Neue Zürcher Zeitung vom 29.08.1962

Vor dem Prozeß
gegen Prof. Leibbrand
W. S. Stuttgart, 28. August
Dreizehn Monate nach seiner Verhaftung tritt
der international bekannte deutsche StSdteplancr
und Verkehrsexperte Prof. Dr. Kurt Leibbrand,
Ordinarius für Eisenbahn- und Verkehrswesen an
der Eidgenössischen Technischen Hochschule in
Zürich, vor seine lichter. Die Anklage der Stuttgarter Staatsanwaltschaft lautet auf Mord in 26
Fällen und versuchten Mord in mindestens 5 Fält
Stuttgart,
len. Der Prozeß vor dem Schviurgcrich
der am 4. September beginnt, wird nach Auskunft
des Gerichts mindestens zwei Wochen dauern.
Das Professor Leibbrand zur Last gelegte Massaker an italienischen Soldaten, sogenannten Hiwis
(Hilfswilligen) der frühere
n
deutschen Wehrmacht,
liegt achtzehn Jahre zurück. Nach Zeugenaussagen
soll Kurt Leibbrand als dreißigjähriger Oberleutnant und Kompagnieführer in Südfrankreich den
Erschießung des italienischen ArbeitsBefehl zur
kommandos gegeben haben. Der Angeklagte befehligte die 6. Kompagnie des Eisenbahn-PionierRegiments 6, die sich im August 1944 auf dem
Rückzug durch das Rhonetal befand. Westlich der
Straße nach Valence und Lyon, beim Gehöft La
Mornasse, mähten in der Nacht zum 22. August 1944,
Uhr morgens, deutsche Maschinengewehre das italienische Arbeitskommando nieder, das seit der
2
Kapitulation Italiens im Herbst 1943 der 6. Eisenbahn-Pionier-Kompagnie zugeteilt war. Nur zwei
bis d
i r e Mann gelang es, dem Blutbad unverletzt
zu entkommen.
Die italienischen Soldaten, meist Familienväter
zwischen dreißig und1 vierzig Jahren aus Umbrien,
Ligurien und Sizilien, hatten Schulter an Schulter
mit den deutschen Pionieren im Eisenbahnstrcckenbau gearbeitet. Sie waren, wie Zeugen bestätigten,
willig, freundlich und vertrauensvoll. Nach der
Landung der alliierten Invasionstruppen in Frankreich ließ die Arbeitsmoral nach. Die Italiener
zeigten keine große Lust, den Rückzug der
Deutschen mitzumachen. Es kamen Desertionen zu
den Partisanen vor, die im Kampf gegen die deutschen Besetzungstruppen standen.
Erst fünfzehn Jahre später, am 24. August
1959, gab ein früherer Untergebener Leibbrands im
Kölner Vorort Rodenkirchen das Geschehnis zu
Protokoll. Wiederum vergingen annähernd zwei
Jahre, bis der ehemalige Kompagnieführer Kurt
Leibbrand verhaftet wurde, als er auf dem Weg
von Zürich nach Bremerhaven auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen Zwischenstation machte.
Diese Festnahme schlug in der Schweiz und in der
Bundesrepublik wie eine Bombe ein. Schon wenige
Tage danach erklärte der Stuttgarter Oberstaatsanwalt Robert Schabel, Leibbrand habe den Erschießungsbefehl bereits zugegeben, jedoch eine
Reihe von Gründen dafür genannt. n
E i Mitarbeiter Leibbrands drückte sich nach einem Besuch seines Chefs In der Untersuchungshaft deutlicher aus:
«Er (Leibbrand) war nur Ueberbringer des Befehls und hat auch an der Bcfchlsvollstreckung
nicht teilgenommen.)
In der Scnwurgeriehtsverhandlung wird Amtsgorichtsdirektor Dr. Willi Hoch aus Böblingen den
Vorsitz führen. Die Anklage wird duTch den Ersten
Staatsanhalt Friedrich Schneider vertreten. Verteidiger Leibbrands sind der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Conrad Haussmann und der Frankfurter Rechtsanwalt Dr. Hans Laternscr. Das Stuttgarter Schwurgericht wurde mit dem Prozeß betraut, weil die schwäbische Landeshauptstadt der
letzte deutsche Wohnsitz des ETH-Professors war.
