Kongress des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft – Was Bayern morgen braucht Montag, 18. Juli 2016 um 17:40 Uhr MOC Veranstaltungscenter München, Halle 4 Lilienthalallee 40, 80939 München Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats Alfred Gaffal Präsident vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Es gilt das gesprochene Wort. 1 Sehr geehrte Damen und Herren, ich hoffe, Sie konnten sich mit den ausgestellten Exponaten ein Bild vom Potenzial von Big Data in den Schlüsseltechnologien machen. Big Data ist kein kurzfristiger Hype. Die Bedeutung von Big Data wird stetig wachsen – nicht nur in Wirtschaft und Wissenschaft, sondern in allen Lebensbereichen. Big Data verspricht Effizienzgewinne und Innovationen, die wiederum neue Produkte und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Die Einführung von Big Data schafft Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze. Bislang setzen sich aber vor allem die großen Unternehmen aktiv mit Big Data auseinander. Kleine und mittlere Unternehmen stehen der Big Data-Nutzung noch zurückhaltend gegenüber. Sie verweisen auf mangelndes Know-How, fehlende Fachkräfte und auf rechtliche Unsicherheiten. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 2 Bayern kann es sich aber nicht erlauben, bei Big Data ins Hintertreffen zu geraten. Der Mittelstand braucht konkrete Entscheidungshilfen, um seine ganz individuellen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Gerade dazu will der Zukunftsrat einen Beitrag leisten. Die Studie Big Data – Chancen und Herausforderungen für den Standort Bayern zeigt auf, dass die Voraussetzungen im Freistaat günstig sind, um Big Data zum Erfolg zu machen. Sie zeigt aber auch, dass in vielen Bereichen Nachholbedarf besteht, um die internationale Spitzenposition zu erreichen. Auf Grundlage der Studie hat der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Handlungsempfehlungen formuliert, die Orientierung geben und die Hürden für die Big Data-Nutzung gezielt adressieren. Übersicht Handlungsempfehlungen Die Handlungsempfehlungen unseres Zukunftsrats decken vier Bereiche ab: Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 3 Strategische Empfehlungen für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gleichermaßen, Empfehlungen für die Unternehmen für die praktische Umsetzung von Big Data, Empfehlungen für den Standort Bayern zur Entwicklung und Anwendung von Big Data und Empfehlungen zur Gestaltung des Rechtsrahmens. Strategische Handlungsempfehlungen Grundlage unserer Empfehlungen ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Innovationen und Big Data in Bayern. Die Forderungen der letztjährigen vbw Studie Bayerns Zukunftstechnologien haben nicht an Relevanz eingebüßt. Das beginnt beim Ausbau der Infrastruktur für IT und Kommunikation – bis 2020 müssen in Bayern flächendeckend 100 Mbit/s zur Verfügung stehen. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 4 Wir brauchen aber auch dringend ein modernes, flexibleres Arbeitsrecht, das zu den technischen Möglichkeiten der Arbeitswelt 4.0 passt. Die Strategie Bayern Digital muss vom Freistaat konsequent umgesetzt und um Big Data-Aspekte ergänzt werden. Der Gesetzgeber muss jedoch auch eine Strategie für Big Data entwickeln, damit die Gesellschaft und die Wirtschaft rechtssicher von Big Data profitieren können. In diesem Zusammenhang brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte um den richtigen Umgang mit Big Data-Technologien. Bei Aspekten wie Transparenz und Privatheit müssen wir eine Balance finden zwischen dem technisch Möglichen, dem wirtschaftlich Sinnvollen und dem ethisch Gebotenen. Ein Beispiel sind Gesundheitsdaten. Ihre flächendeckende Auswertung kann die Diagnostik verbessern und Leben retten. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 5 Da sie jedoch einen sensiblen individuellen Schutzbereich betreffen, verursacht ihre Nutzung und Speicherung kontroverse Diskussionen. Wir müssen diese Sorgen und Vorbehalte frühzeitig in den richtigen Formaten ansprechen, um Big Data zum Erfolg zu machen. Generell muss die Staatsregierung sich das strategische Ziel setzen, dass Bayern zur europäischen Leitregion für Big Data wird. Die Voraussetzungen am Standort sind gegeben! Handlungsempfehlungen für Unternehmen Ziel der heimischen Unternehmen muss es sein, in neuen und strategisch wichtigen Bereichen – gerade auch bei Angeboten für den Massenmarkt! – die weltweite Systemführerschaft zu übernehmen. Unsere Handlungsempfehlungen skizzieren, wie Unternehmen unter Berücksichtigung vorhandener Potenziale eine Datenstrategie entwickeln können. Ausgangspunkt einer Datenstrategie ist eine Bestandsaufnahme der im Betrieb vorhandenen Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 6 Daten und eine Abschätzung ihrer möglichen Nutzung. Im Kern geht es um die Frage: Welche unternehmerischen Ziele können mit welchen Daten und welcher Methode verfolgt werden? Ein Beispiel: Die parallele Analyse von Daten aus verschiedenen Quellen kann Unregelmäßigkeiten oder Risikofaktoren automatisiert aufdecken – lange, bevor ein Mensch mit herkömmlicher Technik etwas bemerken würde – und macht ein vorausschauendes Handeln und ein viel besseres Risikomanagement möglich. Wenn die Entscheidung zum Einsatz von Big Data-Methoden gefallen ist, sollte die Datenstrategie in einem nächsten Schritt um folgende Elemente erweitert werden: Festlegung und Dokumentation der Big DataZielsetzung. Abschätzung der rechtlichen Risiken. Information über die Datenverwendung und vertrauensbildende Maßnahmen. