DIENSTAG, 12. JULI 2016 KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 D 2,50 E URO B n Brüssel hat die 14. TTIPVerhandlungsrunde begonnen. Hunderte von belgischen Schreinereien hatten wochenlang verschlossene Türen in die Hauptstadt geliefert, hinter denen die Verhandlungen stattfinden. Journalisten stehen vier Tonnen Kaffeesatz zur Verfügung, aus dem sie alles herauslesen können. Mehr als 100 Satanisten, sieben VoodooPriester und 5000 Lobbyisten werden den Gesprächen beiwohnen und am Ende über die Beschlüsse abstimmen. Die 14. Verhandlungsrunde dient hauptsächlich der Vorbereitung der 15. Verhandlungsrunde. Ein wichtiger Punkt ist der Zugang europäischer Schreinereien zum US-Markt sowie die Aufhebung von Handelsschranken für die amerikanische Türenindustrie. Es wird befürchtet, dass der Geschlossene-TürenMarkt in Europa zusammenbricht, weil sich Familienbetriebe nicht gegen die Billigkonkurrenz amerikanischer Türenfarmer durchsetzen könnten. Die Verhandlungsergebnisse werden mit Zaubertinte auf eine verschlossene Tür geschrieben; die Schrift verschwindet, sobald Sigmar Gabriel versucht, sich das anzugucken. FEUILLETON Wumms! Frankfurt würdigt die Pioniere des Comics Seite 21 POLITIK Politik, unverdrossen: Schwedens Elite diskutiert mit dem Volk Seite 8 FINANZEN Bleiben die Nullzinsen noch bis 2023? Seite 13 WISSEN Forschung bekommt Aids besser in den Griff Seite 20 DAX Im Plus Seite 15 Dax Schluss Euro EZB-Kurs Dow Jones 17.40 Uhr 9833,41 1,1049 18.264,60 Punkte US-$ Punkte +2,12% ↗ –0,18% ↘ +0,65% ↗ ANZEIGE Rush Hour – Die U-Bahn von São Paulo Heute um 21.05 Uhr Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle Good luck, Theresa May! Schuhe der Macht A Leopardenmuster, Strasssteine – unauffällig sieht anders aus. Markante Schuhe sind ein Markenzeichen von Theresa May. Die 59-Jährige wird nach dem abrupten Rückzug ihrer Rivalin Andrea Leadsom nun David Cameron als Chef der Konservativen Partei und britischen Premierminister beerben. May ist seit 2010 Innenministerin – so lange hat sich seit 100 Jahren niemand in diesem Amt gehalten. Viele vergleichen die resolute und ehrgeizige Politikerin bereits mit der „Eisernen Lady“ Margaret Thatcher. PA/CHRIS RADBURN; CLIFF STERRETT Siehe Kommentar und Seite 6 Deutsche sehen Zustrom von Flüchtlingen relativ gelassen O Bundesbürger haben weniger Angst vor wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Zuwanderung als die Einwohner der meisten anderen EU-Länder. Wenn etwas Sorgen macht, ist es steigende Terrorgefahr bwohl Deutschland in absoluten Zahlen die meisten Flüchtlinge in Europa aufgenommen hat, machen sich die Deutschen am wenigsten Sorgen über die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Zustroms. Deutschland gehört auch zu den Ländern mit den geringsten Vorbehalten gegenüber Muslimen. VON ANSGAR GRAW Allerdings fürchten die Bundesbürger sich stärker als andere Länder vor einer wachsenden Terrorgefahr durch die Zuwanderung von Flüchtlingen, wie aus einer Umfrage des US-Meinungsforschungsinstituts Pew hervorgeht. Die These „Flüchtlinge stellen eine Belastung für unser Land dar, weil sie uns Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegnehmen“ bejahen nur 31 Prozent der Deutschen. Hingegen hat jeder zweite Europäer diese Sorge. Besonders besorgt ob der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Flüchtlingswelle sind die Menschen in Ungarn (82 Prozent), Polen (75), Griechenland (72) und Italien (65). Ähnlich entspannt wie in Deutschland wird dieser Aspekt der Flüchtlingswelle nur in Schweden (32 Prozent) gesehen, das ebenfalls eine sehr hohe Zahl an Zuwanderern aufgenommen hat. Großbritannien liegt mit 46 Prozent ebenfalls unter dem Durchschnitt, obwohl die Frage der Zuwanderung eine große Rolle