Im Gegensatz zur Eidgenössischen Technischen
Hochschule, die über ihr künftiges Verhältnis zu
Professor Leibbrand erst nach dem Ausgang des
Prozesses entscheiden will, löste die Stadt München ihren Vertrag mit dem Verkehrsexperten, der
eine Abfindung von 30 000 Mark erhielt. Frankfurt und Wiesbaden erklärten, sio wollten auf eine
weitere Zusammenarbeit verzichten, falls sich die
Leibbrand zur Last gelegten Kriegsverbrechen bewahrheiten. Der ETH-Professor plante unter anderem für Bonn, Athen, Ankara, Rom und Den
Haag. In der Schweiz beauftragte zuerst Basel den
Verkehrsfachmann. Außerdem beriet er Zürich,
Bern, Biel und Baden. Leibbrand, der aus Berlin
stammt, war im Hitler-Reich bei der Deutschen
Reichsbahn und im Autobahnbau tätig. Nach dem
Krieg eröffnete er ein Ingenieurbureau. Schon 1950
wurde er als außerordentlicher Professor auf den
neu geschaffenen Lehrstuhl für Eisenbahn- und
Vorkehrswesen an e
d i Eidgenössische Technische
Hochschule berufen und 1954 zum Ordinarius ernannt. Seine Verkehrspläne brachten ihm in kurzer
Zeit internationales Ansehen ein.
Neger hatte, kam Sylvanus an dio Tür, der Sohn
der alten Partheny.
«Miss Ellen . . . Partheny schickt mich . . . sagt
bitte kommen.»
«Hat sie einen Anfall gehabt?»
«Immer noch», sagte Sylvanus. «Sagt bitte Miss
Ellen kommen. Ich soll nicht bei ihr bleiben.
Mr. Troy braucht mich.»
«Lauf nur wieder aufs Feld, Sylvanus. Ich
komme.»
Sie band ihre Schürze ab, nachdem sie zuerst
noch einen kleinen Krug mit etwas Fleischbrühe
abgefüllt hatte; denn sio konnte eigentlich auch bei
Klein Onkels Hütte vorsprechen, dachte sie, wo
dessen Frau Suc Ellen wieder mal ein Baby erwarteto und schlecht dran war, und auch persönlich mit
Onoida sprechen, dio helfen sollte, alle die Brat-
hühner vorzubereiten.
Sie steckte den Kopf zur Eßzimmertür herein.
Nur zwei alte Tanten waren wach und auf den Beinen. Tante Shannon war jetzt unten und nähte gelassen an einem Stück Stoff.
«Ich gehe ein Weilchen aus», sagte sie.
«Bist schön verrückt», bemerkte Tante Mac.
Tante Mac war id r e Jahre junger als Tante
Shannon. Sie hatte gefärbtes schwarzes Haar, das
ging, in einer dünnen Flechte
sie, so weit es
nach union sog and um die kleinen rosigen Oehrlegte.
chen
Kleine Bchwarze Löckchcn ringelten
EIDGENOSSENSCHAFT
Schweizerische Führer- und Fahrzeugausweise in Spanien und Portugal
Bern, 28. Aug. ag Wie das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement mitteilt, anerkennen nunmehr in der Folge von neuen Vorstößen Spanien
und Portugal die Gültigkeit der schweizerischen
Ausweise für Motorfahrzeuge und Fahrzcugführer,
ohne eine spanische oder portugiesische Ueberseteung zu verlangen.
Eine Erdölraffinerie im Mittelland?
Bern, 28. Aug. ag In einer Kleinen Anfrage
ersuchte Nationalrat Hayoz (k.-k., Freiburg) den
Bundesrat um Aufschluß über den Bau einer an
das französische Pipelinenctz angeschlossenen
Erdölraffinerie.
