Studie: Die aktuelle Freihandelspolitik: Chance oder Bedrohung für

STUDIE
Die aktuelle
Freihandelspolitik:
Chance oder
Bedrohung für den
Mittelstand?
Kooperationsprojekt des
Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW)
und der Schöpflin Stiftung
Realisation durch die Prognos AG
K U R Z FA S S U N G
M A I 2 0 16
IMPRESSUM
Zusammenfassung der Studie
„BVMW-Mitgliederbefragung:
Wie zufrieden ist der Mittelstand
mit der aktuellen Freihandelspolitik“ der Prognos AG im Auftrag
des Bundesverbands mittel­stän­dische Wirtschaft (BVMW)
und der Schöpflin Stiftung
Projektleitung
Michael Böhmer
Projektmitarbeit
Sören Mohr
Clara Stinshoff
Heidrun Weinelt
Johann Weiß
STUDIE
I N H A LT
Die aktuelle
Freihandelspolitik:
Chance oder
Bedrohung für den
Mittelstand?
Die Schöpflin Stiftung
Zusammenfassung
3
I.Hintergrund
7
II. Größe
und außenwirtschaftliche Orientierung
der Teilnehmer
III.Erwartete Auswirkungen aktuell verhandelter
Freihandelsabkommen
IV.Ausgestaltung der Rahmenbedingungen im
Außenhandel
V. Erwartete Auswirkungen durch TTIP
VI.Branchen im Fokus
9
Ansprechpartner
24
HER AUSGEBER
Schöpflin Stiftung
Industriestraße 2
79541 Lörrach
© Schöpflin Stiftung 05/2016
1
5
11
13
15
21
Die Schöpflin Stiftung
„Als Unternehmer bin ich keinesfalls gegen Freihandel.
Ich unterstütze das Ziel der Verhandlungen, den
Abbau von Zöllen und aufwändigen bürokratischen
Strukturen voranzutreiben. Gleichzeitig erachte ich eine
differenzierte Betrachtung der Verhandlungsbestand­
teile als unabdingbar, um nicht unter dem Deckmantel
des Freihandels fundamentale Grundsätze zur Dispo­
sition zu stellen.“
H A N S S C H Ö P F L I N , Stifter und Unternehmer, lebte und arbeitete über 40 Jahre in den USA
Die Schöpflin Stiftung wurde 2001 von Hans Schöpflin mit
seinen Geschwistern Albert Schöpflin und Heidi Junghanss
im badischen Lörrach gegründet und engagiert sich in den
Bereichen Bildung, Gesundheit und Zivilgesellschaft. Mit
ihrem 2015 gegründeten Förderzweig stärkt sie Menschen,
die sich für gesellschaftlichen Wandel, Demokratie und
eine gerechtere und nachhaltigere Welt einsetzen. Aktuell
unterstützt die Stiftung Projekte im Rahmen ihrer drei Pro­grammbereiche: Flucht & Integration, investigativer Journalismus sowie faire & nachhaltige Wirtschaft.
Für eine faire und nachhaltige Wirtschaft – unter dieser Prämisse sollten auch die Verhandlungen des derzeit zwischen
Europäischer Union und den USA verhandelten Transatlantischen Handels- und Investitionsschutzabkommens (TTIP)
geführt werden. Grundsätzlich setzt sich die Stiftung für
Freihandel ein, solange dieser unter fairen Bedingungen abläuft. Doch nicht nur die zuletzt bekannt gewordenen Informationen lassen befürchten, dass die mit TTIP angestrebten
Regelungen vor allem im Interesse der transnationalen
Konzerne und nicht im Sinne von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), der Umwelt und der Verbraucher
sind. Auch die mangelnde Transparenz der Verhandlungen
passt nicht zum Konzept einer gemeinsamen nachhaltigen
Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft.
TTIP, so die Aussage der EU-Kommission, nutzt insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die
Schöpflin Stiftung setzt sich für eine detaillierte, wissenschaftlich fundierte Betrachtung im Hinblick auf Chancen
und Risiken ein, die von TTIP für KMU in Deutschland und
Europa ausgehen. Die vorliegende Veröffentlichung soll
einen Beitrag dazu leisten, darzulegen, welche Schritte aus
Sicht des Mittelstandes notwendig sind, um ein Abkommen
zu schaffen, das der gesamten Wirtschaft wie auch der
Gesellschaft gleichermaßen zu Gute kommt.
