e-paper: 0010364353 Wirtschaft Im Portrait ................................. Dienstag, 9. August 2016 EEG-Umlage steigt deutlich Vorteile Kommentar Faktencheck: Warum der Strompreis für Verbraucher ab 2017 spürbar teurer wird VON TERESA DAPP W Der berühmteste Arbeitsdirektor der Republik: Peter Hartz wird heute 75. Foto: dpa Steiler Aufstieg, tiefer Fall Peter Hartz rettete Jobs und stolperte über VW-Affäre VON ANDREAS HOENIG S elten in der Wirtschaft hat ein Arbeitsdirektor eine solch schillernde Karriere hingelegt wie Peter Hartz. Der Ex-Manager, der heute 75 Jahre alt wird, hatte mit innovativen Tarifmodellen Volkswagen vor Massentlassungen bewahrt, bevor ihn die Verwicklung in die VWKorruptionsaffäre 2005 den Job kostete: Die Firmenleitung hatte damals Betriebsräte mit Geld, Luxusreisen und sogar Prostituierten begünstigt. Hartz Name aber bleibt vor allem mit einer Reform verbunden: Hartz IV. Im Sommer 2002 hatte Hartz als Leiter einer Experten-Kommission der rot-grünen Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Vorschläge für eine arbeitsmarktpolitische Radikalkur vorgelegt. Binnen dreier Jahren lasse sich die Arbeitslosigkeit halbieren, das war die Botschaft von Hartz. Als er seine Reformen damals vorschlug, gab es 3,8 Millionen Arbeitslose, heute sind es 2,66 Millionen. Nach wie vor sind die Reformen aber umstritten. Geboren wird Hartz am 9. August 1941 im saarländischen St. Ingbert als Sohn eines Drahtziehers und Hüttenarbeiters. „Wir drei Buben mussten in der Landwirtschaft mitarbeiten“, erzählte er der Süddeutschen Zeitung. „Heute sagt man Kinderarbeit dazu.“ Später wird der Vater krank. „Er wurde dann überall herumgeschubst. Na ja. Ich wollte die Dinge anders machen.“ H artz macht zunächst eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Er wird Mitglied der IG Metall und der SPD, holt das Abitur nach, studiert Betriebswirtschaftslehre. Ab 1976 arbeitet er als Arbeitsdirektor in der Stahlindustrie. Es sind die Zeiten der großen Branchenkrise. Hartz schafft es mit innovativen Modellen und Kontakten in die Politik, den Personalabbau ohne Entlassungen zu bewerkstelligen. 1993 holt ihn der VW-Chef Ferdinand Piëch als Personalvorstand nach Wolfsburg. VW produziert zu teuer, es droht die Entlassung von bis zu 30 000 Beschäftigten. Hartz erfindet die Vier-Tage-Woche, eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich – kein VW-Mitarbeiter muss gehen. Dann bringt ihn seine Verwicklung in die VW-Affäre zu Fall. 2005 tritt er zurück. 2007 wird er wegen Untreue und Begünstigung von Betriebsräten zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt. Seinen Geburtstag feiert Hartz, der einen Sohn hat, zu Hause im Saarland mit seiner Familie. (dpa) eg von Atom, Kohle und Gas. Hin zu Sonne, Wind und Biomasse. Das ist – einfach gesagt – die Energiewende. Was sie aber auch ist: ein Zankapfel für Politiker, Umweltschützer, Industrie, Landbesitzer, Investoren. Denn es geht nicht nur um Atomausstieg und Klimaschutz, sondern auch um viel Geld. Ein Faktencheck: Das Thema Der nächste Anstieg der EEG-Umlage als Teil der Stromrechnung geht auf das Konto sinkender Preise an der Strombörse. 2017 steigt nach Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende die Umlage von 6,35 auf 7,1 bis 7,3 Cent pro Kilowattstunde. Den größten Teil des Anstiegs müssen Verbraucher zahlen, weil Betreiber von Ökostrom-Anlagen eine feste Vergütung bekommen. DIE ENERGIEWENDE MACHT DEN STROM TEURER. Es stimmt, dass viele StromEndkunden wegen der Energiewende mehr zahlen müssen. Zwar sinkt der sogenannte Börsenstrompreis, zu dem Versorger Strom im Großhandel einkaufen, seit Jahren. Aber: Deutsche Stromkunden müssen zusätzlich verschiedene Steuern, Abgaben und Umlagen zahlen – darunter die EEG-Umlage. Sie steigt, wenn die Strombörsenpreise sinken. Der Grund: Wer etwa einen Windpark betreibt, bekommt für den produzierten Strom eine festgeschriebene Vergütung, die über die Umlage finanziert wird. 2016 liegt die EEG-Umlage bei 6,354 