Die Antwort des Bundesrates lautet: «Von
einigen Gesellschaften, die zusammen gegenwärtig
ungefähr die Hälfte des schweizerischen Mincralölverbrauches decken, wird in der Tat die gemeinsame Erstellung einer von der Rohöllcitung Marseille-Karlsruho her versorgten Mittclland-Raffinerie studiert. Eine erste Fühlungnahme der
Interessenten mit dem Bundesrat hat hierüber
stattgefunden} doch liegt bis heute kein konkretes
Projekt vor, zu dem der Bundesrat hätte Stellung
beziehen können. Insbesondere sind über den
Standort einer allfälligen Mittelland-Raffinerie
noch keinerlei Entscheide gefallen. Die aufgeworfenen Fi-.ffen der Auswirkungen auf die Standortregion und die Reinhaltung der Luft können
aber nicht generell, sondern nur bezogen auf ein
detailliertes Projekt untersucht werden. Ihre Beantwortung im vorliegenden Zeitpunkt erwei$t
sich deshalb als unmöglich.»
Zwei schwere Verbrechen in Zürich
Mord und Raubversuch
emr. Die Pressekonferenz im Thcoricsaal der
Zürcher Stadtpolizei war zu Ende, die meisten
Personen hatten sich schon wegbegehen, als das
Telephon schrillte. Es war die befürchtete Nachricht aus dem Kantonsspital: Die 51 Jahre alte
Frau Emma Hardmeier war um 21 Uhr am Dienstagabend ihren schworen Verletzungen erlegen.
Somit hatte sich der Tatbestand erfüllt, den Bezirksanwalt Dr. Alfred Schütz und der Chef der
städtischen Kriminalpolizei, Dr. Walter Hubatka,
vorher im Fall des Ablebens des Opfers umrissen
hatten: Mord und Raubversuch. Hinter den Raubversuch muß vorderhand freilich ein Fragezeichen
gesetzt werden, doch läßt sich das Verbrechen des
unbekannten Täters, eines etwa 25jährigen Ausländers, mit keinem andern Motiv erklären.
Ein ungebetener Radiomonteur
Am Dienstagmorgen um 9 Uhr ungefähr wurde
an der Wohnungstüre von Coiffeurmeister Paul
Hardmeier an der Freyastraße 4 (Zürich 4) geläutet. Das Ehepaar bewohnt dort neben seinem
Coiffeurgcschäft eine Parterrewohnung; dio Frau
war gebrechlich und konnte sich nur mit Hilfe
einer Krücke fortbewegen, ihr Gatte wurde erst
vor kurzer Zeit aus dem Spital entlassen. Der
Stand der Genesung erlaubte es ihm noch nicht,
seine Arbeit wieder aufzunehmen.
Der Coiffeurmeister öffnete die Türe: Draußen
stand ein etwa 25jähriger Mann, der sich in
gefärbten
einem wahrscheinlich österreichisch
Hochdeutsch als Radio- und Fernsehmonteur der
Firma Dirama vorstellte. Es seien aus der Umgebung Störungen gemeldet worden, erklärte er,
und er habe den Auftraar, den Fernsehapparat von
zu überprüfen. WirkUnglücksfälle und Verbrechen Coiffeurmeister Hardmeier Fernsehapparat,
lich besaß dieser einen
doch
je einen Radioerinnern,
sich
konnte
er
nicht
Der Mord in Sainte-Croix
monteur
zu
bestellt
haben.
Der
Mann
unbekannte
Aug.
ag Zum Mord in SainteLausanne, 28.
jedoch Gründe zu nennen, dio den CoiffeurCroix, der am Sonntagmorgen an einer schwange- wußte überzeugten,
meister
so daß er den Monteur einren Frau verübt worden war, teilt dio waadtländi- treten ließ.
