Eine Reportage von [ johann] & [vince] in Nachmittag am RÅ׾ߥ·ÓO·ßúƞ Die Straßenbahn rasselt über die Kreuzung, die Kreativen sitzen mit ihren Macs – Macchiato oder Mate schlürfend –im Sankt Oberholz, man hört mehr englische und spanische Gesprächsfetzen als deutsche. *¾¾V¥äµ×ß¾Ó"×¥Ģ ר¥ß½¾=¾ß·þèÓūŪŪŪäÓÅ und dekadente Wodkagläser in !ÅÓ½îž5Ó¨×ß··×¥·¾þèÓ jeweils 70 Euro. Hier wird versucht ein linker Lebensstil nachzuahmen, wie die Großstadt-Hipster ihm nachsehnen, doch das Ergebnis ist eher das Gegenteil. Biegt man jedoch in die Linienstraße ein, sieht man dort an der µúäÓ5·¨¾¾RÅ׾ߥ·Ó Straße dann ein Haus, das aus Óx¨ß ··¾úä×¥¨¾ßƦ× nicht so recht in diese Gegend passen will, die heute einer der teuersten Berlins ist. Die Straßenseite bröckelt maÓÅä¾½¾¥ß×"þ襷Ɵ×× nur die an der Fassade hängenden Transparente das Haus zusammenhalten. »Ausländer bleiben Nazis vertreiben« steht dort oder »Soldaten sind Mörder«. Man glaubt kaum, dass hier jemand wohnt – doch hier wird der wahre linke Lebensstil gelebt. Titelthema Verlust »Wir wollen das Haus dem Immobilienmarkt entziehen!« 57 In der Linienstraße in Berlin-Mitte befindet sich eines der letzten alternativen Hausprojekte in Berlin. 1990 wurde die Linie 206 besetzt und ist bis heute ein Bollwerk gegen Gentrifizierung und den gewinnorientierten Berliner Immobilienmarkt. I M S O M M E R 1 9 9 0 wurde das Haus in der 7¨¾¨¾×ßÓÝŬŪŰ×ßúßƦ¨¾x¨ßƟ¨¾Ó·· Häuser im Prenzlauer Berg so aussahen wie dieses: Die Toiletten befanden sich auf der Etage, ×ßßßx¾ßÓ·¥¨úä¾ ×5¥·È¾Ʀl¨· 'ä×Ó×ß¾¾¨¾Ó䨾È×½xä×ß¾·ÓƦÅ¥ statt wie all die anderen Häuser luxussaniert zu werden, ist dieses Haus so geblieben. Es ist nicht ganz leicht, mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen. Das halbzerfallene Haus wirkt anders als all die anderen Häuser. Bei unserem ersten Besuch im November letzten Jahres gehen wir minutenlang um das Haus herum und klopfen, aber nichts tut sich. Es ist uns schon fast peinlich, hier wie Touris zu stehen und die îÓï¨ßßÓß!××úäÅßÅ ÓĖÓ¾Ʀ!Óä×ßÓ¨Óß gehen wir eine Kleinigkeit essen. FOTOS: JOHANN STEPHANOWITZ E E I N V I E R T E L J A H R und ein paar versendete Mails später steht der Gesprächstermin. Diesmal lässt man uns gleich rein. Und uns wird eine besondere Ehre zuteil: Wir dürfen mit drei Bewohnern exklusiv drinnen sitzen, während alle anderen Interviews normalerweise ¨½'Å þè¥ÓßïÓ¾Ʀ=¾¾¨Ɵ¨¾ä¾ßÓ×ßúßÓ =¨ßßî¨Óú¨ Ó½¨ßÓ·¨¾Ó¨·µßþè¥Óßä¾× die schmale Treppe hoch, deren Standfestigkeit man auf den ersten Blick nicht annimmt. Das Geländer wackelt stellenweise bedrohlich, einige Treppenstufen haben Löcher. Manni erzählt uns, dass Flickarbeiten das Haus zusammenhalten, doch größere Sanierungsarbeiten an Fassade und Dach seien mit den geltenden Mietverträgen nicht gültig. Mietverträge? In einem besetzten Haus? Und sofort werden einige unserer romantischen Illusionen zerstört. »Also das ist auch eine Legende, das Berlin noch voller besetzter Häuser sei«, sagt Iris, die ebenfalls in dem Haus lebt. »Die sind eigentlich gar nicht besetzt, sondern haben ihre Mietverträge oder haben sich anders gesichert.