Himmel und Erde Montag bis Freitag, 9.15 Uhr (NDR 1 Niedersachsen) 25. - 29. Juli 2016 - Mit dem Mähroboter in den Weltraum Autor: Friedhelm Meiners, Pastor in Braunschweig Abgehoben und dennoch mit beiden Füßen im Leben. So geht es derzeit Friedhelm Meiners, denn er ist jetzt Opa. Wenn er seine Enkelin anschaut, dann hebt er ab wie ein Astronaut. Davon erzählt der Braunschweiger Pastor bei „Himmel und Erde“ auf NDR1 Niedersachsen. Und von Rasenmährobotern, Kirchturmuhren und Langschläfern. Redaktion: Oliver Vorwald Evangelische Kirche im NDR Redaktion Hannover Knochenhauerstr. 38-40, 30159 Hannover Tel. (0511) 32 76 21 www.ndr.de/kirche Der Autor Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des Empfängers benutzt werden. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung der Ev. Kirche im NDR zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR. Montag, 25. Juli 2016 – Lehrt einander mit Liedern Martin Luther hat gesagt: „Musik muss in der Schule Pflichtfach werden!“ Ist das wirklich so? Kann man mit Liedern jemandem etwas beibringen? Wenn das damals mein Mathelehrer gehört hätte – er hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. „Musik ist etwas zur Entspannung, für die Freizeit“ hätte er gesagt. „Mit Musik kannst du Kraft tanken für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Aber Menschen mit Liedern etwas lehren? So ein Unsinn!“ Und so ist es bis heute: Musik ist in der Schule ein Nebenfach. Wenn es ausfällt, ist das nicht so schlimm. Dabei ist es doch sonnenklar! Es springt ins Auge! Wir lernen durch Lieder! Ich bin gerade Großvater geworden. Ich sehe meinen Sohn mit Ada, meiner Enkeltochter durch die Wohnung laufen. Er wiegt sie im Arm und singt: „Weißt du wieviel Sternlein stehen.“ Alles ist gut. Sie ruht in seinen Armen. Bis er stehen bleibt. Und aufhört zu singen. Dann schreit sie wieder aus Leibeskräften. Er singt weiter: „Kennt auch dich und hat dich lieb.“ Und meine Enkelin schläft selig wieder ein. Mit diesem alten Abendlied lehrt mein Sohn seine Tochter das Allerwichtigste, bevor sie überhaupt sprechen kann: „Es ist gut auf dieser Welt. Wir freuen uns so, dass du da bist!“ Er lehrt sie die Melodie des Lebens. Und sie will sie hören und sie will sie spüren: „Wiege mich in diese Welt. Wiege mich in den unsichtbaren Armen der Musik.“ Musik führt dich zurück in die Liebe Gottes. Erinnert dich daran: Alles ist gut. Du bist geborgen. Die Musik, das Lied, ist größer als dein Geschrei. Ja, Martin Luther hat Recht! Der erste und wichtigste Lehrer der Liebe ist die Musik. Und nichts, wirklich nichts hält so lange wie die Musik unserer Kindheit. Wenn wir alt werden, mögen wir vieles vergessen – aber niemals die Lieder unserer Kindheit. Lehrt einander in aller Weisheit – mit Liedern. Ja, fangen wir damit an, wenn unsere Kinder klein sind – und hören wir nie damit auf. Dienstag, 26. Juli 2016 - Der Rasenroboter Der Rasenmähroboter stoppt vor meinen Füßen, dreht sich um die eigene Achse und holpert quer über unseren Sportplatz. Ich schaue ihm eine Weile zu. Und staune: Ich dachte immer, die Dinger arbeiten systematisch, Bahn für Bahn. Aber so ist das ist gar nicht. So geht es weiter: Der Rasenroboter brummt chaotisch kreuz und quer über den Platz. „Wie kriegt das Teil den Rasen ohne System so kurz?“ frage ich mich. Ich muss an meinen Tageslauf denken. Der ist oft genug genau so wie der Weg vom Rasenroboter: Morgens, bevor es losgeht, mache ich immer erst mal einen Plan: „Als erstes beantwortest du deine Emails. Dann räumst du deinen Schreibtisch auf und dann ... In dem Moment klingelt das Telefon – und mein ganzer schöner Plan ist über den Haufen geworfen. Ab jetzt laufe ich kreuz und quer durch meinen Tag, wie so ein Rasenroboter, laufe in Sackgassen, mache Kehrt, stundenlang. Wenn ich dann endlich Feierabend habe, denke ich oft: „O Mann! War das ein Chaos! Hast heute wieder überhaupt nichts geschafft.