Cent pro Kilowattstunde. Die Denkfabrik Agora Energiewende hat errechnet, dass sie 2017 auf 7,1 bis 7,3 Cent steigen wird – hauptsächlich, weil der Börsenstrompreis sinkt. Das bedeutet: Ein Vier-Personen-Haushalt, der 4200 Kilowattstunden pro Jahr verbraucht, zahlt etwa 300 Euro für die EEG-Umlage. MONSTERTRASSEN VERSCHANDELN DIE NATUR. Die Hauptaufgabe: Der Windkraft-Strom aus dem Norden muss in den Süden. Zuständig ist die Bundesnetzagentur. Dem sogenannten Bundesbedarfsplangesetz zufolge sind 6200 Kilometer an Leitungen nötig. Stand nach dem ersten Quartal 2016: 65 Kilometer gebaut und 350 Kilometer genehmigt. Mit Monstertrassen meinen Kritiker die 800 Kilometer lange SuedLink-Trasse – die „Hauptschlagader der Energiewende“. Die Politik einigte sich 2015 nach Druck vor allem aus Bayern darauf, dass Erdkabel Vorrang haben. Nur: Erdkabel kosten das Drei- bis Zehnfache von Überlandleitungen. Die Trasse wird 2025 fertig, drei Jahre später als geplant. 2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz. ÖKOSTROM SORGT FÜR INSGESAMT ZU VIEL STROM. Inzwischen kommt mehr als ein Drittel des Stroms aus Öko-Quellen. Die heutigen Stromnetze können überlastet werden, denn es kann nur eine bestimmte Strommenge durchlaufen. Wenn der Wind kräftig weht und die Sonne knallt, gibt es in Deutschland mehr Strom, als in die Netze passt. Darauf gibt es viele Antworten: Netzausbau, Ausbau der Erneuerbaren bremsen, Atom- und Kohlekraftwerke abschalten, Strom speichern, und der Stromverbrauch muss sich dem Angebot besser anpassen – über ein Lasten-Management. Das heißt: Ihn verstärkt nutzen, wenn er anfällt. Umweltschützer kritisieren, dass Atom- und Kohlekraftwerke ihre Produktion zu Spitzenzeiten oft nicht so reduzieren, wie sie es könnten. Andererseits ist ihre Flexibilität begrenzt: Es dauert, sie wieder auf Touren zu bringen. DIE ENERGIEWENDE IST GUT FÜR DEN KLIMASCHUTZ. Theoretisch ja. Die Grundidee: Erneuerbare Energien ersetzen nach und nach Strom aus Kohle, Erdgas und Erdöl. Wenn diese verbrannt werden, entsteht das klimaschädliche Treibhausgas CO2, das zur Erderwärmung beiträgt. Obwohl immer mehr Ökostrom produziert wird, bleibt die Kohlestrom-Produktion konstant – weil die Niederlande, Österreich und Frankreich Strom aus Deutschland beziehen. Der Grund: Die Preise für Kohle und für Lizenzen zum CO2-Ausstoß sind niedrig – Kohlestrom ist billig. Kohlekraftwerke verdrängen sogar klimafreundlichere Gaskraftwerke, die Treibhausgas-Emissionen sind zuletzt leicht gestiegen. Zahlen des Umweltbundesamts zeigen: Nachdem die Stromproduktion in Deutschland zwischen 2011 und 2013 klimaschädlicher wurde, gibt es seit 2014 wieder eine Verbesserung. Deutschland braucht viel Strom – egal ob aus den Erneuerbaren Energien oder aus herkömmlicher Produktion. Beispiel elektrische Geräte, ob das Smartphone, um Pokémon Go zu spielen, das Tablet oder die Kamera. Fotos:dpa/obs/E.ON Energie Deutschland GmbH OHNE KOHLE GEHEN DIE LICHTER AUS. Bisher gibt es in Deutschland noch genug flexible Kraftwerke, die Engpässe ausgleichen können. Wie es in Zukunft läuft, hängt davon ab, welche Fortschritte Wissenschaft und Technik machen. Künftig sollen Überschüsse gespeichert und später bei Bedarf ins Netz eingespeist werden. (dpa) KOMMENTAR Startschuss für Musterverfahren Weg für milliardenschwere Aktionärsklagen gegen VW frei – Noch kein genauer Termin BRAUNSCHWEIG. Das Landgericht Braunschweig hat mit einem sogenannten Vorlagebeschluss den Weg für ein Musterverfahren wegen milliardenschwerer Aktionärsklagen gegen VW freigemacht. „Das ist der Startschuss“, sagte Richterin Maike Block-Cavallaro gestern. Nach den Kursverlusten im Zuge des Diesel-Skandals geht es bei den 170 zugelassenen Schadensersatzklagen um einen Streitwert von insgesamt knapp vier Milliarden Euro. Wenn alle Kläger gehört wurden, werden als nächster Schritt des komplexen, mehrstufigen Prozesses alle Verfahren bis zur Klärung des Musterverfahrens ausgesetzt. Als Zeitfenster für dessen offiziellen