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 7 Erstellung eines IT-Sicherheitskonzeptes über die Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und Integrität der verarbeiteten Daten. Auch dazu finden Sie eine Matrix als Checkliste in den Handlungsempfehlungen! Unabhängig von konkreten Big DataAnwendungen müssen Unternehmen ihr datenspezifisches Wissen verbreitern. Wo der Aufbau von eigenem Wissen nicht möglich ist, müssen zumindest geeignete Kooperationspartner identifiziert werden. Für eine flächendeckende Anwendung neuer ITTechnologien ist es auch wichtig, gemeinsame internationale Standards zu definieren. Die bayerischen Unternehmen sollten sich aktiv in Gremien und Initiativen einbringen, in denen Standards und Schnittstellen festgelegt werden. Das wäre ein wichtiger Impuls für eine größere Planungssicherheit in den Unternehmen. Wirtschaftsorganisationen müssen die Unternehmen dabei unterstützen, die Chancen von Big Data zu ergreifen. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 8 Wichtige Services sind zum Beispiel Leitfäden, Vertragsmuster oder Unterstützung bei der Ausund Weiterbildung. Handlungsempfehlungen für den Standort Bayern Nicht nur die bayerischen Unternehmen sind gefordert, das Potenzial von Big Data abzurufen: Auch Wissenschaft und Politik müssen die Weichen für den Standort richtig stellen. Erstens müssen wir den Forschungsstandort Bayern nachhaltig stärken und eine ForschungsAgenda „Big Data“ entwickeln. Die vorhandenen Einrichtungen sollten um Big Data-spezifische Schwerpunkte erweitert werden, beispielweise am Zentrum Digitalisierung.Bayern. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 9 In der Big Data-Forschung muss sich Bayern auch stärker beim Einwerben von Drittmitteln auf nationaler und europäischer Ebene profilieren. Entscheidend für den Forschungsstandort Bayern ist eine internationale Ausrichtung. Die weltweite Vernetzung muss forciert werden. Zweitens müssen Big Data-Vorhaben bei der Neuausrichtung der Technologieförderung in Bayern stärker berücksichtigt werden. In den Schlüsseltechnologien für Bayern sollten Leuchtturmprojekte die hohe Relevanz von Big Data-Anwendungen verdeutlichen und den Wissenstransfer fördern. Ein zusätzliches Programm sollte für das Querschnittsthema Sicherheit aufgelegt werden, speziell für Daten- und IT-Sicherheit. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen fehlt hier oft das notwendige Know-How. Drittens empfiehlt der Zukunftsrat, die Sicherung des Fachkräftenachwuchses zu verbessern. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 10 Die Aus- und Weiterbildung muss stärker Big Data-Qualifikationen vermitteln – aus technischer wie aus betrieblicher Sicht. Bestehende Studiengänge wie „Data Scientist“ und „Data Analyst“ müssen weiterentwickelt werden – auch für die Hochschulausbildung. Viertens müssen kleine und mittelständische Unternehmen direkt angesprochen und unterstützt werden. Die Digitalisierung schreitet voran – und gerade der Mittelstand droht ins Hintertreffen zu geraten. Um die Unternehmen zu sensibilisieren, können Instrumente wie der QuickCheck Digitalisierung 1 „Fit durch digitale Transformation“ oder der QuickCheck Digitalisierung 2 „Fit für digitalisierte Produktion“ von bayme vbm als Vorbild dienen. Erfolgreiche und bereits im Einsatz befindliche Big Data-Anwendungen sollten aktiv vermarktet werden, um den konkreten Nutzen ebenso wie die rechtssichere Umsetzung zu demonstrieren. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 11 Vor allem KMUs brauchen die Möglichkeit, Anwendungen auszuprobieren oder diese in einem „Innovations-Shop“ von der Stange zu kaufen. Fünftens gehen technologische Impulse häufig von neuen Akteuren aus – speziell im IT-Sektor. Wir müssen gerade im Bereich Big Data Gründungen und Ausgründungen fördern. Das erfordert neben besseren Finanzierungsmöglichkeiten auch Zugang der Gründer zu Unternehmen, die Ideen gemeinsam mit ihnen entwickeln und in der Praxis erproben können. Wir sind von einer Gründermentalität und von der Möglichkeit, Geschäftsmodelle ausreichend zu skalieren, noch weit entfernt! Sechstens ist die öffentliche Hand gefordert, die von ihr erhobenen Daten bereitzustellen, um Gründungen im Bereich Open Data zu unterstützen. