Geschäftsführer Jürgen Jung zu der vorgeschlagen Neuausrichtung

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Geschäftsführer Jürgen Jung zu der
vorgeschlagen Neuausrichtung des Klinikums
Wir, als gemeinnützige Klinikum Mittelbaden GmbH, sichern seit 12 Jahren eine gute wohnortnahe Gesundheitsversorgung in unseren Kliniken in Rastatt, Forbach, Baden-Baden und
Bühl und auch in verschiedenen Pflegeeinrichtungen und Medizinischen Versorgungszentren.
Seit es unser regionales Gesundheitsunternehmen gibt, sind wir immer wieder aufgerufen,
uns und unsere Leistungen zu hinterfragen.
Bereits im vergangenen Jahr haben unser Aufsichtsrat und unsere Gesellschafter einen ersten wichtigen Weiterentwicklungsschritt auf den Weg gebracht:
Die Kliniken in Rastatt und Forbach haben wir zu einem einheitlichen Krankenhaus (KMB
Rastatt-Forbach) zusammengeführt. Mit der gleichzeitigen Verlagerung der Neurologie von
Baden-Baden nach Rastatt wurde eine medizinisch sinnvolle Bündelung zu einer auf HerzKreislauf-Erkrankungen spezialisierten Klinik erreicht, ohne für den nördlichen Landkreis und
das Murgtal die wohnortnahe Versorgung einzuschränken. Schmerzhaft, aber vertretbar, war
für die Menschen im Murgtal, dass wir die Einstellung der stationären Chirurgie in Forbach
mit Blick auf eine seit Jahren rückläufige Inanspruchnahme vornehmen mussten.
In Baden-Baden entstand durch den Zusammenschluss der ehemals selbständigen Klinik
des Deutschen Roten Kreuzes (Annaberg), des Krankenhauses Ebersteinburg und der ehemaligen Stadtklinik in Balg ein Klinikum Baden-Baden. Zahlreiche Abteilungsveränderungen
mit vielen internen Umzügen waren damit verbunden. Auch hier war unser primäres Ziel,
Versorgungsabläufe zu optimieren und Baden-Baden unter anderem als Schwerpunkt für die
Behandlung von Krebserkrankungen auszurichten.
Als weitere und aus heutiger Sicht abschließende, grundlegende Änderung liegen unseren
Gesellschaftergremien Änderungsvorschläge vor, die die Kliniken in Baden-Baden und Bühl
enger aneinander binden. Baden-Baden soll zugunsten einer Erweiterung der Altersmedizin
in Bühl auf ein diesbezügliches eigenes Angebot in Balg und auf die internistische Abteilung
in Ebersteinburg verzichten. Die HNO-Belegabteilung wechselt von Balg nach Bühl. Dies trägt
zur Sicherung des Bühler Krankenhausstandortes bei.
Weiterentwickelt wird in Ebersteinburg die Palliativmedizin und Schmerztherapie zu einem
Schmerzzentrum für Mittelbaden. Mit einer ergänzenden Fokussierung auf planbare operative chirurgische, unfallchirurgische und gynäkologische Leistungen und den Ausbau der
Altersmedizin in Bühl reagiert das Klinikum auf eine seit Jahren leicht rückläufige Belegung
unserer Bühler Klinik in der allgemeinen internistischen und chirurgischen Versorgung.
Ich spreche bewusst nicht nur von einer Schließung in Bühl, weil mir sehr daran liegt, eine
langjährig gute und sehr anerkannte babyfreundliche Geburtshilfe an anderer Stelle fortzuführen oder zu integrieren.
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Bei allen, für kleine Abteilungen zukünftig nicht mehr erfüllbaren, qualitativen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen muss es uns gelingen, unterschiedliche Ausrichtungen
der Geburtshilfe im Klinikum dauerhaft zu erhalten.
Für den Protest gegen die geplante „Schließung der Geburtshilfe“ an der Klinik in Bühl habe
ich großes Verständnis.
Die Anerkennung, die allen unseren Hebammen und Schwestern – aktuell insbesondere
in Bühl – in Leserbriefen, Kommentaren und auf Facebook – zum Ausdruck kommt, ist ein
Zeichen der Wertschätzung ihrer Berufe und der Menschen, die diese ausüben.
Unser Unternehmen hat in den vergangenen Jahren vieles versucht, um die Geburtshilfe in
Bühl zu stärken.
Dazu gehören zum Beispiel
- die seit 2005 bestehende Zertifizierung als „Babyfreundliches Krankenhaus“ nach den
Richtlinien der WHO ist neben der sehr guten Begleitung rund um die Geburt auch auf die
kontinuierliche und zugewandte Stillberatung ausgerichtet.
- die Teilnahme der Bühler Entbindungsklinik an der Offenburger Babymesse, bei der
Offerta in Karlsruhe und bei anderen regionalen Veranstaltungen seit 2005.
- die Baby- und Kindertage im Mercedes-Benz Kundencenter Rastatt. Zu diesen bisher fünf
klinikumeigenen er-folgreichen Veranstaltungen, auf denen das Geburtszentrum Klinikum
Mittelbaden mit seinen drei Standorten Baden-Baden, Bühl und Rastatt beworben wurden,
kamen jeweils über 2.500 – 3.000 Besucher von der Ortenau bis Karlsruhe.
