TOP-THEMA XXXXXXXXXXXXXXXX ARBEITSRECHT JULI / AUGUST 2016 NEWSLETTER 07 KOM ME NTI ERTE ENTSCHE ID E – PR A X ISF Ä L L E – PE R SPE KT IV E N Liebe Leserin, lieber Leser Die Sommerferien stehen vor der Tür. Verdient hat sich die Ferien jedoch nur, wer auch gearbeitet hat, schliesslich lautet ein Grundsatz im Arbeitsrecht «ohne Arbeit keine Ferien». Allerdings gibt es auch einige Ausnahmen. In unserem Beitrag zur Ferienkürzung erfahren Sie mehr. IN DIESER AUSGABE: Top-Thema – Ferienkürzung Seite 1 Gerichtsentscheid – Bonus Seite 4 Praxisfälle – Freistellungen Seite 6 Ein weiterer Schwerpunkt dieser Ausgabe liegt auf dem Thema Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Zudem finden Sie in diesem Newsletter Gerichtsentscheide zum Thema Bonus und zur Verdachtskündigung sowie verschiedenste Praxisfälle zur Freistellung. Herzlichst Ihr Top-Thema – Gesamtarbeitsvertrag Seite 8 Gerichtsentscheid – Verdachtskündigung Seite 10 Arbeitshilfe – Freistellung Seite 12 Ralph Hofbauer, Redaktor Korrekt Abstriche machen Die gesetzlichen Regelungen zur Kürzung von Ferien werfen regelmässig Fragen auf. In welchen Fällen ist eine Ferienkürzung erlaubt? Und welche Regeln gelten bei der Berechnung? OR von diesem Grundsatz ab und schränkt die Ferienkürzung ein. Die gesetzliche Regelung ist nicht leicht verständlich und die Beziehung der einzelnen Absätze zueinander ist missverständlich, weshalb die Ferienkürzung im HR-Alltag immer wieder für Kopfzerbrechen sorgt. Von Stefan Rieder Die wohlverdienten Ferien dienen der Erholung von der Arbeit. Wohlverdient sind Ferien jedoch nur, wenn tatsächlich gearbeitet wurde. Aus diesem Grund wächst der Ferienanspruch im Verhältnis zur geleisteten Arbeit. Je nach Höhe des jährlichen Ferienanspruchs erarbeitet sich ein Arbeitnehmer monatlich 1,67 Tage (4 Wochen Ferien), 2,08 Tage (5 Wochen) oder 2,5 Tage (6 Wochen) Ferien. ARBEITSRECHT NEWSLETTER 07 Der Ferienanspruch wächst grundsätzlich nicht an, wenn nicht gearbeitet wird. Der Grundsatz «ohne Arbeit keine Ferien» gilt aber nicht in jedem Fall. Falls der Arbeitnehmer aus Gründen, welche die Arbeitgeberin zu vertreten hat (Arbeitgeberverzug nach Art. 324 OR), keine Arbeit leistet, wächst das Ferienguthaben dennoch an (z.B. bei einer Freistellung oder weil infolge schlechter Auftragslage keine Arbeit vorhanden ist). Ferner weicht das Gesetz in Art. 329b Voraussetzungen für die Ferienkürzung Bei einer vom Arbeitnehmer verschuldeten Arbeitsverhinderung darf der jährliche Ferienanspruch um einen Zwölftel gekürzt werden, sobald die Arbeitsverhinderung insgesamt einen vollen Abwesenheitsmonat beträgt (Art. 329b Abs. 1 OR). Beträgt die vom Arbeitnehmer verschuldete Arbeitsverhinderung mehr als einen Monat, ist pro vollem Abwesenheitsmonat eine Kürzung von einem Zwölftel zulässig. Beträgt sie weniger, ist eine Ferienkürzung nicht zulässig. JULI / AUGUST 2016 1 TOP-THEMA FERIENKÜRZUNG Kürzung bei Teilarbeitsunfähigkeit Die Kürzung des Ferienanspruchs ist auch bei teilweiser Arbeitsverhinderung zulässig. Ist ein Arbeitnehmer nur teilweise arbeitsunfähig, ist die effektive Dauer der Arbeitsverhinderung zu berücksichtigen. Dies hat zur Folge, dass es bei einer Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent zum Beispiel doppelt so lange dauert, bis die Schonfrist ausgereizt ist und ein voller Abwesenheitsmonat vorliegt. Sobald aber die für eine Ferienkürzung erforderliche Dauer der Arbeitsverhinderung vorliegt, kann die Kürzung ungeachtet des Grades der Arbeitsunfähigkeit erfolgen. Die Kürzung von einem Zwölftel pro vollem Abwesenheitsmonat wird also nicht proportional zum Arbeitsunfähigkeitsgrad reduziert. «Ohne Arbeit keine Ferien» – so der Grundsatz beim arbeitsrechtlichen Umgang mit Ferien. Trotz des Grundsatzes «ohne Arbeit keine Ferien» wächst der Ferienanspruch also in manchen Fällen und kann nur pro volle Abwesenheitsmonate