Anti-Aggressionstraining im Landkreis Börde

Anti-Aggressionstraining im Landkreis Börde
Das Antiaggressionstraining im sozialen Trainingskurs des Landkreises Bördekreis ist ein
Modellprojekt speziell für Jugendliche, welche straffällig bzw. auffällig geworden sind und
bei denen aggressive Verhaltensweisen und eine geringe Frustrationstoleranz zu erkennen
sind.
Aggression und Gewalt sind komplexe, interaktionale Erscheinungsformen, die vor dem
Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels und im Zuge der Individualisierung betrachtet
werden muss (vgl. Beck, U., Risikogesellschaft, Frankfurt a.M. Suhrkamp 1986).
Dabei spielen neben der Persönlichkeit, die Erziehung im Elternhaus, das soziale Umfeld, die
Schule, die Peergroups(Gruppe der Gleichaltrigen) auch die politische Orientierung eine
entscheidende Rolle in der Entwicklung des jungen Menschen zum Erwachsenen.
Ziel der Maßnahme war es hierbei Freizeitinteressen zu entwickeln, sich neue
Verhaltensmuster, besonders im Hinblick auf die Vermeidung von Gewaltanwendung,
anzueignen, die soziale Kompetenz zu fördern, insbesondere eine Verantwortung für das
eigene Handeln, sowie Betroffenheit, Mitgefühl und Einfühlungsvermögen für die Opfer zu
entwickeln.
Häufig spielen emotionale Unausgeglichenheit sowie fehlende Handlungskompetenzen eine
entscheidende Rolle bei der Ursache von Aggression, Überreaktion und Gewalt.
Dementsprechend sollen in diesem Training eine körperliche und seelische Ausgeglichenheit
und die Verinnerlichung sachgerechter Verhaltensweisen erreicht werden, um eine
erfolgreiche Konflikt- und Stressbewältigung herbeizuführen.
Dabei dient das Training vor allem dem rechtzeitigen Erkennen und dem Einschätzen von
Konfliktsituationen, sowie der Vermeidung von Konfliktsituationen durch deeskalierende
Verhaltensmuster.
Das Anti – Aggressionstraining basiert auf Grundlage von kognitiven und lerntheoretischen
Methoden der Psychologie der Verhaltensänderung.
Dabei werden überwiegend konfrontative, provokative, körpersprachliche und
erlebnisorientierte Elemente verwendet. Durch systematische Desensibilisierung soll das
gewalttätige Verhalten abtrainiert werden.
Evaluation der Arbeit im Projekt „Anti-Aggressionstraining“
Das Anti-Aggressionstraining wurde während seiner Durchführung evaluativ begleitet.
Dabei wurde unter Zuhilfenahme des psychologischen Fragebogens zur Erfassung von
Aggressivitätsfaktoren (FAF) von Hampel und Selg (1975) folgende Fragestellung betrachtet:
„Ist das durchgeführte Projekt Anti-Aggressionstraining für jugendliche Straftäter eine
sinnvolle Maßnahme gegen Gewalt und Aggression sowie Selbstaggression?“
Hierbei ging es vor allem um die Prüfung, inwieweit sich das Anti-Aggressionstraining auf
die Grundhaltung und Bereitschaft zu Aggression und Gewalt auswirkt.
Der Fragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren (FAF)ist ein standardisiertes und
auf wissenschaftliche Gütekriterien hin überprüftes Routineverfahren, welches empirisch
abgrenzbare individuelle Merkmale mit dem Ziel einer quantitativen Aussage über deren
Ausprägung untersucht.
Bei dem Fragebogen handelt es sich um einen Teilbereich eines Persönlichkeitstestes, bei
dem die die Aggressivitätsfaktoren ermittelt werden. Der FAF ist ein psychologischer Test.
Ausgehend von der Theorie, dass aggressives Verhalten erlernt und auch wieder verlernt
werden kann, was die Grundlage des Anti-Aggressionskurses darstellt, soll mit dem FAF
nicht die Symptome der Persönlichkeit beschrieben werden, sondern erfasst „Aussagen über
funktionale Beziehung zwischen Symptom und Umweltbedingungen.“ (Selg, S 56,
Menschliche Aggressivität, Göttingen, Verlag für Psychologie, Hogrefe)
D.h. der FAF kann als brauchbares Instrument zur Überprüfung des Zieles der Senkung der
Aggressivität durch das Anti-Aggressionstraining verwendet werden.
Aufbau des FAF
Insgesamt umfasst der FAF 77 Items, die in Ich-Form formuliert sind. Es besteht die
Antwortalternative „JA“ oder „Nein“, wobei die Ja-Antworten als Rohwerte in die
Testauswertung fließen. Die Items stellen eine Sammlung von aggressiven Verhaltens- und
affinen Erlebniswelten dar, zu denen der Proband entsprechend der Instruktion eine
Selbstbeurteilung abgeben soll. Sie sind also verbale Hilfen zur Beurteilung der eigenen
Aggressivität.
