Sachverhalt - Universität Heidelberg

Professor Dr. Volker Haas
Universität Heidelberg
Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene
im WS 2016/2017
Hausarbeit
A lebt in einer von Weinreben umrankten Gründerzeitvilla in Halbhöhenlage der schwäbischen Metropole S. Der Unterhalt des Hauses sowie seines geliebten Mercedes SL 300 (mit Flügeltüren) schmälern
sein Budget seit einiger Zeit jedoch erheblich. Deshalb ist er auf der Suche nach neuen Geldquellen.
Schon seit längerem befindet sich A in einem Rechtsstreit mit dem O. Letzterer hat A in selbständiger
Tätigkeit über Geldanlageprodukte beraten, dabei aber fahrlässig mehrere gravierende Fehler begangen.
Vor Gericht wurde in einem Teilurteil deshalb bereits eine Schadensersatzpflicht des O wegen Falschberatung dem Grunde nach festgestellt. Bisher vermochte A aber die konkrete Höhe des Schadens
noch nicht abschließend nachzuweisen, weshalb ein Urteil über die Höhe des geschuldeten Schadensersatzes noch aussteht. A geht zutreffend davon aus, dass sich in dem Rechtsstreit realistischerweise in
etwa eine Summe von 200 000 Euro erzielen lässt, was aber aufgrund der schwierigen Beweislage noch
einige Monate dauern wird. Inzwischen agiert O bei der V-GmbH, die in der Vermögensverwaltung
tätig ist, als einer von drei Gesellschaftern, die zugleich sämtlich Geschäftsführer sind. Dabei kann O
wie die anderen Geschäftsführer monatlich über eine bestimmte Summe frei verfügen, ohne dass eine
interne Revision stattfindet. Wird diese Summe überschritten, muss im Innenverhältnis ein anderer
Geschäftsführer das Geschäft gegenzeichnen. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der V-GmbH hat der
mit der F verheiratete O die Ehefrau (E) eines Mitgesellschafters kennen gelernt und ist dieser auch ein
wenig näher gekommen. A, der davon zufällig erfährt, sieht die Zeit gekommen, den Rechtsstreit mittels etwas unorthodoxer Methoden voranzutreiben. Er beschließt, mit Hilfe mehrerer unerlaubt angefertigter Fotos, die O bei einem Rendezvous mit E zeigen, ein wenig Druck auszuüben. A ist fest davon
überzeugt, dass dies O zu einer Zahlung veranlassen werde, die deutlich über dem liegen könne, was
sich vor Gericht erzielen ließe. A möchte sich indes nicht selbst die Hände schmutzig machen. Diese
Aufgabe soll vielmehr B übernehmen, der auf Honorarbasis selbständig für die gesamte Verwaltung,
Erhaltung und Mehrung des Vermögens des A zuständig ist. Nachdem A dem B die Situation geschildert hat, erklärt dieser seine Mitwirkungsbereitschaft. Daraufhin teilt A dem B mit, er habe dem O folgende Nachricht zu übermitteln: A werde die Frau des O von dessen Liaison mit E unterrichten und
dies durch Fotos belegen. Freilich könne O dieses höchst unangenehme Ereignis abwenden, wenn er
an den A von einem Firmenkonto der V-GmbH sämtliches Geld überweise, über das er für diesen
Monat ohne Prüfung noch verfügen könne. Sobald das Geld eingegangen sei, werde A auch den Schadensersatzprozess als erledigt ansehen und seine Klage zurückziehen. Wenn O irgendjemandem etwas
verrate, werden die Fotos ebenfalls sofort der F zugespielt. Auf die etwas verdutzte Nachfrage des B,
weshalb es denn unbedingt ein Unternehmenskonto sein müsse, entgegnet A, dass O keinesfalls bereit
sei, aus eigenen Geldmitteln zu bezahlen. Das brauche man daher gar nicht erst zu versuchen. Er gehe
davon aus, dass O über mindestens 400 000 Euro verfügen könne; das reiche aus. Zum Abschluss betont A nochmals, dass allein er als Urheber der Nachricht ausgewiesen werden solle, da O ihm alles zutraue.
1 von 4
Auf dem Weg zu O kommt B zu der Ansicht, dass die Ankündigung des A doch ein wenig lasch wirke
und daher der Ausschmückung bedürfe. Deshalb teilt B dem O mit, bei Nichtzahlung werde A die Fotos vom Rendezvous mit E nicht nur der F, sondern auch den Kindern des O sowie den anderen Gesellschaftern der V-GmbH zugänglich machen. A werde die Fotos so prominent platzieren, dass bald
die gesamte bessere Gesellschaft in S von der Angelegenheit wisse. Dann könne sich O nur noch unten
im Talkessel der Stadt sehen lassen. Hinsichtlich der Zahlung bestehe A darauf, dass das Geld von einem Unternehmenskonto der V-GmbH komme. B betont weiterhin, er solle all das nur von A ausrichten und könne selbst nicht beeinflussen, was dieser andernfalls tun werde. Dabei ist dem B jedoch klar,
dass A nur bereit wäre, die Fotos der F zugänglich zu machen, weil A alles andere zu weit gehen würde.
