Und weil der Mensch ein Mensch ist! Zentrale Demonstration

Kolleginnen und
Kollegen, Einigkeit ist unsere Stärke!
Herausgeber: DKP und Gruppe KAZ www.betriebsaktiv.de l 19. Juli 2016
Telekom: Boxenstopp – eine wahre Geschichte
aus dem Berufsalltag der Emerenz Meier..... 2
IG Metall: Wer hat die Hoheit über die Zeit?
IGM startet Kampagne................................ 3
Städtische Kliniken: Kämpfen lohnt sich –
Teilerfolg für Kolleginnen und Kollegen ....... 4
Arbeitszeitgesetz: Kapitalisten wollen weitere Flexibilisierung..................................... 5
Ein-Euro-Jobs: Comeback eines Arbeitsdienstes – Ausweitung geplant..................... 7
Rund 1.500 Menschen demonstrierten am 19. Juni trotz strömenden Regens gegen das geplante bayerische „Integrationsgesetz“, das mit
Integration nichts, dafür aber viel mit Entrechtung zu tun hat. Ein Bündnis von über 55 Organisationen – Gewerkschafter, Sozialdemokraten,
Grüne, Linke, Kommunisten und andere Demokraten und Antifaschisten – hat dazu aufgerufen. Sie eint der Wille, dieses Gesetz zu Fall zu
bringen. Denn wir brauchen keine deutsche oder gar bayerische „Leitkultur“, auf die uns dieses Gesetz verpflichten will. Wir brauchen keine
Aushebelung der demokratischen Grundrechte, des Rechts auf Bildung der Kinder, der Meinungs- und Pressefreiheit. Wir brauchen gleiches
Recht, um solidarisch miteinander leben, arbeiten und kämpfen zu können. Dieses Gesetz ist ein Angriff auf uns alle, es muss verhindert
werden – so die allgemeine Stimmung unter den Rednern und Demonstranten. Dass es mit einer Demonstration nicht getan ist, war auch klar,
dass wir noch mehr werden müssen ebenfalls. Die nächsten Aktionen sind schon geplant.
Und weil der Mensch ein Mensch ist!
Einwander*innen und Flüchtlinge berichten von ihren Erfahrungen mit der deutschen „Leitkultur“
und warum sie aktiv werden gegen das Ausgrenzungsgesetz der bayerischen Staatsregierung.
Freitag l 22. Juli l 19 Uhr l DGB-Haus
anschließend Antileit-Kulturfest mit Musik, Essen, Trinken & Tanz
Zentrale Demonstration
gegen das Ausgrenzungsgesetz der bayerischen Staatsregierung
Samstag l 22. Oktober
aktuelle Informationen auf www.integrationsgesetz-bayern
Kontakt: [email protected]
2
19.7.2016
Boxenstopp
Eine wahre Geschichte aus dem Berufsalltag der Emerenz Meier
Prolog: Bewundert wird in Fachkreisen die unglaubliche Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der Telekom-Außendienstmitarbeiter.
Lange Wartezeiten und Terminversäumnisse gegenüber den Kunden haben ihre Ursache in der engen Personalausstattung – die als „auf
Kante genäht“ bezeichnet wird und bekanntlich den Profit optimiert.
Rasende Mitarbeiter benötigen aber gelegentlich Wartung und Instruktion. Deshalb wurde aus dem Autorennsport der Begriff „Boxenstopp“, ein Synonym für „Telefonkonferenz“, entlehnt. Der Begriff soll den hechelnden Telekom-Rennfahrern Dringlichkeit und Effizienz
im Instruktionsablauf signalisieren und an die Notwendigkeit der schnellen Wiederaufnahme der Auftragserledigung erinnern.
Am Beispiel einer bevorstehenden Mitarbeiterbefragung möge die Beschreibung eines solchen Wartungsfalles dem geneigten Leser
Erkenntnis vermitteln.
12.00 Uhr: Boooxenstooop! +++ 12.02 Uhr: Alle Kollegen haben sich in die Telefonkonferenz eingewählt. +++ 12.05 Uhr:
Der Teamleiter übernimmt die Leitung, begrüßt die virtuell Anwesenden, überprüft die Teilnahme +++ 12.09 Uhr: Des Vorgesetzten
Monolog beginnt:
„Liebe Kollegen, ihr wisst ja, die Mitarbeiterbefragung steht an.
Wichtig ist, dass mindestens siebzig Prozent mitmachen. Darüber hinaus wäre es natürlich noch besser. Wenn welche nicht mitmachen,
wäre es besser, dass die richtigen nicht mitmachen – ihr wisst schon.
Ich weiß gar nicht, wieso es bei der Telekom schlecht sein soll. Lest ihr denn kein Intranet? Der Arbeitgeber hat doch alle Argumente
veröffentlicht. Ich weiß gar nicht, warum manche immer herumnörgeln? Wer sich hier unwohl fühlt, sollte sich überlegen, ob er sich
nicht wo anders einen Arbeitsplatz suchen sollte. Überlegt euch einmal, wie es in der freien Wirtschaft zugeht und wie gut ihr es hier
habt. Bei uns geht es stressig zu, aber wer damit Probleme hat, ist selber schuld. Wisst ihr, schlechte Stimmung wird mir angelastet, da
werde ich verantwortlich gemacht. Wer ein Problem hat, kann doch zu mir kommen, wir reden darüber. Ich mache doch alles für euch,
manchmal geht’s halt dienstlich nicht, damit muss man leben. Sicher, mit der Qualifizierung und Weiterbildung hapert´s – der Zeitmangel. Wir haben aber bundesweit die niedrigsten Überstundenkonten, da kann man sich wirklich nicht beschweren.
