Gärten als Kunstobjekt

Mit «Gärten der Welt»
präsentiert das Museum
Rietberg in Zürich eine Sonderausstellung. Kunstwerke
aus der ganzen Welt zeigen
Gärten aus verschiedenen
Zeitepochen und Kulturen.
Ein prächtiger Landschaftsgarten ist Teil und bildet den
Rahmen der Ausstellung.
Text: Oliver Metzler, Biel
Bilder: O. Metzler, zvg
Das Beet um den Brunnen wurde so bepflanzt, wie es im 19. Jahrhundert üblich
war. Ein Bild aus jener Zeit diente als Vorlage für die Rekonstruktion.
Die Gärten der Welt
«Gärten der Welt» ist eine Kunstausstellung und keine Gartenshow. Wer
sich einzig für lebendes Grün interessiert,
kann sich auf den Rieterpark beschränken. Er ist einer der schönsten Landschaftsgärten der Schweiz und allein die
Reise wert. Wer aber Interesse an Kunst,
Kultur und Geschichte mitbringt, sollte
sich unbedingt zwei Stunden für die Ausstellung reservieren. Mit «Gärten der
Welt» führt das Museum Rietberg den
Besucher auf eine kunsthistorische Reise
durch die Gärten Europas, Chinas und
Persiens. Zu sehen sind eine der ältesten
Gartendarstellungen aus dem Alten Ägypten, Abbildungen japanischer Gärten oder
Gemälde von Paul Monet. An über 30 Stationen wird die Geschichte der Gärten
chronologisch aufgerollt. Alles beginnt
natürlich mit dem Garten Eden und der
paradiesischen Vorstellung, die über Zeit
und Ort hinweg schon immer mit dem
Garten verbunden wurde.
Auch das deutsche Ehepaar Wesendonck
hat sich im 19. Jahrhundert mit einer Villa
und dem Rieterpark ein solches Paradies
geschaffen. Stadt Grün Zürich rekonstruierte speziell für die Ausstellung Blumenbeete, wie sie auf Bildern aus jener Zeit zu
sehen sind. Die Ausstellung «Gärten der
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Welt» zeigt mittels Skulpturen, Bildern
und Videos, wie sich die Menschen früher
und anderswo das Paradies vorgestellt
haben.
Der Garten als Paradies
Wo sich heute die iranische Wüste ausbreitet, soll einst der Garten Eden geblüht
haben. Dieser Garten von Adam und Eva
wurde zum Inbegriff des Paradieses. Das
Wort «Paradies» stammt denn auch aus
der iranischen Sprache und bedeutet
«umgrenzter Bereich». Im Persischen
kann das Wort Garten übersetzt werden
mit «Jenseits der Mauer». Mit der Gestaltung eines Gartens ist und war also auch
stets die Absicht verbunden, sich von der
Aussenwelt abzugrenzen. «Die Gestaltung der Gärten war immer eine Suche
nach dem verlorenen Paradies», erklärt
Co-Kurator Hans von Trotha.
Das Thema Garten ist komplex. Albert
Lutz, Direktor des Museums Rietberg,
war aber davon überzeugt, dass sich ein
solches Thema in einer Ausstellung umsetzen lässt. Um es vollumfänglich zu
erfassen, genügt es nicht, nur die historische Entwicklung aufzuzeigen, sondern der Garten muss auch erlebt werden können. «Weil das Museum mitten
dergartenbau Ausgabe 14/2016
FOKUSTHEMA
Die «Blumentorte» wurde nach originalen Abbildungen
speziell für die Ausstellung bepflanzt.
in einem grossartigen Landschaftsgarten liegt, ist es der ideale Ort für eine
Gartenausstellung», meint Lutz.
Um nicht im Irrgarten der Thematik verloren zu gehen, haben sich die Ausstellungsmacher an dem 1914 erschienenen
Werk «Geschichte der Gartenkunst» orientiert. Das Buch von Marie Luise Gothein
ist bis heute einer der wichtigsten Quellen
für Gartenkunst. Regional beschränkt
sich die Ausstellung auf Ägypten, Asien
und Europa.
