Elisabeth Bronfen. Mad Men. Zürich: diaphanes, 2016. 160 S. (broschiert), ISBN 978-3-03734-486-6. Reviewed by Anette Kaufmann Published on H-Soz-u-Kult (July, 2016) E. Bronfen: Mad Men Elisabeth Bronfens Monographie über die AMCFernsehserie MAD MEN Sieben Staffeln mit insgesamt 92 Episoden, Erstausstrahlung in den USA: 19.07.2007– 17.05.2015. ist 2016 im Verlag diaphanes erschienen. Unter dem Titel “Mad Men, Death and the American Dream” ist das Buch auch in englischer Sprache erhältlich. In bisher 14 Bänden widmen sich in der Reihe book” let“ Kulturwissenschaftler, Publizisten und mit Dominik Graf auch ein Regisseur der Analyse amerikanischer Quality-TV-Serien. Man wolle nachliefern, was ” in den DVD-Boxen fehlt: Lektüren zur Serie“ Diaphanes: booklet, <http://www.diaphanes.net/reihe/ detail/33> (07.06.2016). , heißt es in der Verlagsinformation. Bronfen, Professorin für English and American Studies an der Universität Zürich, betont, dass sie ihre Lektüre von MAD MAN dezidiert über den archetypi” schen amerikanischen Hochstapler Don Draper“ aufgerollt habe (S. 23). Auf der Basis genauer, von sympathischer Leidenschaft für die Serie getragenen Beobachtungen beleuchtet sie in sieben Kapiteln Aspekte des ame’ rikanischen Traums’. samer Workshop der Autorin und Produzentin Lisa Albert und der Dramaturgin Rachel O’Flanagan Case Stu” dy MAD MEN“ vom 12.–14.10.2015 an der Internationalen Filmschule Köln ) zu bezweifeln, dass alles, was Bronfen der 30 Sekunden dauernden animierten Titelsequenz sonst noch an Bedeutung zuweist, darin enthalten oder jedenfalls intendiert ist. Bezogen auf ein Detail halte ich die Interpretation des Vorspanns auch für unzutreffend bzw. kann sie nicht nachvollziehen. An den Objekten, die der stilisierte Don während seines Sturzes passiert, ließe sich sein Begehren festmachen: knapp bekleidete ” Verführerinnen, […]“ (S. 10). Solche Verführerinnen spielen jedoch, zumindest ist das meine Wahrnehmung, im Verlauf der Serie in Drapers Beuteschema‘ keine Rolle. ’ Angefangen bei Midge, einer Künstlerin, über die jüdische Kaufhaus-Erbin Rachel Menken bis zur Dos Passos lesenden Kellnerin Diana in der letzten Staffel sind seine Geliebten reifere, eher intellektuelle Frauen, während die beiden Ehefrauen Betty und Megan einen kindlicheren Typus verkörpern. Die Essenz von Bronfens Ausführungen zum Vorspann kann man bereits in einer im September 2011 in der Schweizer Filmzeitschrift filmbulletin“ veröffent” lichten Kritik nachlesen: Ominös und zugleich perfekt ” gezeichnet, verdichtet sich in diesem Bild das Leitmotiv von MAD MEN. Die vertraute Welt kann sich jederzeit auflösen, dennoch landet Don Draper immer wieder auf seinen Füssen.“ Elisabeth Bronfen: Eine Magnificent Obsession, in: filmbulletin 6 (2011), <http://www. filmbulletin.ch/full/artikel/2011-9-28_madmen-eine-magnificent-obsessionn/> (29.05.2016). Ein Befund, der sich in allen weiteren Staffeln bis ins Finale der Serie bestätigt. Die frühe Kritik enthält im Zusammenhang mit dem Vorspann auch einen Verweis auf den Einfluss von Hitchcock und des klassischen Holly- Im Kapitel Der Schwindel des amerikanischen ” Traums“ widmet sich Bronfen dem Vorspann der Serie: Eine stilisierte Silhouette der männlichen Hauptfigur stürzt, nachdem sich der Boden des Büros unter ihren Füßen aufgelöst hat, an einer Hochhausfassade