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JAEGER-LECOULTRE
| Die Meilensteine
Ob extreme Miniaturisierung oder
große Komplikationen: Keine Manufaktur kann so viele INNOVATIONEN
UND EIGENKONSTRUKTIONEN
vorweisen wie Jaeger-LeCoultre.
Das war schon vor 1937 so, als das
Unternehmen noch unter dem Namen
LeCoultre Uhrwerke produzierte.
DIE
MINI
84
|
Chronos
04.2011
MAXI
WWW.WATCHTIME.NET
TEXT: GISBERT L. BRUNNER
MALISTEN
04.2011
Chronos
| 85
JAEGER-LECOULTRE
| Die Meilensteine
1931
REVERSO
1925
DUOPLAN
Wie kann man als Uhrwerkefabrikant zur Steigerung
der Präzision größere Bauteile verwenden, ohne die
Dimensionen eines Kalibers auszudehnen? Die Techniker von LeCoultre wussten 1925 eine exzellente
Antwort auf diese knifflige Frage: Sie ordneten die
Komponenten auf zwei Ebenen übereinander an und
verlegten die Aufzugskrone kurzerhand auf die Rückseite. Das sogenannte Duoplan-Kaliber war geboren.
Länge 16, Breite 5,8 und Höhe 3,4 Millimeter. Natürlich
verlangte das zweistöckige Bauwerk nach einer intelligenten Anordnung der Komponenten: Die verhältnismäßig große Schraubenunruh sowie die Hemmung
mit lateralem Anker lagen in der unteren Etage. Das
baguetteförmige Handaufzugswerk war prädestiniert
für rechteckige Damenuhren wie dieses Modell von
1937. Kunden erhielten das Duoplan-Kaliber in versiegelten Glasampullen. Dadurch blieb das Öl an den
15 Steinen länger frisch, und Staub hatte ebenfalls keine
Chance, sich im Inneren abzusetzen. Der Service wurde
zum Kinderspiel: altes Uhrwerk raus, neues rein.
1929
KALIBER 101
Seit den Anfängen der mechanischen Zeitmessung im 13. Jahrhundert bemühten sich die Uhrmacher
permanent um eine Reduzierung
der Dimensionen. Dieses Bestreben
lässt sich zweifelsfrei auch an den
Produkten des Rohwerkefabrikanten LeCoultre im Vallée de Joux
ablesen. 1903 entwickelte dieser ein
nur 1,38 Millimeter hohes Handaufzugswerk für Taschenuhren. Für
Armbanduhren war das ultraflache
Kaliber 6 EB von 1908 bestimmt;
Höhe: 1,5 Millimeter. Eine absolute
und bis in die Gegenwart gültige
Weltbestleistung verkörpert das
1929 vorgestellte Kaliber 101. Das
zweigeschossige Handaufzugswerk
mit rückwärtig angebrachter Krone
überzeugte durch Minidimensionen von 4,8 x 14 x 3,4 Millimetern.
Sein Volumen belief sich auf lediglich 0,23 Kubikzentimeter. Trotz seiner 74 Komponenten brachte der
auf äußerst kunstfertige Hände angewiesene Winzling weniger als ein
Gramm auf die Waage – Zifferblatt
und Zeiger inklusive. Die abgebildete Platinuhr aus dem Jahr 1930
war eines der ersten Modelle mit
dem Kaliber 101. Heutzutage verbaut Jaeger-LeCoultre bei diesem
Uhrwerk 98 Teile. Den Höhepunkt
seiner bisherigen Karriere erlebte
es im Jahr 1953, als Elizabeth II. anlässlich ihrer Krönung zur Königin
von England eine damit ausgestattete Schmuckarmbanduhr trug.
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Zuerst hätte sie ja quadratisch werden
sollen, jene Schale, die am 4. März
1931 beim französischen Ministerium
für Handel und Industrie zum Patent
angemeldet wurde. Der Inhalt des
Dokuments betraf „eine Uhr, die in
der Lage ist, aus ihrem Gestell zu
gleiten und sich ganz umzudrehen“.