« xäþè¾Ģרßú¾ï¨Ó¨¾¨¾ÓÓ5襾Ɵ¨ä× alten, teilweise improvisierten Möbeln besteht. × ¨ß5Đä¾]Ɵ¨ïÅ¥¾ÓÓ䥾Ʀ Neben Manni, der als Taxifahrer arbeitet, sind ¾Å¥¨VÅú¨·Ó¨ßÓ¨¾*Ó¨×ä¾RžõƟÓ persönlicher Assistent eines körperlich behinderten Menschen ist. B E S E T Z T I S T D I E L I N I E 2 0 6 , wie das Hausprojekt heißt, nicht, aber doch ein Spielball des Immobilienmarkts. In den vergangenen Jahren wechselte das Haus von Investor zu *¾î×ßÅÓƟïäÓ µäĢÅ¥¾ ×¥¾úäïÓ¾Ʀ Die Käufer haben dann natürlich »die Katze im Vµ µäĢǁƟï¨Ržõ½¨¾ßƦ¨µßä··¾ Eigentümer versuchen, die Bewohner aus dem Haus zu bekommen und haben Abmahnungen an alle Mietparteien geschickt. Doch das Landgericht Berlin bestätigte die 25 Jahre alten Verträge. »Das ist eine Legende, das Berlin noch voller besetzter Häuser sei« ƽxä½"·èµþèÓ¨ïÅ¥¾ÓƟ¨¾ä¾¾¨¥ß das Schicksal anderer Hausprojekte wie der Liebig 14 in Friedrichshain oder der Brunnen 183 in der nahegelegenen Brunnenstraße ereilt. Diese wurden geräumt, nachdem Gerichte ¨=¨ßîÓßÓ þèÓ¾¨¥ß¨ Óµ·Óߥ¾Ʀ ¨ïÅ¥¾Ó ½¨¾×¥Ģ¨¾Ó7¨¾¨ŬŪŰ versucht das Haus zu kaufen, denn das gemein×½x¨···ÓïÅ¥¾Ó¨×ߨ½½Ó¾Å¥× gleiche, wie Iris meint: »Wir wollen das Haus dem Immobilienmarkt entziehen!« ¾¾Ó¨×ߨ¾úï¨×¥¾¨¾'¨Ė×¥µ¾ geworden. Vor 25 Jahren gab es in dieser Gegend kein einziges Hotel, erklärt uns Manni. Heute ·¾¥¨Ó þ襷߽¥Ó]ÅäÓ¨×ß¾·×¨¾¥¨½¨×¥Ʀ½RÅ׾ߥ·ÓO·ßú ¨ß×¾ä¾î¨Ó Hotels und drei Imbisse – aber keinen einzigen Supermarkt. Seitdem Berlin den kommunalen Wohnungsbau eingestellt hat, gibt es immer weniger Sozialwohnungen und immer mehr "¾ßÓ¨Ėú¨Óä¾ ƦV¥Å¾=¾×¥¾½¨ß¨¾½ Durchschnittseinkommen können sich eine Wohnung in der Innenstadt nicht mehr leisten. Und das ist der Grund, warum die Bewohner bis heute in der Linie 206 bleiben: Sie wollen ein x¨¥¾×ßú¾ơ D O C H W I E L E B T es sich überhaupt in einem alternativen Hausprojekt? ǂ·×Åï¨ÓîÓï·ß¾ä¾×²×·×ßä¾ßÓĐ¾ Entscheidungen selbst. Was im Konsensprinzip geschieht und nicht im Mehrheitsprinzip, damit sich die wenigen unterlegenen nicht unwohl þ襷¾ǁƟÓµ·Óß*Ó¨×Ʀ Titelthema Verlust Als wir eine Stunde später wieder kommen, klopfen wir noch mal an der mit unzähligen VߨµÓ¾Ɵxßß·¾ä¾O·µß¾µ·ß¾]èÓƦ ŷ5½Ð¾'èßß¾ŲbÓ¾OÓÅß×ߨ¾Ó·¨¾îž ģĪĩĤ¨×¥äßŶ steht auf dem größten Plakat, das auf eine Ausstellung hinweist. Links ein V¥äµ×ß¾½¨ßx¨ßä¾ ×Óߨµ·¾ä×îÓ×¥¨denen Tageszeitungen – wir sind also nicht das erste Medium, das mit den Hausbewohnern sprechen will. VÅ ·¨¥ÈĐ¾ßä¾×¨¾=¨ßßúï¾ú¨ Ó½¨ß Bart und Kapuzenpulli die Tür. Wir überreichen ¨¥½¨¾¾Ó¨þèÓ¨'ä×ïÅ¥¾Ó侨¾ Ausgabe der OHnE, doch ob es zum Gespräch kommt, ist fraglich. »Das Plenum müsse entscheiden«, heißt es. 56 Ein konkretes Konzept haben die Bewohner nicht, aber wohl ein paar Grundsätze. 