“ Aber das stimmt nicht. Ich habe nur das nicht geschafft, was ich mir vorgenommen hatte. Mein schöner Plan hat nicht funktioniert. Unsere Fußballer sagen übrigens, „Wir hatten noch nie so einen gepflegten Rasen wie mit diesem Mähroboter.“ Das ist mir ein Rätsel! „Wie kann das funktionieren, dass bei diesem Ding, das acht Stunden am Tag planlos über das halbe Hektar Grün holpert so ein super Ergebnis herauskommt? Wie kommen die Ingenieure bloß auf so eine Idee?“ Also, ich habe nachgelesen. Die Entwickler sagen: „ Das war ganz einfach! Wir haben uns das bei den Schafen abgeguckt. Die laufen auch nicht in Reih und Glied über die Wiese, sie knabbern mal hier und mal da. Aber am Ende ist die Wiese kurz.“ Seit ich das weiß, muss ich schmunzeln, wenn ich den Mähroboter sehe: Im Grunde ist es ja genau das, was Jesus uns immer wieder rät: Sorge dich nicht, was der Tag bringen wird. Lass dich ruhig ablenken! Bleib einfach mal stehen! Staune über die Lilien auf dem Felde. Sie sind so schön! Und wirf alle deine Pläne sofort über den Haufen, wenn ein Mensch deine Hilfe braucht – so wie der barmherzige Samariter. Pläne sind gut. Aber ein sattes, buntes, reiches Leben wirst du nur haben, wenn du dich auch mal um die eigene Achse drehst, kreuz und quer durch den Tag holperst. Mittwoch, 27. Juli - Die Kirchturmuhr Jennifer ist schlau. Sie klemmt ihren Scheitel immer hinters linke Ohr, trägt eine kluge Brille wie man sie gerade so trägt, liest anspruchsvolle Bücher und kommt immer pünktlich zum Konfirmandenunterricht. Und sie stellt kluge Fragen. Neulich hat sie mich gefragt. „Warum sind an so vielen Kirchtürmen Uhren?“ „Das hat einen guten Grund“ habe ich ihr geantwortet. Die Kirchen stehen meistens mitten im Ort, oft am Marktplatz. Man kann sie von überall sehen und vor allem hören. Die Menschen hatten früher noch keine Armanduhren. Aber so wusste trotzdem jeder im Ort, wie spät es ist. Die Kirchturmuhren waren nicht besonders genau. Ob es nun in Braunschweig zehn Minuten früher oder später war als in Hannover – was spielte das für eine Rolle? Jeder Ort hatte seinen eigenen Rhythmus. „Cool!“ meinte Jennifer. „Warum ist das heute nicht mehr so?“ Das wurde anders mit der Erfindung der Eisenbahn. Die Orte rückten näher zusammen, man kam schnell von A nach B. Jetzt brauchte man eine genauere Zeit, eine, die für alle Orte galt. Und nach und nach wurde aus dem Zeitrhythmus der Takt: immer gleichmäßiger und immer genauer. „Und jetzt ist Pünktlichkeit eine Tugend“ habe ich Jennifer erklärt. „Es ist ganz wichtig, dass man nicht zu spät kommt..“ Jennifer schüttelt den Kopf. „Also das ist bei uns nicht mehr so schlimm,“ sagt sie. „Ich habe ja schließlich mein Handy dabei. Wenn es später wird, schick ich meiner Freundin eine SMS und fertig.“ „Aber wenn ich Sonntag Abend den Tatort kucken will, dann muss ich immer noch absolut pünktlich sein,“ kontere ich, „sonst verpasse ich den Anfang!“ „Aber Herr Pastor!“ sagt Jennifer und lächelt „haben Sie noch nie was von der Mediathek gehört? Im Internet können Sie Ihren Tatort gucken wann sie wollen!“ Jennifer hat Recht. Es ist ja wirklich so: Unsere Generation war genau getaktet. Morgens pünktlich am Zug abends pünktlichst vor der Tagesschau, immer auf die Minute genau! Pünktlichkeit war eine große Tugend: „Wer nicht pünktlich ist, verpasst das Leben!“ Das ändert sich gerade. Wie wird das weitergehen? Bin ich bald nur noch fremdbestimmt? Oder kann ich wieder stärker meinem eigenen Rhythmus folgen, schauen, was jetzt gerade für mich dran ist? Ich bin gespannt. Aber eins gilt nach wie vor: Wenn du Gott zum Lachen bringen willst – erzähl ihm von deinen Plänen. Donnerstag, 28. Juli 2016 - Ich gönne mir das Artischocken gebacken, Tomatensugo, Pamesan... Die Speisekarte klingt fantastisch. Aber die Preise sind es auch, soll ich wirklich...? Da weht vom Nachbartisch ein Gesprächsfetzen herüber: „Ich schlafe jede Nacht acht Stunden,“ sagt jemand. „Brauchst du das?