2
3
Zusammenfassung
Die insgesamt 800 befragten kleinen und mittelständischen
Unternehmen (KMU) stehen den aktuell verhandelten
Freihandelsabkommen überwiegend skeptisch gegenüber:
Nur eine Minderheit erwartet einen Vorteil für das eigene
Unternehmen, etwa durch eine einfachere Erschließung
neuer Absatzmärkte oder einen verbesserten Zugang zu
Vorleistungsgütern. Gleichzeitig erwartet über die Hälfte der
Befragten eine merkliche Intensivierung des Wettbewerbs.
Ein besonderes Interesse bei neuen Freihandelsabkommen
besteht in Bezug auf Schutzbestimmungen für Daten,
geistiges Eigentum, regionale Bezeichnungen und vor Wirtschaftsspionage aber auch Vereinfachungen beim Zugang
zu Informationen über Anforderungen in Auslandsmärkten
und Visa-Bestimmungen sind von Bedeutung.
Von TTIP erwarten die Befragten mehrheitlich negative Aus­
wirkungen, sowohl auf die deutsche Wirtschaft wie auch
den deutschen Mittelstand. Vorteile werden vor allem für
große Unternehmen gesehen. Die Abschaffung oder Reduktion von Zöllen im Rahmen von TTIP ist insbesondere für
stark exportorientierte Unternehmen von Bedeutung. Auch
fordert eine klare Mehrheit der KMU einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gerichten auf dem jeweiligen Auslandsmarkt anstelle der Einführung von Sondergerichtsbarkeiten.
Eine branchenspezifische Auswertung sowie Interviews machen zusätzlich für zentrale Wirtschaftszweige spezifische
Anliegen der jeweiligen Branchen sichtbar. So stehen beispielsweise Unternehmen des exportstarken Maschinenbaus
Freihandelsabkommen bzw. TTIP aufgeschlossener gegenüber als die übrigen Branchen, doch auch hier überwiegt die
Skepsis. Unternehmen der Elektrobranche äußern überdurchschnittlich oft Zweifel, ob sich eine Harmonisierung von
Standards und Normen im Rahmen von TTIP realisieren lässt.
Ein klares Signal geht an die nationale Politik und Wirtschaftsverbände. Die deutliche Mehrheit der Befragten beklagt das
unzureichende Informationsangebot zu TTIP und fordert
bessere und umfassendere Informationen zu diesem Thema.
5
I.Hintergrund
TTIP hätte weitreichende
Auswirkungen
Befragung erfasst die
Zufriedenheit von
KMU mit der aktuellen
Freihandelspolitik
Mitte 2013 begannen die Verhandlungen zwischen der
Europäischen Union und den Vereinigten Staaten über ein
transatlantisches Investitions- und Freihandelsabkommen.
Eine solche Transatlantic Trade and Investment Partnership
(TTIP) zwischen den beiden größten Wirtschaftsräumen
der Welt geht weit über den Abbau tarifärer Handelshemmnisse hinaus. Vielmehr stehen die Beseitigung von
nichttarifären Handelshemmnissen und die Erleichterung
von grenzüberschreitenden Investitionen im Vordergrund.
Aufgrund des umfassenden Charakters des Abkommens
werden weitreichende Auswirkungen auf die beteiligten
Volkswirtschaften erwartet – und damit auch auf die Rahmen­
bedingungen für den Mittelstand.
Um die Einstellungen mittelständischer Unternehmen in
Deutschland zur aktuellen Freihandelspolitik und zu den
Verhandlungen über ein mögliches TTIP-Abkommen zu erfassen, hat der Bundesverband mittelständische Wirtschaft
(BVMW) in Kooperation mit der Schöpflin Stiftung seine
Mitglieder zu verschiedenen Aspekten und Themen in den
Bereichen Außenhandel sowie aktuell verhandelten Freihandels- und Investitionsabkommen wie TTIP befragen lassen.
