Fata Morgana STRINGER IRAQ/REUTERS Der britische Fernsehjournalist Paul Mason konstatiert in seinem Buch »Postkapitalismus« nicht ohne Begeisterung: Diese Wirtschafts ordnung steht kurz vor ihrem Ende. Das darf bezweifelt werden. Von Georg Fülberth SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · DIENSTAG, 19. JULI 2016 · NR. 166 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Mit System Ohne Talent Mit Hindernissen Ohne Schnörkel 3 4 6 10 Den Ausbau der Beziehungen zu Kirgi- Illegale Teilräumung der Rigaer Straße stan verknüpft Berlin mit strateund weiteres: Berlins Innensenagischen Zielen. Von Jörg Kronauer tor immer stärker unter Druck Tausende Venezolaner wollten sich am Herrlich gestisch und plausibel: Bachs Wochenende in Kolumbien verCembalokonzerte, interpretiert sorgen. Von Modaira Rubio von Andreas Staier Erdogan rechnet ab NATO-Manöver im Schwarzen Meer Odessa/Moskau. Vor der Küste der Ukraine hat am Montag im Schwarzen Meer das von den USA geführte Marinemanöver »Sea Breeze« (Seebrise) begonnen. Bis zum 30. Juli nehmen mehr als 4.000 Soldaten mit etwa 25 Schiffen aus der Ukraine sowie aus den NATO-Staaten USA, Rumänien und Türkei teil. Zum Einsatz kommen ebenfalls rund 20 Flugzeuge und Hubschrauber sowie etwa 140 Fahrzeuge, darunter Panzer. In den Regionen Odessa und Mikolajiw werden 700 Marineinfanteristen Landungsoperationen trainieren. »Solche Übungen destabilisieren die Lage«, sagte der russische Parlamentarier Andrej Krassow vom Verteidigungsausschuss in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Kritik kam auch von Außenminister Sergej Lawrow. (dpa/jW) Nach dem Putschversuch säubert Ankara den Staatsapparat von Gegnern. »Professionelles Miteinander« türkischer und deutscher Militärs in Incirlik. Von André Scheer N Erdogan-Anhänger fordern am Sonntag in Ankara den Tod des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen, der vom Regime für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird Berichte über Angriffe von ErdoganAnhängern auf die Büros von Oppositionsparteien gegeben. Die europäischen »Partner« Ankaras reagierten mit Worten. Das Vorgehen der türkischen Regierung mache ihn sehr besorgt, sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn am Montag in Brüssel. Dass die Listen für Verhaftungen direkt nach dem Putsch verfügbar gewesen seien, »weist darauf hin, dass es vorbereitet war und sie zu einem bestimmten Zeitpunkt genutzt werden sollten«. Rechtsstaatlichkeit und demokratische Grundsätze müssten eingehalten werden, forderte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. »Lassen Sie mich sehr klar sein: Kein Land kann ein EU-Staat werden, wenn es die Todesstrafe einführt.« Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault warnte vor einer »autoritären Herrschaft«, sein österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz vor einem »Freibrief für Willkür«. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte von Ankara, die »Verhältnismäßigkeit« zu beachten. Ernsthafte Konsequenzen will man in Brüssel und Berlin jedoch nicht ziehen. Die Türkei bleibe ein »wichtiger Partner« im Wirtschaftsbereich und in der »Flüchtlingskrise«, erklärte der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU). Die EU-Kommission hält auch am Flüchtlingsabkommen mit der Türkei fest. Man hoffe, dass die Regierung in Ankara ihre Zusagen genauso wie die EU weiter umsetze, hieß es in Brüssel. Auch im Krieg lassen sich NATO und EU nicht stören. Die Operationen der »Tornados« der Bundeswehr vom Stützpunkt Incirlik gingen ungestört weiter, sagte die Sprecherin des Einsatzführungskommandos, Christiane Perthel. »Die Zusammenarbeit gestaltet sich ganz professionell und problemlos. Die deutsch-türkischen Militärbeziehungen laufen weiter auf guter Basis. Das ist ein hohes professionelles Miteinander.« Siehe Seiten 7 und 8 Russischer Staat steuert angeblich Doping Untersuchungsbericht in Toronto vorgelegt. Forderungen nach Ausschluss von Spielen in Rio D rei Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele von Rio de Janeiro werfen Ermittler der Weltantidopingagentur WADA Russland staatlich gesteuertes Doping vor. WADA-Chefermittler Richard McLaren legte am Montag in Toronto einen 97seitigen Untersuchungsbericht vor, in dem nach seinen Worten zahlreiche gravierende Belege für die Verwicklung staatlicher Stellen in Sportbetrug aufgeführt werden. So sei etwa das russische Sportministerium involviert. Im Moskauer Antidopinglabor seien über Jahre hinweg po- sitive Proben verschwunden, um gedopte russische Athleten zu schützen. McLaren behauptete, das russische Sportministerium habe die Manipulationen »geleitet, kontrolliert und überwacht«. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB und das Trainingszentrum der russischen Athleten, CSP, seien aktiv beteiligt gewesen. Nun seien Tausende Daten und Dokumente ausgewertet und gelöschte Dateien wiederhergestellt worden. Eine Empfehlung der WADA-Ermittler für Sanktionen gab McLaren nicht. Bereits vor der Veröffentlichung des Berichts hatten die Antidopingagenturen der USA und Kanadas gefordert, Russland von den Olympischen Spielen auszuschließen. Unterstützung kam dafür auch von der deutschen Agentur NADA. Deren Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann bekräftigte am Montag: »Die NADA fordert das IOC auf, dafür zu sorgen, dass russische Sportlerinnen und Sportler nicht zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro zugelassen werden«. Der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, hatte jedoch vorab erklärt: »Jeder, der nicht involviert war, kann nicht für das Fehlverhalten anderer bestraft werden.» Ähnlich hatte sich der Weltturnverband FIG geäußert. Der russische Eiskunstlauf-Olympiasieger Jewgeni Pljuschtschenko betonte am Montag gegenüber TASS, die Vorwürfe zu staatlich gesteuertem Doping bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi seien unwahr. »Ich habe niemals etwa irgendwelche Zweitlabors gesehen. Immer hat mich eine weitere Person überwacht, wenn ich Dopingproben abgegeben habe.« (dpa/jW) OLIVIER HOSLET/DPA-BILDFUNK Linke klagt in Karlsruhe gegen CETA REUTERS/BAZ RATNER ach dem Putschversuch vom vergangenen Freitag nutzt die türkische Regierung die Gunst der Stunde, um endgültig den gesamten Staatsapparat unter ihre Kontrolle zu bringen. Wie Ministerpräsident Binali Yildirim am Montag im staatlichen Fernsehen TRT sagte, wurden bislang mehr als 7.500 Personen im Zusammenhang mit der Revolte inhaftiert. Festgenommen wurden unter anderem zwei Verfassungsrichter, sechs Richter des Kassationsgerichts und 18 des Obersten Gerichtshofes. Die kurdische Nachrichtenagentur ANF veröffentlichte eine Liste mit den Namen hochrangiger Militärs, die als Putschisten inhaftiert worden seien. Unter ihnen seien mehrere Befehlshaber, die Operationen der türkischen Streitkräfte in den kurdischen Gebieten geführt hätten. »Der Zerfall des türkischen Staates schreitet voran«, frohlockte die Agentur deshalb. Mehr als 13.000 Staatsangestellte wurden ihrer Ämter enthoben, unter ihnen 30 Provinzgouverneure. Führende Vertreter des Regimes propagieren eine Wiedereinführung der Todesstrafe – weil dies von »der Bevölkerung« verlangt werde. Diese Forderung dürfe »nicht übersehen werden«, erklärte Staatschef Recep Tayyip Erdogan in TRT. In Demokratien entscheide das Volk. Am Montag berichtete der Fernsehsender NTV, dass der Vizebürgermeister des Bezirks Sisli in Istanbul bei einem Attentat schwer verletzt worden sei. Unbekannte seien in das Büro von Cemil Candas, der Mitglied der kemalistischen Oppositionspartei CHP ist, eingedrungen und hätten ihm in den Kopf geschossen. Am Nachmittag meldeten türkische Medien, Candas sei seinen Verletzungen erlegen. Schon am Wochenende hatte es zahlreiche Berlin. Die Linke im Bundestag hat vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Klage gegen das EU-Handelsabkommen mit Kanada (CETA) eingereicht. »Es ist ein Armutszeugnis für die jahrelangen Verhandlungen zum CETA-Abkommen, dass das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig ist, weil es Demokratie-, Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzipien verletzt«, sagte der stellvertretende Frak tionsvorsitzende Klaus Ernst am Montag nach Angaben seiner Partei. CETA schränkt nach Ansicht der Linkspartei nicht nur Menschenrechte ein, sondern auch die Möglichkeiten des Umwelt- und Klimaschutzes sowie die Rechte der Verbraucher und lohnabhängig Beschäftigten. Das bereits ausgehandelte, aber noch nicht beschlossene Abkommen gilt als Blaupause für das ebenfalls geplante »Freihandelsabkommen« mit den USA (TTIP). (dpa/jW) wird herausgegeben von 1.862 Genossinnen und Genossen (Stand 4.7.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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