STUDIE Die aktuelle Freihandelspolitik: Chance oder Bedrohung für den Mittelstand? Kooperationsprojekt des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) und der Schöpflin Stiftung Realisation durch die Prognos AG K U R Z FA S S U N G M A I 2 0 16 IMPRESSUM Zusammenfassung der Studie „BVMW-Mitgliederbefragung: Wie zufrieden ist der Mittelstand mit der aktuellen Freihandelspolitik“ der Prognos AG im Auftrag des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) und der Schöpflin Stiftung Projektleitung Michael Böhmer Projektmitarbeit Sören Mohr Clara Stinshoff Heidrun Weinelt Johann Weiß STUDIE I N H A LT Die aktuelle Freihandelspolitik: Chance oder Bedrohung für den Mittelstand? Die Schöpflin Stiftung Zusammenfassung 3 I.Hintergrund 7 II. Größe und außenwirtschaftliche Orientierung der Teilnehmer III.Erwartete Auswirkungen aktuell verhandelter Freihandelsabkommen IV.Ausgestaltung der Rahmenbedingungen im Außenhandel V. Erwartete Auswirkungen durch TTIP VI.Branchen im Fokus 9 Ansprechpartner 24 HER AUSGEBER Schöpflin Stiftung Industriestraße 2 79541 Lörrach © Schöpflin Stiftung 05/2016 1 5 11 13 15 21 Die Schöpflin Stiftung „Als Unternehmer bin ich keinesfalls gegen Freihandel. Ich unterstütze das Ziel der Verhandlungen, den Abbau von Zöllen und aufwändigen bürokratischen Strukturen voranzutreiben. Gleichzeitig erachte ich eine differenzierte Betrachtung der Verhandlungsbestand teile als unabdingbar, um nicht unter dem Deckmantel des Freihandels fundamentale Grundsätze zur Dispo sition zu stellen.“ H A N S S C H Ö P F L I N , Stifter und Unternehmer, lebte und arbeitete über 40 Jahre in den USA Die Schöpflin Stiftung wurde 2001 von Hans Schöpflin mit seinen Geschwistern Albert Schöpflin und Heidi Junghanss im badischen Lörrach gegründet und engagiert sich in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Zivilgesellschaft. Mit ihrem 2015 gegründeten Förderzweig stärkt sie Menschen, die sich für gesellschaftlichen Wandel, Demokratie und eine gerechtere und nachhaltigere Welt einsetzen. Aktuell unterstützt die Stiftung Projekte im Rahmen ihrer drei Programmbereiche: Flucht & Integration, investigativer Journalismus sowie faire & nachhaltige Wirtschaft. Für eine faire und nachhaltige Wirtschaft – unter dieser Prämisse sollten auch die Verhandlungen des derzeit zwischen Europäischer Union und den USA verhandelten Transatlantischen Handels- und Investitionsschutzabkommens (TTIP) geführt werden. Grundsätzlich setzt sich die Stiftung für Freihandel ein, solange dieser unter fairen Bedingungen abläuft. Doch nicht nur die zuletzt bekannt gewordenen Informationen lassen befürchten, dass die mit TTIP angestrebten Regelungen vor allem im Interesse der transnationalen Konzerne und nicht im Sinne von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), der Umwelt und der Verbraucher sind. Auch die mangelnde Transparenz der Verhandlungen passt nicht zum Konzept einer gemeinsamen nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. TTIP, so die Aussage der EU-Kommission, nutzt insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Schöpflin Stiftung setzt sich für eine detaillierte, wissenschaftlich fundierte Betrachtung im Hinblick auf Chancen und Risiken ein, die von TTIP für KMU in Deutschland und Europa ausgehen. Die vorliegende Veröffentlichung soll einen Beitrag dazu leisten, darzulegen, welche Schritte aus Sicht des Mittelstandes notwendig sind, um ein Abkommen zu schaffen, das der gesamten Wirtschaft wie auch der Gesellschaft gleichermaßen zu Gute kommt. 