Also überlegt genau, was ihr ankreuzt. Ich will euch aber nicht beeinflussen.“
12.25 Uhr: Hat wer noch Fragen? +++ 12.26 Uhr: Schweigen der Mitarbeiter. +++ 12.28 Uhr: Dann können wir ja wieder
an die Arbeit gehen.
3
19.7.2016
Wer hat die Hoheit über die Zeit?
IG Metall will im Herbst eine Arbeitszeitkampagne beginnen.
Aber Arbeitszeitverkürzung als Ziel ist nicht vorgesehen.
I
m Herbst soll die Arbeitszeit bundesweit ein wichtiges Thema werden. Die
Kampagne der IG Metall trägt den Titel:
„Mein Leben – meine Zeit.“ Nach einer
Befragung von über 500.000 Kolleginnen
und Kollegen in der Metallindustrie aus
dem Jahr 2013 gibt es ein starkes Bedürfnis
nach mehr Selbstbestimmung.
72 Prozent der Befragten wünschen
sich klaren Beginn und Ende der Arbeitszeit. 64 Prozent haben im Tarifvertrag die
35-Stunden-Woche stehen, aber arbeiten
regelmäßig länger. Jeder Zehnte arbeitet
regelmäßig mehr als 40 Stunden, nur 20
Prozent arbeiten echte 35 Stunden in der
Woche.1
Das sind die Auswirkungen einer jahrzehntelangen fortschreitenden Flexibilisierung der Arbeitszeit. Der Normalarbeitstag
mit 8 Stunden, die gesetzlich vorgeschriebene Höchstarbeitszeit für alle, ist aus dem
Bewusstsein der Kolleginnen und Kollegen
verschwunden.
Die Beschäftigten der Metallindustrie wollen weniger arbeiten!
So wundert es auch nicht, dass die Befragten Flexibilität nicht ablehnen, das haben
sie nie anders kennengelernt. Wer kennt
noch die alte Stechuhr? Drei Minuten zu
spät, und schon waren Chef oder Meister
da.
In der zitierten Befragung ist noch ein
Ergebnis sehr bezeichnend für die Hetze
am Arbeitsplatz: Die meisten Beschäftigten wollen zwischen 32 und 35 Stunden
wöchentlich arbeiten! Der IG-Metall-Vorsitzende Hofmann stellt fest: „Flexibilität
ist ein Paradies für die Unternehmer, ein
Hamsterrad für die Beschäftigten!“2
Geht es nach dem Willen der Kapitalisten, soll die Digitalisierung das Hamsterrad
noch schneller drehen lassen. „Auch einmal über 10 Stunden hinaus muss möglich
sein“, fordert BDA-Präsident Kramer.3
Eine bunte Broschüre gibt es zum Start
der Kampagne. Doch eines sucht man
vergebens: Die Arbeitszeitverkürzung als
Ziel!4 Die aufschlussreichen Ergebnisse
der Befragung, die ein präziser Pass in die
richtige Richtung sind, werden abgefälscht.
Was rauskommt, ist eine Kerze übers Tor,
eine hohle Überschrift: „Flexibilität kann
keine Einbahnstraße sein.“5 Sie soll also
mitgestaltet werden, wir sollen auch was
davon haben.
Wer hat die Hoheit?
Die Metallzeitung schreibt, es ginge
darum, die Hoheit über die Zeit zurückzuerobern.6 Ein großes Ziel. Wer hat die
Hoheit aktuell? Es sind die Eigentümer
der Maschinen und der Computer, an
denen sie uns beschäftigen. Ihre Hoheit
über die Zeit, über den Arbeitstag, für den
sie unsere Arbeitskraft gekauft haben, wird
nur etwas eingeschränkt durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und lasche
Gesetze.
Die Eigentümer der Fabriken und Büros
wollen diese möglichst lange betreiben
können, wenn‘s geht, rund um die Uhr.
Das geht trotz aller Automatisierung
und Digitalisierung nur, wenn Menschen
die Maschinen und Computer bedienen
und überwachen. Lange Betriebszeiten,
größtmögliche Nutzung des eingesetzten
Kapitals mit flexiblen Beschäftigten sind
dem Kapital ebenso wichtig wie möglichst
niederer Lohn. Daher kommt ihre Gier
nach unserer Arbeitskraft, nur sie schafft
Reichtum.
Unflexibel sein!
Bei der Gestaltung der Arbeitszeit, bei der
die IG Metall nun mitwirken will, kann
es nur um weniger Flexibilität gehen! (Ein
Teilziel der Kampagne ist richtigerweise
die Auflösung unbezahlter Arbeitszeiten.)
