben Verstoß würde weder der
Art noch dem Ziel des Systems entsprechen. Man gehe davon aus, dass bei der für CC-Kontrollen
ursprünglich vorgesehenen Auswahl von 1 % der Betriebe Wiederholungsverstöße eher selten seien. In dem Artikel wird die Behauptung geäußert, Niedersachsen weiche von dieser vorgesehenen
Praxis durch die wiederholte Auswahl derselben Betriebe für Kontrollen ab.
Vorbemerkung der Landesregierung
Wie in den Vorbemerkungen der Abgeordneten teilweise bereits dargestellt, hatten die Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 die Möglichkeit, das sogenannte Frühwarnsystem einzuführen. Dabei handelt es um eine fakultative Regelung, die durch § 5 Abs. 2 des Agrarzahlungen-Verpflichtungengesetzes 2015 in Deutschland eingeführt wurde.
Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass bei geringfügigen Verstößen, die keine Auswirkungen
auf die Gesundheit von Menschen und Tieren haben und erstmalig festgestellt wurden, auf eine
Sanktionierung verzichtet werden kann. Über die im Rahmen des Frühwarnsystems festgestellten
Verstöße sind die Betroffenen zu informieren, darüber hinaus sind diese, je nach Art der Verstöße,
sofort oder innerhalb einer zu setzenden Frist abzustellen. Wird bei späteren Kontrollen und gegebenenfalls nach Ablauf dieser Frist z. B. festgestellt, dass diese nicht beseitigt wurden, sind die bei
der ersten und bei der zweiten Kontrolle festgestellten Verstöße jeweils mit Kürzungen zu sanktionieren. Außerdem gilt die Feststellung des zweiten Verstoßes als Wiederholungsverstoß, mit der
Folge, dass der betreffende Kürzungssatz mit dem Faktor 3 zu multiplizieren ist.
Hinsichtlich der konkreten Umsetzung dieser Regelungen gibt es Auslegungen der EU-Kommission, die zumindest gegenüber der Anwendung der Bagatellregelung zu Verschärfungen und des1
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Drucksache 17/6108
wegen zu intensiven Diskussionen zwischen EU-Kommission und Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geführt haben. Diese Diskussionen betreffen z. B. die Einführung von Regel-Bagatellgrenzen (z. B. Verzicht auf eine Sanktionierung, wenn ein oder zwei Tiere nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet sind und alle sonstigen Voraussetzungen für die Anwendung des
Frühwarnsystems vorliegen) sowie die Anwendung des Frühwarnsystems bei wiederholt festgestellten geringfügigen Verstößen. Zu dieser Problematik hat es bereits mehrere zwischen Bund und
Ländern abgestimmte Initiativen gegenüber der EU-Kommission gegeben. Die aktuellen Diskussionen dazu mit der EU-Kommission lassen gewisse Erleichterungen erwarten.
1.
Wie bewertet die Landesregierung das 2015 eingeführte Frühwarnsystem im Vergleich
zur davor geltenden Bagatellregelung?
Die Einführung des Frühwarnsystems wird befürwortet. Es hat gegenüber der vorher geltenden Bagatellregelung den Vorteil, dass auf die bei der Bagatellregelung obligatorischen Nachkontrollen
verzichtet werden kann.
Es bedarf aus Sicht der Landesregierung allerdings dringend weiterer Diskussionen mit der
EU-Kommission zur Umsetzung des Frühwarnsystems. Weiteres dazu siehe Vorbemerkungen.
2.
Welches Ziel wurde mit der Einführung des Frühwarnsystems auf EU-Ebene verfolgt,
und wie bewertet die Landesregierung dieses?
Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass bei geringfügigen Verstößen, die keine Auswirkungen
auf die Gesundheit von Menschen und Tieren haben und erstmalig festgestellt werden, auf eine
Sanktionierung verzichtet werden kann.
Sie wird grundsätzlich positiv bewertet.
3.
Wie viel Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU wurden in den letzten fünf
Jahren im Rahmen von CC-Kontrollen überprüft (bitte für die einzelnen Jahre auflisten)?
Bezüglich der in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten CC-Kontrollen liegen weder der Landesregierung noch dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft konkrete Zahlen bzw.
Auswertungen vor.
4.
Wie viel Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland wurden in den letzten
fünf Jahren im Rahmen von CC-Kontrollen überprüft (bitte für die einzelnen Jahre auflisten)?