Dieser entnahm einem schwarzen
sche Kantonspolizei noch mit, daß die Ermordete Mäppchen Werkzeug
unt1 machte sich beinahe
Schläge
durch mehrere
auf den Kopf getötet anderthalb Stunden lang am Fernsehapparat zu
wurde. In der Nähe des Tatortes wurde ein Ham- schaffen. Dann
er sich.
entfernte
aufgefunden,
mer
der zum Werkzeugbestand eines
Am Nachmittag um 14 Uhf 30 stellte sich der
Automobilisten gehören könnte. Der Tod dürfte gleiche
ein,
um mit seiner Arbeit
Mann
wieder
gegen 22 Uhr eingetreten sein. Die Ermordete trug
Zeitpunkt ruhte der Coifeine Armbanduhr, auf deren Innenseite sich die fortzufahren. Zu diesem
aus;
i'eurmeister
Bett
seine
Frau weckte ihn,
im
Inschrift «R 5223» befindet. Dies« Zahl könnte
sich hierauf. Wieder bastelte der Uneventuell die Kontrollnummcr des Uhrmachers sein, und er erhob Fernsehapparat
herum,
bekannte am
und der Coifder die Uhr repariert hat.
feurmeister fand keinen Anlaß, Argwohn zu
schöpfen. Deshalb entfernte er sich etwa um 15
Eine weitere Bluttat
Uhr, um einige Einkäufe zu besorgen. Gegen 16
Verbania, 28. Aug. (UPI) Wie die Polizei von
Uhr 45 kehrte er zurück.
Verbania am Dienstag mitteilte, wurde am Dienstag die 51jährige Schweizerin Domenica Bertocchi,
Brutales Vorgehen
Mutter von fünf Kindern zwischen 12 und 20 Jahren, die in Lausatine gelebt hatte, vom 60jährigen
Schon im Korridor kam ihm der unbekannte
Francesco Ortolani mit fünf Schüssen ermordet. Mann entgegen; er erklärte ihm, düß seine Frau
Dann beging der Täter Selbstmord. Die beiden in der Zwischenzeit verunfallt sei. Durch den kurwaren in Verbania in den Ferien und hatten sieh zen Flur und die halbgeöffnete Türe konnte der
zur Abreise fertig gemacht. Frau Bertocchi Coiffeurmoister ins Innere eines Zimmers blicken;
schleppte zwei Koffer zum Auto. In diesem
Augenblick wurde sio niedergeschossen. Dann floh er sah, daß seine, Frau in einer Blutlache auf dem
lag. In diesem Augenblick, ehe er sich von
der Täter in das Schlafzimmer des Hauses, in dem Boden
seinem Schreck erholt hatte, drang auch schon der
sie sich aufgehalten hatten, und brachte sich um.
Radiomonteur auf ihn ein; mit einer metallenen
Ortolani lebte von seiner Frau getrennt und Knicke, die der Frau gehört hatte, schlug er ihm
hatte mit der Lausanner Witwe während mehrerer
kräftig auf den Kopf. Obwohl er
Jahre zusammengelebt. Nach Angaben der Polizei mehrere Mnle
hatte Frau Bertocchi die Absicht, ihre Beziehung erheblich verletzt wurde, konnte der CoiffeurDrängen
zu Ortolani auf
ihrer Kinder abzubre- meister noch um Hilfe schreien. Daraufhin wandte
chen. Das scheint der Grund für die Bluttat ge- sich der Angreifer zur Flucht; er sprang durch
wesen zu sein.
das Küchenfenster in den Hinterhof und entkam.
In der Stube bot sich den UntersuchungsTödlicher Unfall in der Rekrutenschule
behörden ein schreckliches Bild. Als Waffe hatte
Bern, 23. Aug. ag Das Eidgenössische Militär- der Täter eine Art Totschlüger verwendet,
einen
departement teilt mit:
in einen Tuchstrumpf eingetoickclten Stein. Mit
gräßlicher
geriet
Dienstagnachmittag
Kopf
auf
hatte
den
ein KommandoAm
er. diesen
Wucht
wagen der Rekrutenschule 271 der Leichten Trup- der Frau niedergeschmettert. Sie lag mit einer
pen auf der Straße zwischen Riggisberg und Nie- schweren Schädclzertrümmerung am Boden, und
(Bern)
über das Straßenbord hinaus
dermuhlern
und stürzte über eine Böschung. Dabei fand Funkerrekrut Josef Keller, geboren 1942, Hochbauzeichner, wohnhaft gewesen in Rüschlikon, den
weiter die Werkfeuerwehre
n
der Ciba und
Tod. Der Fahrzeuglenker erlitt sclnvere Verlet- kamen
der Geigy AG zu Hilfe, so daß im gesamten über
zungen.