Tausende von Arbeitszeitmodellen sind
nur einzufangen, wenn wieder die Länge
des Arbeitstages ins Visier kommt.
Der Normalarbeitstag muss wieder zurück erobert werden, d.h. in der Metallindustrie der Siebenstundentag. Da sind die
Pflöcke einzuschlagen! Das ist der erste
Schritt, der Entgrenzung der Arbeit entgegen zu treten, ein Stück Zeitsouveränität
wieder zu erlangen. Erinnern wir uns an
die Kollegen, die bei der Befragung eine
feste Grenze ihres Arbeitstages forderten.
Je mehr im Zuge der Digitalisierung alle
Eine runde Betriebsversammlung bei MAN-Nutzfahrzeuge:
Rund wie der Fussball lief das ab. Ein Stammspieler vom FC Bayern
war da und gleich drei Spieler von 1860. MAN sponsert ja diese
Vereine. Der MAN-Bayernbus, auf dem die Millionenkicker für den
LKW-Bauer posen dürfen, ist jedem Fan bekannt. Der anwesende
Dachauer Bürgermeister (SPD), in dessen Landkreis auch Karlsfeld
mit dem Teilelager liegt, saß da eher auf der Reservebank.
Es bleibt bei der Erinnerung an vergangene
Tage wie auf der Ausstellung zu 125 Jahren IGM.
Poren des Arbeitstages ausgefüllt werden
sollen, desto unflexibler müssen wir uns
verhalten!
Organisiert zur
Arbeitszeitverkürzung!
Die Flexibilisierung hat zur Aufsplitterung
der Belegschaften beigetragen. Ein Ziel
wie die Arbeitszeitverkürzung ließe wieder alle Metaller an einem Strang ziehen.
„Der Betrieb ist der zentrale Ort, an dem
die Arbeitszeit gestaltet wird“, schreibt die
IG Metall an die Funktionäre.6 Richtig,
da sind Vertrauensleute und Betriebsräte
gefordert, die Kampagne mit Leben zu
erfüllen. Da kann Druck ausgeübt werden
auf die Unternehmer.
Zu beraten ist, wie wir in der Metallindustrie wieder zur 35-Stunden-Woche
für alle kommen. (In den neuen Bundesländern gilt die 38!) Viel besser wäre ein
Staatsgesetz für alle Branchen, das die 35
festschreibt; ein solches, wie es die französischen Kollegen aktuell verteidigen. Das
heißt, den Streik ins Auge zu fassen, um
das durchzusetzen. Darunter wird es kein
Stückchen mehr Hoheit über unsere Zeit
geben.
nkrn
1 metallzeitung, 7/2016
2 Sächsische Zeitung, 24. Juni 2016
3 Süddeutsche. Zeitung, 30. März 2016. BDA: Bundesverband deutscher Arbeitgeberverbände
4 Broschüre „Mein Leben – meine Zeit“, Hrsg. IG
Metall Vorstand. Die Arbeitszeitverkürzung kommt
nur rückblickend vor, aber nicht als Ziel! Download
unter www.igmetall.de
5ebd.
6 metallzeitung 7/2016
Der IG-Metall-Vertreter lobte den Tarifabschluss. Die Einmalzahlung wird ohne Verzögerung, wie sie eine Klausel ermöglichen
würde, ausgezahlt. Wäre auch gelacht, denn die Auftragsbücher
sind wieder voll. Schon denken die Manager an die Kürzung der
Taktzeiten. Doch der Betriebsratsvorsitzende hat die Abseitsfalle
erkannt. Richtigerweise forderte er Neueinstellungen. Was auch
heißen muss, Leiharbeiter fest zu übernehmen!
nkrn
4
19.7.2016
Charité schreibt Tarifgeschichte!
Im größten Uniklinikum Europas, der
Charité in Berlin, haben die Beschäftigten den ersten „Tarifvertrag über Gesundheitsschutz und Mindestbesetzung
im Krankenhaus“ erkämpft. Besondere
Arbeitsbelastungen durch Personalmangel sollen künftig mit tariflichen
Regelungen beseitigt werden. Dies wird
für die Kolleginnen und Kollegen ein
Instrument zur Entlastung für sich selbst
und um gute Pflege zu sichern.
Mit diesem Tarifvertrag haben die Kolleginnen und Kollegen ein großes Signal
an andere Belegschaften gesetzt, auch
aktiv zu werden!
Outsourcing macht krank
Wenn Kliniken Reinigungsdienste auslagern, steigt das Infektionsrisiko durch Krankenhauskeime. Das zeigt eine amerikanische Studie.
K
ränker per Krankenhausaufenthalt:
Das Robert-Koch-Institut geht hierzulande von 400.000 bis 600.000 Krankenhausinfektionen pro Jahr aus, die für bis
zu 15.000 Todesfälle verantwortlich sind.
Unvermeidlich ist das nicht: Angemessene
Hygiene könne der Verbreitung von Erregern vorbeugen, schreiben Wissenschaftler
von der Cornell University, der University
of Illinois und der Emory University.