beim Votum für den EU-Austritt spielte. In Frankreich, wo die Rechtspartei Front National auch mit der Flüchtlingsfrage großen Zulauf erhält, liegt der Wert bei 53 Prozent. Befragt wurden Menschen in Italien, Griechenland, Ungarn, Frankreich, Spanien, Polen, Schweden, den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland. Größer als die Sorge über die wirtschaftlichen Folgen der Zuwanderung ist die Angst vor Terror. Im Durchschnitt glauben 59 Prozent der Menschen in den zehn Ländern, dass die Terrorgefahr durch die Zuwanderung steigt. Ungarn (76 Prozent) und Polen (71) haben erneut die größten Sorgen. Die Deutschen folgen diesmal mit 61 Prozent. Sie liegen gleichauf mit den Niederlanden und knapp vor Italien. Die Angst ist am geringsten bei Franzosen und Spaniern. Steigende Kriminalität infolge des Zustroms befürchten die Europäer hingegen mehrheitlich nicht. Nur 30 Prozent geben im Durchschnitt eine solche Sorge an. In keinem der befragten Länder liegt Merkel enttäuscht von den Nachbarn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mehr Solidarität innerhalb Europas gefordert. Es sei eine Enttäuschung gewesen, als im vergangenen Jahr bei der Ankunft der Flüchtlinge so viele europäische Länder „Uns geht das nichts an“ gesagt hätten, betonte Merkel auf einer Wahlkampfveranstaltung in Mecklenburg-Vorpommern. Die Türkei habe drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen, ganz Europa gerade mal knapp eine Million. der Wert über 50 Prozent. Italien (47 Prozent), Schweden (46) und Ungarn (43) haben die größten Ängste, Franzosen (24) und Polen (13) die geringsten. Deutschland rangiert mit 30 Prozent im Mittelfeld. Die Vorbehalte gegenüber Muslimen sind am größten in Ost- und Südeuropa. Eine negative Meinung über diese Religionsgruppe haben vor allem Ungarn (72 Prozent), Italiener (69), Polen (66) und Griechen (65). Jeder zweite Spanier teilt die Vorbehalte. Aber nur jeweils 29 Prozent der Franzosen und der Deutschen haben laut der Erhebung eine negative Haltung gegenüber Muslimen. In Großbritannien sind es 28 Prozent. Juden stoßen laut dieser Umfrage vor allem in Griechenland auf Ablehnung. Dort liegt die Quote der negativen Meinungen über diese Religionsgruppe bei 55 Prozent. Ungarn (32 Prozent), Polen und Italien ( jeweils 24) sowie Spanien (21) folgen mit geringeren, aber ebenfalls hohen antisemitischen Anteilen. In Frankreich sind es zehn Prozent, in Schweden und Deutschland fünf, in den Niederlanden nur vier Prozent. THOMAS KIELINGER ngela Merkel kann schon einmal den Glückwunsch formulieren für Theresa May, die nun schneller als erwartet Premierministerin des Vereinigten Königreichs wird. Mit dem Abschicken mag sie sich noch bis Mittwoch gedulden, dem „Krönungstag“, muss also nicht mehr neun Wochen lang warten wie ursprünglich befürchtet. Was gelten noch Pläne in dem von Eruptionen erschütterten London? Der Rückzug der Mitbewerberin um die Downing Street hat alles magisch vereinfacht. Die Protagonisten der Brexit-Kampagne, Boris Johnson, Michael Gove und Andrea Leadsom, sind nicht mehr, so vergeht der Ruhm der Welt. Zurückgeblieben ist eine eher versteckte Remain-Vertreterin, Innenministerin May, 59, die freilich nie einen Hehl daraus gemacht hatte, was alles an der EU auch ihr nicht behagte, darunter die uneingeschränkte Migration innerhalb der EU sowie die Hoheit des Europäischen Gerichtshofs über englisches Recht. Wird sie den Leadership-Test bestehen? Niemand bezweifelt es. Dabei entspricht sie nicht dem gängigen Bild der Westminster-Elite mit deren Seilschaften und Klubmitgliedschaften – von Letzterem hat sie sich bis heute freigehalten. „Ich bin von Natur aus nicht plaudersüchtig“, sagte sie einmal, „ich kümmere mich nur um die Aufgabe, die vor mir liegt.