2 3 Zusammenfassung Die insgesamt 800 befragten kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) stehen den aktuell verhandelten Freihandelsabkommen überwiegend skeptisch gegenüber: Nur eine Minderheit erwartet einen Vorteil für das eigene Unternehmen, etwa durch eine einfachere Erschließung neuer Absatzmärkte oder einen verbesserten Zugang zu Vorleistungsgütern. Gleichzeitig erwartet über die Hälfte der Befragten eine merkliche Intensivierung des Wettbewerbs. Ein besonderes Interesse bei neuen Freihandelsabkommen besteht in Bezug auf Schutzbestimmungen für Daten, geistiges Eigentum, regionale Bezeichnungen und vor Wirtschaftsspionage aber auch Vereinfachungen beim Zugang zu Informationen über Anforderungen in Auslandsmärkten und Visa-Bestimmungen sind von Bedeutung. Von TTIP erwarten die Befragten mehrheitlich negative Aus wirkungen, sowohl auf die deutsche Wirtschaft wie auch den deutschen Mittelstand. Vorteile werden vor allem für große Unternehmen gesehen. Die Abschaffung oder Reduktion von Zöllen im Rahmen von TTIP ist insbesondere für stark exportorientierte Unternehmen von Bedeutung. Auch fordert eine klare Mehrheit der KMU einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gerichten auf dem jeweiligen Auslandsmarkt anstelle der Einführung von Sondergerichtsbarkeiten. Eine branchenspezifische Auswertung sowie Interviews machen zusätzlich für zentrale Wirtschaftszweige spezifische Anliegen der jeweiligen Branchen sichtbar. So stehen beispielsweise Unternehmen des exportstarken Maschinenbaus Freihandelsabkommen bzw. TTIP aufgeschlossener gegenüber als die übrigen Branchen, doch auch hier überwiegt die Skepsis. Unternehmen der Elektrobranche äußern überdurchschnittlich oft Zweifel, ob sich eine Harmonisierung von Standards und Normen im Rahmen von TTIP realisieren lässt. Ein klares Signal geht an die nationale Politik und Wirtschaftsverbände. Die deutliche Mehrheit der Befragten beklagt das unzureichende Informationsangebot zu TTIP und fordert bessere und umfassendere Informationen zu diesem Thema. 5 I.Hintergrund TTIP hätte weitreichende Auswirkungen Befragung erfasst die Zufriedenheit von KMU mit der aktuellen Freihandelspolitik Mitte 2013 begannen die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten über ein transatlantisches Investitions- und Freihandelsabkommen. Eine solche Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) zwischen den beiden größten Wirtschaftsräumen der Welt geht weit über den Abbau tarifärer Handelshemmnisse hinaus. Vielmehr stehen die Beseitigung von nichttarifären Handelshemmnissen und die Erleichterung von grenzüberschreitenden Investitionen im Vordergrund. Aufgrund des umfassenden Charakters des Abkommens werden weitreichende Auswirkungen auf die beteiligten Volkswirtschaften erwartet – und damit auch auf die Rahmen bedingungen für den Mittelstand. Um die Einstellungen mittelständischer Unternehmen in Deutschland zur aktuellen Freihandelspolitik und zu den Verhandlungen über ein mögliches TTIP-Abkommen zu erfassen, hat der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Kooperation mit der Schöpflin Stiftung seine Mitglieder zu verschiedenen Aspekten und Themen in den Bereichen Außenhandel sowie aktuell verhandelten Freihandels- und Investitionsabkommen wie TTIP befragen lassen. 7 II. Größe und außenwirtschaftliche Orientierung der Teilnehmer ABBILDUNG 1 Überdurchschnittlich große Bedeutung von Regionen als Absatzmarkt für derzeit exportierende KMU haben sich beteiligt Unternehmen Europäische Union 83 für % wichtig für 18% unwichtig Osteuropa für 37% wichtig für % unwichtig Nordamerika für 34% wichtig % unwichtig für 61 63 Fast die Hälfte der Afrika für 9% wichtig % unwichtig für 89 Mittel- und Südamerika für 15% wichtig % unwichtig für 82 8 Asien und Australien für 29% wichtig % unwichtig für 68 Befragten exportiert Insgesamt nahmen 800 mittelständische Unternehmen an der Befragung teil. 46% der befragten Unternehmen weisen eine Beschäftigtenzahl von bis zu 10 auf. Ein Drittel der Teilnehmer beschäftigt zwischen 10 und 49 Mitarbeiter, ein weiteres