Praxistipp: Hörspiel-Workshop mit Jugendlichen. Ein Bericht von Marco Ponce Kärgel Seit vielen Jahren führe ich als freiberuflicher Medienpädagoge Hörspiel-Workshops mit Jugendlichen durch. Meist handelt es sich dabei um einwöchige Projekte. Ich arbeite dann mit einer Gruppe von ca. 10 Jugendlichen in einem semiprofessionellen Tonstudio, das an ein Berliner Jugendfreizeitheim angegliedert ist. Im Folgenden möchte ich einen Workshop beschreiben, der die Story-Findung, deren Ausarbeitung im Skript und vor allem die künstlerisch-darstellerische Umsetzung in Sprache, Geräusch und Musik vor dem Mikrofon im Fokus hat. Das ist eine tolle Möglichkeit, mit der gerade im Rahmen der Sprachförderung kreativ, spielerisch und eigenbestimmt bestens gearbeitet werden kann. Zuerst denken wir uns dabei gemeinsam ein Story-Gerüst aus, ab und an wird ein aktuelles Thema angeregt oder gar vorgegeben: Cybermobbing, Gewalt, Toleranz etc. Dieser Prozess der StoryFindung ist oft der anspruchsvollste Teil der Arbeit, sollen doch einerseits alle Ideen und Anregungen der TeilnehmerInnen Eingang finden und andererseits aber eine schlüssige und spannende Story entstehen: eine Gratwanderung zwischen „Gruppenidentifikation“ und „Kunst“. Wir hören uns die verschiedensten Ideen und Entwicklungen an, die ich den TeilnehmerInnen in einem moderierten Prozess immer wieder spiegele, festklopfe und in groben Stichworten aufschreibe. Danach teilen wir die Story in Szenen ein, und in Kleingruppen zu zweit oder zu dritt werden diese Szenen zu einem Skript ausformuliert. Die besondere Herausforderung besteht dabei darin, „für´s Hören zu schreiben“, d.h. es sollten viele authentische und lebendige Dialoge in wörtlicher Rede vorkommen, eher kurze Sätze, bildhafte Sprache, hier und da Zusammenfassungen und Redundanzen verwendet werden, um dem Hörer „zu helfen“, die Geschichte nachzuvollziehen. Ist das Skript fertig und in gemeinsamer Runde besprochen und redigiert (hierbei muss auf Logik und Continuity geachtet werden!), verteilen wir die Rollen und proben die Dialoge. Oft feilen wir noch einmal genau nach: Würde diese oder jene Person diesen oder jenen Satz genau so sagen? Haben die HörerInnen wirklich alle Informationen, damit er der Story folgen kann? Sind die Dialoge in der richtigen Stimmung interpretiert? Dieser gemeinsame „Regie-Prozess“ lässt das Hörspiel erst richtig lebendig werden und sorgt noch einmal für eine gesteigerte Identifikation aller TeilnehmerInnen mit dem Projekt, der Gruppe im Allgemeinen und mit unserem Hörspiel im Besonderen. Danach denken wir uns die benötigten Geräusche aus. Ich habe einen großen Koffer voller „Geräuschmacher“, aus dem wir uns für unser Hörspiel bedienen - die reichen von den klassischen Kokosnussschalen für Pferdegetrappel über realistische Fahrradklingeln bis hin zu Merkwürdigkeiten wie Luftballons für quietschende Autoreifen; der Phantasie sind dabei nur am Anfang Grenzen gesetzt! In dem hier geschilderten Workshop werden sowohl die Sprache als auch die Geräusche live aufgenommen - also alles zusammen und in einem Rutsch. Die einzelnen Szenen werden also in voller Besetzung geprobt, d.h. es gibt die SprecherInnen, ggf. ErzählerIn und eben die GeräuschemacherInnen. Letztere müssen ihre „Rollen“ ebenso für sich üben und dann bei der Aufnahme herstellen, zur richtigen Zeit, in der richtigen Lautstärke und Intensität etc. Gerne wird das anfangs unterschätzt, sorgt im Folgenden aber meist für eine umso gesteigerte Konzentration und einen größeren Spaß. Und nebenbei: so können auch Jugendliche ihren Part finden, die sich mit ihrer Stimme eher nicht vors Mikrofon trauen! Für die Aufnahme hat günstigenfalls jede Sprecherin und jeder Sprecher ein eigenes Mikrofon, ebenso alle GeräuschemacherInnen. Das garantiert die beste Klangqualität und später den größten Hörgenuss! Jetzt nehmen wir die erste Szene auf und hören sie direkt danach gemeinsam an. Meistens fällt den TeilnehmerInnen beim Anhören schon selber die eine oder andere Ungenauigkeit auf, und die Szene wird so oft wiederholt, bis jeder Dialog und jedes Geräusch zur allgemeinen Zufriedenheit aufgenommen ist. Ist am Ende einer Workshop-Woche noch ein bisschen Zeit, können wir unser Hörspiel mit eigener Musik veredeln. Oft gibt es TeilnehmerInnen, die ein paar Akkorde auf der Gitarre oder dem Keyboard spielen können, und mit deren Vorgaben initiiere ich dann eine Gruppenimprovisation in dieser oder jener passenden Grundstimmung (spannend, düster, heiter etc.), die wir genauso aufnehmen und z.B. als Titel- oder Abspannmusik einsetzen können. In einer Phase der tontechnischen Aufbereitung setze ich die Szenen und die Musik hintereinander, und unser Hörspiel ist fertig! Erfahrungsgemäß entsteht so in einem fünftägigen Workshop ein ca. 15minütiges, kurzweiliges Hörspiel, das die TeilnehmerInnen als CD oder auf einem Stick mit nach Hause nehmen können. Marco Ponce Kärgel lebt und arbeitet als Musiker, Tontechniker und Medienpädagoge in Berlin. Als Medienpädagoge hat er sich auf die Produktion von Hörspielen mit jungen Menschen spezialisiert. www.hoerspielemitjungenmenschen.wordpress.com
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