Die wunderbare Freiheit Gottesdienst zum 8. Sonntag nach Trinitatis Bangkok, Gemeindehaus 17.7.2016 Evangelium: Matth.5,13-16 / Predigttext: Röm.6,19-23 Lieder: EG 440; EG 390; EG 165,1-2+8; EG 599 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen. Liebe Gemeinde, Urlaubszeit! Und ich höre die Worte des Evangeliums für diesen Gottesdienst mit Urlaubsbildern im Kopf: Ihr seid das Salz der Erde. Für andere ist es lästig und subversiv – überall kriecht es hin, macht Roststellen ins Metall. Salz – wenn eine Pfütze mit Salzwasser verdunstet, bleiben nur wenige Salzkristalle über, und doch: die geringe Menge hat Kraft. Ihr seid das Salz der Erde. sagt Jesus. Die Botschaft von Gottes Gegenwart, von Gottes neuer Welt dringt überall hin, sickert ein, verändert den Geschmack der Welt. Ich glaube, Jesus hatte schon damals vor Augen, worüber wir auch heute immer mal wieder klagen: dass die Christenmenschen so wenige sind, dass der öffentliche Einfluss der Kirchen immer mehr nachlässt. Ihr seid das Salz der Erde. Salz – Ich sitze am Meer, sehe auf die Wellen, spüre den Wind, schmecke den Salzgeschmack auf meinen Lippen… Unterschätzt nicht die Kraft des Salzes, der guten Botschaft Gottes, sagt Jesus. Es wirkt auch in geringen Mengen, auch wenn es gar nicht so viele Christen gibt. Salz – Für manche Menschen ist das heilsam – für die Atemwege, für die Haut. Und vielleicht sollten wir den Gedanken noch weiterspinnen: 8.So.n.Trin. VI Röm.6,19-23 Predigt 17.7.2016 Bangkok was wäre denn, wenn alle Menschen Christen wären, und die Kirche so viel öffentliche Macht hätte wie manche Ayatollahs in den muslimischen Ländern? Zuviel Salz macht die Suppe ungenießbar. Zuviel Frömmigkeit kann unerträglich werden. Ihr seid das Salz der Erde. Also jammert nicht! Unterschätzt nicht die Kraft des Evangeliums! sagt Jesus. Und vor allem, denkt daran: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr müsst es nicht erst werden durch besondere Anstrengungen. Allein dass ihr da seid als Christen, das verändert schon etwas in dieser Welt, auch wenn wir das nicht sofort messen können. Woher nimmt Jesus diese Zuversicht? Berge, grüne Wiesen, Wälder, ziehende Wolken, Fernblick … und dann, an einem Berghang, auf einer Bergkuppe ein Dorf, vielleicht sogar eine kleine Stadt: in einem süddeutschen Flusstal oder in der französischen Provence. Weithin sichtbar: Häuser, eng aneinander geschachtelt, schmal steile Gassen, vielleicht sogar noch Reste einer alten Stadtmauer, über allem thronend ein Kirchbau und das Ganze im hellen Sonnenlicht. Die Stadt, die auf dem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Und genauso, sagt Jesus, ist es mit den Christen, mit den Menschen, die sich von Gott anrühren lassen – das lässt sich gar nicht verstecken im Alltag: Wie, Du engagierst dich in der Gemeinde – hast du nichts Besseres zu tun? Als Antwort zeigt er uns ein zweites Gleichnisbild: Ihr seid das Licht der Welt. Die Stadt, die auf dem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Wieder so ein Urlaubsbild: 8.So.n.Trin. VI Röm.6,19-23 Predigt 17.7.2016 Bangkok Wie, Du betest – das ist doch was für kleine Kinder und alte Leute! Wie, du gehst zum Konfirmandenunterricht – was soll dir das denn bringen? Die Stadt, die auf dem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Ob es uns passt oder nicht – unsere Nachbarn, unsere Arbeitskollegen, unsere Mitschüler die nehmen das sehr genau wahr ob für uns der Glaube oder gar die Kirche eine Rolle spielt. Da brauchen wir gar keine besonderen Anstrengungen oder Klimmzüge zu veranstalten, damit die anderen etwas von Gottes Botschaft mitbekommen, wir fallen sowieso auf als Kirchenläufer. Wir werden wahrgenommen als Botschafter, als Missionare, ob uns das passt oder nicht. Vielleicht sträubt sich jetzt alles in Ihnen. Wir wollen doch nicht überheblich sein, uns doch nicht über andere stellen. Wir sind doch keine Sektierer. Richtig! Aber das meint Jesus auch gar nicht mit den Gleichnisbildern vom Salz und vom Licht und von der Stadt auf dem Berg. Anders