“ Das hat sie mit Margaret Thatcher gemeinsam, die ebenfalls keinen Sinn hatte für Small Talk und für das Geschwätz der Medien über sie. Angela Merkel wird sich in vielen Eigenschaften Mays wiedererkennen. Aufsehen macht, wie die Künftige gestern ihr Regierungsprogramm vorstellte für den Fall ihrer Wahl – der Rücktritt von Frau Leadsom war zur Zeit der Rede noch nicht bekannt. Breit im Vordergrund stand die dringende Bekämpfung der sozialen Ungleichheit in Großbritannien. Politiker hätten „oft nicht bemerkt, wie hart das Leben für die arbeitenden Menschen geworden ist“. Die Liste der Sünden, die sie aufzählte, las sich wie ein Katalog versäumter Politik unter wechselnden Regierungen. Eine Strafpredigt. Die sozial Abgehängten nämlich haben mehrheitlich für den Brexit gestimmt, das heißt gegen die Londoner Elite und ihre wachsende Ferne von den Nöten im Lande. Wie Schuppen fällt es jetzt dem politischen Establishment von den Augen. Zu Europa vorerst nur dies: „Brexit heißt Brexit, und wir werden ihn zum Erfolg bringen. Es wird keinen Versuch geben, der EU durch die Hintertür wieder beizutreten.“ Eine formidable Agenda – die Heilung des britischen Patienten bei gleichzeitigem Schritt in unbekanntes Gelände. Good luck. [email protected] „Ich liebe dich“ A Cristiano Ronaldo will den Pokal gar nicht mehr loslassen. Portugal feiert seine EM-Helden uch den nächsten großen Auftritt mit der ersehnten Trophäe ließ sich Cristiano Ronaldo nicht nehmen. Als Erster von Portugals EM-Helden stieg der verletzte, aber glückliche Superstar neben Trainer Fernando Santos am Montagmittag in Lissabon aus dem Flugzeug und präsentierte den silbernen Pokal. Anschließend genoss das Team in offenen, rot-grünen Bussen den Jubel Zehntausender Fans und wurde im Belém-Palast von Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa gewürdigt: „Die Seleção hat ein Beispiel dafür gegeben, dass man mit Mut, Entschlossenheit, Kampfeswillen, Bescheidenheit und Teamgeist zum Erfolg finden kann.“ Wie viel dieser erste Titel Portugals Ronaldo bedeutet, zeigt auch ein Foto, auf dem er den Cup an Bord der Maschine wie ein Baby im Arm hält und dies mit zwei Worten kommentiert: „Te amo“ (Ich liebe dich). Nach dem 1:0 über Frankreich im Finale der Fußball-Europameisterschaft hatte Ronaldo bereits die Polonaise zur portugiesischen Titelparty angeführt. „Das ist einer der schönsten Momente Ugra/FOGRA MiniTarget c 1999 v1.1 eps THEMEN Nr. 161 KOMMENTAR Zippert zappt Lic: Qualitätssteuerung REUTERS/RAFAEL MARCHANTE I ** Verletzung schon fast vergessen: Cristiano Ronaldo (r.) und Portugals Trainer Fernando Santos bei der umjubelten Ankunft in Lissabon meiner Karriere“, schwärmte der 31-Jährige. „Das ist ein einzigartiger Tag.“ Einzigartig – auch weil Ronaldo das portugiesische Team nach seinem Verletzungsdrama als Anpeitscher von der Seitenlinie zum Titel trieb. „Fantastisch“ sei die Halbzeitansprache Ronaldos gewesen, berichtete Rechtsverteidiger Cédric. „Er hat immer daran geglaubt, dass heute die Nacht der Nächte, unsere Nacht wird“, lobte Trainer Santos den Optimismus seines Kapitäns, der nach 25 Minuten weinend auf einer Trage vom Platz musste. Den Silberpokal wollte Ronaldo gar nicht mehr hergeben. Immer wieder küsste er die Trophäe. Ansonsten freute er sich wie ein Kind, rüttelte seinen Trainer durch, warf Handküsse ins Publikum und schüttelte fassungslos den Kopf. In der Stunde des Triumphs erinnerte er an das verlorene Endspiel gegen Griechenland bei der Heim-EM vor zwölf Jahren. „Ich habe darauf so lange gewartet, seit 2004. Ich habe Gott um eine weitere Chance gebeten, weil ich glaube, dass die Portugiesen das verdienen.“ Seite 17 DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. 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