Beginn wird „frü- hestens Ende 2016“ angepeilt. „Es geht darum, einen Zeitrahmen abzustecken – das heißt aber nicht, dass es dann auch eintritt“, sagte Block-Cavallaro mit Hinweis auf das umfassende und langwierige Verfahren. Danach wird dann ein Musterkläger bestimmt. Die Bündelung für die höhere Gerichtsinstanz ist über das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) möglich. Es eröffnet die Chance, stellvertretend für andere vor dem Oberlandesgericht ein Verfahren zu führen und Streitfragen zu klären. Ein VW-Sprecher sagte: „Volkswagen ist weiterhin der Auffassung, seine kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten ordnungsgemäß erfüllt zu haben.“ Bei dem Beschluss handele es sich um einen normalen und auch von Volkswagen beantragten Verfahrensschritt. Absturz an der Börse: Nach Bekanntwerden der Abgas-Affäre brach die VW-Aktie ein. Foto: dpa „Mit der Eröffnung des Musterverfahrens ist wohl kaum vor Ablauf der Verjährungsfrist am 18. September 2016 zu rechnen“, erklärte Klaus Nieding, Vorstand der Rechtsanwaltskanzlei Nieding + Barth. Jeder Geschädigte müsse deshalb die Verjährung durch eine Klage unterbrechen, um seine Ansprüche nicht zu verlieren. Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch der Abgas-Affäre ab, viele Anleger wollen sich ihre Verluste vom Unternehmen erstatten lassen. Ihr Argument: VW hätte deutlich früher über die Probleme informieren müssen, weil Kursabschläge drohten. VW widersprach. Wer recht hat, wird sich kurzfristig nicht klären lassen. (dpa) weitergeben Barbara Will über Strompreise und EEG-Umlage O b die Energiewende ihre Ziele erreicht, ist offen, eins hat sie jedoch schon bewiesen: Sie ist an sich prima – dummerweise stört nur die Marktwirtschaft. Subventionen, wie die EEGUmlage, sollen neuen Technologien auf den Markt helfen. Je mehr sie sich durchsetzen, desto überflüssiger sollte die Stütze werden – nicht aber beim Ökostrom. Denn je mehr erneuerbare Energie produziert wird, desto billiger wird sie an der Strombörse verramscht. Netzbetreibern beschert das Verluste, die sie sich zurückholen und Verbrauchern eine Rechnung, auf der sie sitzenbleiben. Sie wird weiter steigen. Denn der Ausbau des Leitungsnetzes wird in die Milliarden gehen. Das alles ist politisch gewollt, und tatsächlich gibt es weniger intelligente Vorhaben, Geld auszugeben als den Abschied von Atommeilern. Ein Freibrief dafür, Verbraucher zu melken, die Industrie zu schonen und Wirtschaftsminister zu profilieren, ist das nicht. So müssen sich die Energieversorger mittlerweile fragen lassen, ob sie sich beim Stromeinkauf billig genug eindecken und diese Kostenvorteile an die Haushaltskunden weitergeben. Für diese muss es endlich möglich sein, die steigende Umlage wenigstens teilweise zu kompensieren. [email protected] Kurz notiert Gabriel kämpft um Edeka-Fusion Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel geht im Streit um die Fusion von Edeka und Kaiser’s Tengelmann gegen das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf vor. Sein Ministerium legte gestern eine Nichtzulassungsberschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Das OLG hatte die geplante Übernahme von Kaiser’s Tengelmann mit einer Eilentscheidung gestoppt und eine Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Heizöl Am 8. August ermittelten wir auf dem Internetportal Esyoil den jeweils günstigsten Preis für 3000 Liter schwefelarmes PremiumHeizöl (in Euro je 100 Liter, inklusive Mehrwertsteuer, Zahlart: EC). In den Klammern stehen die Werte der Vorwoche, rote Zahlen stehen für eine Erhöhung. • Werra-Meißner 48,11 (47,71) • Waldeck-Frankenberg 48,11 (47,87) • Schwalm-Eder 48,11 (47,60) • Hersfeld-Rotenburg 48,11 (47,21) • Kassel/Hofgeismar/Wolfhagen 47,73 (46,06) • Göttingen/Moringen/Hardegsen 48,73 (47,45) • Northeim/Einbeck/Bad Gandersheim 48,73 (47,45) Hinweis: Die Preise auf der Internetseite www.esyoil.com können sich jederzeit ändern.
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