7
II. Größe und außenwirtschaftliche Orientierung
der Teilnehmer
ABBILDUNG 1
Überdurchschnittlich große
Bedeutung von Regionen als Absatzmarkt für derzeit exportierende
KMU haben sich beteiligt
Unternehmen
Europäische Union
83
für
% wichtig
für 18% unwichtig
Osteuropa
für 37% wichtig
für
% unwichtig
Nordamerika
für 34% wichtig
% unwichtig
für
61
63
Fast die Hälfte der
Afrika
für 9% wichtig
% unwichtig
für
89
Mittel- und Südamerika
für 15% wichtig
% unwichtig
für
82
8
Asien und Australien
für 29% wichtig
% unwichtig
für
68
Befragten exportiert
Insgesamt nahmen 800 mittelständische Unternehmen an
der Befragung teil. 46% der befragten Unternehmen weisen
eine Beschäftigtenzahl von bis zu 10 auf. Ein Drittel der
Teilnehmer beschäftigt zwischen 10 und 49 Mitarbeiter, ein
weiteres Fünftel 50 Mitarbeiter oder mehr. Im Vergleich
zur Gesamtstruktur der mittelständischen Unternehmen in
Deutschland haben damit an der Umfrage überdurchschnittlich große Mittelständler teilgenommen: Gemäß den
Erhebungen des KfW-Mittelstandspanels weisen 91% der
kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland
eine Mitarbeiterzahl von bis zu 10 Beschäftigten auf. Auch
gemessen am Jahresumsatz liegen die Befragungsteilnehmer spürbar über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt. Insgesamt stammten 29% der Befragten aus dem
Verarbeitenden Gewerbe (KMU insgesamt: 7%) und 63%
aus dem Dienstleistungssektor (KMU insgesamt: 75%).
Fast die Hälfte der Befragten exportiert einen Teil der von
ihnen hergestellten Güter und Dienstleistungen. Bei den
Betrieben aus dem Verarbeitenden Gewerbe liegt der
Wert sogar bei 80%. Im Durchschnitt über alle kleinen und
mittleren Unternehmen in Deutschland liegen diese Werte
deutlich niedriger (7% bzw. 20% im verarbeitenden Gewerbe).
Bevorzugte Exportdestination sind dabei die europäischen
Partnerländer: Für 83% der exportierenden Unternehmen
ist der europäische Binnenmarkt wichtig oder eher wichtig
(Abbildung 1). Dahinter folgen mit einigem Abstand die
Regionen Osteuropa (37%), Nordamerika (35%) und Asien
(29%). Gut ein Sechstel der Befragten hat zudem bereits
im Ausland Direktinvestitionen getätigt. Auch hier liegt der
Schwerpunkt auf den geografisch nahe liegenden europäischen Ländern.
9
III.Erwartete Auswirkungen aktuell verhandelter
Freihandelsabkommen
ABBILDUNG 2
Neue Freihandelsabkommen
Derzeit wird über den Abschluss neuer Freihandelsabkommen diskutiert.
verschärfen den
In welcher Hinsicht wäre Ihr Unternehmen betroffen?
Wettbewerbsdruck
für 52% nicht
zutreffend
für 8%
zutreffend
für 53% nicht
zutreffend
für 6%
zutreffend
KMU
KMU
Die Erschließung neuer
ausländischer Absatzmärkte
würde vereinfacht.
Der Bezug von
Vorleistungs­g ütern würde
sich verbessern.
für 29% nicht
zutreffend
für 55% nicht
zutreffend
trifft zu
trifft eher zu
trifft eher nicht zu
für 5%
zutreffend
KMU
KMU
trifft nicht zu
weiß nicht /k. A.
für 24%
zutreffend
Die Sicherheit von Direkt­
investitionen im Ausland
würde sich verbessern.