Ihr Stahlgehäuse ließ sich „mit Hilfe
von Führungsnuten, vier Führungszapfen und Rasten auf seiner Grundplatte verschieben und vollständig
herumdrehen“. Bereits mit seiner
ersten Kreation hatte Konstrukteur
René-Alfred Chauvot technisch viel
erreicht. Ihre Gestalt zielte auf die
Verwendung runder LeCoultre-Kaliber, denn flache Formwerke standen
dort 1931 noch nicht zur Verfügung.
Doch die vom Art déco geprägte Epoche stand im Zeichen des Rechtecks.
Also galt es umzugestalten, eine neue
Patentschrift einzureichen und auf
eigene Mechanik zu verzichten. Nach
Abschluss des Patentverfahrens am
3. August 1931 ertönte das Startsignal
für die als „Reverso“ bezeichnete
Armbanduhr. Weil das zweigeschossige Duoplan-Kaliber wegen seiner
Bauhöhe und runde Kaliber wegen zu
geringer Dimensionen ausschieden,
kam der Mitbewerber Tavannes zum
Zuge. Für die kleinere Damenversion
lieferte er das Kaliber 050, in der größeren Ausführung für Herren tickte
das 064, beide ohne Sekundenzeiger.
Das Foto zeigt eine goldene Herrenuhr
des ersten Jahrgangs.
1934
UNIPLAN
Wie bereits zu lesen war, signalisierte der Terminus „Duoplan“ bei LeCoultre und ab 1937 bei Jaeger-LeCoultre den zweistöckigen Aufbau eines
Uhrwerks. Analog dazu steht das Wort „Uniplan“ seit 1934 für die flächige
Anordnung aller Bauteile. Ein Uniplan-Werk tickte beispielsweise in dieser
1939 vorgestellten Kalenderarmbanduhr, die es auch mit rundem Gehäuse
gab. In beiden Fällen verwendete die Manufaktur das geschickt ausgeformte
Handaufzugskaliber 412. Seine großzügig abgeschrägten Ecken gestatteten
zusammen mit einer entsprechenden Werkhalterung die Verwendung in
unterschiedlichsten Gehäusen. Neben Zeigern für die Stunden, Minuten
und Sekunden gab es beim Kaliber 412 auch einen Datumszeiger. Die zugehörige Skala befand sich in unübersehbarem Rotdruck auf dem Zifferblatt.
Unterhalb der Zwölf stand in einem relativ breiten Fenster ebenfalls in
kräftigem Rot der Wochentag zu lesen. Passend zur Epoche oszillierte die
Schraubenunruh samt ihrer zugehörigen Flachspirale mit gemächlichen
2,5 Hertz. Eine Stoßsicherung gab es nicht.
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Chronos
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Die Meilensteine | JAEGER-LECOULTRE
1946
ERSTE AUTOMATIK
Als Jaeger-LeCoultre das eigene Automatikzeitalter einläutete, schrieb
man das Jahr 1946. Von einem Rotorkaliber war damals noch keine
Rede. Vielmehr setzte die Manufaktur wie die meisten Mitbewerber
aus patentrechtlichen Gründen auf
eine Pendelschwungmasse. Diese
spannte die Zugfeder des vergoldeten Kalibers 476 in eine Richtung;
nach Vollaufzug standen rund 46
Stunden Gangautonomie zur Verfügung. Die Automatikbaugruppe
mit Klinkenträgerwippe hatten die
Uhrmacher auf ein normales Handaufzugswerk montiert. Der Durchmesser betrug 13 Linien beziehungs-
1950
weise 29,2 Millimeter, und die Bauhöhe lag bei stattlichen 6,15 Millimetern. Den zentral positionierten
Sekundenzeiger hatten die Techniker direkt im Kraftfluss angeordnet.