Eingeschüchtert sagt O sofort die Zahlung zu. Er könne aber momentan nur noch über 400 000 Euro
verfügen. B entgegnet, er schätze zwar seine Zahlungsbereitschaft, doch sei der Betrag etwas kümmerlich. Daraufhin bietet O an, von einem Privatkonto nochmals 400 000 Euro zu überweisen. Damit zeigt
sich B einverstanden. O solle das Geld vom Firmenkonto auf ein Konto des A überwiesen, die 400 000
Euro von seinem Privatkonto hingegen auf ein von B eingerichtetes Konto. Dies habe „finanztechnische Gründe“ und sei mit A abgesprochen. O weist sogleich beide Beträge an. Nachdem B kurze Zeit
später wieder bei A angelangt ist, fragt dieser, wie es denn gelaufen sei. B erwidert daraufhin, O könne
derzeit aus Mitteln der V-GmbH nur 400 000 Euro leisten. Wie geplant, erwähnt B die zusätzliche
Überweisung nicht. Andernfalls hätte A ihn aufgefordert, das Geld zumindest zu teilen. B hätte einer
solchen Aufforderung auch entsprochen. So aber behält B das an ihn überwiesene Geld seiner ursprünglichen Absicht entsprechend für sich.
Trotz der erhaltenen 400 000 Euro verschlechtert sich die finanzielle Lage des A weiterhin. Deshalb
möchte A den O zu einer kleinen, aber feinen Nachzahlung bewegen, dabei aber den B aus dem Spiel
lassen. Eines Abends sucht A den O daher zuhause auf und fordert mit Hinweis auf die Fotos nochmals 200 000 Euro. Dabei genüge ein Schuldschein – namens der V-GmbH und ausgestellt auf Rechnung eben dieser. O habe doch die entsprechende Vertretungsbefugnis. Sobald der Schuldschein eingelöst sei, erhalte O die Fotos und werde nie wieder etwas von ihm hören. O ist jedoch kurz zuvor als
Geschäftsführer abberufen und ordnungsgemäß aus dem Handelsregister gelöscht worden, was A nicht
weiß. Nach der Vereinbarung zwischen O und den anderen Gesellschaftern darf O allerdings intern die
Unternehmenspolitik genauso bestimmen wie zuvor. Im Alltag ist daher O die Person, die am meisten
Einfluss bei der V-GmbH hat. Einig ist man sich indes darüber, dass O nicht mehr nach außen für die
V-GmbH auftreten und insbesondere keine Geschäfte mehr für und gegen sie abschließen darf. Dennoch setzt O nun das von A verlangte Schriftstück auf. Er unterzeichnet mit seinem eigenen Namen.
Anschließend stempelt er das Schriftstück mit dem Unternehmenssiegel der V-GmbH. Dieses hat O in
seinem Besitz behalten, obwohl er es nach seiner Abberufung an die V-GmbH hätte zurückgeben müssen. O nimmt billigend in Kauf, dass die V-GmbH nach Vorlage des Schuldscheins an A leistet. Sei es,
weil man dort nicht so genau hinschaut, sei es, weil man das Vertrauen in das Unternehmen und dessen
Garantieerklärungen keinesfalls erschüttern möchte.
Nachdem A entschwunden ist, beginnt O sein erneutes Nachgeben gegenüber A zu hinterfragen. Jedenfalls möchte sich O nicht mehr weiterhin dessen Willkür aussetzen. Nach weiterer Überlegung beschließt O daher, dem A die Fotos in einem handfesten Coup auf offener Straße abzunehmen. Als O
dem A nach ausgiebiger Beschattung wenige Tage später endlich über den Weg läuft, sieht er seine
Chance gekommen. Er schleicht sich von hinten an den A heran und versetzt ihm zwei kräftige Faustschläge. Augenblicklich entreißt O dem taumelnden A dessen Aktenkoffer, in dem sich auch tatsächlich
die Fotos befinden, die O sogleich an sich nimmt. Dabei ist dem O nicht bewusst, dass die unerlaubte
Anfertigung der Fotos zu einem zivilrechtlich begründeten Anspruch auf Herausgabe eben dieser führt.
2 von 4
O geht stattdessen fälschlicherweise davon aus, man könne in einem solchen Fall allenfalls die Veröffentlichung untersagen. Den Aktenkoffer samt dessen sonstigen Inhalt führt O wie geplant dem nächsten Mülleimer zu. Ohne den Überfall hätte A den Schuldschein in den nächsten Tagen bei der VGmbH vorgelegt und Zahlung verlangt. Da A nun aber eingeschüchtert ist, vernichtet er den Schuldschein, ohne davon Gebrauch zu machen. Dies hat O mit seinem Coup auch beabsichtigt. Obwohl O
das Dokument möglichst unleserlich (aber mit etwas Mühe erkennbar) unterschrieben hat, wäre der bei
der V-GmbH zuständigen Person bei Vorlage des Schuldscheins die Angelegenheit sofort aufgefallen.