Fünftel 50 Mitarbeiter oder mehr. Im Vergleich zur Gesamtstruktur der mittelständischen Unternehmen in Deutschland haben damit an der Umfrage überdurchschnittlich große Mittelständler teilgenommen: Gemäß den Erhebungen des KfW-Mittelstandspanels weisen 91% der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland eine Mitarbeiterzahl von bis zu 10 Beschäftigten auf. Auch gemessen am Jahresumsatz liegen die Befragungsteilnehmer spürbar über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt. Insgesamt stammten 29% der Befragten aus dem Verarbeitenden Gewerbe (KMU insgesamt: 7%) und 63% aus dem Dienstleistungssektor (KMU insgesamt: 75%). Fast die Hälfte der Befragten exportiert einen Teil der von ihnen hergestellten Güter und Dienstleistungen. Bei den Betrieben aus dem Verarbeitenden Gewerbe liegt der Wert sogar bei 80%. Im Durchschnitt über alle kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland liegen diese Werte deutlich niedriger (7% bzw. 20% im verarbeitenden Gewerbe). Bevorzugte Exportdestination sind dabei die europäischen Partnerländer: Für 83% der exportierenden Unternehmen ist der europäische Binnenmarkt wichtig oder eher wichtig (Abbildung 1). Dahinter folgen mit einigem Abstand die Regionen Osteuropa (37%), Nordamerika (35%) und Asien (29%). Gut ein Sechstel der Befragten hat zudem bereits im Ausland Direktinvestitionen getätigt. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf den geografisch nahe liegenden europäischen Ländern. 9 III.Erwartete Auswirkungen aktuell verhandelter Freihandelsabkommen ABBILDUNG 2 Neue Freihandelsabkommen Derzeit wird über den Abschluss neuer Freihandelsabkommen diskutiert. verschärfen den In welcher Hinsicht wäre Ihr Unternehmen betroffen? Wettbewerbsdruck für 52% nicht zutreffend für 8% zutreffend für 53% nicht zutreffend für 6% zutreffend KMU KMU Die Erschließung neuer ausländischer Absatzmärkte würde vereinfacht. Der Bezug von Vorleistungsg ütern würde sich verbessern. für 29% nicht zutreffend für 55% nicht zutreffend trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu für 5% zutreffend KMU KMU trifft nicht zu weiß nicht /k. A. für 24% zutreffend Die Sicherheit von Direkt investitionen im Ausland würde sich verbessern. Der Wettbewerbsdruck im Allgemeinen würde sich spürbar intensivieren. für 28% nicht zutreffend KMU für 16% zutreffend Nicht nur mit den Vereinigten Staaten wird derzeit über ein Freihandelsabkommen verhandelt. Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) ist ausverhandelt. Auch mit Japan wird derzeit verhandelt. Welche Auswirkungen erwartet die mittelständische Wirtschaft von diesen und weiteren Abkommen? Bei den Befragungs teilnehmern überwiegt die Skepsis: Nur 18% bzw. 15% der Unternehmen erwarten durch den Abschluss neuer Freihandelsabkommen eine einfachere Erschließung neuer Absatzmärkte oder einen verbesserten Bezug von Vorleistungsgütern. 12% erwarten eine höhere Sicherheit für ihre ausländischen Direktinvestitionen (Abbildung 2). Unternehmen mit einem hohen Exportanteil sehen die möglichen Effekte von Freihandelsabkommen zwar deutlich positiver, gleichwohl liegt auch hier der Anteil der Unternehmen, die sich von möglichen künftigen Freihandelsabkommen einen vereinfachten Zugang zu Auslandsmärkten für ihr Unternehmen versprechen, bei unter 50%. Gleichzeitig erwartet über die Hälfte aller Befragten, dass der Wettbewerb im Zuge des Abschlusses neuer Freihandelsabkommen spürbar zunehmen würde. 28% schätzen die mögliche neue Konkurrenz sogar als potenziell existenzbedrohend ein. für 38% nicht zutreffend KMU für 30% zutreffend Die Konkurrenz seitens großer, internationaler Unternehmen würde spürbar zunehmen. 10 Mein Unternehmen hätte voraussichtlich Probleme, dem dadurch härteren Wettbewerb standzuhalten. 