„Nur Papier ist die beste Umgebung, die man unseren Schätzen

Ratgeber
„Nur Papier ist die beste Umgebung, die man
unseren Schätzen zumuten kann!“ (I)
Wolfgang Maassen und Klaus B. Bartels
Auch dieser Satz von David Beech, dem langjährigen
früheren Kurator der Philatelistischen Abteilung der British
Library, ist weithin bekannt. Er stimmt – so verkürzt wiedergegeben – ungeachtet der gelegentlichen Gegenargumente. Die Gültigkeit des Ausspruchs soll wieder einmal
nachgewiesen werden. Dazu seien einige generelle Betrachtungen zur Welt des Papieres gestattet.
Papier: Ein Ausflug in die Frühzeit und die
Theorie.
Briefe- und Briefmarkensammler sind Papier- und Altpapiersammler. Dies einmal so zu formulieren, bedeutet gleichzeitig, die damit verbundenen Probleme auch aus historischer
Sicht zu betrachten. Soweit solche in unsere Gegenwart reichen, ist zu fragen, wie man diese in Zukunft lösen kann.
Der Begriff des Schriftträgers setzt die vorherige Erfindung der Schrift verständlicherweise voraus. Als die Urväter können wohl die Sumerer angesehen werden, die ihre
Zeichen in Tontafeln drückten. Auch die Ägypter bedienten
sich irdenen Stoffes, nämlich der Wände von Tempeln und
Palästen, in die die Hieroglyphen eingemeißelt wurden. Da
Knochen eine gewisse Ähnlichkeit mit Gestein haben können, bedienten sich andere Kulturen ihrer und ritzten Zeichen
ein. Leder kannte man als Material für die Bekleidung schon
sehr früh. Der Gedanke, auf Tierhäute zu schreiben, war dann
naheliegend. Pergament dient noch heute als allein rechtmäßiges Material für die Originale britischer Gesetze – in dicken
Rollen. Es fand weite Verbreitung in ganz Europa, im Nahen
Osten und den arabischen Ländern. Als bedeutendster Nachteil erwies sich der Preis. Der verhinderte auch den Einsatz
von Metallen für ordinäre Schriften; sie gewannen allerdings
Weltruf in der uns geläufigen Form von Münzen.
Ein Ausschnitt aus einer Papyrus-Rolle.
Bildvorlage: Wikipedia/Papyrus
philatelie 470 · August 2016
Der älteste pflanzliche Schriftträger war wohl der Papyrus, das Mark der gleichnamigen Staude, die vornehmlich
im Nildelta wächst. Seine Bedeutung ist heute auf die Verwendung in der ägyptischen Souvenirindustrie geschrumpft.
Ähnlich ins wirtschaftliche Abseits gerieten auch die Palmenblätter in Indien, das Rindenpapier Amate in Mexiko,
Tapa, aus dem Bast des Papiermaulbeerbaumes in Polynesien, und manch andere, zum gleichen Zweck als Bildoder Schriftträger zu gebrauchende Stoffe. Zu den Papieren
gehören sie alle nicht, weil ihnen eine Eigenheit fehlt: Erst
die Wasserstoffbindung der Cellulosefasern untereinander
unterscheidet die Papiere von anderen Schriftträgern.
Was aus der Erfindung entstand, zeigt dieser Stapel moderner
Papiere.
Bildvorlage: Niklas Bildhauer/Wikipedia/Papier.
Der Ursprung unseres geschätzten Papieres ist in China
zu finden. Unabhängig von der sumerischen Kultur entwickelten sich dort erste Schriftformen im zweiten vorchristlichen
Jahrtausend. Beschreibstoff war Seide, weniger als Gewebe
denn als Fasergemenge mit Abfallteilchen und Kokons in
wässriger Suspension. So oder so war das Material rar und
damit teuer, sodass nach Stoffen pflanzlichen Ursprungs
gesucht wurde. Bei dem Rindenbast insbesondere des
Maulbeerbaums wurde man in der Han-Dynastie, etwa zwischen 140 und 87 v. Chr., fündig. Um das Rohmaterial zu
zerfasern und damit einen Ganzstoff zu gewinnen, wurden
die Pflanzenteile monatelang der Witterung ausgesetzt oder
aber gekocht. Eine Art Sieb, auf das bereits das Seiden23
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material geschüttet wurde, bewährte sich auch weiterhin.
Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich zwei Arten der
Blattbildung: Das „schwimmende“ Sieb, auf das der Stoff
gegossen und mit der Hand verstrichen wurde, oder das
Schöpfsieb, mittels dessen sich beim Durchschwenken der
Bütte mit dem Ganzstoff das Faservlies bildete. Im ersteren
Verfahren wurde das Sieb zum Trocknen in die Sonne oder
ans Feuer gestellt. Es mussten also viele Siebe vorhanden
sein. Das Schöpfsieb konnte auf den ebenen Boden oder
an eine Wand vom Vlies befreit werden, das dort zu Papier
trocknete. Dafür waren also nur wenige Siebe erforderlich.
Die Erfindung des Papiers blieb lange in China geheim.
Um 610 gelangte sie nach Korea und um 750 nach Japan.
Nach Arabien kam die Kunst – nach unterschiedlichen
Quellen – um 580 oder 751 nach Samarkand, um 650 oder
später weiter nach Arabien. Die Eroberer Spaniens haben
dort möglicherweise bereits 1120 Papier geschöpft. Das
erste Papier Italiens entstand 1269 oder einige Jahre früher,
1390 baute der Nürnberger Handelsherr Ulman Stromer die
Gleismühle an der Pegnitz mithilfe italienischer Papiermacher zur ersten Papiermühle Deutschlands um. Mit seinem
„püchl von meim geslechet und von abentewr“ hat er der
Papiergeschichte einen einmaligen Dienst geleistet.
Bereits im frühen Arabien wurden neben Baumwolle
Hadern (Lumpen) als Rohstoff eingesetzt. Diese mussten
einem Faulungsprozess unterworfen werden, um die textile Bindung zu lösen, wurden dann gewaschen und mittels steinerner Hämmer, die von einer wasserbetriebenen
Nockenwelle angehoben und fallengelassen wurden, einer
Art Mahlvorgang ausgesetzt. Auch der Kollergang, das Paar
tonnenschwerer, von einer senkrechten Welle gedrehter
Mühlsteine, war bereits in Arabien für die Speiseölgewinnung genutzt worden. Je nach Quelle wurde in Holland
1670, 1682 oder 1711 eine Mahleinrichtung erfunden,
deren Prinzip nach wie vor die entscheidende Phase in der
Papierherstellung darstellt: Der Holländer ist eine ovale
Wanne, gefliest oder aus Gusseisen, mittig geteilt, sodass
ein Rundlauf entsteht, in dem eine mit Messern bestückte
Walze gegen ein ebenso bestücktes konkaves Grundwerk
eine Mahlwirkung erzielt und dabei den Rundumfluss in
Gang hält. Hier entsteht der „Ganzstoff“, wie er für das
gewünschte Endprodukt sein muss: Wird die Messerwalze
hart auf das Grundwerk gesetzt, wird die Faser zerschnitten, gekürzt, bleibt aber in ihrer röhrenförmigen Struktur
erhalten: Extremfall des „röschen“ Stoffes: Löschpapier.
Kratzt hingegen die Messerwalze nur über das Grundwerk,
wird die Faserstruktur zerstört. Extrem des „schmierigen“
Stoffes ist das Transparentzeichenpapier. Der Zustand des
gemahlenen Stoffes, der Mahlgrad, wird zahlenmäßig in
Grad Schopper-Riegler gemessen und gilt für dieses Papier
stets. Dem Holländer werden überdies je nach der zu fertigenden Qualität Leim, Farbstoffe, Stärke, Schaumtöter und
andere Chemikalien zugesetzt. Das Prinzip des Holländers
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gilt weiterhin, allerdings nun in Form eines kontinuierlichen
Mahlvorganges in hintereinander installierten Kegelmühlen
innerhalb eines Rohrleitungssystems.
