(ITVR), ein eingetragener Verein, der sich religiösen, kulturellen

Examensklausurenkurs
PD Dr. Felix Hanschmann
Sommersemester 2016
Klausur am 9. Juli 2016
Sachverhalt
H beurteilt die Auswirkungen der Globalisierung sehr kritisch. Um dieser Kritik Ausdruck zu verleihen,
sucht er nicht nur die intellektuelle Auseinandersetzung im demokratischen Diskurs, sondern auch
die tätliche Auseinandersetzung auf der Straße. Sein Vorgehen beschränkt sich nicht auf friedliche
Demonstrationen, H macht vielmehr aus dem „Schwarzen Block“ heraus auch vor Sachbeschädigungen und der Gewaltanwendung gegen Personen – etwa durch gezieltes Steine werfen – nicht halt. In
der Vergangenheit ist H bei zahlreichen Sachbeschädigungen und Handgreiflichkeiten gegenüber
Polizist_Innen anlässlich diverser Versammlungen beobachtet und mehrfach verhaftet worden. Unter
anderem im Rahmen der G8-Gipfel in Genua, Évian-les-Bains und Gleneagles konnte H auch internationale Erfahrung sammeln und wurde dort wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung festgenommen.
Als nunmehr der G8-Gipfel in Brüssel ansteht, erlässt der Oberbürgermeister der Stadt Freiburg unter
Einhaltung der Verfahrens- und Formvorschriften eine Verfügung, wonach der Geltungsbereich von
H’s Reisepass und seines Personalausweises für die Dauer des dreitägigen G8-Gipfels auf das Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland beschränkt wird. Darüber hinaus muss er sich im gleichen Zeitraum
täglich bei einem deutschen Polizeirevier melden. An ein bestimmtes Polizeirevier ist H dabei nicht
gebunden. Vielmehr kann er sich jeweils dasjenige Polizeirevier aussuchen, in dessen Bezirk er sich
gerade aufhält. Des Weiteren wird in Bezug auf die Meldepflicht die sofortige Vollziehung der Maßnahmen angeordnet. Der Oberbürgermeister, der für den Erlass der Verfügung zuständig ist, weist in
seiner Begründung darauf hin, dass H zu dem Personenkreis gehöre, von dem bei einem Aufenthalt
in dem Veranstaltungsland des G8-Gipfels während dessen Dauer eine Schädigung des Ansehens der
Bundesrepublik ernsthaft zu befürchten sei. Eine solche Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik könne außerdem nur durch eine Anordnung der sofortigen Vollziehung verhindert werden, da
anderenfalls eine Reise des H nach Belgien nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne und
dann nicht revidierbare Schädigungen drohten. Ohne Anordnung des Sofortvollzugs liefe die Verfügung letztlich ins Leere. Aus Unterlagen des Polizeireviers in Freiburg und aus den Aussagen von szenekundigen Polizeibeamt_Innen geht hervor, dass H seit mehreren Jahren bis in die jüngste Zeit der
Szene des „Schwarzen Blocks“ in Freiburg zugerechnet werden muss. Dabei handelt es sich nicht um
Mutmaßungen, sondern um auf Tatsachen gestützte Erkenntnisse. Bei H ist, wie sich aus von ihm
online gestellten Internetaufrufen ergibt, zu befürchten, dass er sich bei dem G8-Gipfel in Brüssel
zusammen mit anderen Globalisierungsgegner_Innen an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen
wird.
Nachdem die Verfügung, die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, dem
H zugestellt worden ist, erhebt dieser umgehend Widerspruch und Klage. Da bis zum Beginn des G8Gipfels jedoch nur noch wenige Tage verbleiben, möchte H sicherstellen, dass einer Teilnahme in
Belgien nichts im Wege steht. Zu diesem Zweck stellt er einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz
beim Verwaltungsgericht. In seiner Antragsschrift führt er aus, dass er zwar gelegentlich bei Demonstrationen im „schwarzen Block“ mitlaufe. Daraus dürfe die Behörde aber nicht den Schluss ziehen, er fühle sich mit dieser Gruppierung und den Mitteln der Gewaltanwendung verbunden. Außerdem weist er die Aussagen der szenekundigen Polizeibeamt_Innen bezüglich der von ihm ausgehenden Gefahren als bloße Mutmaßungen und Spekulationen zurück. Auch ist ihm schleierhaft, auf welche Rechtsgrundlage – und eine solche sei bei Eingriffen in seine Rechte erforderlich – die Behörde
ihr Handeln stützt. Schließlich gäbe es „da doch auch so was wie Freizügigkeit und körperliche Bewe-
gungsfreiheit“. Die Behörde steht auf dem Standpunkt, dass es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein könne, die von der Behörde getroffene Entscheidung, die prognostische Elemente beinhalte, zu überprüfen oder gar durch eine eigene zu ersetzen.
Bearbeitervermerk: Prüfen Sie in einem umfassenden Rechtsgutachten, gegebenenfalls hilfsgutachtlich, die Erfolgsaussichten des von H gestellten Antrags. Europarechtliche Bestimmungen sind nicht
zu berücksichtigen.
