leitartikel Flickschusterei Eine Regierung, die wichtige Dinge aus taktischen Motiven vertagt, ist mit ihrem Latein am Ende – noch bevor sie richtig zu arbeiten begonnen hat. von Alexandra Aschbacher Eine Regierung mit schlüssigem Konzept und klarer Kommunikation braucht keine ewige Entscheidungsfindung, bei der man die Zumutbarkeiten des Landes erst ausloten muss. W ie verkauft man eine unpopuläre Entscheidung als Erfolg? Indem man sie mit einer vielversprechenden (wenn auch oft schwer zu realisierenden) Vision versieht. Die Geburtenabteilung Sterzing muss geschlossen werden? Der Landeshauptmann kündigt die Stärkung des Krankenhauses mittels Schwerpunkten wie Orthopädie und Neuro-Reha an. Die Regierung nehme die Peripherie und ihre Sorgen nicht ernst? Der Entwurf des neuen Landesgesundheitsplanes sieht vor allem in der Peripherie künftig mehr Krankenhausbetten vor! Auch Arno Kompatscher beherrscht die Kunst der visionären Rede. Selbst im Zuge einer unpopulären Entscheidung wie jener, die Geburtenabteilung Sterzing zu schließen. Nun erkennt man einen großen Politiker freilich auch daran, dass er gegen Widerstände unpopuläre Entscheidungen trifft. In besagter Angelegenheit jedoch hat sich die Regierung zu viele Monate hin- und hergewunden. Die Folge war, dass das wichtige Reformprojekt Gesundheitssystem bis zur Unkenntlichkeit zerredet und auf die lange Bank geschoben wurde. Der große Wurf ist zum täglichen Stellungskrieg von Peripherie, Landesrätin, Volkspartei und Opposition verkommen. Es geht jetzt um minimale Geländegewinne, um mehr aber auch nicht. „Wir hätten viel früher entscheiden sollen“, sagen einige unterm Edelweiß. Im vergangenen Jahr zum Beispiel schon, als die Geburtenabteilung Innichen geschlossen wurde. Den derzeitigen „Nacht-und-Nebel-Beschluss“ allerdings können nicht alle nachvollziehen. Jetzt, so der Tenor, hätte man auch noch die Debatte um die Leistungsprofile und den neuen Landesgesundheitsplan abwarten können. Es beginnt nun das typische Spiel von Unterstellungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen. Und diese lassen eines immer deutlicher ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – FF-Media GmbH/Srl werden: Eine Regierung mit schlüssigem Konzept und klarer Kommunikation braucht keine ewige Entscheidungsfindung, bei der man die Zumutbarkeitsgrenze des Landes erst ausloten muss. Eine Regierung aber, die wichtige Dinge aus taktischen Motiven vertagt, ist mit ihrem Latein eigentlich schon am Ende, bevor sie richtig zu arbeiten begonnen hat. Unpopuläre Entscheidungen sind oft nötig. Kein vernünftiger Mensch kann glauben, dass die demographischen und ökonomischen Veränderungen ohne schmerzhafte Anpassungen des Gesundheitssystems zu bewältigen sind. Es ist Zeit, vom romantischen Bild der Tante-Emma-Sanität Abschied zu nehmen. Das Problem ist nur: Ein Gesamtkonzept können selbst viele SVP-Politiker sowie Krankenhausärzte noch immer nicht erkennen. Ohne eine realistische Krankenhausplanung aber werden auch viele andere Häuser im Land keine gute Zukunft haben. Regierung und Regierungspartei reiben sich auf, wenn sie ständig nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. Heraus kommt dabei oft nur Flickschusterei, die allenfalls ein paar Jahre hält. Die Schließung der Sterzinger Geburtenabteilung ist nur ein Tropfen auf einen glühend heißen Stein. Als ein weitaus größeres Problem erweist sich der Ärztemangel schon jetzt in vielen anderen Krankenhausabteilungen im Land. Es gilt, das ganze Mosaik zu betrachten. Risse tun sich lange schon an anderen Stellen im sanitären System auf, nicht nur in Sterzing. Viele andere Steine drohen aus der Wand zu brechen. Will die Regierung das Bild vor weiterer Zerstörung bewahren, sollte sie sich weniger damit brüsten, welche angeblichen Untaten sie verhindert habe, sondern endlich anfangen zu n gestalten. No. 29 / 2016
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