Ein Lumpensammler in Paris 1899. Lumpen (Hadern) waren
gefragt und teuer. Bildvorlage: Wikipedia/Hadern
Der Preis des Papiers war noch bis in das 19. Jahrhundert im Wesentlichen vom Preis der knappen Hadern
abhängig. Die Erfindung der Papiermaschine 1798/99
durch den Franzosen Nicolas-Louis Robert änderte daran
wenig, ungeachtet ständiger Weiterentwicklung der Langsiebtechnik durch englische Erfinder, insbesondere Bryan
Donkin. Jede seiner Maschinen war fortschrittlicher als die
vorhergegangene. Für Jahrzehnte besaß er faktisch eine Art
Monopol, obwohl sich allenthalben Mechaniker an dem Bau
von Papiermaschinen versuchten. Die Papierqualität Donkinscher Maschinen blieb fünfzig Jahre
lang Spitze. Der Rohstoffeinsatz allerdings änderte
sich grundlegend.
Der deutsche Webermeister Friedrich Gottlob
Keller aus Kühnheide in
Sachsen (sein Geburtstag
jährt sich in diesem Jahr
Friedrich Gottlob Keller (Foto um 1893, Vorlage: wikipedia)
philatelie 470 · August 2016
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zum 200. Mal) erfand den Holzschliff. Ein Gerücht besagt,
er habe Kirschkerne geschliffen, um seinen Kindern Ketten
zu basteln. Dabei sei ihm aufgefallen, dass der Abschliff
in Form von Papierblättern trocknete. Er unternahm daraufhin Versuche mit Holz und erwarb 1844 das Patent für
das Verfahren. Der Papierfabrikant Voelter aus Heidenheim
erkannte früh die Bedeutung der Erfindung und überzeugte
seinen Freund, den Maschinenbauer Voith, der alsbald
industriell nutzbare Schleifmaschinen fertigte. Nun gab
es Papierrohstoff zu günstigsten Preisen in unbegrenzter
Menge. Das Schöpfen aus der Bütte war der Leistungsfähigkeit von Papiermaschinen nicht gewachsen und wurde
innerhalb weniger Jahre zu einer Randerscheinung. Schon
Voelter hatte erkannt, dass das ausschließlich aus Schliff
hergestellte Papier keine ausreichende Festigkeit besaß und
verarbeitete eine Mischung aus Holzschliff und Hadern.
Nur wenige Jahre vergingen, bis es den ersten Chemikern gelang, durch das Kochen von Holzschnitzeln mit
unterschiedlichen Chemikalien Zellstoff herzustellen. Dabei
wird insbesondere das Lignin, die Gerüstsubstanz des Holzes, ebenso entfernt wie Eiweiße, Salze und andere Beimengungen. Die Celluloseausbeute liegt dann bei etwa
50 Prozent. Das älteste ist das Natronverfahren, 1851 von
Watt und Burges erfunden. 1858 fand Tilghman das Prinzip
des Sulfitverfahrens, das durch Ekman und Fry und besonders den Darmstädter Mitscherlich ab 1877 perfektioniert
wurde. Der letzte große Durchbruch gelang 1884 Dahl,
dessen Sulfatzellstoff, heute gemeinhin als Natronzellstoff
bezeichnet, den Aufschluss von Nadelholz ermöglichte. Das
ist die heute überwiegend angewandte Technik, seit es möglich wurde, den Stoff zu bleichen. Holzhaltiges Papier, also
solches mit einem Anteil Schliff, verholzter Fasern, wurde
für billige Produkte auch weiterhin eingesetzt – Zeitungen,
Zeitschriften, zweitrangige Bücher. Alle diese Papiere vergilbten schon nach kurzer Zeit; holzfreie, also ausschließlich
aus gebleichtem Zellstoff, sogar unter Zusatz von Hadern,
hergestellte Spitzenqualitäten blieben schön weiß und fest.
Jede Technik hat ihre Licht- und Schattenseiten. Da
die Cellulosefaser eine Art Schlauchstruktur besitzt, ist das
Papier saugfähig, mit Tusche oder Tinte nicht beschreibbar.
Es muss geleimt werden. Also wurde das fertige, trockene
Papier durch ein Bad tierischen Leimes gezogen und nochmals getrocknet. Moritz Friedrich Illig, Spross einer weit verzweigten Papiermacherdynastie, fand bei Versuchen in der
elterlichen Papiermühle heraus, dass pflanzliche Leimstoffe,
Harze, allein nicht auf der Faser haften, wohl aber in einem
sauren Medium. Dafür erwies sich Alaun als Mittel der Wahl.