Insofern sei der Reinigungsdienst in
Kliniken enorm wichtig für die Patientengesundheit. Die Sozialforscher haben untersucht, was passiert, wenn diese Aufgabe
an Fremdfirmen vergeben wird. Ihrer Analyse zufolge geht Outsourcing mit deutlich
höheren Infektionsraten einher. Für die
Studie wurden Daten der kalifornischen
Gesundheitsbehörde zur Verbreitung des
Krankenhauskeims Clostridium difficile im
Jahr 2012 ausgewertet. Der Erreger kann
unter anderem zu Durchfall, Darmentzün-
dungen und Bauchkrämpfen führen und
war in den USA allein 2011 die Ursache
für etwa 500.000 Infektionen. Nach den
Berechnungen der Wissenschaftler kam
es 2012 im Schnitt zu 28 Infektionen pro
Krankenhaus. Kliniken, in denen der
Erreger überhaupt nicht nachgewiesen
werden konnte, hatten durchschnittlich
sieben Prozent ihres Reinigungsbudgets für
externe Dienstleister ausgegeben. Bei den
Kliniken mit mindestens einem Fall waren
es 26 Prozent. Der Zusammenhang bleibt
auch dann signifikant, wenn Faktoren wie
die Bettenzahl, die Höhe der Reinigungsausgaben oder die Patientenzufriedenheit
berücksichtigt werden. Als Erklärung für
ihren Befund verweisen die Autoren darauf, dass sich externe Arbeitskräfte einer
Klinik in der Regel weniger verbunden fühlen und schlechter in die Abläufe integriert
sind. Zudem werde vermutlich weniger in
ihre Qualifikation investiert.
nHGF
Die DKP lädt die Betriebsrätin Kati
Ziemer und die Krankenschwester Ulla
Hedemann nach München ein. Beide
berichten aus erster Hand über den
Kampf der Kolleginnen und Kollegen an
der Berliner Charité.
nKati Ziemer, Betriebsrätin
in der Charité Facility Management (CFM)
nUlla Hedemann, Kinderkrankenschwester an der Charité
23. September 2016 l 19 Uhr l EineWeltHaus l Schwanthalerstraße
80 l 80336 München l U-Bahn
Theresienwiese
Kämpfen lohnt sich
Teilerfolg für die Kolleginnen und Kollegen der Städtischen Kliniken.
D
ank der Aktivitäten der Verdi-Kolleginnen und -kollegen sowie aktiver
Betriebsräte gelang es, für die vom Arbeitsplatzabbau Betroffenen, einschließlich
des inzwischen privatisierten Blutspendedienstes, eine Weiterbeschäftigung in
einer Qualifizierungsgesellschaft (BVQ)
per Tarifvertrag durchzusetzen, u. a. mit
folgenden wichtigen Eckpunkten:
• Die BVQ wird Mitglied im Kommunalen
Arbeitgeberverband, es gilt auch weiterhin das Tarifrecht des Öffentlichen
Dienstes. Die Zusatzversorgung bleibt
erhalten und wird in der BVQ weitergeführt.
• In den ersten drei Jahren werden 100
Prozent der Vergütung ausbezahlt, im
vierten und fünften Jahr sind es 90
Prozent.
• Die Beschäftigten der BVQ werden beim
Städtischen Krankenhaus München als
interne Bewerber behandelt.
• Die Verweildauer in der BVQ beträgt,
abhängig von der Beschäftigungszeit im
Städtischen Krankenhaus München, bis
zu 5 Jahre.
• Die Vergütung wird entsprechend der
Tarifabschlüsse im TVÖD erhöht, Stufenlaufzeiten werden fortgeführt.
Wenngleich also nicht am Abbau von rund
1.500 Stellen gerüttelt werden konnte,
wurde mit Verdi eine soziale Absicherung
durch Tarifvertrag mit einklagbaren Ansprüchen der betroffenen Kolleginnen und
Kollegen erkämpft. Er soll nun zum 1. August in Kraft treten.
nHGF
5
19.7.2016
Profit 4.0
Trotz zunehmender und nicht mehr zu ertragender Arbeitshetze
kommt Arbeitsministerin Nahles Forderungen der Kapitalisten nach
weiterer Flexibilisierung entgegen.
A
uf dem Schreibtisch stapeln sich die
Papiere, das Telefon klingelt Sturm,
das E-Mail-Postfach blinkt dazu im Minutentakt neue Nachrichten rein: Um
mit dem stetig steigenden Arbeitspensum
überhaupt noch fertig zu werden, leistet ein
Sechstel der Beschäftigten regelmäßig unbezahlte Überstunden. Für immerhin ein
Viertel trifft dies hin und wieder zu, ergab
eine vom Deutschen Gewerkschaftsbund
(DGB) vorgestellte Umfrage unter 5.800
Beschäftigten. Oft setzen sich die Betroffenen im Job dabei selbst unter Druck. Für
fast zwei Drittel (61 Prozent) erhöhte sich
die Arbeitsintensität in den vergangenen
zwölf Monaten nach eigener Einschätzung
erneut. 56 Prozent der Befragten gaben an,
sie fühlten sich oft gehetzt – und nur 45
Prozent gehen davon aus, diese Belastung
bis zum gesetzlichen Rentenalter durchhalten zu können.
Überstunden en masse ...
