Reichsbürger bedrohen Bundeskanzlerin | Manuskript Reichsbürger bedrohen Bundeskanzlerin Bericht: Carina Huppertz, Björn Menzel YouTube-Video: Am 25. Juli, das sag ich euch, mach ich diese BRD platt. YouTube-Video: Oh, er hat Angst. Chaos stiften. Wenn Reichsbürger Behörden angehen…. Chemnitz. Hier im Rathaus muss sich die Verwaltung fast täglich mit sogenannten Reichsbürgern auseinandersetzen. Manche kommen persönlich, die meisten schreiben. Die Briefe landen bei Ordnungsbürgermeister Miko Runkel und Mitarbeiterin Ines Vorsatz. Das ist jetzt so ungefähr vom letzten Vierteljahr … Viel Papier – und viele, viele Forderungen. Der will eigene Pässe, der nächste ‘nen eigenen Führerschein, der nächste ein eigenes KFZKennzeichnen, ach, ‘ne Verbeamtung ist auch noch dabei, wieder ‘ne Unterlassungserklärung, Schadenersatzforderungen in Größenordnung von 500.000 Euro…. Das meiste - ohne rechtliche Grundlage. Trotzdem müssen sie alles lesen – falls doch etwas Relevantes drinsteht. Der Klassiker: Reichsbürger erklären seitenlang, warum Gesetze für sie nicht gelten, sie deshalb ihre Parkknöllchen nicht zahlen müssten. Fast alle Schreiben gehen beim Ordnungsamt ein. Dort fällt auf: Reichsbürger lehnen zwar den Staat ab – nehmen aber, was sie kriegen können. Miko Runkel, Ordnungsbürgermeister Stadt Chemnitz: Wenn man selber davon betroffen ist, mit irgendwelchen Forderungen überzogen wird, dann möchte man natürlich die staatliche Autorität anzweifeln. Im Gegenzug, wenn man selber was möchte, Anträge stellt, dann ist man wieder mit der staatlichen Autorität einverstanden. Also das ist schon ein bisschen schizophren die ganze Situation. Wer verfasst solche Schreiben? Was bringt es, die Behörden so zu beschäftigen? Wir sind in Gardelegen verabredet. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Reichsbürger bedrohen Bundeskanzlerin | Manuskript Marco Fredrich und Rainhard Roloff haben den Stammtisch „Heimat und Recht“ gegründet. Auf ihrer Internetseite kann man nachlesen, dass Deutschland ein Firmenkonstrukt ist, in YouTube-Videos zeigen sie, wie sie Vollstreckungsbeamte abwimmeln. YouTube-Video Heimat und Recht: Kann ich einen Namen haben? Wer namentlich das beauftragt? Zeigen Sie doch mal den, den, äh, Vollstreckungsbescheid, was Sie vorhin gezeigt haben. Sie sind überzeugt: Behörden, Politiker, Medien – alle machen gemeinsame Sache. Darum nehmen sie unser Interview mit einer eigenen Kamera auf. Reichsbürger wollen sie nicht genannt werden – lesen aber deren Argumente vor, warum Deutschland nicht souverän sei. Rainhard Roloff: Herr Genscher gab als Weitererklärung der Bundesrepublik Deutschland zu Protokoll, dass ein Friedensvertrag oder eine Friedensregelung nicht beabsichtigt sind. Das ist im Zweiplus-Vier-Vertrag so festgelegt in der Chronik und Pariser Protokoll Nr. 354 B. Somit ist der Status laut diesen Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland besetzt, ohne Friedensvertrag und ohne Souveränität. Eins ihrer Ziele: Eine Verfassung, kein Grundgesetz. Dann würde alles besser werden. Bis es soweit ist, verfassen sie Schreiben sie an Behörden, verschicken Widersprüche oder weigern sich, Fernsehgebühren zu bezahlen. Marco Fredrich: Durch die Briefe wird ja die Behörde gezwungen, sich die Gesetze mal genau anzuschauen und ich hoffe, dass die auch ein bisschen Gewissen haben. Dass sie dann merken, Mensch wir handeln ja selber dagegen. Und das wollen wir eigentlich. Also nur den Arbeitswust zu erhöhen ist natürlich auch schon irgendwo ‘nen Ziel, klar, aber das bringt uns nicht weiter. Also Schreiben als politischer Protest? Michael Hüllen vom Verfassungsschutz Brandenburg beobachtet seit vielen Jahren das Reichsbürger-Milieu und die verschiedenen Gründe, sich gegen den Staat zu stellen. Michael Hüllen, Verfassungsschutz Brandenburg: Was den einfachen Bürger betrifft, so deuten wir mittlerweile das Reichsbürger-Milieu als eine Art Protest. Protest gegen das politische System, aber auch Protest gegen die aktuelle Politik. Wir haben dann eine weitere Komponente, das sind diejenigen, die mit dem Milieu tatsächlich Geld verdienen. Und wir haben natürlich Rechtsextremisten, die versuchen, dieses Milieu entsprechend zu beeinflussen und für ihre Zwecke zu gewinnen. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Reichsbürger bedrohen Bundeskanzlerin | Manuskript Jeder Fünfte gehöre zur Gruppe der Rechtsextremisten. Wie viele Reichsbürger es überhaupt gibt, weiß man allerdings in keinem Bundesland. Nur: Es würden mehr. Und: Michael Hüllen, Verfassungsschutz Brandenburg: Das Milieu hat tatsächlich immer eine gewisse Aggressivität gekennzeichnet. Wir erleben tatsächlich im Moment ein Anwachsen auch der Gewaltandrohung und im konkreten Einsatz dann auch manchmal der Gewaltanwendung. Neben Kommunen merken das vor allem Gerichte. Beispiel Schönebeck. In einer Verhandlung weigert sich der Angeklagte, Platz zu nehmen, seine Unterstützer filmen. YouTube-Video: "Sind Sie nach Grundgesetz Artikel 101 gesetzlicher Richter? Oh, er hat Angst!" Der Richter versucht die Wachtmeister zu rufen, aber es ist keiner erreichbar. YouTube-Video: "Legitimieren Sie sich doch. Haben Sie einen Amtsausweis?" Eike Bruns, Richter Amtsgericht Schönebeck: Sie können ja nicht bei einem so kleinem Gericht - wie zum Beispiel dem unseren – permanent 25 Wachtmeister vorhalten oder eine Einsatzhundertschaft der Polizei. Und dann haben sie eben das Problem, sie werden überrannt." Das hat man auch in Thüringen erkannt und am Oberlandesgericht extra eine Arbeitsgruppe gegründet. Wir treffen die Leiterin, Silke Hollandmoritz, in Gera. Sie berät betroffene Justizmitarbeiter – selber traut sich von ihnen keiner vor die Kamera. Denn die Bedrohung hat eine neue Qualität: Reichsbürger versuchen, von Beamten Millionensummen zu erzwingen. Der Gerichtsvollzieher hat zunächst eine Rechnung zugestellt bekommen, an seine Dienstanschrift, zu dem Vollstreckungsverfahren. Da ist ihm zunächst angedroht worden ein Schadensbetrag von 5 Millionen. Und letztendlich ist dann ihm mitgeteilt worden dass die Eintragung sogar mit einem Betrag von 50 Millionen US-Dollar erfolgt ist. Die Bedrohung ist, dass der Gerichtsvollzieher verpflichtet ist, 50 Millionen US-Dollar zu zahlen und das, denke ich, ist eine sehr erhebliche Bedrohung. Möglich macht das ein Trick – die sogenannte Malta-Masche: Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 3 Reichsbürger bedrohen Bundeskanzlerin | Manuskript Reichsbürger erfinden Schulden gegenüber Behördenmitarbeitern in Deutschland und tragen sie in ein Register in den USA ein. Diese Forderungen, oft in Millionenhöhe, werden an Inkassounternehmen auf Malta abgetreten. Das Inkassobüro bekommt dann von einem Gericht auf Malta die Berechtigung, die erfundenen Schulden in Deutschland einzutreiben. In Thüringen sind bislang 5 Fälle bekannt. Nach exakt-Recherchen haben Reichsbürger sogar schon Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck ins US-Schuldenregister eingetragen. Solche Einträge zu löschen – ein enormer diplomatischer Aufwand. Das zeigt ein internes Schreiben vom Auswärtigen Amt, das exakt vorliegt: Zitat: Das deutsche Generalkonsulat in San Francisco hatte bei der Leitung des […] zuständigen UCC-Registers erreicht, dass auf Antrag öffentlicher Stellen unzutreffende Eintragungen gegen deutsche Behördenmitarbeiter […] gelöscht werden. Justiz, Kommunen, Bundesregierung: Reichsbürger beschäftigen ganze Apparate. Wie die Stadt Chemnitz wehren sich Verwaltungen mit großem Aufwand. Als dauerhafte Lösung reicht das nicht. Ines Vorsatz, Stadt Chemnitz: Das größte Problem sehe ich darin, dass die Leute sich aus dem Staat verabschieden. Dass sie sozusagen ihr eigenes Ding machen, sich aus der Solidargemeinschaft verabschieden, und natürlich immer nur das rausziehen was für die von Nutzen ist. Und das ist für den Staat an und für sich ne schädliche Haltung. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 4
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