Die zweischenklige GlucydurSchraubenunruh und die NivaroxFlachspirale vollzogen 18000 Halbschwingungen pro Stunde. Schlägen
wirkte eine eigene Stoßsicherung
entgegen, deren Konzeption jedoch
stark an die bekannte Parechoc
erinnerte. Gehäuse- und Zifferblattdesign waren typisch für die zweite
Hälfte der 1940er Jahre. Den Einstieg
in die Automatikwelt verkörperte
das Modell in Edelstahl.
MEMOVOX
1949
HOMMAGE À
JACQUESDAVID
LECOULTRE
1948
POWERMATIC
Selbst eine renommierte Uhrenmanufaktur wie Jaeger-LeCoultre hatte
Ende der 1940er Jahre damit zu kämpfen, dass die Kunden dem Selbstaufzug mit Misstrauen begegneten. Zu groß war die Angst, dass die Uhr
irgendwann stehen blieb. Der Ausweg bestand in einer Art Tankuhr, die
den Spannungszustand der Zugfeder permanent auf dem Zifferblatt
signalisierte. 1948 präsentierte das Traditionsunternehmen die vermutlich weltweit erste Serienarmbanduhr mit Gangreserveanzeige. Zur Darstellung der verbleibenden Federspannung in einem kleinen Zifferblattausschnitt unterhalb der Zwölf hatten die Konstrukteure das Pendelschwungmassenkaliber 476 von 1946 um ein kleines Differenzialgetriebe
erweitert. An den Dimensionen änderte die Ergänzung nichts, allerdings
reduzierte sich die Gangautonomie von 46 auf ungefähr 40 Stunden. Die
Armbanduhr, die später auch unter dem Namen Powermatic bekannt
war, gab es in unterschiedlichen Ausführungen.
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Die Besucher der Basler Uhrenmesse bekamen im Frühjahr 1951 bei
Jaeger-LeCoultre etwas Besonderes zu hören, denn die Konstrukteure
der Manufaktur hatten das an sich keineswegs neuartige Thema
Armbandwecker im Vorjahr hörbar aufgewertet. Der Wecker sollte
nicht nur möglichst lautstark ans Aufstehen, sondern zudem untertags deutlich leiser an Termine erinnern. Die Lösung lieferte das neue
Modell Memovox, die „Stimme der Erinnerung“. Am Arm schnarrte
die Uhr verhalten, aber auf einem Resonanzkörper wie dem Nachttisch abgelegt, umso lauter. Neben einem als Resonator konstruierten
Gehäuseboden, dem ein kleiner Hammer die Töne entlockte, besaß
das ab 1949 entwickelte Handaufzugskaliber 489 zwei Federhäuser –
je eines für Geh- und Weckerwerk. Die Glucydur-Unruh samt autokompensierender Flachspirale oszillierte mit 2,5 Hertz.
Wer an Jaeger-LeCoultre und rechteckige
Uhren denkt, denkt fast zwangsläufig an die
Reverso. Dass das nicht unbedingt so sein
muss, hatte die Manufaktur bereits 1949 mit
einer Armbanduhr demonstriert, die sich
insbesondere in den USA großer Beliebtheit
erfreute. Die Bestimmung für die Neue Welt
lässt sich mit einem Blick vom Zifferblatt ablesen: Anstelle von „Jaeger-LeCoultre“ stand
dort nur „LeCoultre“. Der Grund dafür bestand
in strengen und vor allem kostentreibenden
amerikanischen Importreglements für fertige
Uhren. Um selbige zu umgehen, lieferte man
nur die Uhrwerke und umgab diese mit vor Ort
gefertigten Gehäusen. Das abgebildete Modell
entstand 1949 zu Ehren des im Vorjahr verstorbenen Patrons Jacques-David LeCoultre. Trotz
des runden Zifferblatts – mit Zeigerdatum, digitaler Wochentags- und Monatsanzeige sowie
der damals sehr begehrten Mondphasenindikation bei der Sechs – kam das Formkaliber 486
zum Einsatz. Der Mechanismus des Vollkalenders befand sich wie üblich unter dem Zifferblatt. (1983 legte Jaeger-LeCoultre anlässlich
des 150. Firmenjubiläums nochmals eine limitierte Sonderserie rechteckiger Armbanduhren
mit besagtem Handaufzugskaliber auf. Die
Edition beschränkte sich auf 600 Exemplare.)