Auszüge:
Passgesetz (PassG)
§ 7 Passversagung
(1) Der Pass ist zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber
1. die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet;
2. sich einer Strafverfolgung oder Strafvollstreckung oder der Anordnung oder der Vollstreckung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes gegen ihn schweben, entziehen will;
3. einer Vorschrift des Betäubungsmittelgesetzes über die Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr oder das Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln zuwiderhandeln will;
4. sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen oder den Vorschriften des Zoll- und Monopolrechts oder des Außenwirtschaftsrechts zuwiderhandeln oder schwerwiegende Verstöße gegen Einfuhr-, Ausfuhr- oder Durchfuhrverbote oder -beschränkungen begehen will;
5. sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entziehen will;
6.sich unbefugt zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr verpflichten will;
7. als Wehrpflichtiger eines Geburtsjahrganges, dessen Erfassung begonnen hat, ohne die nach § 3
Abs. 2 des Wehrpflichtgesetzes erforderliche Genehmigung des Kreiswehrersatzamtes die Bundesrepublik Deutschland für länger als drei Monate verlassen will;
8. als Wehrpflichtiger ohne die nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b oder § 48 Abs. 2 des Wehrpflichtgesetzes erforderliche Genehmigung des Kreiswehrersatzamtes die Bundesrepublik Deutschland
verlassen will;
9. als anerkannter Kriegsdienstverweigerer ohne die nach § 23 Abs. 4 des Zivildienstgesetzes erforderliche Genehmigung des Bundesamtes für den Zivildienst die Bundesrepublik Deutschland für länger als drei Monate verlassen will.
10. eine in § 89a des Strafgesetzbuchs beschriebene Handlung vornehmen wird.
(2) Von der Passversagung ist abzusehen, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es
genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken. Die Beschränkung
ist im Pass zu vermerken. Fallen die Voraussetzungen für die Beschränkung fort, wird auf Antrag ein
neuer Pass ausgestellt.
§ 8 Passentziehung
Ein Pass oder ein ausschließlich als Passersatz bestimmter amtlicher Ausweis kann dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 die Passversagung rechtfertigen
würden.
§ 10 Untersagung der Ausreise
(1) Die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden haben einem Deutschen, dem nach § 7 Abs. 1 ein Pass versagt oder nach § 8 ein Pass entzogen worden
ist oder gegen den eine Anordnung nach § 6 Abs. 7 des Personalausweisgesetzes ergangen ist, die
Ausreise in das Ausland zu untersagen. Sie können einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7
Abs. 1 vorliegen oder wenn er keinen zum Grenzübertritt gültigen Pass oder Passersatz mitführt. Sie
können einem Deutschen die Ausreise in das Ausland auch untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer seines Passes nach § 7 Abs. 2
Satz 1 zu beschränken ist.
§ 13 Sicherstellung
(1) Ein Pass oder ein ausschließlich als Passersatz bestimmter amtlicher Ausweis kann sichergestellt
werden, wenn
1. eine Person ihn unberechtigt besitzt;
2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass gegen den Inhaber Passversagungsgründe nach § 7
Abs. 1 vorliegen;
3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Einziehungsgrund nach § 12 vorliegt.
(2) Eine Sicherstellung ist schriftlich zu bestätigen.
§ 14 Sofortige Vollziehung
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Beschränkung des Geltungsbereiches oder der Gültigkeitsdauer des Passes (§ 7 Absatz 2), gegen die Passentziehung (§ 8), gegen die Untersagung der Ausreise (§ 10) und gegen die Sicherstellung des Passes (§ 13) haben keine aufschiebende Wirkung.
Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis
(Personalausweisgesetz)
§ 6 Gültigkeitsdauer; vorzeitige Beantragung; räumliche Beschränkungen
(1) Personalausweise werden für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt.
(2) Vor Ablauf der Gültigkeit eines Personalausweises kann ein neuer Personalausweis beantragt
werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dargelegt wird.
(3) Bei Personen, die noch nicht 24 Jahre alt sind, beträgt die Gültigkeitsdauer des Personalausweises
sechs Jahre.
(4) Die Gültigkeitsdauer eines vorläufigen Personalausweises ist unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks festzulegen; sie darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(4a) Die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises ist auf den Zeitraum zu beschränken, der für
das Erreichen des Zweckes nach § 6a erforderlich ist; sie darf einen Zeitraum von drei Jahren nicht
überschreiten.
(5) Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer ist nicht zulässig.
(6) Die Gültigkeitsdauer eines Ausweises darf in den Fällen des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes
den Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres des Inhabers so lange nicht überschreiten, bis die
zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat.
(7) Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt.
(8) Anordnungen nach Absatz 7 dürfen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------Bearbeitungszeit: 5 Stunden
Zugelassene Hilfsmittel:
a) Schönfelder, Deutsche Gesetze oder
Nomos Gesetze Zivilrecht und Strafrecht
b) Sartorius Bd. I, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze der Bundesrepublik
Deutschland oder
Nomos Gesetze Öffentliches Recht
c) Dürig, Gesetze des Landes Baden-Württemberg
d) dtv-Beck-Texte Nr. 5014, Europa-Recht oder
Sartorius Bd. II, Internationale Verträge – Europarecht