Der Wettbewerbsdruck im
Allgemeinen würde sich
spürbar intensivieren.
für 28% nicht
zutreffend
KMU
für 16%
zutreffend
Nicht nur mit den Vereinigten Staaten wird derzeit über ein
Freihandelsabkommen verhandelt. Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) ist ausverhandelt. Auch mit Japan wird derzeit verhandelt. Welche
Auswirkungen erwartet die mittelständische Wirtschaft
von diesen und weiteren Abkommen? Bei den Befragungs­
teilnehmern überwiegt die Skepsis: Nur 18% bzw. 15%
der Unternehmen erwarten durch den Abschluss neuer
Freihandelsabkommen eine einfachere Erschließung neuer
Absatzmärkte oder einen verbesserten Bezug von Vorleistungsgütern. 12% erwarten eine höhere Sicherheit für ihre
ausländischen Direktinvestitionen (Abbildung 2). Unternehmen
mit einem hohen Exportanteil sehen die möglichen Effekte
von Freihandelsabkommen zwar deutlich positiver, gleichwohl liegt auch hier der Anteil der Unternehmen, die sich von
möglichen künftigen Freihandelsabkommen einen vereinfachten Zugang zu Auslandsmärkten für ihr Unternehmen
versprechen, bei unter 50%. Gleichzeitig erwartet über die
Hälfte aller Befragten, dass der Wettbewerb im Zuge des
Abschlusses neuer Freihandelsabkommen spürbar zunehmen
würde. 28% schätzen die mögliche neue Konkurrenz sogar
als potenziell existenzbedrohend ein.
für 38% nicht
zutreffend
KMU
für 30%
zutreffend
Die Konkurrenz seitens großer,
internationaler Unternehmen
würde spürbar zunehmen.
10
Mein Unternehmen hätte
voraussichtlich Probleme, dem
dadurch härteren Wettbewerb
standzuhalten.
11
IV.Ausgestaltung der Rahmenbedingungen im
Außenhandel
Im Rahmen der Umfrage wurde den Teilnehmern zudem die
Möglichkeit gegeben, die Bedeutung von weiteren ausgewählten Aspekten für ihr Unternehmen bei der Ausgestaltung
der Rahmenbedingungen im Außenhandel zu bewerten.
Besonders großes Interesse wurde an Schutzbestimmungen
in verschiedenen Bereichen geäußert. Annähernd 80%
der Befragten bewerten den Schutz eigener Daten und
Kundendaten als wichtig oder eher wichtig. Hohe Bedeutung
wird auch dem Schutz von geistigem Eigentum (71%), vor
Wirtschaftsspionage (69%) oder dem Schutz regionaler
Bezeichnungen (61%) zugesprochen (Abbildung 3).
Befragungsteilnehmer
wünschen sich Schutz …
„Denkbar wäre zum Beispiel eine Art Datenbank mit
Angaben zu Regularien und Zugangsbeschränkungen.
Unternehmen, die in die USA expandieren wollen,
könnten sich über eine solche Plattform selbst
Informationen aneignen.“
D R . J Ö R G H E Y E R , Partner Seitz Rechtsanwälte Steuerberater
ABBILDUNG 3
Bedeutung ausgewählter Aspekte im Bereich Außenhandel für die
befragten Unternehmen
„Für uns liegt eine der zentralen Herausforderungen
beim außereuropäischen Handel in der Verwaltung,
besonders bei den Regularien zu Visum und Renten­
versicherung. Bei uns, aber auch auf Seiten der Ver­
13%
65%
wichtig
eher wichtig
eher unwichtig
6%
10%
6%
Schutz der eigenen
Daten und
Kundendaten
unwichtig
weiß nicht /k. A.