11 IV.Ausgestaltung der Rahmenbedingungen im Außenhandel Im Rahmen der Umfrage wurde den Teilnehmern zudem die Möglichkeit gegeben, die Bedeutung von weiteren ausgewählten Aspekten für ihr Unternehmen bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen im Außenhandel zu bewerten. Besonders großes Interesse wurde an Schutzbestimmungen in verschiedenen Bereichen geäußert. Annähernd 80% der Befragten bewerten den Schutz eigener Daten und Kundendaten als wichtig oder eher wichtig. Hohe Bedeutung wird auch dem Schutz von geistigem Eigentum (71%), vor Wirtschaftsspionage (69%) oder dem Schutz regionaler Bezeichnungen (61%) zugesprochen (Abbildung 3). Befragungsteilnehmer wünschen sich Schutz … „Denkbar wäre zum Beispiel eine Art Datenbank mit Angaben zu Regularien und Zugangsbeschränkungen. Unternehmen, die in die USA expandieren wollen, könnten sich über eine solche Plattform selbst Informationen aneignen.“ D R . J Ö R G H E Y E R , Partner Seitz Rechtsanwälte Steuerberater ABBILDUNG 3 Bedeutung ausgewählter Aspekte im Bereich Außenhandel für die befragten Unternehmen „Für uns liegt eine der zentralen Herausforderungen beim außereuropäischen Handel in der Verwaltung, besonders bei den Regularien zu Visum und Renten versicherung. Bei uns, aber auch auf Seiten der Ver 13% 65% wichtig eher wichtig eher unwichtig 6% 10% 6% Schutz der eigenen Daten und Kundendaten unwichtig weiß nicht /k. A. 19% 52% Bestimmungen 6% zum Schutz des geistigen Eigentums 15% sicherung, herrschte große Unsicherheit, wie man in 8% einem solchen Fall verfahren muss.“ H A N S P I N K E N B U R G , Geschäftsführer INVENTO Products & Services GmbH 54% Schutz vor Wirtschaftsspionage 42% 15% Schutz regionaler Marken- und Produktbe19% zeichnungen 9% 7% 7% 15% 12 11% 13 21% 26% 24% 18% 25% 7% Zugang zu Informationen über Anforderungen in Auslandmärkten ... und Informationen zu Anforderungen in Auslandsmärkten Exportorientierte KMU wollen einfachere Visa-Bestimmungen Im Bereich Exportförderung zeigen die Befragten vor allem Interesse am Zugang zu Informationen über Anforderungen in Auslandsmärkten. Für 51% ist dieser Aspekt wichtig oder eher wichtig. Maßnahmen zur Exportfinanzierung – Zugang zu Krediten, Wagniskapital oder Versicherungen und Bürgschaften – messen jeweils nur rund ein Drittel der Umfrage teilnehmer eine solche Bedeutung zu. Für knapp 30% der Befragten ist der Zugang zu öffentlichen Vergaben in Auslandsmärkten wichtig oder eher wichtig. V. Erwartete Auswirkungen durch TTIP Die meisten Befragten stehen TTIP skeptisch gegenüber Vereinfachte Visa-Bestimmungen sowohl für Kurz- als auch für Langfristaufenthalte liegen vor allem jenen Unternehmen am Herzen, die aufgrund eines hohen Exportanteils oder ihrer Auslandsinvestitionen eng in die grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten eingebunden sind. Dies gilt auch bei der Bewertung der Auswirkungen von Währungsschwankungen auf das eigene Unternehmen. Von der Implementierung eines möglichen TTIP-Abkommens erwarten die Befragten mehrheitlich negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft (55%) und den deutschen Mittel stand (62%) insgesamt. Die Vorteile von TTIP würden vor allem großen Unternehmen zu Gute kommen (58%). Auf die eigene Branche sowie auf das eigene Unternehmen erwartet eine große Zahl von Unternehmen hingegen keine Auswirkungen (35% bzw. 43%), zahlreiche Befragte erwarten jedoch auch negative Effekte (40% bzw. 34%). ABBILDUNG 4 Welche Auswirkungen erwarten Sie im Allgemeinen vom Abschluss eines möglichen TTIP-Abkommens zwischen der EU und den USA? 8% 19% 10% 5% 8% 16% 24% 12% 37% 38% 43% 9% 5% 22% 24% 14% 4% Auf die deutsche Volkswirtschaft Auf die deutschen Großunternehmen 11% weiß nicht /k. A. 13% sehr negativ 27% eher negativ 4% Auf den deutschen Mittelstand 10% 11% 24% keine eher positiv 35% 43% sehr positiv 11% Auf die eigene Branche 14 15 10% Auf das eigene Unternehmen Ein Fünftel der Befragten würde von Zollabbau profitieren „Zölle gehen einher mit komplizierten Liefer- und Doku mentationsvorschriften, was in KMU viel Personal bindet. Eine Vereinfachung in diesem Bereich wäre sehr hilfreich.