- die Veröffentlichung von über 200 Pressemitteilungen zu den Bühler Kursangeboten der
Elternschule in der regionalen Presse alleine in den letzten beiden Jahren und zahlreichen
Sonderveröffentlichungen.
Eine große Zahl der Bühler Hebammen sind neben ihrer Teilzeitbeschäftigung beim Klinikum freiberuflich tätig und stellen mit ihren eigenen Angeboten eine wichtige Brücke zu
den Familien dar.
Dies hat insgesamt gesehen die Geburtenzahlen in Bühl lediglich stabilisieren können.
Tatsache ist, dass es in Bühl in den letzten Jahren immer rund 400 Geburten jährlich gab.
Landesweit wurden in nur vier Kliniken im vergangenen Jahr weniger Kinder geboren als in
Bühl.
Ein Grund dafür ist sicherlich die gesetzgeberische Vorgabe, dass in Bühl nur noch Entbindungen ab der 36. Schwangerschaftswoche bei komplikationsfreiem Verlauf begleitet
werden dürfen. Selbst die Aufnahme von Frauen mit Komplikationen während der Schwangerschaft ist vor diesem Zeitpunkt nicht möglich. Diese müssen an neonatologische Zentren wie an unsere Klinik in Baden-Baden oder vor der 28. Schwangerschaftswoche sogar
nach Karlsruhe verwiesen, werden. Die ebenfalls überschaubaren Geburtszahlen in Achern,
Oberkirch, Rastatt und an anderen kleineren Geburtskliniken erklären sich unter anderem
auch aus diesem Gesichtspunkt. Dass selbst in Bühl und den angrenzenden Gemeinden
wie Bühlertal und Ottersweier sich heute bereits bis zu 50% der werdenden Eltern für eine
andere Geburtsklinik entscheiden oder entscheiden müssen, unterstreicht dies.
Die Sterblichkeit soll in Kliniken mit weniger als 500 Geburten nach einer gerade veröffentlichten Studie dreimal so hoch sein, wie in Kliniken mit mehr als 1.500 Geburten. Solche
Studien lösen ergänzende qualitative Vorgaben aus, die kleine Geburtsabteilungen zusätzlich belasten.
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Auch wir müssen uns mit diesen Aussagen beschäftigen. Dies bedeutet nicht, dass wir
Zweifel an der Leistungsfähigkeit unserer Kliniken und unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den geburtshilflichen Teams haben.
Selbstverständlich wirken sich verschärfende qualitative Vorgaben immer auch auf die Finanzierbarkeit einer Abteilung aus. Es wäre schon aus diesem Gesichtspunkt heraus unehrlich, nicht darüber zu sprechen. Allgemein gilt heute eine Geburtsklinik unter 800 jährlichen
Entbindungen als unterfinanziert. Umso mehr, wenn diese Klinik in öffentlicher Trägerschaft
auch die entsprechenden Tarifverträge für ihre Beschäftigten anwendet.
Der Bedarf an (Fach)Ärztinnen und Ärzten und an Hebammen ist in den letzten Jahren mit
Blick auf Änderungen in der Arbeitszeitgesetzgebung und in Tarifverträgen deutlich angestiegen. Leider blieb die Zahl der Ausbildungsplätze für diese Berufe unverändert oder ging
sogar zurück. Wir selbst haben zusätzliche Ausbildungsplätze für Hebammen eingerichtet.
Weitere medizinische Vorgaben, wie etwa die OP-Bereitschaft von 24 Stunden an sieben
Tagen sind schwierig zu erfüllen und bei einer Zahl von rund 400 Entbindungen systembedingt unterfinanziert.
Gerne werden wir auch zukünftig, die Bereitschaft unserer Mitarbeiterinnen vorausgesetzt,
ein die Geburtshilfe begleitendes Angebot in Bühl aufrechterhalten. Dazu gehören u.a. die
Geburtsvorbereitungskurse, Hebammensprechstunden oder die beliebten Stilltreffs. Mein
Wunsch ist, eine langjährig gute und sehr anerkannte babyfreundliche Geburtshilfe an anderer Stelle im Klinikum Mittelbaden fortzuführen.
Mit vielen meiner Kollegen in anderen Kliniken habe ich bei nahezu jeder Gelegenheit darauf hingewiesen, dass die bundesweiten Vorgaben, unter anderem durch das Krankenhausstrukturgesetz, verheerende Folgen vor allem für uns kommunale Kliniken haben. Kleine
wohnortnahe Einheiten sind nicht mehr gewollt und werden durch Unterfinanzierung und
Überreglementierung zur Aufgabe getrieben.
Die Verantwortung für die teils sehr negative Entwicklung tragen nicht wir Kliniken und
schon gar nicht unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vielmehr führen die ständig sich
verschärfenden Vorgaben zu einem weiter zunehmenden wirtschaftlichen Druck. Bundesweit sind in den vergangenen Jahren rund 200 Geburtshilfe-Stationen geschlossen worden,
darunter allein vier in der Ortenau und zwei im Landkreis Karlsruhe.
Uns liegt sehr an einer offenen Diskussion. Selbstverständlich werden wir in einer öffentlichen Veranstaltung vor der abschließenden Entscheidung Rede und Antwort stehen.
Für den bisherigen überwiegend fairen Umgang in einer emotional schwierigen Situation
danke ich allen.
Jürgen Jung
Geschäftsführer Klinikum Mittelbaden gGmbH