16 > fokus reportage > fokus reportage > Back to the roots Neuen Schwung kann auch die Rückbesinnung bringen: Alexander Brenninkmeijer feiert mit seinem Konzept „Clemens en August“ frappierende Erfolge Die hochwertigen Stoffe werden in Österreich und Ungarn verarbeitet – nicht in den Billiglohnländern China oder Vietnam. Alexander Brenninkmeijer scheint sich zu freuen. Wie zum Gruß einer alten Bekannten hebt er die Hand und schickt ein freundliches „Komme gleich!“ durch das geöffnete Fenster des Hinterhaus-Lofts runter in den Hof, der von der Münchner Metzstraße aus kaum einsehbar ist und im irritierenden Widerspruch zum ansonsten bunten Vormittagstreiben im Stadtteil Haidhausen steht. Vier Atemzüge später öffnet er die Tür. Lächelt, bittet höflich, hereinzukommen. Der Mann würde eine ALEXANDER BRENNINK- gute Figur machen bei den Oberammergauer Passions- MEIJER spielen, als Jesus, Petrus oder Judas, schießt es einem Der Spross aus der C&A- durch den Kopf – groß, schlank, mit schmalem, Dynastie lernte das Mo- bärtigen Gesicht und streng zurückgekämmten degeschäft von der Pike kinnlangen Haaren. auf. Eine Nebenrolle im Aber der Mann bevorzugt andere Inszenierun- Konzern wollte er nicht gen. Er verkauft Mode. Mit Erfolg. Weil er Besonde- übernehmen. res für Anspruchsvolle auf den Markt bringt. Auf eine Weise, die mit dem Regelwerk der gehobenen Modewelt bricht. Keine Prêt-á-Porter-Schauen in Paris, kein Klinkenputzen bei Einzelhändlern, keine eigenen Läden, keine Anzeigen – auf all das, mit dem normalerweise in der Branche das Image einer Marke teuer erkauft wird, verzichtet Brenninkmeijer. Weil das Personal, Zeit und Geld spart. Stattdessen: Zweimal im Jahr eine Tour durch große Städte, in denen jeweils für drei Tage in ausgesuchten Galerien und Museen in Europa, New York und Tokio verkauft wird. Das geschieht zu Konditionen, die keine Preisnachlässe erfordern. Jeans und Hosen kosten rund 100 Euro, Kleider um die 300 Euro und einen guten Herren-Anzug gibt es für rund 500 Euro. Nicht billig, aber extrem preiswert für die elegant-moderne Mode comdirect > compass 04 10 04 10 comdirect > compass 17 18 > fokus reportage „Als Lehman Brothers in die Knie gingen, machten wir mit der Herbstkollektion in Berlin einen Rekordumsatz von rund 80.000 Euro in drei Tagen“. U > fokus reportage sieht als nach emsigen Arbeiten. „Urlaubszeit“, be- selben Habitus, der Souveränität und dem Selbstbe- teuert Brenninkmeijer, „und Besprechungszeit“. Mit wusstsein, mit dem er redet, zum Stift greift, seine raumgreifenden Schritten zieht er an den wichtigsten Mitarbeiter begrüßt, sie auf ihr Zuspätkommen an- Stationen dieser aufgeräumten 600-Quadratmeter- spricht oder sich dafür entschuldigt, dass er vergessen Welt vorbei: lange weiße Arbeitstische, die auf wei- hat, Kaffee, Tee oder Espresso anzubieten. Ohne großes ßem Estrichboden stehen; noch längere mit weißen Tamtam, lässig, ohne nachlässig zu sein, aufmerksam, Laken abgedeckte Kleiderstangen, die in Zweierreihen ohne aufdringlich zu sein – eben so, wie einer, der mit rechts und links die weißen Wände säumen; ein wei- den unsichtbaren Codes der traditionellen Eliten groß ßer leerer Raum zum Fotografieren; Metallregale, die geworden ist. meterweise Ideen hüten – in Musterordnern, Boxen Gut vorstellbar, dass ihm das die Türen öffnet zu und Büchern; Computertische, an denen zweimal im den ersten Adressen unter den Galerien und Museen, Jahr Mäntel, Jacken, Hosen, Blusen, Kleider und Pull- die moderne, zeitgenössische Kunst zeigen und wo er over kreiert werden, einmal für Männer, einmal für seine Kunden findet – dem Museum für Angewandte Frauen. „Ich zeige Ihnen auch noch eben den Keller.“ Kunst (MAK) in Wien etwa, der Produzentengalerie Also, wieder runter, eine Treppe, zweite Treppe, ei- in Hamburg, den Berliner Kunstwerken, der Galerie nen kurzen Blick in den ersten Raum geworfen – „da Schirn in Frankfurt oder Hauser & Wirth sowie Gale- ist unser Server drin, unser wichtigstes Werkzeug.“ Im rie Presenhuber in Zürich. „Auf diese Wertschätzung zweiten Raum – „das ist unser Lager und unser Ver- sind wir stolz. Das stützt auch unsere Marke,“ bekennt sandbereich für die Online-Bestellungen.