Aus diesem FAF können folgende fünf Werte ermittelt werden:
1. spontane Aggressivität
2. reaktive Aggressivität
3. Erregbarkeit
4. Selbstaggression, Depressivität
5. Aggressionshemmung
Durchführung
Der Test wurde mit den Teilnehmern des Anti-Aggressionstrainings jeweils einmal zu
Beginn und zum Abschluss des Kurses durchgeführt. Die Befragung erfolgte dabei anonym.
Um eine Zuordnung von erster zu zweiter Messung zu gewährleisten, wurden persönliche
Codes vergeben.
Datenauswertung und Ergebnisse
Für die Datenauswertung lagen fünf Fragebögen zur Messung der Aggressivitätsfaktoren vor
(N=5), die in folgende statistische Berechnungen eingegangen sind.
Die folgende Tabelle zeigt die Mittelwerte der einzelnen Faktoren im Vergleich der ersten
Messung am Beginn der Maßnahme zur zweiten Messung am Ende der Maßnahme.
Werte im Bereich 1-3 sind dabei als sehr niedrige Werte anzusehen, der Staninewert 4 ist
niedrig und bei 5 liegt der Normalwert. 6 ist ein hoher Wert und der Bereich 7-9 gilt als sehr
hoch. Die jeweils in Klammern stehenden Werte bezeichnen die Standartabweichung.
Tabelle 1. Mittelwerte im Pre/Post-Test-Vergleich
1.
Messung
Mittelwert (SD)
2.
Messung
Mittelwert (SD)
F1sA
5,6 (0,49)
4,0 (1,10)
F2rA
5,0 (0,63)
4,2 (0,75)
F3Er
6,6 (2,06)
5,0 (1,10)
F4Se
6,0 (0,89)
5,4 (1,02)
F5Ah
4,4 (1,36)
4,6 (1,02)
F6Su
5,8 (0,75)
4,0 (1,10)
Die Mittelwerte aller Faktoren, ausgenommen der Faktor 5, der Aggressionshemmung sind
bis zur zweiten Messung im Schnitt um 1,28 gesunken. Sie befinden sich damit im
Normalbereich. Insgesamt liegen die Mittelwerte nach dem Anti-Aggressionstraining sogar
leicht unter dem Durchschnitt, was bei der ersten Messung noch nicht der Fall war.
Präsentation
Ziel dieser Untersuchung, war es, herauszufinden, wie sinnvoll das Anti-Aggressionstraining
im Umgang mit jugendlichen Gewalttätern ist.
Zu Beginn der Messung zeigten sich die Kursteilnehmer vorwiegend aggressiver und
gewaltbereiter als gleichaltrige Jugendliche der Eichstichprobe (Stichprobe mit der der Test
standardisiert wurde, entspricht der Normalverteilung in der Bevölkerung, in dem Fall noch in
Altersklasse und Geschlecht unterteilt). Des Weiteren wiesen die Jugendlichen erhöhte Werte
in der Selbstaggression und Depressivität, die es auszugleichen galt. Ein zu erreichendes Ziel
sollte es also sein, das die Kursteilnehmer nach dem Training in der Lage sind, kontrollierter
aufzutreten, ihr Verhalten reflektieren, ruhiger zu werden, das Selbstbewusstsein zu stärken
und sich über die Konsequenzen ihres Verhaltens bewusst zu werden.
Die Eingangs aufgestellte Hypothese (Das Anti-Aggressionstraining ist für jugendliche
Straftäter eine sinnvolle Maßnahme gegen Gewalt und Aggression sowie Selbstaggression)
macht anhand der hier vorliegenden Ergebnisse deutlich, dass der Einsatz dieser Maßnahme
durchaus sinnvoll und wirksam ist, wenngleich man hier von keiner allgemeingültigen
Aussage ausgehen kann, da es sich um eine sehr kleine Stichprobe handelt, nämlich von
lediglich fünf Personen, die es hier zu betrachten galt.
Letztendlich konnten alle Mittelwerte verbessert werden, das hieße für die Praxis ist dies ein
durchaus ernstzunehmender Beweis für die erfolgreiche Arbeit.
Die Aggressivitätsfaktoren verringerten sich bis zum Abschluss der Maßnahme. D.h. der
Gesamtwert der nach außen gerichteten Aggressivität hat sich Laufe des Kurses verringert.
Auffällig war bei den jugendlichen Testpersonen, dass sie relativ hohe Werte bei der
Selbstaggression und Depressivität aufwiesen, was auf eine entsprechende Unzufriedenheit
mit sich und ihrem Leben deutet. Auch hier konnte im Laufe der Kurszeit erfolgreich
entgegengewirkt werden.
Abschließend ist anzumerken, dass im Einzelnen natürlich nicht feststellbar ist, was genau bei
welchem Jugendlichen zum Erfolg geführt hat, ebenso wenig wie nachhaltig sich der
momentane Erfolg weiterhin auswirken wird.
Fazit
Auch wenn die Datenlage sehr dünn ist, wird bereits an dieser kleinen Untersuchung über
einen relativ kurzen Zeitraum deutlich, dass aggressives und gewalttätiges Verhalten aufgrund
lerntheoretischer Grundlagen beeinflussbar ist und das Anti-Aggressionstraining eine
sinnvolle Maßnahme gegen jugendlich Aggression und Gewalt ist.