Seine Erfindung hielt er in einem schmalen Buch fest, das
sein Bruder in aller Welt verbreitete. Die Leimung „im Stoff“
wurde alsbald das Standardverfahren, leicht zu praktizieren
und erhebliche Kosten sparend. Der Pferdefuß wurde erst
spät erkannt: Das Doppelsalz Alaun neigt dazu, durch den
Einfluss von Feuchtigkeit, die mit etwa 5 Prozent im Papier
philatelie 470 · August 2016
die Elastizität bewahrt, Schwefelsäure abzuspalten. Die wiederum zerfrisst das Cellulosemolekül. Mit gewaltigem Aufwand ist man heute bemüht, wichtige Dokumente ebenso
zu retten wie kostbare Bücher. Einige wenige Meister beherrschen die Kunst, selbst dünnes Papier zu spalten. Das wird
dann im Inneren mit basischem Nebel besprüht, ein Blatt
rein basisch hergestellten Papieres von 2 g/qm – heute in
Japan sogar noch unterboten mit 1,5 g/qm – eingefügt und
wieder zusammengepresst. Die Arbeit muss binnen weniger
Minuten durchgeführt werde, da der rein pflanzliche Klebstoff anfangs große Klebkraft für das Spalten entwickeln
muss und dann alsbald zerfällt. Bücher werden in Großanlagen in Leipzig und Mainz hängend durch mit basischem
Nebel befüllte Kammern transportiert, durch Luftstrom
von unten aufgeblättert und wieder getrocknet. Millionen
von Büchern wurden so schon gerettet. Moritz Friedrich
Illig überließ übrigens das Papiermachen seinem Bruder,
erlernte das Uhrmacherhandwerk und wurde in Deutschland, speziell Hessen, durch seine meisterhaften Uhren in
Schlössern und Museen berühmter als in der weiten Welt als
Erfinder der Leimung im Stoff.
Ganz anders zeigte sich erst hundert Jahre nach der
Erfindung des Holzschliffs, dass das darin enthaltende Lignin nicht altersbeständig ist, sondern im Laufe relativ kurzer
Zeit brüchig bis zur Zerstörung des Papiers wird. Und kein
Kraut ist dagegen gewachsen. Da wir nun schon das Thema
Alterung beleuchten, muss noch eine weitere Qualitätsverschlechterung genannt werden: Jeder weiß, dass unsere
graphischen Papiere, also die zum Beschreiben und Bedrucken bestimmten, seit Jahrzehnten ein sehr viel helleres
Weiß aufweisen als gleichartige Sorten aus der Vorkriegszeit.
Und auch die wurden wiederum nach 1789 weißer als ihre
Vorläufer, nachdem Scheele und Graf Berthollet das Chlor
als Bleichmittel entdeckt hatten. Wegen der Zerstörungsgefahr durch Chlor und die Umweltbelastung ist die Chemikalie schon längst durch die Sauerstoffbleiche ersetzt worden.
Nun kam noch die optische Aufhellung hinzu, ermöglicht
durch die Erfindung von Stoffen, z. B. Blankophor, die einfallendes ultraviolettes Licht als violettes zurückstrahlen,
was sich dem Betrachter als eine hohe Weiße darbietet. So
schön hochweißes Papier auch aussieht – nach etwa hundert Jahren ist es damit vorbei. Die Chemikalie zerfällt, das
Papier erscheint grau oder gelblich. Papier aber, das mit
größtmöglicher Sorgfalt hergestellt und gebleicht wurde,
behält sein schönes Aussehen über die Jahrhunderte. Deshalb gerät der wahre Papierliebhaber ins Schwärmen, wenn
ihm ein solches „naturweißes“ Papier unterkommt. Das verwendet, rein aus Hadern gefertigt, beispielweise unser Bundespräsident, zumindest etwa für Glückwunschschreiben
zur Diamantenen Hochzeit.
