Mein ERASMUS-Erfahrungsbericht

Mein ERASMUS-Erfahrungsbericht
Vorbereitung des Auslandsaufenthalts:
Den Entschluss ein ERASMUS-Semester anzustreben habe ich ziemlich kurzfristig und spontan
gefasst. Erst als die Restplatzliste von den Koordinatoren via Email verschickt wurde und ich
Barcelona las, war für mich klar das Wintersemester 2013/14 verbringe ich in Spanien.
Da ich der einzige Bewerber auf den Platz war, blieb es mir erspart die langwierige
Bewerbungsprozedur (Letter of Motivation, etc.) durchzulaufen, sodass ich nur für den Platz
anmelden musste.
Die Kontaktaufnahme mit der Gastuni ging auch sehr einfach, schnell und unkompliziert. Ich
schrieb 2-3 Mails, verschickte mein Learning Agreement und schon war ich ERASMUS-Student der
Universitat Autònoma de Barcelona!
Studium an der Gastuniversität:
Das Studiensystem ähnelt eher einem schulischen System. Klassische Vorlesungen in großen
Hörsäalen gibt es nicht. Es gibt zwar keine Anwesenheitspflicht, jedoch fließt die Präsenz zu 10%
mit in die Note ein. Der zu lehrende Stoff wird deutlich langsamer und ausführlicher durchgekaut.
Es ist weniger ein Selbststudium. Man arbeitet als Klasse mit den Dozenten gemeinsam – dumme
und peinliche Fragen gibt es nicht.
Wer für ein Semester nach Spanien geht, muss damit rechnen, dass nicht alles exakt und perfekt
organisiert abläuft. Hier wird nicht alles sofort erledigt und es wird vor allem mal ein Auge
zugedrückt, falls etwas versäumt wird oder sonstiges. Es kann ruhig mal vorkommen, dass der
Dozent erst am letzten Tag vor der Klausur Raum und Uhrzeit festlegt. Der Bezug zu den
Lehrkörpern ist sehr angenehm. Ich hatte nie das Gefühl, dass es einen wirklichen Abstand
zwischen Dozent und Student gibt. Das liegt vor allem auch daran, dass sich stets geduzt wird.
Auf dem Campus hat jede Fakultät ihre eigene Bibliothek. Diese sind verhältnismäßig schlecht
ausgestattet und auch relativ laut. Wenn man nicht gerne zu Hause lernt, gibt es dafür aber die
Möglichkeit eine Bibliothek in der Stadt aufzusuchen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt:
Da ich bereits einen Schüleraustausch für 8 Monate in Chile gemacht hatte und nach dem Abi für
knapp 5 Monate durch Lateinamerika gereist war, hatte ich von Anfang an keine
Verständnisprobleme. Die offizielle Sprache Kataloniens ist zwar katalanisch, jedoch spricht jeder
Castellano mit dir. Die Vorurteile, ein Katalane sei aufgrund seiner Herkunft und politischen
Einstellung nicht gewillt Spanisch zu sprechen, etc., sind falsch. Man hat schlichtweg Vorteile und
es wird honoriert, wenn man versucht das katalanische zu lernen. Und mit einem guten Niveau
einer romanischen Sprache, kann man nach einem Semester relativ viel verstehen und noch viel
mehr lesen. Mit dem Sprechen hat es bei mir auch nach einiger Zeit geklappt, jedoch praktizierte
ich es kaum, da jeder Castellano mit dir redet.
Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studenten:
Die Sprache schon vorher sehr gut zu beherrschen ist ein großer Vorteil. Das erleichtert den
Kontakt zu Einheimischen, weil diese kaum Englisch sprechen. Somit hatte ich relativ schnell
Anschluss zu meinem Kommilitonen gefunden. Den Großteil meiner Freizeit habe ich jedoch mit
ausländischen Studenten verbracht. Die Lebensituation eines Austauschstudenten ist einfach zu
verschieden im Gegensatz zu der eines Einheimischen. Mein Freundeskreis war sehr durchmischt;
die Mehrheit Austauschstudenten, aber auch einige die schon ein paar Jahre dort lebten.
Wohn- und Lebenssituation:
Ich hatte das Glück, die erste Woche bei einer Freundin aus Deutschland, die ebenfalls ein
Austausch machte, unterzukommen und so in Ruhe nach einer WG suchen konnte. Ansonsten
kann man sich gut in einem Hostel einquartieren und von dort aus suchen. Da die Uni ca. 30min
mit dem Zug außerhalb von Barcelona liegt, kam es für mich nie in Frage in das
Studentenwohnheim neben dem Campus zu ziehen. Eine sehr empfehlenswerte Seite ist
www.loquo.de dort findet man die günstigsten Angebote, meistens selber von Studenten inseriert.