“ M A G D A L E N A M Ü N S T E R M A N N , Mitglied der Geschäftsleitung der Bernd Münstermann GmbH & Co.KG Interesse an einer Abschaffung oder Reduktion der Zölle im Rahmen von TTIP bekundeten insgesamt 20% der befragten Unternehmen. Lediglich in der Gruppe der stark export orientierten Unternehmen, die mehr als ein Viertel ihrer Waren und Dienstleistungen exportieren, würde eine Mehrheit der Befragten von einer solchen Regelung profitieren. Etwas höhere Zustimmung fände mit 33% die Angleichung von technischen Regularien, Standards und Normen. Über 50% der Befragten würden nach eigener Auskunft von einer Angleichung nicht profitieren. Zwei Drittel der Unternehmen wünschen, dass eine solche Angleichung bevorzugt nicht bilateral, sondern im multilateralen Rahmen erfolgen sollte (Abbildung 5). ABBILDUNG 5 Angleichung technischer Regularien, Standards und Normen „Die Kompetenz zur Festlegung von technischen Standards und Normen liegt in den Vereinigten Staaten Mein Unternehmen profitiert von der Angleichung technischer Regularien, Standards und Normen (z.B. Maßeinheiten und Berech nungsvorschriften) für die Märkte der EU und der USA. oft bei den Bundesstaaten oder auch bei privatwirt schaftlichen Akteuren. Ein Abkommen mit Washington 11% stimmen zu kann viele Aspekte im Bereich Standards gar nicht 23% stimmen eher zu abdecken.“ 19% stimmen eher nicht zu Technische Regularien, Standards und Normen sollten nicht bilateral in einem Abkommen mit den USA, sondern multilateral (z.B. im Rahmen der Internationalen Normungs instanzen) festgelegt werden. 34% stimmen nicht zu 44% stimmen zu 15% wissen es nicht/k. A. 22% stimmen eher zu M A R T I N A R Ö M M E LT- F E L L A , Geschäftsführerin Fella Maschinenbau GmbH 7% stimmen eher nicht zu 13% stimmen nicht zu 15% wissen es nicht/k. A. 16 17 Investor-Staat-Schiedsgerichte werden abgelehnt „Die USA sind das Land mit dem höchsten Rechtsrisiko aufgrund hoher Schadensersatzforderungen. Unser Unternehmen würde dann von ISDS profitieren, wenn dadurch die Rechtssicherheit erhöht wird und sich das in niedrigeren Versicherungsprämien für Produkthaft pflichtversicherungen niederschlägt.“ J E N S H I L P E R T, Geschäftsführer Flexim GmbH „Private Schiedsgerichte sehe ich kritisch. Meiner Mei nung nach spielen sie besonders den Interessen und Handlungsmöglichkeiten kapitalstarker Unternehmen Sehr viele Unternehmen bemängeln das als unzureichend wahrgenommene Informationsangebot zu einem möglichen TTIP-Abkommen. Vor allem an die Adresse der nationalen Politik (76%) und auch der Wirtschaftsverbände (62%) geht der Wunsch nach besseren und umfassenderen Informa tionen zu diesem Thema (Abbildung 6). Befragte bemängeln das Informationsangebot in die Hände. So besteht eine steigende Gefahr, dass die Politik sich zwangsweise dem Druck der Wirtschaft unterwirft, während andere gesellschaftliche Belange auf der Strecke bleiben.“ S T E FA N H E I N E C K E , Geschäftsführer GAAC Commerz GmbH „Grundsätzlich sehe ich ein TTIP-Abkommen positiv. Inwiefern die Interessen von KMU tatsächlich berücksichtigt sind, ist jedoch aufgrund fehlender Informationen nicht ganz klar.