“ fragt sein Gesprächspartner mit ernster Stimme. „Nö“ ist die fröhliche Antwort, „ich gönne mir das!“ „Wie schön!“ denke ich, „das habe ich ja lange nicht mehr gehört! Einer, der sich was gönnt, einfach so. Mir begegnet oft genau das Gegenteil: Alles was der Mensch tut, ist ungeheuer sinnvoll. Und alles ist medizinisch oder sportwissenschaftlich abgesichert. Sonst geht gar nichts. Im Moment sind Fitnessarmbänder sehr in Mode. Du kannst ganzen Tag kontrollieren, wie viele Schritte du gehst, wie viele Kalorien du verbrennst, wie hoch dein Puls ist. Aber das ist noch nicht alles. Du kannst das Ding auch nachts tragen. Und wenn du dann wirklich mal acht Stunden schläfst, kannst du das fein begründen: „Weißt du, ich brauche das, weil meine Tiefschlafphase ist viel zu kurz.“ Aber will ich das? Will ich wirklich so leben? Klar, manchmal schlafe ich schlecht. Aber das spüre ich morgens auch so, dafür brauche ich kein Messgerät. Sicher, es kann sinnvoll sein, genauen Regeln und Gesetzen zu folgen: Mönche halten einen genauen Tagesablauf ein, mit festen Zeiten für die Arbeit und fürs Gebet. Künstler geben für ihre Musik alles, üben jeden Tag stundenlang. Junge Sportler leben absolut asketisch. Wenn wir ein Ziel haben, dann müssen wir das auch verfolgen. Sonst bleibt es ein Traum. Das ist sinnvoll, doch es nicht der Sinn des Lebens. Ich brauche auch das andere, ich brauche auch den freien Blick zum Himmel, dieses Gefühl: Das Leben ist schön! Einfach so! Du musst es dir nicht verdienen. „Ich gönn mir das!“ hat der Mann am Nachbartisch gesagt. Recht hat er. Ich schaue noch mal in die Speisekarte: Ahrenhorster Edelwaller, glasiert, an chinesischem Blätterkohl… Lecker! Das gönn ich mir jetzt. Einfach mal so. Freitag, 29. Juli 2016 - Der Astronaut Im Radio höre ich zurzeit am liebsten ein Lied Andreas Bourani: „Der Astronaut.“ Bouranis Lied „Ein hoch auf uns“ macht ja schon gute Laune, aber der „Astronaut“ hat Tiefgang. Da steckt alles drin: die Freude an der Schönheit unserer Welt und die Klage über ihren Zustand. Das Lied nimmt uns mit ins Weltall: „Im Dunkel der Nacht, hier oben ist alles so friedlich, doch da unten geht’s ab, / Wir alle tragen dazu bei, doch brechen unter der Last, / Wir hoffen auf Gott, doch haben das Wunder verpasst.“ Ja, manchmal ist es zum Verzweifeln. Ich muss aufpassen, dass ich nicht verbittere. Aber ich weiß genau: ich halte das nur aus, ich kann nur etwas ändern, wenn ich auch die Schönheit dieser Welt noch sehe: Der Astronaut Rusty Schweickart erzählt: „Es ist unbeschreiblich. Du schaust aus dem Fenster und siehst das alles an dir vorüberziehen: Kalifornien, Florida… Und plötzlich fällt es dir wie Schuppen von den Augen. Dir wird klar: Seit deiner Schulzeit hast die Erde immer mit Linien gesehen. Auf den Landkarten sind immer Linien! Doch von da oben siehst du: Diese Grenzen gibt es gar nicht! Sie sind nichts als eine Einbildung von uns Menschen.“ Tja, so ist das, wenn man den Blickwinkel Gottes einnimmt. Dann sieht die Welt anders aus. Dir wird klar: Wir Menschen gehören alle zusammen, wir sind Kinder der Schöpfung. Ich würde ja auch mal gerne von oben auf die Erde blicken, wie der Astronaut von Andreas Bourani. Aber in den Weltraum werde ich wohl nicht mehr kommen. Schade. Auf der anderen Seite ist das auch ganz egal. Ich muss nämlich gar nicht so weit weg. Die grenzenlos Schönheit dieser Welt liegt vor mir, direkt vor meinen Augen. Ich muss nur hinschauen. Ich bin seit Kurzem stolzer Opa, meine Enkeltochter heißt Ada. Sie ist heute genau fünf Monate alt. Und wenn die mich anlächelt, dann ist es passiert! Dann geht es mir genauso wie dem Astronauten von Sido und Andreas Bourani: Ich heb ab. Nichts hält mich am Boden...
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