Juli/4

✗
Ein Selbstversuch
im Wandel
der Kommunikation
Früher ,als Jungs noch blöd und die
Schule einfach war, ist man nach pflichtbewusst erledigten Haus­aufgaben zum Hörer
gerannt und hat die beste Freundin angerufen. Selbst ein paar Jahre später, als Jungs
dann cool und die Schule schon ein bisschen anstrengender wurden, ist man nach nicht mehr ganz so pflichtbewusst erledigten Hausaufgaben zum Festnetztelefon
gegangen, um mit der Freundin über den neuesten
Schwarm zu tratschen. Man hat sich darüber aufgeregt,
dass das Telefon so eine kurze Schnur hatte und dann aus
der Not heraus Mädchennamen für den Schwarm erfunden, damit Mama auch ja ahnungslos bleibt. Völlig ungeachtet dessen, dass es auch schon vor 20 Jahren
Codenamen für den Schwarm gab. Heute läuft das Ganze,
völlig unbeobachtet von Mama, im eigenen Zimmer mit
dem Smartphone in der Hand ab. Somit kann, bemerkt
nur von der NSA, ausschweifend über den Ange­beteten
geschwärmt werden.
Diese ganzen Erfahrungen wird die heutige Generation
also nicht mehr machen. Denn sieht man sich um, haben
schon die Kleinsten Smartphones so groß wie ihre Köpfe.
Dafür haben sie es um einiges bequemer. Mit Freunden in
Kontakt zu treten und zu bleiben, ist um einiges leichter
geworden. So muss man sich heute nicht mehr die Zeit
für ein eventuell langes Telefonat mit Freunden nehmen.
Nein, heute tippt man mit „überentwickelten Daumen“ in
Sekundenschnelle eine Nachricht und schon hat man
Juli/4
2016
YENZ
5 Tage
ohne Smartphone –
VKZ-Jugendseite / Telefon: 0 70 42-9 19 49 / E-Mail: [email protected]
Das Tagebuch.
wieder Kontakt aufgenommen.
Zu jemandem, den man vielleicht seit einem Jahr nicht mehr
gesehen hat. Effizient ist es allemal.
Neben den ganzen Vorteilen gibt es natürlich auch
Nachteile. Forscher und Ärzte warnen schon lange vor
unberechenbaren Folgeschäden durch übermäßigen
Smartphone­
konsum. In jedem einzelnen Smartphone
steckt nämlich eine kleine Antenne, von der elektrische
Strahlung ausgeht, die teilweise vom Körper aufgenommen und dann zu Wärme umgewandelt wird. Diese
„Wärme“ erzeugt dann auf Dauer gesundheitliche
Probleme wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen.
Deshalb wurden Grenzwerte eingeführt, der so genannte
SAR-Wert (spezielle Absorptions-Rate). Dieser gibt an, wie
viel Strahlungsenergie unser Körper vom jeweiligen Gerät
aufnimmt. Ein Apple Iphone 5 beispielsweise hat einen
SAR-Wert von 0,9 W/kg. Ein Samsung Galaxy S5 0,56 W/
kg. Beide liegen somit unter der Maximalgrenze von 2,0
W/kg.
Wer also merkt, dass er schlechter schläft, wenn das
Smartphone eingeschaltet neben einem liegt, sollte das
Ding einfach mal ausschalten. Das Bundesamt für Strah­
lens­chutz gibt außerdem weitere Tipps, um in der heutigen Zeit die Strahlenbelastung so gering wie möglich zu
halten. Es gilt: Handy weg vom Körper!
Heutzutage sieht man an jeder S-Bahn-Haltestelle, in jedem Café und an
jedem Abend mit Freunden Leute, die stundenlang stur den Kopf gesenkt
halten und wie wild auf ihre Smartphones einhämmern. Luisa Merklinger
von der YENZ-Redaktion hat sich deshalb gefragt, wie und ob überhaupt
ein Leben ohne Smartphone noch möglich ist. Wenn ja, welchen Herausforderungen
muss man sich stellen? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat Luisa fünf Tage auf ihr Smart­
phone verzichtet. Hier berichtet sie von ihren Erfahrungen!
Viel Spaß wünscht EURE YENZ-REDAKTION
Tag 1 – Weniger Gepäck im Kopf
Den ersten Tag hab ich gut hinter mich gebracht und auch schon
die erste Erkenntnis: Ich habe weniger Gepäck. Nicht nur, dass ich
eben kein Smartphone mit mir herumschleppe, sondern auch das
Gepäck, dass ich jeden Tag in meinem Kopf mit mir herumtrage,
ist weniger geworden. Ich schaue nicht mehr nach, ob jemand
geschrieben oder angerufen hat, weil es einfach nicht mehr notwendig ist. Auch aus Langeweile wird eben nicht mehr draufgeschaut. Da ich das Gefühl, immer nachprüfen zu müssen, nicht
mehr habe, fühle ich mich, als hätte ich weniger Gepäck im Kopf mit mir
herumzutragen.