Im Jahr 2015 wurden 1,8 Milliarden zusätzliche Überstunden malocht, davon knapp
1 Milliarde unbezahlt! (Süddeutsche Zeitung, 13. Juli 2016) In Euro ausgedrückt
sind das auf Basis einer Mindestlohnzahlung gute 8,5 Milliarden Euro, die die Kapitalisten den Kolleginnen und Kollegen aus
der Tasche ziehen. Bei einem Monatslohn
von 4.000 Euro entspricht dies 177.000
Arbeitsplätzen!
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnete im Jahr 2011,
dass Beschäftigte im Schnitt mehr als drei
Urlaubstage pro Jahr verfallen lassen. Insbesondere im Reinigungsgewerbe und auf
dem Bau sei dies gang und gäbe. Die Angst
vor Jobverlust führe dazu, dass Kolleginnen und Kollegen Urlaub verfallen lassen
und in die Maloche gehen.
„Es ist nicht gut bestellt um die Arbeitsbedingungen in deutschen Betrieben“,
sagte dazu das DGB-Vorstandsmitglied
Annelie Buntenbach.
... aber die Kapitalisten
kriegen den Hals nicht voll.
Das Schlagwort von der „Industrie 4.0“
nutzend, fordern sie Änderungen am Arbeitszeitgesetz. „Wir können nicht mit den
Regulierungen der dritten industriellen Revolution die Wirtschaft 4.0 regulieren.“ So
Kapitalisten-Präsident Ingo Kramer, also
weg damit. (Handelsblatt, 29. März 2016)
„Es (das Arbeitszeitgesetz ArbZG) setzt
die regelmäßige werktägliche Höchstdauer
der Arbeitszeit auf acht Stunden fest (§ 3
ArbZG). Da das ArbZG von einer 6-TageWoche ausgeht, beträgt die wöchentliche
Höchstarbeitszeit 48 Stunden. Daneben
legt das ArbZG fest, dass die Beschäftigten
nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit
eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben (§ 5 ArbZG).
Diese Regelungen erweisen sich angesichts
der rasch zunehmenden Digitalisierung der
Arbeitswelt als zu unflexibel und werden
den Bedürfnissen von Unternehmen und
Beschäftigten nicht gerecht“, teilt der
Kapitalistenverband BDA auf seiner Internetseite („arbeitgeber.de“) mit.
Wenige Monate später, am 22. Juni 2016,
schreibt dann die Arbeitsministerin Nahles
in einem Gastbeitrag für die Frankfurter
Allgemeine Zeitung: „Wir brauchen einen
neuen sozialen Kompromiss“. Wer nun
in Anbetracht der oben geschilderten
betrieblichen Wirklichkeit glaubt, die
Sozialdemokratin Nahles unterstützt uns
und die Gewerkschaften für eine andere
Arbeitswelt, der irrt gewaltig.
„Flexibilitätskompromiss“, „Fortschrittsdialog“, „lebensphasenorientierte Wahlarbeitszeit“ oder „Gestaltungsoptionen“– mit
Phrasen wie diesen wirbt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für eine
Reform des Arbeitszeitgesetzes. „Passgenaue Lösungen sollen möglich sein“,
so Nahles, und will so Arbeitszeitfragen
nicht gesetzlich regeln, sondern in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.
Wohl wissend, dass Tarifverträge und
Betriebsvereinbarungen hier zur Spaltung
der Belegschaften führen. Wohl wissend,
dass angesichts der vorherrschenden Sozialpartnerschafts-Ideologie es gerade um
Durchsetzungsfähigkeit und Kampfkraft
schlecht bestellt ist. Schon jetzt kommen
die für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zuständigen Gewerbeaufsichtsämter
ihrer Aufgabe nicht nach und kontrollieren und sanktionieren die Unternehmer
nicht, wie es die Gesetze vorsehen. Der
Westdeutsche Rundfunk WDR berichtete
kürzlich in einer Dokumentation, dass
80 Prozent der Gastronomiebetriebe sich
einen Dreck um bestehende gesetzliche
Regelungen scheren.
Es wäre nicht das erste Mal, dass gewerkschaftliche Spitzenfunktionäre auf diesen
Trick hereinfallen. Für manche von ihnen
gilt offenbar die Maxime: Hauptsache, wir
können einen Tarifvertrag unterschreiben
– und damit Mitglieder werben. So war es
bereits beim Gesetz zur „Regulierung“ von
Werkverträgen und Leiharbeit sowie beim
Mindestlohn, für die Nahles Ausnahmen
per Tarifvertrag ermöglichte.
Sich darauf einzulassen wäre grundfalsch. Von Gefälligkeitstarifverträgen
sogenannter christlicher Gewerkschaften
ganz zu schweigen. Vor diesem Hintergrund führt jede Aufweichung gesetzlicher
Schutzvorschriften dazu, die Arbeitszeiten
im Sinne der Profitmaximierung weiter
zu entgrenzen. Von „Work-Life-Balance“
braucht dann keiner mehr zu quatschen.
