Anonyme Täter - ECPAT Deutschland e.V.

Recherche zu Kinderprostitution: Anonyme Täter - taz.de
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Gesellschaft / Reise
17. 7. 2016
Kinderschutz, Ausbeutung, NGO, Pädophilie,
Prostitution
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Das Kinderrechtsnetzwerk Ecpat führt eine Kampagne zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor
sexueller Ausbeutung durch
Foto: imago/IQimages
Sie reisen als Pauschaltouristen, kommen aus dem westlichen
Ausland, steigen in internationalen Hotels ab und sind meist
pädosexuell. So das Bild des typischen Sexualstraftäters, der in
seinem Urlaub oder im Ausland Kinder missbraucht. Da inzwischen
sexueller Missbrauch von Kindern weltweit eine Straftat darstellt,
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wird im Allgemeinen in Deutschland davon ausgegangen, dass diese
Taten gemeldet oder angezeigt und viele Täter für ihre Straftaten
im Ausland bestraft werden, entweder im Tat- oder im Heimatland.
Doch das entspricht nicht der Realität. Die Erkenntnisse zweier
Studien des internationalen Kinderrechtsnetzwerk Ecpat zwingen
zum Umdenken. Das Internet und mobile Technologien haben zu
einer Zunahme der sexuellen Ausbeutung von Kindern auf Reisen
und im Tourismus geführt, da neue Formen von Ausbeutung
entstehen und Täter vollkommen anonym bleiben können. So gibt
es Hotels, bei denen anonym eingecheckt werden kann. Rund um
solche Hotels konnten immer häufiger minderjährige Prostituierte
beobachtet werden.
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Im Rahmen der in Kambodscha
durchgeführten Recherche
gaben verurteilte
Sexualstraftäter an, dass ein
schnelles und stabiles Internet
ein wichtiges
Entscheidungskriterium für ihr
Reisezielland war. Dies deckt
sich mit den Hinweisen, dass
Täter das Internet zur
Kontaktaufnahme mit möglichen
Opfern und zum Austausch mit
Gleichgesinnten nutzen. Dabei
ist zu beobachten, dass sie über
soziale Netzwerke potenzielle Opfer ausfindig machen.
Viele dieser reisenden Sexualstraftäter sind längere Zeit unterwegs,
und ihr Aufenthalt (im Ausland) steht in Verbindung mit bezahlter
oder freiwilliger Arbeit. Geschäftsreisende aller Sparten, die ihre
Mobilität für sexuelle Kontakte mit Kindern nutzen. Sie reisen aber
auch als Fachleute im Auslandseinsatz, als Entwicklungshelfer oder
als sogenannte Voluntouristen.
Kontakte übers Netz
Zur Kenntnis genommen werden müssen auch die touristischen
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Dienstleistungen über Sharing-Economy-Plattformen wie Airbnb und
Uber, die Tätern zusätzliche weitgehend risikofreie und unbeachtete
Aktionsfelder für ihre Straftaten bieten.
Die Anzahl strafrechtlicher Verurteilungen in Bezug auf die sexuelle
Ausbeutung von Kindern ist weltweit und in Deutschland
alarmierend gering, was bedeutet, dass der Großteil der Täter nicht
strafrechtlich belangt wird. Obwohl die deutsche Gesetzgebung seit
23 Jahren vorsieht, dass Deutsche wegen des sexuellen
Missbrauchs an Kindern im Ausland strafrechtlich belangt werden
können, kam es bisher kaum zu Ermittlungen oder gar zu
Verurteilungen. Die grenzüberschreitenden Ermittlungen der Polizei
gestalten sich langwierig und kompliziert.
Die Justiz gibt sich ahnungs- bzw. hilflos und oder hält sich für nicht
zuständig. So antwortet ein Amtsgericht in Brandenburg auf die
Frage nach extraterritorialen Fällen von sexuellem Missbrauch:
„Solche Fälle gibt es doch gar nicht. Wenn Taten im Ausland
begangen werden, dann werden sie auch dort verurteilt.
Wegen der fehlenden Statistiken befragte Ecpat Deutschland im
Rahmen seiner Studie 761 Gerichte und 168 Staatsanwaltschaften
nach durchgeführten oder eingestellten Sexualstrafverfahren
zwischen 2005 und 2015 mit einem Tatort im Ausland, wovon
insgesamt 141 antworteten. Ermitteln ließen sich dadurch
insgesamt 38 Fälle, die zu Gerichtsverfahren in Deutschland
führten.
Unwissende Anwälte
Im Rahmen der Studie wurden zwei Jungen im Alter von 15 und 18
Jahren in Kambodscha befragt, die im Alter zwischen 8 und 11 als
Opferzeugen bei einem Sexualstrafverfahren vor einem deutschen
Gericht aussagten, wodurch eine Verurteilung des Täters ermöglicht
wurde. Eine Entschädigung für die sexuelle Ausbeutung erhielten
sie nie. Erstaunlicherweise ergaben die Recherchen im Rahmen der
Studien, dass es kaum Wissen und Bewusstsein bei deutschen
AnwältInnen über entsprechende Rechtsbehelfe übers Netz für die
betroffenen Kinder gibt, um eine angemessene Entschädigung für
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den erlittenen körperlichen und/oder psychischen Schaden geltend
zu machen.
Im Sommer 2014 wurde die niedrigschwellige Meldeseite
www.nicht-wegsehen.net bei Ecpat aufgeschaltet. Die
eingegangenen Meldungen wurden ausgewertet. Innerhalb von
eineinhalb Jahren gingen 59 Meldungen ein, von denen sich 29 als
relevant erwiesen. Obwohl Reiseveranstalter regelmäßig in ihren
Kundeninformationen auf diese Meldemöglichkeit hinweisen, sind
die bisherigen Kommunikationsmaßnahmen unzureichend.
Die Konsequenzen der Studie: Präventionsmaßnahmen sollten nicht
nur von der Tourismusbranche, sondern auch von anderen
Exportbranchen und den Akteuren der
Entwicklungszusammenarbeit, die Personal oder sogenannte
Expatriats ins Ausland entsenden, umgesetzt werden. Die
verpflichtende Einführung von Kinderschutzmaßnahmen, einer
Kinderschutz-Policy für Organisationen und Unternehmen, die
Freiwillige oder Mitarbeitende in Projekte mit Kindern entsenden, ist
unbedingt notwendig.
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