Paul Good: Good: HEIDI – Meine Philosophie vom kleinen Weltstar. Weltstar. AGON PRESS, Bad Ragaz & Zürich 2016, 112 Seiten, 9 Fotos. ISBN 978-3-9523857-8-4. CHF 28.00 / EUR 26.00 Dieses sehr schön gestaltete Buch führt an den Originaltext von Johanna Spyri aus dem Jahre 1880 heran. Die meisten Menschen kennen die Heidi-Story nur aus Filmen, Comics, Werbung. Darin wird oft ein sentimentales Bild vom Schweizer Alpenkind gezeichnet. Solcher Vermarktung liegt aber ein eigenwilliges literarisches Kunstwerk zugrunde, das köstliche Eigentümlichkeiten enthält, die als poetische Schöpfungen gewürdigt werden. Drei Dinge stehen im Zentrum der Betrachtung: 1. Das Kinderbuch stellt ein eminentes Dokument der Sprachentwicklung dar. 2. Es schildert eine einfache, herbe, anstrengende alpwirtschaftliche Arbeits- und Lebensform. 3. Es behandelt den hiesigen Föhnwind als Naturorgel des Rheintals und setzt dieses akustische Leitmotiv der Landschaft prominent ein. Da gibt es also Redewendungen wie: Heidi trank und trank ohne Aufenthalt (die Milch aus dem Schüsselchen). Wie bitte? Oder Peter konnte die Geißennamen hersagen ohne Anstoß. Heidis Mutter war mondsüchtig und hatte Zufälle. Was hatte sie? Dete wurde von den Leuten im Dörfli aus Türen und Fenstern heraus angerufen. Ihr waren diese Anrufungen aber bald maßleidig. Heidi wusste nicht, was begegnete, als (wegen des Raubvogels) Peters gewaltige Pfiffe ertönten. Der Geißenpeter kommuniziert fast nur mit Pfiffen und spricht in abgebrochenen Ausrufungen wie: kann nicht, weiß nicht, es hat ihn (wen? den Schnee). Auf Heidis Frage, warum (beim Abendrot) der Berg brennt, antwortet er, weil er muss. Der Alp-Öhi will die Frankfurter Oma bewillkommnen. Auch Ausdrücke wie störrig, glaublich, bänglich, sorglich sind in dieser Form nicht mehr in Gebrauch. Dieser vom Alemannischen genährte Wortgebrauch in der Kindersprache von Johanna Spyri weckt Belustigung und ein Bewusstsein für Sprachentwicklung. Es stimmt nicht, dass die Alpenszenarien von Johanna Spyri eine ideale, mythische Berglandschaft beschwören, wie das in der Literatur seit dem 18. Jahrhundert geschehen ist. Das wichtige poetische Element, die Naturorgel „Föhn“, der ständige Blick hinauf zu den Türmen des Falknis, die hiesigen Ortsnamen und Sprachgewohnheiten belegen hinlänglich, dass sich dieses Alpenbild gerade nicht von den realen Örtlichkeiten, in denen diese literarische Figur angesiedelt ist, ins Ideale entfernt. Im Gegenteil. Die Autorin versteht es geschickt, die Quelle solcher Idealisierung und Romantisierung bis hin zur Verkitschung im Text selbst zu benennen. Sie lässt Fräulein Rottenmeier ausrufen, sie sei ganz erschrecklich getäuscht worden mit diesem Heidi. Sie erwartete, wie sie gelesen hätte, ein Schweizer Mädchen, das der reinen Bergluft entsprossen sozusagen ohne die Erde zu berühren durchs Leben gehe, sie meine eine jener so bekannten, in den hohen reinen Bergregionen lebenden Gestalten, die nur wie ein idealer Hauch an uns vorüberziehen. Und was ist nach Frankfurt gekommen? Ein Wildfang. Herr Sesemann hält zum Glück dagegen, Schweizerkinder berührten sehr wohl auch den Erdboden, sonst hätte Gott ihnen Flügel statt Füße gegeben. Was sollte Klara schon mit einem idealen Hauch anfangen? Indem Johanna Spyri gegen dieses literarische Klischee ein starkes, munteres Bergkind entwirft, überwindet sie dieses Vorurteil, das gleichwohl die Heidi-Rezeption bis heute bestimmt. Im 19. Jahrhundert wurden Kinder und Jugendliche literaturfähig. Es waren vor allem Buben- und Abenteuergeschichten, die faszinierten. Zwei Mädchen, Alice und Heidi, leuchten in diesem Reigen von literarischen Kinderfiguren bis heute heraus. Der englische Philosoph Lewis Carroll erschuf als Paradox freudige Gestalt seine Alice im Wunderland. Wunderland Johanna Spyris Heidi wirkt als charmante, leichtfüßige Botschafterin der Schweizer Literatur bis heute weiter. Das Buch von Paul Good, der 25 Jahre an der Kunstakademie Düsseldorf als Philosoph tätig war, gibt einen leicht verständlichen Einblick in den Originaltext, flankiert von Fotos der Föhnstimmung dieser Landschaft. Die schöne Gestaltung macht dieses Kleinod zu einem willkommenen Geschenkbuch. Johanna Spyri schrieb Teile ihres Kinderbuchs im Hof Ragaz. Das „Große Hotel“, der Quellenhof, 1869 eröffnet, lieferte ihrer Story Initialzündung und Drehscheibe. Das noble Haus hat den Druck des Good`schen Buches nun auch freundlich unterstützt. AGON PRESS PRE SS Vertrieb: Philosophie Atelier, Elestastr. 16, 7310 Bad Ragaz/Schweiz ([email protected]) [email protected])
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