Wir Gewerkschafter müssen Sorge dafür
tragen, dass diese Gesetzesvorhaben verhindert werden.
nRW
Herausgeber:
DKP und Gruppe KAZ
Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes:
Jörg Högemann=Kellerstr. 28=81667 München
Mail: [email protected]
www.betriebsaktiv.de
Druck: Eigendruck im Selbstverlag
6
19.7.2016
Brexit – nicht gut für Europa?
Es sei kein guter Tag für Europa, erklärte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer
nach dem Ausgang des Referendums. Für Europa?
1
993, drei Jahre nach der Einverleibung
der DDR, durch die der deutsche Staat
zum größten Staat innerhalb der Europäischen Union geworden ist, erklärte der
damalige Außenminister Kinkel: „ … Nach
außen gilt es etwas zu vollbringen, woran
wir zweimal zuvor gescheitert sind: im
Einklang mit unseren Nachbarn zu einer
Rolle zu finden, die unseren Wünschen
und unserem Potential entspricht.“1 Den
Rahmen für diese Rolle sollte die Europäische Union darstellen. Um wessen
Wünsche und Potential es bereits in zwei
verlorenen Weltkriegen und nun wieder
dabei ging, zeigte sich unmittelbar. Die
großen deutschen Banken und Konzerne
rissen sich in den osteuropäischen Staaten unter den Nagel, was sie brauchen
konnten, wie z.B. VW die Skoda-Werke.
Gleichzeitig verhandelte die deutsche Regierung mit den anderen EU-Staaten um
die Aufnahme dieser Staaten in die EU.
Für die deutschen Kapitalinvestitionen
dort sollten so sichere politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den
Staaten über die Beitrittsverhandlungen
praktisch diktiert wurden. Der „Einklang
mit den Nachbarn“, in erster Linie mit
den anderen EU-Großmächten Frankreich
und Großbritannien, die den deutschen
Wünschen nach einer Osterweiterung
der EU äußerst misstrauisch gegenüberstanden, konnte dabei nur mit handfesten
Drohungen hergestellt werden. So hieß es
in einem Papier der CDU/CSU-Fraktion:
„Ohne ein solche Weiterentwicklung der
(west-)europäischen Integration könnte
Deutschland aufgefordert werden oder
aus eigenen Sicherheitszwängen versucht
sein, die Sicherung des östlichen Europa
alleine und in der traditionellen Weise zu
bewerkstelligen.“2 Die traditionelle Weise,
das sollte man dabei bedenken, mündete
in zwei Weltkriegen.
Entsprechend der Wünsche von
BMW …
Für den BMW-Konzern ergab sich 1994
eine andere europäische Gelegenheit, sich
gegenüber den einheimischen und ausländischen Konkurrenten entsprechend
den eigenen Wünschen und des von den
Beschäftigten erarbeiteten Potentials zu
stärken: Das britische Automobilwerk
Rover wurde von British Aerospace verkauft. BMW schlug zu, drängte Honda,
die an Rover beteiligt war, raus und wurde
so alleiniger Besitzer der gesamten RoverGruppe. Solange sich die Rover-Modelle
gut verkaufen ließen und, unterstützt von
Subventionen des britischen Staats zur
Sanierung des Werks, reichlich Profit an
die Eigentümerfamilie von BMW floss,
hatten weiterhin fast 50.000 Arbeiter in
England ihren Job. Doch als der Absatz
stockte und sich dadurch der Export des
Rover zusätzlich erschwerte, fuhr BMW
Verluste ein. Man drängte die Arbeiter zu
Lohnverzicht, baute Stellen ab, versprach,
Rover erhalten zu wollen – um das Werk
kurz darauf zu zerschlagen. Die Rosinen,
die Produktion des Mini, pickte man sich
heraus, der Rest wurde verkauft. Die Folge
war, dass der frühere und jetzt wieder neue
Konkurrent von BMW nun am Boden lag
und zehntausende Arbeiter in die Erwerbslosigkeit geschickt worden sind. Um sie
mussten sich nun die britischen Arbeitsund Sozialämter kümmern. Schon damals,
im Jahr 2000, gab es britische Abgeordnete,
die den Austritt ihres Landes aus der EU
forderten.
… Siemens, Deutsche Bank, Telekom, Deutsche Bahn
Das alles ist lange her und BMW nur ein
Beispiel. Siemens, die Deutsche Bahn,
die Post, die Telekom, die Energiekonzerne RWE und EON, die Deutsche
Bank, Lufthansa …, sie alle nutzten und
nutzen den einheitlichen Markt der EU
ohne Grenzen und Schranken für den
Waren- und Kapitalverkehr, um, nicht nur
in Großbritannien, Fabriken und Banken
aufzukaufen oder auch wieder zu verkaufen, wenn sie nicht die erwarteten Profite
bringen. 121 Milliarden Euro beträgt inzwischen der Besitz deutscher Konzerne
an Fabriken, Bahnen, Banken und anderen
Unternehmen alleine in Großbritannien.3
Umgekehrt sind britische Banken und
Konzerne nur mit 49 Milliarden Euro in
Deutschland vertreten. Darüber hinaus
ist Großbritannien der drittwichtigste Exportmarkt (nach den USA und Frankreich)
für die deutschen Kapitalisten. Waren im
Wert von 89 Milliarden Euro wurden 2015
dorthin exportiert, aber nur Waren im Wert
von 38 Milliarden von dort importiert.