Fortsetzung folgt
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Sammelgebiet Thematik
Jeder Beleg
Eine Serie über philatelistische Fundstücke
aus den 1-Euro-Messekartons [39]
Wolfgang Baldus
Die Wartburg nahe dem
thüringischen
Eisenach
gehört zu den bekanntesten
Burgen Deutschlands, deshalb gab und gibt es natürlich auch viele von Ansichtskarten von ihr. So kam auch
der Eisenwarenhändler Karl
Schniz aus Eisenach schon
Anfang des 20.Jahrhunderts auf die Idee, sich die
Bekanntheit der Burg für
seine Geschäfte zunutze zu
machen. Er suchte sich ein
paar schöne, bereits existierende Kartenmotive von
Burg und Umgebung und
druckte auf den Bildseiten einen Textzusatz neben
die Legenden. Anstatt des
schlicht erklärenden „Wartburg Eisenach“ hieß es jetzt
„Wartburg Eisenach „Illustria“ allen voran!“ Diese Zeile
ist zunächst allerdings völlig
unverständlich solange man
die Karte nicht umdreht,
und genau das wollte Herr Schniz mit dem Textzusatz erreichen. Denn auf der Adressseite kann man den Werbeeindruck lesen: „Illustria-Fahrräder sind zuverlässig, leichtlaufend und billig. Verlangen Sie unseren Hauptkatalog, den Sie
kostenlos erhalten.“ Um Fahrräder ging es also. Die Leute,
die mit dem Fahrrad zur Wartburg hinauffuhren, sollten
„Illustria“-Fahrräder benutzen, denn nur mit diesen wären sie
„allen voran“. Oder war das anders gemeint? Welchen Bezug
zur Burg könnte der Slogan „Illustria allen voran“ auf der
Bildseite noch gehabt haben? So genau scheint Herr Schniz
das offenbar auch nicht gewusst zu haben. Ähnlich unklar
ist auch der Text auf dem abgebildeten Exemplar aus dem
Jahr 1915. Frau Mina Strauß aus Wildenstein bei Crailsheim
schrieb am 10. September 1915 an ihre Schwester „Fräulein Babette Strauß, bei Herrn Scheele in Schönbronn, Post
Philatelie und Postgeschichte 391 · philatelie 470 · August 2016
Unterdeufstetten,
Ellwangen“ folgende Nachricht:
„Liebe Schwester. Sage zur
Frau Hafel sie kann in Wildenstein bei Sänger Erdöl
haben. Aber Sie muß sonst
noch was kaufen. Sie kann
vielleicht bis Sonntag in die
Kirche nach Wildenstein
kommen.“ Zunächst muss
man wissen, dass Wildenstein höchstens ein paar
Hundert Einwohner hat
und etwa 260 km von der
Wartburg entfernt in Württemberg liegt. Es ist also
schon mal ungewöhnlich,
dass Frau Mina Strauß eine
thüringische Ansichtskarte
benutzt hat. Und dann:
Erdöl! Wieviel Erdöl hat Frau
Hafel wohl gebraucht? Ein
Fass? Oder nur ein Kännchen? Und wozu? Wie hat
sie das Öl transportiert?
Und was konnte man beim
Ölhändler Sänger „sonst
noch“ kaufen? Ein Säckchen Kohlen vielleicht? „Bis Sonntag“ sollte die gute Frau in die Kirche von Wildenstein kommen. Vielleicht gar mit dem Erdöl? Fragen über Fragen. Ich
stelle mir also Frau Hafel vor, wie sie nach tagelanger Fahrt
auf einem „Illustria“-Fahrrad, das sie beim Fahrradhändler
Schniz in Eisenach erstanden hat, von der 260 km entfernten Wartburg kommend beim Ölhändler Sänger in Wildenstein vorbeifährt, ein Fässchen Erdöl und „sonst noch was“
kauft, alles auf ihr Fahrrad packt und zur Kirche in Wildenstein radelt, wo sie auf Fräulein Mina Strauß trifft, um… ja
was nun? War vielleicht doch alles ganz anders? Wenigstens
den Stempel auf der Karte konnte ich entschlüsseln: Dort
steht „Wildenstein O.A. Crailsheim“ mit zwei Punkten hinter
O und A. OA heißt „Oberamt“, doch wozu die Punkte? „Ober.
Amt.“?? Warum muss nur alles immer so rätselhaft sein?
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