sein als andere, vielleicht sogar erwählt zu sein für eine Aufgabe, eine Mission – das macht uns ja auch nicht automatisch zu besseren Menschen. Die Stadt, die auf dem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Aber einen Unterschied macht es eben doch, Christ zu sein oder nicht. Also, liebe Gemeinde, als Christenmenschen sind wir etwas Besonderes. Worin besteht dieser Unterschied? So sagt es übrigens schon das alte griechische Wort, das wir im Deutschen mit „Kirche“ übersetzen: Eine Antwort auf diese Frage versucht der Predigttext für diesen Sonntag. Es ist ein Abschnitt aus dem Brief des Apostels Paulus an die erste christliche Gemeinde in Rom. Ekklesia – die Herausgerufenen. Wir sind etwas Besonderes. Wir sind erwählt, berufen von Gott. 8.So.n.Trin. VI Röm.6,19-23 Predigt 17.7.2016 Bangkok Und wenn wir diesen Text gleich hören, dann werden wir vielleicht erst einmal tief durchatmen, weil die Worte so schwergewichtig, so grundsätzlich daherkommen. Und man meint überall den großen moralischen Zeigefinger zu sehen. Aber ich ermutige Sie, den Text einmal anders zu hören: leicht, in urlaubsmäßiger Stimmung: Röm.6,19-23 Liebe Gemeinde, wie soll man einen solchen Bibeltext urlaubsmäßig hören? Ich weiß, auf den ersten Blick will das so gar nicht passen. Aber erinnern wir uns noch einmal an die Ausgangsfrage: Was unterscheidet einen Christen von einem Nichtchristen? Was ist anders, besonders, beim Christsein? möglicherweise sogar mit vielen Idealen und guten Vorsätzen verbunden aber am Ende blieb immer wieder die Erschöpfung oder die Enttäuschung, oder, vielleicht noch schlimmer, der Verdacht, die Gewissheit: Ich lebe gar nicht – ich werde gelebt. Angetrieben, hin- und her gekickt wie ein Spielball in einem Flipperspiel. Und am Ende bleibt – nichts. Oder, wie Paulus es formuliert: Der Lohn, den die Sünde zahlt, ist der Tod. Liebe Gemeinde, vielleicht ahnen Sie jetzt, wieso ich Ihnen vorgeschlagen habe, diesen Predigttext urlaubsmäßig zu hören: Denn warum machen wir Urlaub? Der Apostel Paulus formuliert das ausgesprochen drastisch: solange ihr keine Christen wart, dientet ihr der Sünde, wart ihr abgetrennt vom wahren Leben, vom Glück, von Gott. Weil wir von Zeit zu Zeit heraus müssen aus dem alltäglichen Trott. Weil wir einen Tapetenwechsel brauchen, Abstand von dem Allzu Vertrauten – und stattdessen einmal neue Eindrücke, andere Bilder vor Augen, andere Geschmäcker, andere Gerüche brauchen. Alles, was ihr in diesem Zustand getan habt, war vielleicht sogar sehr anstrengend, Und nichts anderes sagt doch der Apostel Paulus in unserem Predigttext: 8.So.n.Trin. VI Röm.6,19-23 Predigt 17.7.2016 Bangkok ihr müsst immer wieder aus dem heraus, wie ihr es bisher gemacht habt, aus dem Alltagstrott, der euer Leben auffrisst. Ihr seid EKKLESIA, Ihr seid Herausgerufene, damit Ihr das wahre, das ewige Leben Gottes findet, damit ihr heilig werdet, in Einheit mit Gott und seinen Geschöpfen. So schreibt es der Apostel am Ende unseres Predigttextes. Und das wird auch nicht verborgen bleiben, wenn ich erholt und erfüllt zurückkehre in meinen Alltag, mit der Ahnung, mit der Gewissheit, was eigentlich die Berufung und der Sinn meines Lebens ist. Liebe Gemeinde, vielleicht erinnern Sie sich an die Gleichnisbilder Jesu und an die drastische Mahnung des Apostels Paulus wenn Sie demnächst Urlaub machen – wenn Sie auf hohe Berge schauen oder im warmen Sand liegen, mit Salzgeschmack auf den Lippen: Und der Friede Gottes der größer ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. ja, das ist meine Berufung, das ist die Fülle des Lebens die Gott mit zugedacht hat: Ich bin nicht Sklave meines Alltags, meiner Arbeit, meiner Schule. Und es muss auch nicht immer alles so weiter gehen wie bisher. Ich bin frei. Ich lebe in der wunderbaren Freiheit der Kinder Gottes. Die Gabe Gottes ist das wahre, das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn. 8.So.n.Trin. VI Röm.6,19-23 Predigt 17.7.2016 Bangkok Ulrich Holste-Helmer
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