hinab in die Tiefe. Doch anstatt am Boden zu zerschellen, sitzt Don Draper am Ende wohlbehalten, eine Zigarette in der Rechten, in einem Sessel. Die Interpretation, der fallen” de Don Draper [sei] als klassischer Archetypus des sich stets neu erfindenden amerikanischen Helden zu verstehen“ (S. 18), ist schlüssig. Allerdings wage ich (aufgrund meiner Kenntnis des Entwicklungs- und Produktionsprozesses von Fernsehserien sowie der Teilnahme an einem Workshop mit MAD MEN-Autorin Lisa Albert Gemein- 1 H-Net Reviews woodkinos, den ich im Buch vermisst habe. Wie ich mir überhaupt eine stärkere Beachtung der filmhistorischen Referenzen gewünscht hätte. Daniela Sannwald, Lost in the Sixties. Über MAD MEN, Berlin 2014. den Vornamen Don übrigens in den Bedeutungskontext der mächtige Herrscher, der Herr und der ” Fachmann zugleich“ (S. 105) und ordnet die Bedeutung, Im Kapitel We’re Selling America“ spürt Bronfen der die Bronfen mit dem Vornamen des Protagonisten ver” (Wort-)Bedeutung des Pitche(n)s nach. Das Pitchen – die knüpft, der afroamerikanischen Sekretärin Dawn ChamÜberredung zum Kauf’“ (S. 37) – bildet gewissermaßen bers zu (S. 124). Einig sind sich beide Autorinnen in der ”’ den Kern des Werber-Geschäfts, das Draper und die andeLesart des Nachnamens Draper (to drape = abdecken, ren Mad Men’ (und Women) betreiben. Allerdings exis- behängen) als Hinweis auf den Verstellungsakt“ (S. 65; ’ tiert diese Tätigkeit gänzlich unabhängig von dem da- und Daniela Sannwald, S. 105). ” für verwendeten Begriff (über dessen tatsächlichen Gebrauch in den 1960er-Jahren ich leider keine zuverlässiZum Thema Namensfindung sei ein Hinweis aus der gen Quellen gefunden haben), sodass ich Bronfens Über- Produktionspraxis gestattet: Fiktionale Charaktere belegung, dass das Wort pitch‘ […] eine Vielzahl an se- nötigen einen Namen, über dessen Auswahl man sich ” ’ mantischen Bedeutungen in sich vereint, die in den vie- als Autor/Produzent/Showrunner selbstverständlich Gelen Pitch-Szenen in MAD MEN mitschwingen“ (S. 37) für danken macht. Ich schaue mir zum Beispiel immer Listen wenig überzeugend halte. mit beliebten Vornamen des angenommen Geburtsjahres an. Für das Jahr 1926, das Sannwald als Dick/Dons Ebenso wenig überzeugt hat mich der Versuch, im Geburtsjahr datiert (S. 104), findet man auf einer HitKapitel Jenseits des Glücksprinzips“ den Vornamen des liste männlicher Babynamen Baby Center Expert Ad” männlichen Protagonisten in ihre Interpretation einzuvice (Hrsg.): Popular Baby Names for 1926, <http: passen. Im Zusammenhang mit dem von ihm gestohle//www.babycenter.com/popularBabyNames.htm? ’ nen’ Namen Don(ald) Draper hebt Bronfen die phoneti- ~year=1926> (09.06.2016). die Namen Richard (strong sche Ähnlichkeit zwischen Don“ und dawn“ (Morgen- ruler) und Donald (proud chief, world ruler) auf den Plät” ” röte) hervor und leitet daraus einen Verweis ab auf jenes zen 7 und 9. ” Vorwärtsstreben, das der amerikanische Traum emphaWeitere Kapitel-Themen in Bronfens Buch sind Hetisch propagiert“ (S. 65). Wenn schon dem angenomme” nen Vornamen und dem confidence game“ (S. 23) eine terotopie Fahrstuhl“, Kriegsspuren und die Mondlan” so große Bedeutung zugemessen wird, verwundert es, dung. Im abschließenden Kapitel Going to Commercial“ ” dass eine andere, viel naheliegendere Namens-Parallele widmet sie sich dann den