100 Mann im Einsatz standen.
Großbrand in Basel
Mit 23 Schlauchleitungen rückte man dem EleBasel, 28.. Aug. ag Am Dienstagnachmittag ment zu Leibe, wobei es allerdings vorerst nicht
wurde die Feuerwache alarmiert, da im Lager- gelang, dio Nebengebäude vor dem Feuer zu
schuppen der Firma Trösch & Co. AG, Sanitäre schützen. Vor allem wurde der sich nebenan beApparate, an der Erlcnstraßc in KIcinbasel Feuer findende Lagerplatz der Korkindustrie in Mitleiausgebrochen war. Als die Löschmannschaft am denschaft gezogen, wo riesige Stapel von KorkBrandplatz auf dem Areal des Badischen Güter- ballen vernichtet wurden. Dagegen konnte eine
bahnhofs erschien, zeigte es sich, daß der Bra/id Reihe von fabrikneuen Motorbooten in Sicherheit
ein gefährliches Ausmaß angenommen hatte, so gebracht werden, während anderseits fabrikneue
daß die Dienstmannschaft der Feuerwache sowie Autos ein Raub der Flammen wurden. Nach mehrdie dritte und vierte Kompagnie der Bezirksfeuer- stündigem Bemühen konnte endlich der Brand
wehren gleichfalls aufgeboten wurden. Ihnen unter Kontrolle gebracht werden. Die Brandursache
sich auf ihrer Stirn, als wären sie das ganze Haar
und der Rest wäre eine Mütze: eine altmodische
Winterrodelmütze mit einem kleinen flaumigen
Pompon am Zipfel, der aber ihr loser Haarknoten
war. Vor Alter war sie ganz klein. Irgendwann,
als sie dem Leben gegenüber ihre Würde durchdrücken mußte, hatte sie sich den übertriebenen
Gang eines kleinen Jungen angewöhnt und ging
so in ihrem langen schwarzen Rock herum, die alte,
weinfarbene Unterlippe vorgestreckt, als böte sie
aller Welt Trotz. Ihre Backenknochen, kleine flaumbedeckte Trommeln, stachen aus ihrem Gesicht hervor, auf dem der Reispuder flimmerte, wenn sie in
ihrem Sessel unter der hellsten Lampe saß. Ihre
scharfgeschnittenen, klaren Gesichtezüge waren
achtsam (obwohl sie jetzt völlig taub war), als wäre
sie tatsächlich in ihrer neuen Mütze draußen, ein
munterer Jungo oder ein junger Soldat, das Gelände der ganzen weiten Welt abpirschend und auf
der Suche nach etwas, das man fangen oder vielleicht diesmal entwischen lassen könnte. Sie gab
acht; doch ging sie ganz vorschriftsmäßig in Trauer
m ihren Gatten Duncan Laws, der vor sechzig
u
Jahren in der Schlacht bei Korinth gefallen war.
Eine mit Diamanten besetzte kleine Uhr steckte
immer am Ausschnitt ihres Kleides, und sio ließ
sich von den Kindern die Zeit sogen, ob es nun
stimmte 'oder nicht. Manchmal pfiff sie eine Melodie, etwas entfernt Soldatisches oder ein Lied der
Presbyterianer, dos in der Speisekammer altertüm-
lich und widersinnig klang; dort öffnete sie nämlich
manchmal die Schranktüren, um nachzuschauen, wie
nahe sie dem Hungertode waren. Ihr Lächeln, wenn
oft für India , war sehr weich.