“ D R . T O R S T E N B E C K E R , Geschäftsführer BOGEN Electronic GmbH 76 % Nationale Politik 23% Recht eindeutig ist das Stimmungsbild im Bereich Justiz. Nur 17% der befragten Unternehmen betrachten die zum Zeitpunkt der Befragung kontrovers diskutierten Investor-Staat- Schiedsgerichte als wichtiges Instrument zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen auf ausländischen Märkten. Hingegen befürchtet mehr als ein Drittel der befragten Mittelständler, dass sie ein solcher Mechanismus gegenüber ihrer ausländischen Konkurrenz benachteiligen könnte. Auch der in der Öffentlichkeit diskutierte Alternativvorschlag zur Errichtung eines bilateralen Investitionsgerichtshofs wird von den dazu persönlich befragten Unternehmen mehrheitlich kritisch gesehen bzw. als nicht notwendig erachtet. Einzelne Unternehmen versprechen sich dadurch jedoch eine höhere Investitionssicherheit im Ausland. Breite Zustimmung findet mit zwei Dritteln die Forderung nach der Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Gerichten für europäische wie US-amerikanische Unternehmen auf dem jeweiligen Auslandsmarkt. ABBILDUNG 6 Von welcher Seite wünschen sich die befragten Unternehmen bessere Informationen? (Mehrfachantwort möglich) 47 43 % Medien Wissenschaft 21% 19 % Europäische Institutionen Verbraucherzentralen 18 % 62 Wirtschaftsverbände 16% Nichtregierungsorganisationen VI.Branchen im Fokus Exportstarke Maschinenbauer sehen Freihandelsabkommen am positivsten, doch auch hier „Schutz vor Wirtschaftsspionage, Datenschutz und überwiegt die Skepsis Rechtssicherheit insbesondere beim grenzüber schreitenden Knowhow-Transfer sind für Maschinen bau-Unternehmen zentral.“ M A G D A L E N A M Ü N S T E R M A N N , Mitglied der Geschäftsleitung der Bernd Münstermann GmbH & Co.KG „Eine Angleichung von technischen Regularien, Standards und Normen hätte großes Potenzial. Aber ich halte es für blanke Illusion zu glauben, dass dies im Rahmen von Elektrobranche ist deutlich TTIP möglich ist: In der Elektrotechnik gibt es hier seit skeptischer als der Maschinen Jahren internationale Bemühungen, etwa über die IEC oder die ISO. Oft sind es jedoch gerade die USA, die in der praktischen Umsetzung dieses Prozesses im Abseits stehen.“ J E N S H I L P E R T, Geschäftsführer Flexim GmbH 20 bau Eine Branchenauswertung der Onlinebefragung sowie persönlich geführte Unternehmensinterviews machen zusätzlich für zentrale Wirtschaftszweige der deutschen Volkswirtschaft jeweils branchenspezifische Anliegen in Bezug auf Freihandelsabkommen bzw. TTIP im Speziellen sichtbar. So sind die Unternehmen des Maschinenbaus überdurchschnittlich stark außenwirtschaftlich engagiert und stehen Freihandelsabkommen bzw. TTIP aufgeschlossener gegenüber als fast alle übrigen Branchen – gleichwohl überwiegt auch in dieser Branche insgesamt die Skepsis. Besonders hohe Zustimmung findet in dieser Branche die Forderung nach hohen Schutzstandards, etwa vor Wirtschaftsspionage oder von Daten. Auch eine Angleichung von technischen Standards und Normen – bevorzugt multilateral, aber auch im Rahmen eines TTIP-Abkommens – würde mehrheitlich befürwortet. Gleichwohl wird bezweifelt, ob eine solche Angleichung auch tatsächlich realisiert werden könne. Trotz der überdurchschnittlich hohen Aufgeschlossenheit gegenüber TTIP wird die mögliche Etablierung von Investor-StaatSchiedsgerichten (ISDS) mit großer Mehrheit als nicht notwendig abgelehnt. Die Unternehmen der Branche Herstellung von DV-Geräten, Elektronik und Optik sind ebenfalls sehr exportstark. Gleichwohl ist hier die Skepsis gegenüber Freihandelsab kommen bzw. TTIP stärker ausgeprägt als im Maschinen bau. So wurde etwa noch deutlicher angezweifelt, ob sich im Rahmen eines TTIP-Abkommens eine Harmonisierung von Standards und Normen realisieren ließe. Investor-Staat- Schiedsgerichte wurden ebenfalls von der Mehrheit mit Nachdruck abgelehnt. In den persönlichen Interviews wurde hingegen des Öfteren darauf hingewiesen, dass die befragten Unternehmen nicht Investor-Staat-Schiedsgerichte als zentrales Problem empfinden. Das größte Rechtsrisiko im Hinblick auf Geschäftsbeziehungen in die Vereinigten Staaten stelle hingegen die Praxis der punitive damages und der damit verbundenen Gefahr von hohen Schadensersatzzahlungen dar. 21 Handel und Verkehr würde kaum von neuen Freihandels abkommen profitieren „Zölle sind für mein Unternehmen eine finanzielle wie bürokratische Belastung und darum ein Wettbewerbs nachteil beim Export. Ich würde den Abbau von Zöllen durch TTIP begrüßen. Auch Vorleistungen könnten dann schneller und kostengünstiger bezogen werden.