Es gibt immer genug Zimmer und man kommt auch relativ unkompliziert eins – Bürokratie ist in
Spanien zum Glück ein Fremdwort. Die Zimmer sind zwar relativ teuer, aber stets vollmöbliert.
Weil ich relativ anspruchsvoll bei meiner Suche war (wollte unbedingt mit Einheimischen und
Spanisch sprechenden Leuten zusammenwohnen), habe ich nach einer guten Woche etwas
passendes gefunden. Die Miete belief sich auf 400€ und die Preise richten sich nach Lage,
Helligkeit und Ausstattung des Zimmers– es gibt günstigere und noch deutlich teure Zimmer.
Barcelona hat ein sehr gutes U-Bahn und Bussystem – das T-Joven, ein 3 Monatsticket (155€) für 2
Zonen also Barcelona plus Uni, ist eine essentielle Investition, wenn man mobil sein möchte.
Bankautomaten, Supermärkte und sonstige Dinge, die man zum täglichen Leben braucht sind nie
weiter als 200m entfernt. Gerade die hohe Dichte an Bankautomaten lernt man mit der Zeit zu
schätzen, da, wenn man seinen Aufenthalt genießen möchte und nicht jede Investition mit dem
ausgegeben Geld gegenrechnet, Barcelona eine teure Stadt ist. Die Preise für Lebensmittel in den
Supermärkten sind ungefähr wie in Deutschland, jedoch Bars, Restaurants und Clubs
verhältnismäßig teuer - mit einem Bier für 4€ und einem Gintonic für 10€ muss man rechnen.
In der katalanischen Hauptstadt wird einem nie langweilig, gerade im Sommer finden täglich
diverse Konzerte oder sonstige Ereignisse statt. Es gibt zig Museen und auch nach einem halben
Jahr noch viel zu entdecken. Die direkte Lage am Mittelmeer und das gute Wetter sorgen dann für
den Rest. Generell ist es ein ganz anderes Leben, man unternimmt viel, ist fast ausschließlich
draußen und trifft viele Interessante Menschen – ich verstehe bis heute noch nicht, warum es zu
meiner Zeit ein Restplatz war!
Rückblick:
Hier noch ein paar Tipps & Empfehlungen:
Lass alles auf dich zukommen und lege ein wenig die deutsche Brille ab. Die Spanier sind sehr
gemütliche, genießende und herzliche Menschen, bei denen die Freude am Leben wichtiger ist, als
die Arbeit. Die Dinge laufen chaotischer und nicht so organisiert, dafür aber viel friedlicher und
ohne Stress ab. Dort bestätigen Ausnahmen immer wieder die Regeln.
Wenn du Barcelona erleben willst, ziehe auf keinen Fall ins Wohnheim, da das in Bellaterra auf
dem Campus liegt und du somit die Chance verpasst die Stadt mit all ihren Facetten
kennenzulernen; es ist vergleichbar mit Berlin und Potsdam.
Lass dir ruhig Zeit bei der Wohnungssuche. Eine interaktive WG mit tollen Mitbewohnern bildet
das Fundament eines schönen ERASMUS-Semesters. Ich habe mit einer Katalanin, einer
Portugiesin und einem Mexikaner zusammengewohnt zu denen ich bis jetzt noch Kontakt pflege
und wir alle gute Freunde geworden sind. Gràcia, ist meiner Meinung nach die schönste Wohnlage,
weil sie nicht ganz im Zentrum liegt, aber dennoch alles gut zu erreichen ist. Es sind die kleinen
gemütlichen Gassen und die vielen Plazas, die der ehemals eigenständigen Stadt einen besonderes
Fler verleihen. El Born, el Barri Gòtic und el Raval bilden das Stadtzentrum und sind günstiger aber
auch etwas lauter. Eine Alternative bietet Eixample, was zwischen Zentrum und Gràcia liegt.
Barcelona ist nicht gefährlicher als andere Großstädte in Europa, aber wenn du in den frühen
Morgenstunden die Metro nach Haue nimmst, pass auf, dass du dein Handy nicht in der Hand
hältst, wenn du mal einschlafen solltest; die Diebe sind friedlich, aber warten genau auf diesen
Moment.
Von negativen Erfahrungen kann ich wirklich nicht berichten – wenn ich die Möglichkeit gehabt
hätte, wäre ich jetzt noch da! Freue dich auf eine geile Zeit!!!