beiden letzten Folgen der Seunerwähnt bleibt: Richard Dick’ Whitman, wie Draper rie und dem original Coca-Cola-Werbespot aus dem Jahr ’ eigentlich heißt, trägt den gleichen Vornamen wie Nixon 1971 als Schlusspunkt. Wie in allen Bänden der Reihe, (aka Tricky Dick“). Nicht nur bildet dessen Aufstieg zum gibt es am Ende fünf sogenannte Anspieltipps“, in de” ” Präsidenten, von der ersten, gescheiterten, Kandidatur im nen jeweils eine Folge gesondert vorgestellt wird, sowie Jahr 1960 bis zum Wahlerfolg 1969, gewissermaßen eine eine Seite mit filmografischen Angaben. Klammer aller Staffeln – der Präsident, der im ZusamIm Unterschied zu der bereits 2014, vor der Ausstrahmenhang mit dem Vietnamkrieg den Begriff der mad” lung der letzten Staffel, im Verlag bertz + fischer erschiemen theory“ benutzte, musste 1974 wegen seiner Lügen nenen Monographie von Daniela Sannwald oder dem in der Watergate-Affäre zurücktreten. Vgl. hierzu z.B. Aufsatz von Elisabeth K. Paefgen Elisabeth K. Paefgen, Alyssa Rosenberg: On ‘Mad Men,’ Richard Nixon is the Sad Men and Women. MAD MEN als Studie in Traurigkey to understanding Don Draper, in: The Washington keiten, in: Claudia Lillge / Dustin Breitenwischer / Jörn Post, 14.04.2014. <https://www.washingtonpost. com/news/act-four/wp/2014/04/14/on-mad-men- Glasenapp / Elisabeth K. Paefgen (Hrsg.), Die neue amerikanische Fernsehserie. Von TWIN PEAKS bis MAD MEN, richard-nixon-is-the-key-to-understandingPaderborn 2014, S. 303–327. kann Elisabeth Bronfen den don-draper/> (29.05.2016). gesamten Erzählbogen in ihre Analyse einbeziehen. AlWiederholte Hinweise auf Nixon finden sich auch lerdings wurde der Serie bereits während der Ausstrahin einem Gespräch zwischen Matthew Weiner und lung viel publizistische Aufmerksamkeit in Print- und A.M. Holmes, auf das sich Elisabeth Bronfen mehrfach bezieht (S. 17, 138, 146, 150f.), einzusehen unter Online-Medien zuteil. Und da anlässlich des Serienfinales in den USA am 17. Mai 2015 in zahlreichen Tages- und <http://www.nypl.org/events/programs/2015/ 05/20/matthew-weiner> (29.05.2016). Daniela Sann- Wochenzeitungen umfangreiche Kritiken und Analysen erschienen sind, sind auch Gedanken zum Ende und dem wald stellt in ihrer Monographie Lost in the Sixties“ ” 2 H-Net Reviews großen Serien-Ganzen‘ nicht grundsätzlich neu. ’ Abschließend lässt sich festhalten, dass sich Elisabeth Bronfens kulturphilosophische Ausführungen, die unter anderem Verweise auf Roland Barthes, Stanley Cavell, Michel Foucault, Ralph Waldo Emerson und Alexis de Tocqueville enthalten, als Lektüre-Angebot vor allem an ein Publikum mit Interesse am akademischen Diskurs richten dürften. Der Erkenntnisgewinn für Leserinnen und Leser, die etwas über erzählerische und filmische Eigenheiten oder die Produktionshintergründe der Serie erfahren möchten, ist hingegen eher gering. If there is additional discussion of this review, you may access it through the network, at: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ Citation: Anette Kaufmann. Review of Bronfen, Elisabeth, Mad Men. H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. July, 2016. URL: http://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=47437 Copyright © 2016 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact [email protected]. 3
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