Im Garten ein Summen
Um einen möglichst vielfältigen Einblick
in die Geschichte der Gartenkunst zu vermitteln, hat das Museum Kunstwerke von
über 60 Leihgebern aus der ganzen Welt
zusammengetragen. Ein besonderes Exponat ist etwa das berühmte Insektenbuch des japanischen Holzschnitzers Utamaro aus dem 18. Jahrhundert. «Im
Garten ein Summen» zeigt Farbholzschnitte mit Pflanzen, Insekten und Reptilien. Jedes Blatt ist mit Gedichten versehen, die voller erotischer Anspielungen
sind. Eine weitere Besonderheit ist das
wohl schönste Gartenbild der islamischen
Kunst. Es ist eine Leihgabe aus dem Pariser Louvre und krönt die Abteilung der
Gärten des Orients.
Aufwändig war gewiss auch die digitale
Aufbereitung der Darstellung eines alt­
ägyptischen Gartens. So kann man mit
einer 3-D-Brille virtuell durch die Garten-
dergartenbau Ausgabe 14/2016
«Der Garten des Verweilens» (1627). Die Gartenbilder des
Malers Zhang Hong zählen zu den schönsten ihrer Art.
anlage des Amun-Tempels von Luxor
spazieren, der vor 3500 Jahren an den
Ufern des Nils anzutreffen war. Andere
Kunstwerke zeigen Gärten des europäischen Mittelalters oder der Renaissance.
In Kurzfilmen werden verschiedene euro­
päische Gärten präsentiert, wie der
Stourhead Garten in Wiltshire oder der
Wörlitzer Park. Zu sehen sind aber auch
zeitgenössische Kunstwerke.
Herrschaftlicher Rieterpark
Mit der Erfindung des Landschaftsgartens
vollzog sich eine gartenkünstlerische Revolution. War der Garten bisher bestimmt
von geraden, symmetrischen Linien und
streng geschnittenen Gehölzen, orientierte sich die Gartenkunst im Verlaufe des
18. Jahrhunderts wieder an der Natur. Anders als im französischen Barockgarten
gab es keine geraden Linien und keine
symmetrische Ausrichtung mehr. Der im
19. Jahrhundert angelegte Rieterpark, der
in das Ausstellungskonzept integriert ist,
entsprach dem damaligen Trend aus
England, die Natur wieder unverfälscht
darzustellen. Die Wesendoncks liessen
den Park zusammen mit der Villa Mitte
des 19. Jahrhunderts anlegen. Vom Balkon der Villa, der erstmals und nur im
Rahmen der Ausstellung dem Publikum
zugänglich ist, bietet sich ein herrlicher
Ausblick auf den Garten.
Für die Ausstellung wurden auch einige
längst verschwundene Elemente wieder
zum Leben erweckt. Anhand alter Abbil-
dungen wurde die Bepflanzung am Rand
eines Wasserbeckens wieder hergestellt.
Auf derselben Wiese ist eine historische
«Blumentorte» angelegt. Solche Teppichpflanzenbeete waren damals in Mode.
Attraktives Rahmenprogramm
So umfangreich das Thema Garten ist, so
verschieden sind auch die Zugänge, die
das Museum mit zahlreichen Veranstaltungen erschliessen möchte. Einen pädagogischen Aspekt vermittelt der vier Meter hohe Wandelgarten vor dem Eingang.
Durch die vertikale Ausrichtung stellt er
eine moderne, urbane und futuristische
Perspektive dar. Kräuter und Blumen
finden sich in diesem spiralförmig angelegten Garten. Sie sind mit kleinen Texttafeln versehen, die über die Fauna informieren sowie über den Ursprung der
Namensgebung oder die medizinische
Wirkung. Nischen bieten Sitzplätze. In
Workshops werden die Hintergründe der
ausgestellten Pflanzen erörtert.
Bis zum Ende der Ausstellung im Oktober finden auch Konzerte statt, Gesprächsrunden mit prominenten Gästen
aus der Gartenwelt, Filmabende oder
Afternoon Teas, die einem die englische
Gartenkultur näherbringen. Informativ
ist auch der eingerichtete Blog, der mit
weiterführenden Erläuterungen, Interviews, Anekdoten und allerlei Witzigem
rund um die Welt der Gärten überrascht.
Regelmässig werden auch öffentliche
Führungen angeboten.
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