19%
52%
Bestimmungen
6%
zum Schutz
des geistigen
Eigentums
15%
sicherung, herrschte große Unsicherheit, wie man in
8%
einem solchen Fall verfahren muss.“
H A N S P I N K E N B U R G , Geschäftsführer INVENTO Products & Services GmbH
54%
Schutz vor
Wirtschaftsspionage
42%
15%
Schutz regionaler
Marken- und
Produktbe19%
zeichnungen
9%
7%
7%
15%
12
11%
13
21%
26%
24%
18%
25%
7%
Zugang zu Informationen
über Anforderungen in
Auslandmärkten
... und Informationen
zu Anforderungen
in Auslandsmärkten
Exportorientierte KMU
wollen einfachere
Visa-Bestimmungen
Im Bereich Exportförderung zeigen die Befragten vor allem
Interesse am Zugang zu Informationen über Anforderungen
in Auslandsmärkten. Für 51% ist dieser Aspekt wichtig oder
eher wichtig. Maßnahmen zur Exportfinanzierung – Zugang
zu Krediten, Wagniskapital oder Versicherungen und Bürgschaften – messen jeweils nur rund ein Drittel der Umfrage­
teilnehmer eine solche Bedeutung zu. Für knapp 30% der
Befragten ist der Zugang zu öffentlichen Vergaben in Auslandsmärkten wichtig oder eher wichtig.
V. Erwartete Auswirkungen durch TTIP
Die meisten Befragten stehen
TTIP skeptisch gegenüber
Vereinfachte Visa-Bestimmungen sowohl für Kurz- als auch
für Langfristaufenthalte liegen vor allem jenen Unternehmen
am Herzen, die aufgrund eines hohen Exportanteils oder ihrer
Auslandsinvestitionen eng in die grenzüberschreitenden
Wertschöpfungsketten eingebunden sind. Dies gilt auch bei
der Bewertung der Auswirkungen von Währungsschwankungen auf das eigene Unternehmen.
Von der Implementierung eines möglichen TTIP-Abkommens
erwarten die Befragten mehrheitlich negative Auswirkungen
auf die deutsche Wirtschaft (55%) und den deutschen Mittel­
stand (62%) insgesamt. Die Vorteile von TTIP würden vor
allem großen Unternehmen zu Gute kommen (58%). Auf die
eigene Branche sowie auf das eigene Unternehmen erwartet
eine große Zahl von Unternehmen hingegen keine Auswirkungen (35% bzw. 43%), zahlreiche Befragte erwarten
jedoch auch negative Effekte (40% bzw. 34%).
ABBILDUNG 4
Welche Auswirkungen erwarten Sie im Allgemeinen vom Abschluss
eines möglichen TTIP-Abkommens zwischen der EU und den USA?
8%
19%
10%
5%
8%
16%
24%
12%
37%
38%
43%
9%
5%
22%
24%
14%
4%
Auf die deutsche
Volkswirtschaft
Auf die deutschen
Großunternehmen
11%
weiß nicht /k. A.
13%
sehr negativ
27%
eher negativ
4%
Auf den deutschen
Mittelstand
10%
11%
24%
keine
eher positiv
35%
43%
sehr positiv
11%
Auf die eigene
Branche
14
15
10%
Auf das eigene
Unternehmen
Ein Fünftel der Befragten würde
von Zollabbau profitieren
„Zölle gehen einher mit komplizierten Liefer- und Doku­
mentationsvorschriften, was in KMU viel Personal
bindet. Eine Vereinfachung in diesem Bereich wäre sehr
hilfreich.“
M A G D A L E N A M Ü N S T E R M A N N , Mitglied der Geschäftsleitung der Bernd Münstermann
GmbH & Co.KG
Interesse an einer Abschaffung oder Reduktion der Zölle im
Rahmen von TTIP bekundeten insgesamt 20% der befragten Unternehmen. Lediglich in der Gruppe der stark export­
orientierten Unternehmen, die mehr als ein Viertel ihrer
Waren und Dienstleistungen exportieren, würde eine Mehrheit der Befragten von einer solchen Regelung profitieren.
Etwas höhere Zustimmung fände mit 33% die Angleichung
von technischen Regularien, Standards und Normen. Über
50% der Befragten würden nach eigener Auskunft von einer
Angleichung nicht profitieren. Zwei Drittel der Unternehmen
wünschen, dass eine solche Angleichung bevorzugt nicht
bilateral, sondern im multilateralen Rahmen erfolgen sollte
(Abbildung 5).