“ Den Weg Brenninkmeijer und zeigt auf die Liste an der Wand, zurück nach oben untermauert Brenninkmeijer mit auf der die Stationen der Herbsttour aufgelistet sind. Zahlen: Jeden Tag verließen im Schnitt zehn Pakete HOCHWERTIG „Wir starten im Oktober in Wien und Zürich, dann das Hinterhaus, der Online-Verkauf mache mittlerweile Statt in Werbung in- kommt am Wochenende New York. In Holland sind wir aus hochwertigen Stoffen, die zudem in Österreich kauf, Marketing und Einkauf kennen gelernt, bevor rund 30 Prozent aus, das 14-köpfige Team solle im vestiert „Clemens en eine Woche, Rotterdam Montag bis Mittwoch, dann und Ungan und nicht in den inzwischen klassischen er in Amsterdam Betriebswirtschaft studiert und an- nächsten Jahr auf 17 wachsen. August“ in aufwändig Amsterdam Freitag, Samstag, Sonntag. Dann Deutsch- bearbeitete Stoffe land mit Berlin, Köln und anderen Großstädten.“ Schneiderländern China oder Vietnam verarbeitet wer- KRISENSICHER schließend in Düsseldorf, Brüssel und London arbei- Im Besprechungsraum wurden mittlerweile die den. Eingeladen wird zu den Veranstaltungen nur, wer Im Krisenjahr 2009 tet. 1998, mit 30 Jahren, steigt er aus, reist mit dem Stühle geräumt. Die englische Designerin, die für „ein sich auf der Homepage registriert hat. Brenninkmeijer stagnierten in großen Rucksack durch die Länder, die er bis dahin nur aus Projekt“ gebucht wurde, ist in- nennt das „Neu-Exklusivität“. Städten wie London, der Perspektive des gehetzten Geschäftsmanns kann- struiert. Brenninkmeijer sagt „Ein Clemens en August-Anzug EXPANSION WÄRE SCHÖN Die Teams vor Ort hätten einen Tag New York und Tokio die te. Als er zurückkommt, weiß er: Es ist besser, wenn „sehr schön“, und mit Blick NEUE WEGE GEHEN Verkäufe. In München, nicht andere die Richtung vorgeben, sondern er selbst. auf die Besucherin - „Schauen Sie Das macht viele Menschen neugierig, zumal der Mann Zürich und Wien hinge- Die ersten Schritte in die Selbstständigkeit wagt er mit mal, wo Sie sitzen wollen“. Ein gro- Bügel, werden in Säcken verpackt eine nicht alltägliche Geschichte zu erzählen hat und gen verzeichnete man dem Münchner Designer Kostas Murkudis, mit dem ßer ovaler Tisch, weiße Stühle drum und nummeriert per Overnight im Lkw einen geschichtsträchtigen Namen trägt: Alexander ein leichtes Wachstum. wäre im Laden dreimal so teuer.“ für Ab- und Aufbau, erzählt Brenninkmeijer. Die Sachen bleiben am er – nach allen Regeln der Branche – ein Modelabel herum, ein weißer Fußboden, weiße oder Flugzeug in die nächste Stadt ge- Brenninkmeijer ist ein Spross des Brenninkmeijer- aufbaut und dann 2004 beinahe vor dem Aus steht, Wände, weiße Decke, ein Oberlicht, bracht. Um 11 Uhr beginnt der Verkauf. Clans, der seine Wurzeln in den Niederlanden hat und weil Murkudis das Handtuch wirft. Zurück bleiben zwei durch das die Augustsonne ihre Ohne Tamtam. Ganz schlicht, ganz un- größtenteils in der Schweiz lebt. Der für mehr als 160 halbfertige, hochwertige Kollektionen, ein hervorra- Strahlen direkt auf die Tischplatte aufdringlich wird die 10. „Clemens en Jahre Erfahrung im Textilhandel steht, für Deutschlands gendes, eingespieltes Team und wenig Geld. Darauf prallen lässt, erschweren die Orien- August“-Kollektion präsentiert werden. einst größtes Textilunternehmen C&A, für einen der baut Alexander Brenninkmeijer sein neues Vertriebs- tierung. Einzig das schwarze I-Phone Wie immer. Und wenn es nach Bren- führenden europäischen Bekleidungsanbieter und ein system auf: den tourenden Concept-Store. Sein Label und der silbergraue Computermoni- ninkmeijer ginge, sollt das immer so kompliziertes Geflecht aus Firmen und Tochterfirmen, nennt er „Clemens en August“ – eine Hommage an tor an der Stirnseite des Tischovals weiter gehen. In zwei Jahren könne man das von Düsseldorf, Brüssel und dem schweizerischen seinen Ururgroßvater und dessen Bruder, die vor mehr bieten in dem flirrenden Weiß einen dann vielleicht in sechs, sieben Städten Zug aus von Familienmitgliedern gelenkt wird. Immer als 160 Jahren mit einem Handwagen voller Textilien Fixpunkt. parallel touren. „Das wäre schön“, sagt nach den Prinzipien des Familienkodexes: sehr konser- von Bauernhof zu Bauernhof tingelten. vativ, sehr katholisch und sehr verschwiegen. Brenninkmeijer platziert sich di- „Hier lang, bitte“. Immer zwei Stufen auf einmal rekt davor, schiebt seine in klassi- Alexander Brenninkmeyer hat sich dem entzogen. nehmend, geht es hoch in den ersten Stock, in die sche blaue Chinos gekleideten Beine Acht Jahre war er im Familienunternehmen, hat Ver- Kreativschmiede, wo es mehr nach Feierabend aus- entspannt unter den Tisch – mit dem comdirect > compass 04 10 04 10 comdirect > compass sich Brenninkmeijer. | 19
© Copyright 2025 ExpyDoc