Ein Handelsüberschuss von 51 Milliarden
Euro zugunsten Deutschlands also, was ja
nichts anderes bedeutet, als dass auch aus
den großen Staaten der EU, wie Großbritannien, dort geschaffener Reichtum nach
Deutschland abfließt, sich die Kräfteverhältnisse verschieben.
Grenzen deutscher Hegemoniebestrebungen „im Einklang mit
den Nachbarn“
Kein Wunder also, dass die Aufregung hierzulande groß ist über das mehrheitliche
Votum der britischen Wähler für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen
Union. Doch es ist nicht alleine die Sorge,
wie das nun mit Großbritannien weitergeht, ob wieder Zölle eingeführt werden,
die Investitionssicherheit gefährdet ist usw.
Das hofft man in den Austrittsverhandlungen mit entsprechendem Druck regeln
zu können - wenn nicht klammheimlich
überhaupt darauf gesetzt wird, dass die
britische Regierung einen Weg findet, das
Ergebnis des Referendums zu übergehen.
Denn was Politiker, Regierung und im
Hintergrund die Kapitalvertreter vor allem
umtreibt, ist die Angst, dass dies nicht
der einzige Austritt aus der EU bleibt, in
der die krisenhafte Entwicklung an allen
Ecken und Enden unübersehbar ist. Es
ist die Angst, das britische Votum könnte
der Anfang vom Ende der EU sein – einer
EU, in und mit der sich die deutschen
Monopole und ihr Staat eine Stellung in
Europa errungen haben, wie es bisher noch
nie der Fall war.
Und wir?
Und wir – Arbeiter, Ingenieure, Bank- oder
Bahnangestellte – was heißt das für uns?
Die mächtige Stellung innerhalb der EU
konnten die deutschen Banken und Konzerne, konnte dieser Staat nur erreichen,
weil sie immer mehr Reichtum aus uns
herausgepresst haben. Das war und ist
der Zweck der permanenten Angriffe auf
unsere Arbeits- und Lebensbedingungen in
Form der Gesundheits- und Rentenreformen, in Form der gesamten Agenda 2010,
der längeren Arbeitszeiten und Reallohnsenkungen. Immer mehr überschüssiges
Kapital sammelte sich in den Händen der
Kapital-Eigentümer, mit dem Fabriken,
Bahnen, Banken in den anderen EU-Ländern aufgekauft worden und Absatzmärkte
erobert worden sind. Das wird sich nicht
ändern, egal ob Großbritannien nun aussteigt aus der EU oder nicht. Das können
nur wir ändern, indem wir uns zur Wehr
setzen, unsere Gewerkschaften auf Vordermann bringen, kämpfen. In Solidarität mit
den britischen, französischen, griechischen
… Kolleginnen und Kollegen - für uns und
unser aller Zukunft.
ngr
1 Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.3.1993
2 „Überlegungen zur europäischen Politik“, 1.9.1994
abrufbar unter: https://www.cducsu.de/upload/
schaeublelamers94.pdf
3 Deutsche Direktinvestitionen in GB, Stand 2014,
nach: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Grossbritannien/
Bilateral_node.html
7
19.7.2016
Comeback eines Arbeitsdienstes
Arbeitsministerium plant Ausweitung von Ein-Euro-Jobs.
Flüchtlinge sollen gar für 80 Cent arbeiten.
D
ie Welt berichtete im März freudig
über Geflüchtete, die Spaß beim Kochen für den Mittagstisch im Stadtteil hatten und schwierige Wörter wie „Dunstabzugshaube“ oder „Schneebesen“ und auch
das typisch deutsche Mülltrennen lernten.
Sie waren außerdem mit dem Streichen der
Kindertagesstätte und dem Reparieren von
Dienstfahrrädern beschäftigt.
Wer jetzt denkt, dass sie eine Stelle im
öffentlichen Dienst bekommen haben, der
irrt. Sie wurden in eine „Arbeitsgelegenheit
mit Mehraufwandsentschädigung“ eingewiesen, auch besser als „Ein-Euro-Jobs“
bekannt. Für Geflüchtete sollen es aber
sogar nur 80 Cent Aufwandsentschädigung
sein, da sie überwiegend in den Unterkünften eingesetzt würden und deshalb
weniger Mehraufwand entstehe, so die
offizielle Begründung. Das widerspricht
den Planungen des Arbeitsministeriums,
nach denen von den 100.000 zusätzlichen
Ein-Euro-Jobs 75 Prozent außerhalb der
Unterkünfte sein sollen. Die ebenfalls im
Arbeitsministerium geplanten Verschärfungen im Sozialrecht sehen vor, dass
die Befristung der Arbeitsgelegenheiten
aufgehoben wird, sie lag bisher bei zwei
Jahren. In Zukunft blühen also Ein-EuroEndlos-Jobs.
Die Zahl der Aufnahme in solche Arbeitsgelegenheiten ist von über 800.000
im Jahr 2006 auf 226.000 im Jahr 2015
zurückgegangen, nun sollen sie ein Comeback erleben. Laut Gesetz sollen sie dazu
dienen, „die unmittelbare Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit zu ermöglichen“. (§3 Abs.