ABBILDUNG 5
Angleichung technischer Regularien, Standards und Normen
„Die Kompetenz zur Festlegung von technischen
Standards und Normen liegt in den Vereinigten Staaten
Mein Unternehmen profitiert von
der Angleichung technischer
Regularien, Standards und Normen
(z.B. Maßeinheiten und Berech­
nungsvorschriften) für die Märkte
der EU und der USA.
oft bei den Bundesstaaten oder auch bei privatwirt­
schaftlichen Akteuren. Ein Abkommen mit Washington
11% stimmen zu
kann viele Aspekte im Bereich Standards gar nicht
23% stimmen eher zu
abdecken.“
19% stimmen eher nicht zu
Technische Regularien, Standards
und Normen sollten nicht bilateral
in einem Abkommen mit den USA,
sondern multilateral (z.B. im Rahmen
der Internationalen Normungs­
instanzen) festgelegt werden.
34% stimmen nicht zu
44% stimmen zu
15% wissen es nicht/k. A.
22% stimmen eher zu
M A R T I N A R Ö M M E LT- F E L L A , Geschäftsführerin Fella Maschinenbau GmbH
7% stimmen eher nicht zu
13% stimmen nicht zu
15% wissen es nicht/k. A.
16
17
Investor-Staat-Schiedsgerichte
werden abgelehnt
„Die USA sind das Land mit dem höchsten Rechtsrisiko
aufgrund hoher Schadensersatzforderungen. Unser
Unternehmen würde dann von ISDS profitieren, wenn
dadurch die Rechtssicherheit erhöht wird und sich das
in niedrigeren Versicherungsprämien für Produkthaft­
pflichtversicherungen niederschlägt.“
J E N S H I L P E R T, Geschäftsführer Flexim GmbH
„Private Schiedsgerichte sehe ich kritisch. Meiner Mei­
nung nach spielen sie besonders den Interessen und
Handlungsmöglichkeiten kapitalstarker Unternehmen
Sehr viele Unternehmen bemängeln das als unzureichend
wahrgenommene Informationsangebot zu einem möglichen
TTIP-Abkommen. Vor allem an die Adresse der nationalen
Politik (76%) und auch der Wirtschaftsverbände (62%) geht
der Wunsch nach besseren und umfassenderen Informa­
tionen zu diesem Thema (Abbildung 6).
Befragte bemängeln das
Informationsangebot
in die Hände. So besteht eine steigende Gefahr, dass
die Politik sich zwangsweise dem Druck der Wirtschaft
unterwirft, während andere gesellschaftliche Belange
auf der Strecke bleiben.“
S T E FA N H E I N E C K E , Geschäftsführer GAAC Commerz GmbH
„Grundsätzlich sehe ich ein TTIP-Abkommen positiv.
Inwiefern die Interessen von KMU tatsächlich
berücksichtigt sind, ist jedoch aufgrund fehlender
Informationen nicht ganz klar.“
D R . T O R S T E N B E C K E R , Geschäftsführer BOGEN Electronic GmbH
76
%
Nationale
Politik
23%
Recht eindeutig ist das Stimmungsbild im Bereich Justiz. Nur
17% der befragten Unternehmen betrachten die zum Zeitpunkt der Befragung kontrovers diskutierten Investor-Staat-­
Schiedsgerichte als wichtiges Instrument zur Durchsetzung
von Schadensersatzansprüchen auf ausländischen Märkten.
Hingegen befürchtet mehr als ein Drittel der befragten
Mittelständler, dass sie ein solcher Mechanismus gegenüber ihrer ausländischen Konkurrenz benachteiligen könnte.
Auch der in der Öffentlichkeit diskutierte Alternativvorschlag
zur Errichtung eines bilateralen Investitionsgerichtshofs
wird von den dazu persönlich befragten Unternehmen mehrheitlich kritisch gesehen bzw. als nicht notwendig erachtet.
Einzelne Unternehmen versprechen sich dadurch jedoch
eine höhere Investitionssicherheit im Ausland. Breite
Zustimmung findet mit zwei Dritteln die Forderung nach der
Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu
Gerichten für europäische wie US-amerikanische Unternehmen auf dem jeweiligen Auslandsmarkt.