es erschien
Wenn sie ging, humpelte sie jetzt öfters ein wenig,
doch es schien eher wie ein Hopser, als wollte sie
vielbeschäftigt aussehen. Ihre Augen waren erstaunlich und jetzt steinblau, und neben allem, was sie
tun mußte, hatte sie die Bibel neunmal von Anfang
bis zu Ende gelesen, bevor sie überhaupt nach Shcllmound kam und dort weitermachte. Sie und ihre
Schwester Shannon hatten sämtliche Kinder von
James und Laura Allen großgezogen, als sie nach
dem furchtbaren Unglück elternlos wurden: Denis
war damals zwölf und George war drei gewesen,
und beide Tanten waren froh, es zu übernehmen, sie
als Witwen! Und obwohl Shannon mit ihren Gedanken manchmal abschweifte und vergaß, wo sie
sich befand, und mit Lucian sprach, als wäre er
nicht in den Krieg gezogen und gefallen, oder ebenso mit ihrem Bruder Battle oder mit ihrem Bruder
George, als wäre er aufgefunden nnd wieder zu
Hause, oder mit dem toten jungen Denis, den sie
am meisten liebte, hatte doch sie selbst, Schwester
Mac, nie nachgelassen und nie verlangt, von der
gegenwärtigen Stunde zurücktreten zu müssen, und
wenn, Gott behüte, jetzt Ellen etwas zustoßen sollte,
dann war sie breit, alles noch einmal zu übernehmen und die Kinder des jungen Battle großzuziehen. Sie würde damit beginnen, Troy Flavin in den
Neue Zürcher Zeitung vom 29.08.1962
ihre Verletzungen schlössen jede Hoffnung aus, sie
am Leben erhalten zu können. Auch der Coiffeur-
meister mußte mit Verletzungen am Kopf ins
Kantonsspital gebracht werden, doch war er noch
fähig, den Hergang des Verbrechens zu schildern.
Nach seinen ersten Angaben ist kein Geld weggekommen; man nimmt deshalb an, daß der Täter
durch den heimkehrenden Coiffeurmoister in. seinem
Vorhaben gestört worden ist.
Gescheiterte Verfolgung
Die Hilferufe waren in der Nachbarschaft ver;
ein Jüngling hielt einen Lastnommen worden
wagen an und forderte den Chauffeur auf, dem
Ausreißer nachzufahren. Der Chauffeur folgte mit
dem Auto dem Verbrecher bis zum Haus Zwcier.straße 54; der Tüter eilte dann an einem Molkercigeschäft vorbei, in den Hof und in den
Garten und sprang über einen Holzzaun hinweg.
Der Chauffeur setzte ihm nach, Richtung Ankerstraße, und blieb ihm bis zum Haus Köchlistraße 3
auf den Fersen. Dort rannte der Verbrecher in den
Hausgang und verließ ihn wahrscheinlich durch
den Hinterhof. Von hier verliert sich auf alle Fälle
seine Spur. Mehrere andere Personen beteiligten
sich ebenfalls an der Verfolgung; einige befürchteten, daß der Tüter bewaffnet sei, doch dürfte
dies nach der Ansicht der Polizei kaum zutreffen.
Die von der Stadt- und Kantonspolizei eingeleitete Fahndun
g
nach dem Täter blieb bis jetzt
erfolglos. Nach den Bosch reibungen des Coiffeureiniger
r
Verfolge
meisters und
konnte das folgende
Signalement zusammengestellt werden: Beim Täter
handelt es sich um einen rund 25jährigen und
165 cm großen Mann; er spricht Hochdeutsch mit
einem wahrscheinlich österreichischen Akzent. Er
ist schlank und zeigt ein gesundfarbenes Aussehen;
die schwarzen oder dunklen Haare sind nach hinton
gekämmt. Er trug einen einreihigen dunkelgrauen
Anzug (einige Zeugen bezeichneten ihn als asphaltfarben) und ein schwarzes Mäppchen. Es ist anzunehmen, daß die Kleider blutversehmiert sind.
Deshalb sind auch Wahrnehmungen wichtig, ob
ein Mann, auf den dieses Signalement zutrifft,
eine solche Kleidung plötzlich nicht mehr trägt.