“ M AT T H I A S G A B L E R , Geschäftsführer Stahlbau Brehna GmbH Baugewerbe ist sehr stark auf den Heimatmarkt ausgerichtet „Im Hinblick auf Freihandelsabkommen, aber auch generell verfügen Großunternehmen über deutlich mehr personelle Ressourcen als KMU, um gesetzliche Vorgaben wie Datenschutzrichtlinien durchzugehen und umzusetzen. Als KMU haben wir einfach weniger Freiberufliche, technische und Manpower.“ wissenschaftliche Dienstleister R I C H A R D P O H L , Geschäftsführer RFC Radio-, Fernseh- und Computertechnik GmbH 22 teilen die Skepsis Der Bereich Handel und Verkehr ist die Dienstleistungsbranche mit der stärksten außenwirtschaftlichen Orientierung. Dennoch sehen die Handels- und Verkehrsunternehmen neue Freihandelsabkommen bzw. TTIP nicht positiver als der Durchschnitt der Befragten. Unter anderem wurde angemerkt, dass weniger ein transatlantisches Freihandels abkommen, sondern eher Freihandelsabkommen mit den dynamischen Volkswirtschaften Asiens Positiveffekte erbringen würde. Im Hinblick auf eine mögliche Harmonisierung von Standards und Normen wurde verschiedentlich befürchtet, dass eine Angleichung auch eine Absenkung nach sich ziehen könnte. Die Bauwirtschaft ist sehr stark auf den nationalen oder sogar regionalen Markt ausgerichtet. Vorteile von Freihandels abkommen werden nur von einer kleinen Minderheit der Befragten gesehen. Auf der anderen Seite wird erwartet, dass sich der Wettbewerb weiter intensivieren könnte. Vor allem in den persönlich geführten Brancheninterviews wurde darauf verwiesen, dass der Wettbewerbsdruck bereits heute sehr hoch ist. Insbesondere die Konkurrenz aus den mittelosteuropäischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union habe in den vergangenen Jahren den Kostendruck massiv verschärft. Im Hinblick auf TTIP kann kaum ein Unternehmen mögliche Vorteile sehen. Auch eine mögliche Öffnung des öffentlichen Vergabewesens im Zuge von TTIP sei nicht von Interesse: Dazu sei der US-amerikanische Markt schlicht zu weit weg. Die große Mehrheit der Unternehmen sieht sich von TTIP überhaupt nicht betroffen. Die Unternehmen der Branche freiberufliche, technische und wissenschaftliche Dienstleistungen stammen aus teils sehr unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Sie eint, dass sie nur sehr wenig ihrer Leistungen im Ausland erbringen. Im Hinblick auf den Abschluss neuer Freihandelsabkommen bzw. TTIP entspricht die Einschätzung der Unternehmen aus der Branche weitgehend dem Durchschnitt der insgesamt befragten kleinen und mittleren Unternehmen. 23 A N S P R E C H PA R T N E R Bundesverband mittelständische Wirtschaft e. V. Schöpflin Stiftung Dr. Hans-Jürgen Völz Leiter Volkswirtschaft Daniela Müller Referentin des Vorstands & Projektmanagerin Förderbereich BVMW Bundesgeschäftsstelle Leipziger Platz 15 10117 Berlin Schöpflin Stiftung Industriestraße 2 79541 Lörrach T +49 30 533206-49 F +49 30 533206-50 T +49 7621 98690-04 F +49 7621 98690-09 [email protected]@schoepflin-stiftung.de bvmw.deschoepflin-stiftung.de Prognos AG Felizitas Janzen Leitung Unternehmenskommunikation Prognos AG Goethestraße 85 10623 Berlin | Deutschland T +49 30 520059-222 F +49 30 520059-201 [email protected] prognos.com Übersetzung: SeanKlein Media Ltd, London/Brussels Grafik: Ulrike von Dewitz, Lindau Druck: Thurnher Druckerei GmbH, Rankweil 24
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