Hierzu liegen nur Zahlen nach einer Auswertung durch die Zentrale InVeKoS-Datenbank in München und aus Statistiken zu anderen Fragestellungen vor, die miteinander im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten „verschnitten“ wurden:
2011:
2012:
2013:
2014:
2015:
ca. 6,8 % der Betriebe,
ca. 7,1 % der Betriebe,
ca. 7,3 % der Betriebe,
ca. 7,3 % der Betriebe,
Es liegen noch keine abschließenden Daten auf Bundesebene vor.
Es ergeben sich jährliche Kontrollquoten zwischen 6,8 und 7,3 %. Zu den Ursachen für diese unterschiedlichen Kontrollquoten siehe Antworten zu Frage 9.
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5.
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Wie viel Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen wurden in den letzten fünf Jahren im Rahmen von CC-Kontrollen überprüft (bitte für die einzelnen Jahre
auflisten)?
2011: ca. 6,1 % der Betriebe,
2012: ca. 5,7 % der Betriebe,
2013: ca. 6,9 % der Betriebe,
2014: ca. 7,3 % der Betriebe,
2015: ca. 5,6 % der Betriebe.
Es ergeben sich jährliche Kontrollquoten zwischen 5,5 und 7,3 % der Betriebe. Zu den Ursachen
für diese unterschiedlichen Kontrollquoten siehe Antworten zu Frage 9.
6.
Werden in Deutschland und Niedersachsen prozentual mehr Betriebe im Rahmen von
CC-Kontrollen überprüft, als dies in anderen EU-Ländern und im EU-Durchschnitt der
Fall ist?
Eine Beantwortung ist nicht möglich, weil zu den Kontrollen in anderen Mitgliedstaaten keine Zahlen vorliegen.
7.
Weicht Niedersachsen mit dem Umfang der hier durchgeführten CC-Kontrollen von
dem seitens der EU vorgesehenen Umfang für diese Kontrollen ab, wenn ja, welches
Ziel verfolgt Niedersachsen damit?
Niedersachsen weicht davon nicht ab.
Die in dem o. a. Artikel auf Seite 13, 2. Spalte, der LAND & Forst vom 12.05.2016, gewählte Formulierung, die auf die „Praxis in Niedersachsen“ abstellt, ist insofern missverständlich.
8.
Wie bewertet die Landesregierung die Aussage, die EU-Kommission habe in einem
Schreiben an Deutschland mitgeteilt, eine wiederholte und somit regelmäßige Anwendung des Frühwarnsystems auf denselben Betrieb und denselben Verstoß würde weder
der Art noch dem Ziel des Systems entsprechen?
Hierbei handelt es sich um eine weitreichende Aussage der EU-Kommission, an die Deutschland
bzw. Niedersachsen gebunden ist. Durch diese ist es zurzeit nicht möglich, bei wiederholten Verstößen gegen dieselbe Anforderung innerhalb eines Zeitraums von drei Kalenderjahren erneut das
Frühwarnsystem anzuwenden. Dieses hat eine Verschärfung der Sanktionierung auch bei geringfügigen Verstößen zur Folge.
9.
Wie bewertet die Landesregierung die Aussage, man gehe seitens der EU davon aus,
dass bei der für CC-Kontrollen ursprünglich vorgesehenen Auswahl von 1 % der Betriebe Wiederholungsverstöße eher selten seien?
Diese Aussage ist nur zum Teil zutreffend.
Sie lässt unberücksichtigt, dass bei der Auswahl der zu kontrollierenden Betriebe alle in Anhang II
der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 aufgeführten Rechtsakte (13) und Standards (7) einzubeziehen sind und dass im Bereich der Rinder- sowie der Schaf- und Ziegenkennzeichnung neben den
CC-Kontrollen auf Grundlage der 1-%-Stichprobe weitere Kontrollen nach den Verordnungen (EG)
Nr. 1082/2003 und Nr. 1505/2006 durchzuführen sind. In diesem Rahmen sind jährlich jeweils 3 %
der Tierhalter auszuwählen und vor Ort zu kontrollieren. Zwar basieren diese auf Fachrecht, dennoch sind die bei diesen Kontrollen festgestellten Verstöße CC-relevant.
Außerdem besteht gemäß den Vorgaben der EU für Betriebe, bei denen bereits in den vergangenen Jahren Verstöße festgestellt wurden, eine höhere Wahrscheinlichkeit, im aktuellen Jahr für eine CC-Kontrolle ausgewählt zu werden.
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Ferner kann sich die Wahrscheinlichkeit weiterer Kontrollen für die Betriebe z. B. dadurch erhöhen,
dass nach Artikel 68 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 809/2014 zu einzelnen Rechtsakten die Kontrollquote im Folgejahr zu erhöhen ist, wenn zu diesen ein erheblicher Grad an Verstößen festgestellt wird.
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(Ausgegeben am 19.07.2016)