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 12 Was an Datenmaterial aus Steuermitteln zusammengetragen wird, das muss allen und ohne Verzögerung zur Verfügung stehen, wenn es nicht um personenbezogene Daten geht. Beispiele sind Statistiken oder Geodaten, die Grundlage für neue Geschäftsmodelle sein können. Siebtens müssen wir die erwünschten und unerwünschten Folgen von Big Data systematisch beobachten. Um eine breite Akzeptanz für Big Data zu erreichen, müssen wir den Umgang mit neuen Technologien mit allen beteiligten Akteuren diskutieren und die Gesellschaft einbinden. Handlungsempfehlungen für die Gestaltung des Rechtsrahmens Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines der größten Hemmnisse für Big DataAnwendung ist die unklare Rechtslage. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 13 Die Herausforderung für den Gesetzgeber besteht darin, die notwendigen Eingriffe vorzunehmen, ohne die technologische Entwicklung zu bremsen. Was ist zu tun? Erstens: Der Datenschutz ist maßvoll zu modernisieren. Generell ist das Datenschutzrecht die größte Hürde für Big Data. Sicherlich: Der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist in unserer Rechtsordnung ein hohes Gut. Allerdings gilt es, das erforderliche Schutzniveau an der gesellschaftlichen Realität abzugleichen. In vielen Bereichen müssen wir erst einmal abwarten und beobachten, ob die Rechtsprechung Konflikte zufriedenstellend auf Grundlage des geltenden Rechts löst. Anders zum Beispiel bei der Anonymisierung: Die Aufhebung des Personenbezugs von Daten muss erleichtert werden – eine Verarbeitung Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 14 bereits erhobener Daten sollte insbesondere ohne erneute Einwilligung erfolgen können. Damit schaffen wir ja gerade einen Anreiz, den Personenbezug zu beenden und Persönlichkeitsrechte zu schützen. Zweitens: Bei der Datenverwertung müssen vor allem positive Regelungen erarbeitet werden, die die kommerzielle Nutzung von Daten ermöglichen. Obwohl ein großes Interesse an der Kommerzialisierung von Daten herrscht, ist ihre vermögensrechtliche Position noch unsicher. Ein Eigentum an Daten gibt es jedenfalls nach geltendem Recht nicht. Das bedeutet: wenn es sich nicht um personenbezogene Daten handelt, dann sind Daten öffentliche Güter und dürfen grundsätzlich uneingeschränkt von allen verwendet werden, die darauf Zugriff haben. Das erschwert natürlich die kommerzielle Verwertung. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 15 Das bedeutet aber nicht, dass wir ein Dateneigentum einführen müssten. Die Lösung sind vielmehr vertragliche Regelungen zur Datenverwertung. In erster Linie sind hier also Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam gefordert, faire Bedingungen zu entwickeln. An eine gesetzliche Regelung sollte man erst dann denken, wenn über vertragliche Gestaltungen in der Praxis keine interessensgerechte Rechtsgestaltung möglich ist. Drittens: Bei der Datensicherheit sind weitere gesetzgeberische Eingriffe unverzichtbar, um sachgerechte Lösungen für die Praxis zu finden. Auch hier muss der Gesetzgeber eine Abwägung treffen zwischen der adäquaten IT-Sicherheit und einem innovationsfreundlichen Rechtsrahmen. Das IT-Sicherheitsrecht muss beispielsweise im Hinblick auf den Haftungsmaßstab oder die Konkretisierung der Pflichten nach dem ITSicherheitsgesetz weiterentwickelt werden. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 16 Ein freiwilliges IT-Sicherheitssiegel kann zusätzliche positive Anreize für einen leistungsstarken Datenschutz setzen. Hier ist wieder eher die Wirtschaft gefordert, als der Gesetzgeber. Information über ZR Soweit zu den Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats. Eine Kurzfassung liegt zu Ihrer Mitnahme aus. Die vollständigen Empfehlungen befinden sich auf dem angehängten USB-Stick. Darin sind auch die Kernergebnisse der neuen Leitstudie zu Big Data zusammengefasst. Sie können sich auch über die Homepage des Zukunftsrats informieren. Meine Damen und Herren, Jetzt sind Sie dran. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats 17 Sie konnten heute den ganzen Tag über Fragen an die Mitglieder des Zukunftsrats stellen. Da ist eine Menge zusammengekommen. Die Experten stehen jetzt Rede und Antwort. Moderieren wird unser Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Die Arbeit des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft geht nach dem heutigen Tag weiter. Lassen Sie uns gemeinsam umsetzen, „was Bayern morgen braucht“. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Kongress Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft, 18.07.2016 Alfred Gaffal, Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats
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