3 ·¨¥¾Vô¨×½ä×ƟR×ר׽ä×侾ߨ×mitismus und so weiter lehnen sie ab. »Wir wollen kollektiv leben ohne Hierarchien«, fasst Iris die Prinzipien zusammen. Doch trotzdem müssen auch sie immer wieder aufpassen, dass ר¥¾¨¥ß×'¨ÓÓ¥¨×¥×¨¾×xä×½½¾leben einschleicht. »Wir sind nicht die coolen Leute, bei denen das überhaupt nicht passiert. ר×ßQäß×¥ǁƟ½¨¾ß*Ó¨×ä¾þè ߥ¨¾úäƞǂ=¾ ½ä×ר½½Ó¨¾ÅĐ¾×ä þèÓ¥¾Ɵ×× nichts Hierarchisches entsteht.« Dennoch unterscheidet sich ein Hausprojekt wie die Linie 206 von einer Polit-Gruppe. Denn auch wenn sich viele als Anarchisten bezeichnen und an der Fassade ein Anarchis½ä×ƾÐÓ¾ ßƟ¨×ßר¾Ó'ä× ½¨¾×¥Ģ kein zentrales Thema: »Die Diskussionen gehen weniger darüber, wie unsere anarchistische äĐ××ä¾ ¨×ßƟ·×½¥ÓÓèÓƟï×úäßä¾ ¨×ßǁƟ× ßRžõä¾½¨¾ß½¨ß¨Ðӵߨץ¾ ¨¾ ×xä×½½¾·¾×Ʀ¾¾Å¥ ¥¾ vom Haus auch politische Aktivitäten aus, wie er erzählt: »Wir besprechen hier nicht nur, was im Haushalt ansteht, sondern es geht auch um Vernetzung mit anderen Häusern, um Demonstrationen und der Widerstand ist ja auch nicht ganz einfach.« ǂm×ä¾×Ó'ä×ßÓ¨ġƟר¾ï¨Ó¨¾ gemeinsame Aktionstruppe und was darüber ¥¨¾ä× ¥ßƟ¨×ß>¨ ä¾ ǁƟþè ß=¾¾¨¥¨¾úäƦ Der entscheidende Unterschied liegt eben darin, dass man zusammen wohnt und da muss die »Chemie zwischen allen stimmen«, wie Iris erklärt. Interessenten, die einziehen möchten, müssen sich bei allen vorstellen und wenn irgendjemand »Nein« sagt, dann ist auch nicht. Das gemeinsame Wohnen ist übrigens die Erklärung, warum die drei in die Linie 206 gezogen sind. Manni zum Beispiel hat keine Lust, in einer Kleinfamilie oder der typischen ¨¾ƾRä½ƾmÅ¥¾ä¾ úä·¾Ɵ¨×Å·¨Óߨ¾Ó "ÓÅÝ×ßßä¾RžõĖ¾ßƞǂ*¥ïèÓ½¨¥ dem anschließen und sagen, dass dieses Haus 侨×ÓR佾ť½·¾Ó=È ·¨¥µ¨ß¾ bietet als eine normale Wohnung.« Als wir wieder die alte Treppe hinuntersteigen, und noch mal einen Blick in den kleinen Innenhof geworfen haben, der außer einem winzigen Blumenbeet und einem selbstgezimmerten Holzschuppen nicht viel enthält, wird uns klar: Als wir ursprünglich hineingingen, dachten wir »Oh Wow!« und stellten fest, dass die Bewohner eigentlich ganz normale Menschen sind, die in einer alternativen Lebensform wohnen. Und damit glücklich sind. NACHTRAG Am 10. Mai dieses Jahres kam es zu einem ä¾¾ µè¾¨ ß¾OÅ·¨ú¨¨¾×ßú¨¾Ó7¨¾¨ĤĢĨśxï¨ Zimmer wurden von Sicherheitsleuten und Polizei geräumt – Möbel in einen LKW gebracht und den Bewohnern der x¨½½ÓÓxäßÓ¨ßßúä½'ä×îÓï¨ Óßś¨¨ ¾ßè½Ó des Hauses, Bernd-Ullrich Lippert und Frank Wadler erwirkten zwei Räumungstitel vor dem Amtsgericht Mitte. Ó¨ß×ï¥Ó¾ÓRä½ä¾ µ½¾*¾ßÓ×׾߾þèÓ das Appartement, von dem sie im Internet gelesen hatten. ¨ïÅ¥¾Ó ½¨¾×¥ĝŔ¨×¨¥ ¾¨¾>äîÓmietung der Zimmer wehrt, schreibt auf ihrer Website úä¾'äר ¾ßè½Ó¾œm¨Ó×¥¾ä¾×îÅÓ"Ó¨¥ßŖ 54 FOTO: JOHANN STEPHANOWITZ Titelthema Verlust »Wir wollen kollektiv leben ohne Hierarchien«
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