ABBILDUNG 6
Von welcher Seite wünschen sich die befragten Unternehmen
bessere Informationen? (Mehrfachantwort möglich)
47 43
%
Medien
Wissenschaft
21%
19
%
Europäische
Institutionen
Verbraucherzentralen
18
%
62
Wirtschaftsverbände
16%
Nichtregierungsorganisationen
VI.Branchen im Fokus
Exportstarke Maschinenbauer
sehen Freihandelsabkommen
am positivsten, doch auch hier
„Schutz vor Wirtschaftsspionage, Datenschutz und
überwiegt die Skepsis
Rechtssicherheit insbesondere beim grenzüber­
schreitenden Knowhow-Transfer sind für Maschinen­
bau-Unternehmen zentral.“
M A G D A L E N A M Ü N S T E R M A N N , Mitglied der Geschäftsleitung der Bernd Münstermann
GmbH & Co.KG
„Eine Angleichung von technischen Regularien, Standards
und Normen hätte großes Potenzial. Aber ich halte es
für blanke Illusion zu glauben, dass dies im Rahmen von
Elektrobranche ist deutlich
TTIP möglich ist: In der Elektrotechnik gibt es hier seit
skeptischer als der Maschinen­
Jahren internationale Bemühungen, etwa über die IEC
oder die ISO. Oft sind es jedoch gerade die USA, die in
der praktischen Umsetzung dieses Prozesses im Abseits
stehen.“
J E N S H I L P E R T, Geschäftsführer Flexim GmbH
20
bau
Eine Branchenauswertung der Onlinebefragung sowie persönlich geführte Unternehmensinterviews machen zusätzlich für zentrale Wirtschaftszweige der deutschen Volkswirtschaft jeweils branchenspezifische Anliegen in Bezug
auf Freihandelsabkommen bzw. TTIP im Speziellen sichtbar.
So sind die Unternehmen des Maschinenbaus überdurchschnittlich stark außenwirtschaftlich engagiert und stehen
Freihandelsabkommen bzw. TTIP aufgeschlossener gegenüber als fast alle übrigen Branchen – gleichwohl überwiegt
auch in dieser Branche insgesamt die Skepsis. Besonders
hohe Zustimmung findet in dieser Branche die Forderung
nach hohen Schutzstandards, etwa vor Wirtschaftsspionage
oder von Daten. Auch eine Angleichung von technischen
Standards und Normen – bevorzugt multilateral, aber auch
im Rahmen eines TTIP-Abkommens – würde mehrheitlich
befürwortet. Gleichwohl wird bezweifelt, ob eine solche
Angleichung auch tatsächlich realisiert werden könne. Trotz
der überdurchschnittlich hohen Aufgeschlossenheit gegenüber TTIP wird die mögliche Etablierung von Investor-­StaatSchiedsgerichten (ISDS) mit großer Mehrheit als nicht
notwendig abgelehnt.
Die Unternehmen der Branche Herstellung von DV-Geräten,
Elektronik und Optik sind ebenfalls sehr exportstark.
Gleichwohl ist hier die Skepsis gegenüber Freihandelsab­
kommen bzw. TTIP stärker ausgeprägt als im Maschinen­
bau. So wurde etwa noch deutlicher angezweifelt, ob sich
im Rahmen eines TTIP-Abkommens eine Harmonisierung
von Standards und Normen realisieren ließe. Investor-­Staat-­
Schiedsgerichte wurden ebenfalls von der Mehrheit mit
Nachdruck abgelehnt. In den persönlichen Interviews
wurde hingegen des Öfteren darauf hingewiesen, dass die
befragten Unternehmen nicht Investor-Staat-Schiedsgerichte als zentrales Problem empfinden. Das größte Rechts­risiko im Hinblick auf Geschäftsbeziehungen in die Vereinigten
Staaten stelle hingegen die Praxis der punitive damages
und der damit verbundenen Gefahr von hohen Schadensersatzzahlungen dar.