gekürzt werden. So darf die Arbeitgeberin beispielsweise einem Arbeitnehmer, der durch sein eigenes Verschulden fünfeinhalb Monate an der Arbeitsleistung verhindert ist, die Ferien um fünf Zwölftel kürzen. Unfall, Krankheit oder Erfüllung gesetzlicher Pflichten). Allerdings besteht für solche Arbeitsverhinderungen für den ersten vollen Abwesenheitsmonat eine absolute Schonfrist, sodass eine Kürzung für den ersten Abwesenheitsmonat ausgeschlossen ist. Dieser Ferienschutz gilt aber nur, wenn eine Arbeitsverhinderung vorliegt. Das ist zum Beispiel nicht der Fall bei unbezahltem Urlaub, rechtmässigen Streiks oder beim blossen Blaumachen. In diesen Fällen sowie bei einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegt (z.B. verzögerte Ferienrückkehr wegen Unwetter), ist eine Ferienkürzung bereits ab dem ersten Fehltag zulässig. Eine Ferienkürzung in Höhe von einem Zwölftel ist erst ab dem zweiten vollen Abwesenheitsmonat zulässig, und danach darf für jeden weiteren vollen Abwesenheitsmonat eine Kürzung um einen Zwölftel vorgenommen werden (Art. 329b Abs. 2 OR). Die Arbeitgeberin darf einem Arbeitnehmer, der infolge Unfalls fünfeinhalb Monate zu 100 Prozent arbeitsunfähig ist, die Ferien um vier Zwölftel kürzen. Der Unterschied zur verschuldeten Arbeitsverhinderung liegt also darin, dass der erste volle Abwesenheitsmonat für die Kürzung nicht mitgerechnet wird. Absolute Schonfrist von einem Monat Der vorgenannte Grundsatz, dass eine Ferienkürzung erst ab einem vollen Abwesenheitsmonat möglich ist, gilt auch bei einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung, die in der Person des Arbeitnehmers liegt (z.B. Besonderer Schutz bei Schwangerschaft Bei einer schwangerschaftsbedingten Arbeitsverhinderung ist eine absolute Schonfrist für zwei volle Abwesenheitsmonate vorgesehen, d.h., diese bleiben bei der Kürzung unberücksichtigt. Die Arbeitgeberin darf die Abwesenheitsdauer Umfang der Ferienkürzung Verschuldete Arbeitsverhinderung 2 Unverschuldete Arbeitsverhinderung Schwangerschaftsbedingte Arbeitsverhinderung bis 1 Monat keine keine keine ab 1 Monat 1/12 keine keine ab 2 Monate 2/12 1/12 keine ab 3 Monate 3/12 2/12 1/12 ab 4 Monate 4/12 3/12 2/12 ab 5 Monate 5/12 4/12 3/12 ARBEITSRECHT NEWSLETTER 07 Beispiel: Die Arbeitgeberin darf einem Arbeitnehmer, der infolge Unfalls fünfeinhalb Monate zu 50 Prozent arbeitsunfähig ist, die Ferien um einen Zwölftel kürzen. Ferien somit erst ab dem dritten vollen Abwesenheitsmonat um einen Zwölftel kürzen, und danach ist eine Kürzung von einem Zwölftel für jeden vollen Abwesenheitsmonat zulässig (Art. 329b Abs. 3 OR). Die einmonatige Schonfrist infolge unverschuldeter Arbeitsverhinderung (Art. 329b Abs. 2 OR) kann nicht mit der zweimonatigen Schonfrist für schwangerschaftsbedingte Arbeitsverhinderungen (Art. 329b Abs. 3 OR) kumuliert werden, weshalb lediglich die längere Schonfrist gilt. Allerdings werden in diesem Fall sämtliche Fehltage, d.h. auch die nicht schwangerschaftsbedingten Fehltage, angerechnet. Einer Arbeitnehmerin, die schwangerschaftsbedingt und aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheiten fünfeinhalb Monate nicht arbeitete, kann der Ferienanspruch um drei Zwölftel gekürzt werden. Während des maximal 14-wöchigen Mutterschaftsurlaubes ist eine Ferienkürzung nicht zulässig, und diese 14 Wochen dürfen auch nicht an die Schonfrist angerechnet werden. Obwohl der Gesetzestext an die Mutterschaftsentschädigung gemäss EOG anknüpft, bleibt eine Ferienkürzung während des Mutterschaftsurlaubes unzulässig, auch wenn die Voraussetzung zum Bezug von Taggeldern nicht erfüllt ist. Berechnung der Ferienkürzung Die Ferienkürzung setzt eine Arbeitsverhinderung voraus, und eine solche ist nur an Arbeitstagen möglich. Aus diesem Grund ist für den vollen Abwesenheitsmonat nicht auf den JULI / AUGUST 2016
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