1, Satz 3, SGBII). Wer die Maßnahme verweigert, bekommt das Existenzminimum
gekürzt. Tatsächlich kommen aber nur
um die 10 Prozent der Teilnehmer danach
in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
Die Ein-Euro-Jobs erfüllen offensichtlich
nicht den im Gesetz vorgegebenen Zweck
und sind rechtswidrig. Außerdem sind die
Tätigkeiten überwiegend nicht zusätzlich,
sondern müssten eigentlich von regulär
Beschäftigten erledigt werden. Aussagen
von Politikern machen deutlich, worum es
gehen soll. Das SPD-Bundeswirtschaftsministerium schrieb 2005: „Wer Hilfe von der
Gemeinschaft erhält, der muss auch bereit
sein, für sie – gemeinnützig– zu arbeiten.“
Und wer nicht in den Arbeitsmarkt vermittelt werde, für den sei es „allemal besser,
im Kontakt mit anderen Menschen eine
Tätigkeit zu verrichten, als dazu verurteilt
zu sein, den Tag daheim vor dem Fernseher
zu verbringen.“
Dieses Konzept des „workfare“ statt
„welfare“ hat die Funktion, als „unattraktives Instrument zur ständigen Selbstselektion von Bedürftigen“ zu dienen, wie
eine Studie des ifo-Instituts betonte. Die
Soziologin Helga Spindler erklärt, was
damit gemeint ist: die „restproduktiven“
Arbeitslosen sollen so bald wie möglich
auf Arbeitslosenunterstützung verzichten
und sich lieber anderweitig durchschlagen.
Deshalb werden die meisten Ein-EuroJobs direkt bei Bezugsbeginn von Hartz
IV angeordnet. Besonders bei jüngeren
Erwerbslosen wird das Instrument eingesetzt, um sie zur Aufnahme einer Arbeit
zu zwingen, obwohl sie eigentlich eine
Ausbildung suchen. Bei Älteren dient es
auch zum Abdrängen in die Frührente.
Das Durchschnittsalter der Teilnehmer
liegt bei 43 Jahren.
Spindler fordert eine Zurückdrängung
der Ein-Euro-Jobs, deren Teilnehmer gar
nicht als Beschäftigte gelten und denen
wesentliche Rechte vorenthalten werden.
Die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen bemerkte zu dem neuesten Vorhaben
treffend: „Die Asylbewerber sollen möglichst knallhart in dieses Hamsterrad des
deutschen Dumpinglohn- und Armutsarbeitsmarktes reingepresst werden.“
Neben dieser längerfristigen Umgestaltung des Sozialstaats in einen Arbeitsdienst-Vermittler dienen die Arbeitsgelegenheiten in erster Linie dazu, den öffentlichen Dienst unterbesetzt zu lassen. Das
dürfte auch der Anlass sein, Geflüchtete
in Maßnahmen zu stecken. Sie werden
überwiegend Aufgaben übernehmen, die
zum öffentlichen Dienst gehören. Die Zahl
der Vollzeitbeschäftigten dort ist von 5,6
Millionen im Jahr 1991 auf 3,1 Millionen
im Jahr 2014 reduziert worden. Besonders
stark ist der Abbau in den Kommunen von
1,5 Millionen (1991) auf 870.000 (2014)
betrieben worden.
Die öffentliche Hand spart einerseits
Geld, weil keine neuen Stellen geschaffen
werden. Die Ausgaben für die Ein-EuroJobs sind andererseits nicht gerade gering.
Sie lagen 2015 bei 248 Millionen Euro, auf
dem Höhepunkt der Maßnahmen 2005
bei 1,1 Milliarden Euro. Dennoch bleibt
so mehr Geld im Haushalt für wichtige
Bedürfnisse der großen Konzerne und für
die Rüstung. Ein weiterer Effekt ist die
Bereinigung der Arbeitslosen-Statistik, aus
der die Teilnehmer an Maßnahmen rausgerechnet werden. So hält der Statistiker die
Mär vom deutschen „Jobwunder“ aufrecht.
Die Arbeitsgelegenheiten müssen restlos
abgeschafft werden. Was spricht dagegen,
Geflüchtete und Erwerbslose sozialversicherungspflichtig zu beschäftigten? Aus
Sicht aller Lohnabhängigen nichts, aus
Sicht von Kabinett und Kapital recht viel.
nPhilipp Kissl
Der Artikel ist der UZ, Zeitung der DKP,
vom 1. Juli 2016 entnommen.
DGB-Zeitarbeitstarifverträge unterlaufen das gesetzliche Gebot der gleichen Bezahlung
für Leiharbeiter. Diese Tarifverträge laufen Ende des Jahres aus. „Die DGB-Gewerkschaften hätten jetzt die Chance, den Sklavenhandel, der sich Leiharbeit nennt, endlich
zu beenden“, erklärt Mag Wompel, Initiatiorin des Aufrufs „Equal Pay für LeiharbeiterInnen – diskriminierende Tarifverträge ersatzlos kündigen!“
Unterstützt den Aufruf – sammelt Unterschriften
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