21
Handel und Verkehr würde
kaum von neuen Freihandels­
abkommen profitieren
„Zölle sind für mein Unternehmen eine finanzielle wie
bürokratische Belastung und darum ein Wettbewerbs­
nachteil beim Export. Ich würde den Abbau von Zöllen
durch TTIP begrüßen. Auch Vorleistungen könnten
dann schneller und kostengünstiger bezogen werden.“
M AT T H I A S G A B L E R , Geschäftsführer Stahlbau Brehna GmbH
Baugewerbe ist sehr stark auf
den Heimatmarkt ausgerichtet
„Im Hinblick auf Freihandelsabkommen, aber auch
generell verfügen Großunternehmen über deutlich
mehr personelle Ressourcen als KMU, um gesetzliche
Vorgaben wie Datenschutzrichtlinien durchzugehen
und umzusetzen. Als KMU haben wir einfach weniger
Freiberufliche, technische und
Manpower.“
wissenschaftliche Dienstleister
R I C H A R D P O H L , Geschäftsführer RFC Radio-, Fernseh- und Computertechnik GmbH
22
teilen die Skepsis
Der Bereich Handel und Verkehr ist die Dienstleistungsbranche mit der stärksten außenwirtschaftlichen Orientierung. Dennoch sehen die Handels- und Verkehrsunternehmen
neue Freihandelsabkommen bzw. TTIP nicht positiver als
der Durchschnitt der Befragten. Unter anderem wurde
angemerkt, dass weniger ein transatlantisches Freihandels­
abkommen, sondern eher Freihandelsabkommen mit den
dynamischen Volkswirtschaften Asiens Positiveffekte
erbringen würde. Im Hinblick auf eine mögliche Harmonisierung von Standards und Normen wurde verschiedentlich
befürchtet, dass eine Angleichung auch eine Absenkung nach
sich ziehen könnte.
Die Bauwirtschaft ist sehr stark auf den nationalen oder
sogar regionalen Markt ausgerichtet. Vorteile von Freihandels­
abkommen werden nur von einer kleinen Minderheit der
Befragten gesehen. Auf der anderen Seite wird erwartet,
dass sich der Wettbewerb weiter intensivieren könnte. Vor
allem in den persönlich geführten Brancheninterviews wurde darauf verwiesen, dass der Wettbewerbsdruck bereits
heute sehr hoch ist. Insbesondere die Konkurrenz aus den
mittelosteuropäischen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union habe in den vergangenen Jahren den Kostendruck
massiv verschärft. Im Hinblick auf TTIP kann kaum ein
Unternehmen mögliche Vorteile sehen. Auch eine mögliche
Öffnung des öffentlichen Vergabewesens im Zuge von
TTIP sei nicht von Interesse: Dazu sei der US-amerikanische
Markt schlicht zu weit weg. Die große Mehrheit der Unternehmen sieht sich von TTIP überhaupt nicht betroffen.
Die Unternehmen der Branche freiberufliche, technische
und wissenschaftliche Dienstleistungen stammen aus
teils sehr unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Sie eint, dass
sie nur sehr wenig ihrer Leistungen im Ausland erbringen.
Im Hinblick auf den Abschluss neuer Freihandelsabkommen
bzw. TTIP entspricht die Einschätzung der Unternehmen
aus der Branche weitgehend dem Durchschnitt der insgesamt befragten kleinen und mittleren Unternehmen.
23
A N S P R E C H PA R T N E R
Bundesverband mittelständische Wirtschaft e. V.
Schöpflin Stiftung
Dr. Hans-Jürgen Völz
Leiter Volkswirtschaft Daniela Müller
Referentin des Vorstands &
Projektmanagerin Förderbereich
BVMW Bundesgeschäftsstelle Leipziger Platz 15
10117 Berlin
Schöpflin Stiftung
Industriestraße 2
79541 Lörrach
T +49 30 533206-49 F +49 30 533206-50
T +49 7621 98690-04
F +49 7621 98690-09
[email protected]@schoepflin-stiftung.de
bvmw.deschoepflin-stiftung.de
Prognos AG
Felizitas Janzen
Leitung Unternehmenskommunikation
Prognos AG
Goethestraße 85
10623 Berlin | Deutschland
T +49 30 520059-222
F +49 30 520059-201
[email protected]
prognos.com
Übersetzung: SeanKlein Media Ltd, London/Brussels
Grafik: Ulrike von Dewitz, Lindau
Druck: Thurnher Druckerei GmbH, Rankweil
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