Tag 2 – Der Kontakt zu Freunden
Zweiter Tag, zweite Erkenntnis: Man hat mit der Möglichkeit „Smartphone“ viel mehr Kontakt zu Freunden.
Zum einen schreibt man sich kurz und führt da­durch sozusagen schon Gespräche. Oder aber man hat eine
Person schon sehr lange nicht mehr gesehen, dann schreibt man denjenigen kurz an und schon ist da
wieder eine Verbindung. Früher musste man sich dafür eindeutig mehr Zeit einräumen. Dadurch bleibt man
mit mehr Leuten in Kontakt, mehr Freundschaften können sich entwickeln.
Dinge wie Erinnerungen an mich selbst habe ich früher immer ins Smartphone eingetippt, was sich jetzt
natürlich schwierig gestaltet. Also habe ich nun immer ein kleines Büchlein dabei und schreibe alles auf,
was ich nicht vergessen darf.
Die Antwort auf die Frage zu Beginn lautet also: Ja, es ist
in der heutigen Zeit noch möglich, ohne internetfähiges
Handy auszukommen! Die ganz großen Felsbrocken wurden mir in diesen fünf Tagen ohne Smartphone nicht in
den Weg gelegt. Die Dinge, bei denen ich dachte „Jetzt
wäre mein Handy nicht schlecht“, habe ich auch ohne
hinbekommen! Zwar mit mehr Aufwand, aber das kann ja
jeder selbst abwägen.
Und ja, man sollte es einfach mal ausprobieren. Der Effekt
ist nicht, dass man danach heulend sein Handy anbetet,
sondern eher das Gegenteil. Es wird einem vor Augen
geführt, was sich doch so alles verändert hat in den paar Jahren,
in denen die Forschung auf dem Gebiet der Smartphones so
rasend schnelle Fortschritte gemacht hat.
Dass früher alles besser war, würde ich niemals unterschreiben. Wer rührt im
wahrsten Sinne des Wortes nicht gerne nur seinen „kleinen Finger“, um etwas
zu erledigen? Aber sich darüber bewusst zu sein, wie abhängig man eigentlich
doch von einem so kleinen Kasten ist und dann zu versuchen, das Ganze etwas
runterzuschrauben, ist sicher keine schlechte Idee.
FAZIT
✗
Tag 3 – Allein unter Smartphones
Heute war ich zum ersten Mal allein unter Leuten, die alle ein Smartphone genutzt haben. Während ich ohne
Smartphone daneben saß, habe ich erkannt, wie blöd das eigentlich aussieht. Alle sitzen gemütlich zusammen und trotzdem tippen sie bloß auf ihren Handys herum. Aber nachdem ich darauf aufmerksam gemacht
hatte, wurden die Smartphones weggesteckt und man hat sich unterhalten können, ohne Smalltalk-Themen
googlen zu müssen.
Tag 4 – Der Notfall
Heute war ich viel unterwegs und hatte deswegen doch mein Handy dabei. Zwar in der Tasche und die
ganze Zeit ausgeschaltet, aber ich hatte Angst – dass falls was passiert – ich mich irgendwo melden kann.
Diese ständige Erreichbarkeit ist zwar ein Fluch, aber auch ein Segen, wenn es um schnelle Hilfe und das
Gefühl der Sicherheit geht.
Tag 5 – Geschafft!
Heute ist der letzte Tag und ich habe es fast geschafft. Ich dachte zwar nicht, dass ich es bekommen würde,
aber im Nachhinein betrachtet war es da: das Suchtgefühl. Vor allem, wenn ich auf den Zug gewartet habe
oder mir einfach langweilig war, habe ich ein bisschen Smartphone-Unterhaltung vermisst. Doch vom jetzigen Standpunkt aus betrachtet brauche ich es gar nicht so sehr, wie ich immer dachte. Außerdem merke
ich jetzt, dass ich ohne Smartphone meine Nachrichten, die ich verschicke, selektiere. Früher habe ich jede
Kleinigkeit mit anderen geteilt und jetzt ging das eben nicht mehr, weshalb ich mir über die Nachrichten, die
ich verschickt habe, viel bewusster geworden bin. Ich versuche, den Konsum herunterzuschrauben und
hoffe, dass sich das Gefühl, das Smartphone nicht wirklich zu brauchen, noch ein bisschen hält.