Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow PREDIGT im Gottesdienst am 07.08.2016 in der Hoffnungskirche (Textgrundlage: Eph 2,4-10) von Pfarrer Matthias Motter Liebe Gemeinde, aus dem Gefängnis in Berlin-Tegel, wo er wegen seines Widerstands gegen das nationalsozialistische Unrecht gefangen saß, schickte Dietrich Bonhoeffer Texte und Gedichte an seine Verlobte. Einer dieser Texte beginnt mit den Worten: Wer bin ich? Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest, wie ein Gutsherr aus seinem Schloß. […] Wer bin ich? Sie sagen mir auch, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist. Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe, […] (aus: Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung) Wer bin ich? Eine tiefgehende Frage, eine existentielle Frage. Existentiell, weil es eine Frage nach unserer Existenz ist. Die Frage auch nach dem Woher und Wohin und dem dazwischen: Wo stehen wir in dieser Welt? Es sind nicht erst die Menschen des 20. oder 21. Jahrhunderts, die diese Fragen stellen. Seit Jahrtausenden suchen Menschen Antworten. Und finden mehr oder weniger Zufriedenstellendes. Zwischen „Es gibt keinen Sinn“ oder „Alles ist Zufall“ und „Der Mensch ist die Marionette einer höheren Macht“ oder „Alles ist vorherbestimmt“ bewegen sich die Antworten in einer großen Breite. Gott sei Dank haben wir den Schatz der biblischen Überlieferung. Die Bibel, diesen Schatz des Glaubens, aus dem wir schöpfen können, was Menschen vor uns glauben konnten und an Wunderbarem erfahren haben. In diesem Schatz wird von Anfang an davon erzählt, dass wir nicht dem Zufall oder einer beliebigen Schicksalsmacht ausgeliefert sind. Die Frage nach dem Woher und Wohin – und die Frage nach dem dazwischen finden Antworten. Antworten, die nicht einfach alles ein für alle Mal beantworten. Aber Antworten, die leben helfen. Der Verfasser des so genannten Epheserbriefs im Neuen Testament unserer Bibel wagt eine ganz umfassende Antwort auf die Frage: Wer bin ich? Im 2. Kapitel des Epheserbriefes heißt es: Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. Wir sind Gottes Werk – nicht irgendeiner Beliebigkeit entsprungen. „Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur“ singen wir oft mit den Konfirmanden. Wir sind Gottes Werk. Mehr Antwort auf das Woher brauchen wir vielleicht gar nicht. Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, Im zweiten Teil des Satzes kommt der Verfasser des Briefs zur großen Frage nach dem Sinn des Lebens. … geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken Das Gute, das gute Werk, ist Sinn des Lebens. So können wir den Verfasser des Epheserbriefs hier verstehen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nun nicht in die alte Falle tappen – die Falle der Selbsterlösung, die Falle unseres Leistungs- und Handelsdenkens. Das Gute zu suchen, das ist Sinn, ist Aufgabe unseres Lebens. Aber es ist nicht das, was uns allein Hoffnung geben kann. Wir können und wir müssen uns nicht durch unser möglichst gutes Handeln selbst retten, selbst vor Gott gut machen, damit wir auf die Frage nach dem Wohin unseres Lebens eine gute Antwort finden. Es scheint, als wüsste der Verfasser des Epheserbriefs um diese Falle, denn schon vorher macht er in seinen Briefzeilen ganz klar: Nicht unser Tun macht uns für Gott wertvoll, nicht unsere eigene Leistung ist der Grund dafür, dass wir glücklich sein können – selig, wie der Verfasser des Epheserbriefs formuliert. Nein, nicht aus uns sind wir selig, Gottes Gabe ist es. Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. So lesen wir es, bevor dann dieser alles zusammenfassende Satz kommt, die Antwort auf die Fragen nach dem Woher, Wohin und dem dazwischen: Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. Das Gute zu suchen, das Gute zu tun, das ist der grundsätzliche Anspruch an unser Leben. Und herauszufinden, wie das Gute konkret aussehen könnte, was es in diesem Moment, in dieser Zeit und Situation ist, das ist unsere Aufgabe. Jeden Tag entscheiden wir. Mal bewusst und mal unbewusst. Und wir können mit unseren Entscheidungen gewiss so manches in dieser Welt besser machen, gerechter, friedlicher, liebevoller. Aber das, was wir hier schaffen, wie viel Glück wir schenken, wie viel Gutes wir bewirken, das entscheidet nicht über das Wohin unseres Lebens. Darüber hat Gott schon längst in seiner Liebe entschieden. Dietrich Bonhoeffer beendet seinen Text mit den Worten: Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott! Amen. Es gilt das gesprochene Wort.
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