Ueber seine Beziehungen zur Firma Dirama
konnte bis zur Stunde noch keine Klarheit gewonnen werden.
Kindstötung
Am Montagabend nach 19 Uhr wurde die Stadtpolizei in ein Haus an der Röschibachstraße gerufen. Ein Hausbewohner, ein Italiener, war durch
einen widerlichen Geruch in der obersten Etage
dazu bewegt worden, den Hausverwalter zu benachrichtigen. Der Geruch drang aus einem Kasten
neben dem Aufgang zur Mansarde; der Verwalter
öffnete die Türe und stieß auf die Leiche eines neugeborenen Kindes in einer
Kartonschachtel.
Offenbar hntte die Mutter dieses Kindes, eine
in diesem Haus wohnende 31jährige Serviertochter,
bemerkt, daß das Verbrechen aufgedeckt worden
war. Sie holte, bevor die Polizei eintraf, die
Schachtel und brachte sie in ihr Zimmer. Mit einem
Rasiermesser versuchte sie dann, sich die Pulsader
zu öffnen. Als dio Polizei vorfuhr, traf sie Anstalten, sich durch das Fenster in die Tiefe zu
stürzen. Ira letzten Augenblick konnte sie daran
gehindert werden. Wegen
ihrer Schnittwunden
mußte dio Serviertochtcr ins Spital gebracht
worden.
Nach den vorläufigen Ermittlungen hat sie das
Kind ungefähr vor einer Woche geboren. Sie legte
nicht Hand an den Säugling, sondern packte ihn
in die Kartonschachtel und ließ ihn darin auf abscheuliche Weise langsam umkommen. Wie Zeugen
der Polizei erklärten, ist die Serviertochter bereits
Mutter eines unehelichen Kindes. Sie befand sich
in der letzten Zeit in einer bedrängten finanziellen
Lage. In den nächsten Tagen
hätte sie sich bei
einer Vomiundsehaftsbehürde in einem andern
Kanton melden sollen.
ist noch nicht bekannt. "Auch die Höhe der Schadensumme steht noch nicht fest, doch wird sjc in
d i Hunderttausende von Franken gehen.
e
Wetterbericht
Prognose der MZA
Für die ganze Schweiz: Heiter bis leicht bewölkt.
Nnehmittngsteniperaturen in den Niederungen nördlich der Alpen 25 bis 30 Grad, am Alpensüdfuß um
30 Grad.
6
Badetemperatur des Zürichsees, heute morgen,
Uhr, Badeanstalt Bürkliplatz: Wasser 21, Luft 16.
Bayou vor dem Haus zu werfen, wo ihn die Ebritzen
auffressen mochten.
Tante Shannon jedoch, wenn die sich einmal im
Zimmer umsah und es erkannte, begann sie gleich
mühsam zu atmen und bat um etwas
um einen
Palmettofächer oder sonst etwas; als wäre das
Leben so jämmerlich, daß die Leute sich damit begnügen müßten, sich hinten und vorne bedienen zu
lassen; bedient oder nicht bedient, die Woge würde
sinken, und es war besser, sich bedienen zu lassen.
Ellen zog einen von den großen schwarzen
Baumwollschirmen aus dem Ständer und ging hinaus. Die Sonne preßte wirklich wie ein heißer, weißer Stein hernieder. Der ganze Vordergarten blendete: er war mit sämtlichen Spitzengardinen dea
Hauses bedeckt, die auf Spannern trocknen sollten,
Gerade da kam Roy auf seinem Ziegenbock angeritten, immer herein und heraus, ohne die Gardinen
zu berühren.
«Oh, Roy! Ich habe wirklich geglaubt, du
schläfst! Bist du auch vorsichtig?»
«Ich komme überhaupt nie an die Gardinen,
Mama, und mache gar keine Löcher hinein. Willst
du mal zusehen?»
ich verlasse mich auf dich.»
«Nein
«Kann ich hinter dir herreiten, Mama? Wohin
gehst du?»
«Diesmal nicht!» sagte sie.