Indes hätte die V-GmbH, um sich nach außen hin keine Blöße geben zu müssen und das Vertrauen in
sie nicht zu erschüttern, auf jeden Fall an A gezahlt. Diesem Vorgehen hätte die zutreffende Annahme
zugrunde gelegen, dass andernfalls der Imageschaden wirtschaftlich betrachtet den Betrag von 100 000
Euro übersteigen würde.
Wie sind A, B und O nach dem StGB strafbar?
Nicht zu prüfen sind die §§ 123, 185 ff., 201a, 246, 261 und 303 StGB. Abgabetermin ist die erste
Übungsstunde am 18.10.2016. Etwaige Zusendungen per Post müssen den Poststempel vom
17.10.2016 tragen. Viel Erfolg!
Hinweise zu den Formalia:
Die Hausarbeit ist in Garamond (oder Times New Roman), 1 ½ -zeilig, Schriftgröße 12 in Standardlaufweite (Fußnoten Schriftgröße 10, einzeilig) abzufassen. Auf der rechten Seite ist ein Korrekturrand
von 7 cm einzuhalten. Der Umfang der Hausarbeit darf 25 Seiten nicht überschreiten (zuzüglich Deckblatt, Gliederung, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis sowie einer unterschriebenen Versicherung,
dass die Arbeit eigenständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln angefertigt wurde). Das Deckblatt soll folgende Angaben enthalten: Name, Anschrift, E-Mail-Adresse, Fachsemester, Matrikelnummer, Name des Aufgabenstellers, Veranstaltung, Wertung der Hausarbeit für das Wintersemester
2016/2017 oder das Sommersemester 2016 (bei fehlender Angabe wird sie für das Wintersemester
2016/2017 gewertet). Der Hausarbeit ist ein Nachweis über die bestandene Anfängerübung im Strafrecht beizufügen. Näheres dazu und zu sämtlichen Ausnahmefällen finden Sie auf der Internetseite des
Prüfungsamtes.
Alle Übungsteilnehmer werden gebeten, ihre Hausarbeit zur Plagiatsüberprüfung elektronisch einzureichen unter:
https://www1.ephorus.com/students/handin_de
Die Hausarbeit kann in allen gängigen Dateiformaten hochgeladen werden (Word, Open Office, pdf
usw.). Der Referenzcode lautet „SRWS1617Haas“. Der Sachverhalt sowie die Versicherung, dass die
Arbeit eigenständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln angefertigt wurde, sollen nicht Teil der
Datei sein – das Literaturverzeichnis indes schon. Datei und Ausfertigung der Hausarbeit in Papierform
müssen nicht im Druckbild, jedoch inhaltlich identisch sein. Die Datei der Hausarbeit soll anonymisiert
werden: Das Deckblatt des elektronischen Dokuments soll also nur die Matrikelnummer, nicht Name
und Adresse aufweisen. Die Datei soll keinen Autor ausweisen (siehe "Dokumenteigenschaften" oder
in Word: "Optionen"). Wenn Sie Ihre Hausarbeit hochgeladen haben, sind Änderungen der hochgeladenen Arbeit nicht mehr möglich. Werden mehrere Dateien hochgeladen, wird die zuerst hochgeladene
Arbeit berücksichtigt. Das Hochladen entbindet nicht davon, die Hausarbeit in ausgedruckter
Form abzugeben! Für die Einhaltung der Abgabefrist kommt es ausschließlich auf die Abgabe Ihrer
ausgedruckten Hausarbeit an. Das Hochladen ist bis zum 18.10.2016 (24.00 Uhr) möglich.
3 von 4
Bei Problemen mit dem Hochladen sowie sonstigen Anliegen wenden sich bitte an Herrn Scheubner
([email protected]).
Elektronische Anmeldung zur Übung:
Bereits im Zuge der Abgabe der Hausarbeit müssen Sie sich zur Übung anmelden. Bitte benutzen Sie
hierfür die Belegfunktion (nicht die „Prüfungsanmeldefunktion“) des Online-Vorlesungsverzeichnisses
„LSF“. Dies gilt auch für Studenten, die nur die Hausarbeit „nachschreiben“ wollen, bei Bestehen also
die Übung des Vorsemesters bestanden haben. Die Belegfunktion ist ab Anfang Oktober freigeschaltet.
Die Nutzung der Belegfunktion ist Voraussetzung der Notenverbuchung. Das Prüfungsamt bittet Sie,
die Belegfunktion für alle besuchten Veranstaltungen – also auch unabhängig von Prüfungsleistungen –
zu nutzen. Dies schafft die Voraussetzung für die spätere Aufnahme von Vorlesungen in ein sog.
„Transcript of records“, das oftmals für Bewerbungen an ausländischen Hochschulen, etwa für ein
LL.M.-Programm, angefertigt werden muss.
4 von 4