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Chronos
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Die Meilensteine | JAEGER-LECOULTRE
1958
GEOPHYSIC
CHRONOMETER
1953
FUTUREMATIC
Der Slogan lautete schlicht und einfach „Perfektionierung der automatischen Uhr“. Mit diesen
einprägsamen Worten lancierte Jaeger-LeCoultre
1953 in ganzseitigen Inseraten die brandneue
„Automatik SR 497“. Wenn man die sogenannte
Futurematic differenzierter betrachtet, lässt sich
die Lobpreisung durchaus nachvollziehen: Die
Pendelschwungmasse spannte die Zugfeder in
beiden Bewegungsrichtungen, und das auf relativ
kurzen Wegen. Der vergleichsweise hohe Wirkungsgrad machte das zusätzliche manuelle Spannen der Zugfeder entbehrlich, und der Verzicht
auf die Handaufzugsmöglichkeit gestattete JaegerLeCoultre die Verwendung größerer Komponenten, was deutlich bessere Gangleistungen mit sich
brachte. Nach selbsttätigem Vollaufzug arretierte
eine Blockiermechanik die Pendelschwungmasse.
Misstrauischen Zeitgenossen begegnete die
Manufaktur mit einer Gangreserveanzeige, die
die einwandfreie Funktion des automatischen
Aufzugs sichtbar machte. Schließlich hatten die
Konstrukteure auch an eine Unruhstoppvorrichtung zum sekundengenauen Einstellen der Uhrzeit gedacht. Die Futurematic gab es in zwei Ausführungen: mit kleinen Zeigern für Gangreserve
und Sekunden, angetrieben vom Kaliber 497/1,
und mit rotierenden Scheiben auf Basis des
Kalibers 817/1.
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|
Chronos
04.2011
Vom 1. Juli 1957 bis zum 31. Dezember
1958 fand das vom Internationalen
Wissenschaftsrat initiierte Internationale Geophysikalische Jahr statt. Während dieser Zeit gingen unterschiedlichste geophysikalische Forschungsprojekte über die Bühne. Sie bezogen
sich auf Ionosphäre, Geomagnetismus,
Gletscher, Ozeanografie, Meteorologie,
kosmische Strahlung, Seismologie und
die Sonne. Jaeger-LeCoultre stellte
1958 den offiziell geprüften Geophysic
Chronometer mit einem antimagnetischen Doppelgehäuse und dem 28,25
Millimeter großen und 4,55 Millimeter
hohen Handaufzugskaliber 478BWS
vor. Das Etui ähnelte dem sowjetischen
Satelliten Sputnik. Eine dieser Gelbgolduhren überreichte die Stadt Genf
William R. Anderson, dem Kapitän des
amerikanischen Atom-U-Boots, das
auf seiner direkten Reise vom Atlantik
zum Pazifik am 3. August 1958 den
Nordpol erreicht hatte.
1965
MEMOVOX
POLARIS
Die 1950 entwickelte Memovox überzeugte durch
Vielseitigkeit und Funktionalität. Aber bei OutdoorAktivitäten hatte das schlichte Gehäuse dem nassen
Element nichts entgegenzusetzen. Andererseits wollten Fans auch beim Tauchen oder Bergsteigen nicht
auf die „Stimme der Erinnerung“ verzichten. Also
präsentierte die Manufaktur 1959 die Memovox
Deep Sea als weltweit erste Taucherarmbanduhr mit
Alarmfunktion. Das zugehörige Kaliber 815 erhielt
noch im selben Jahr ein Scheibendatum und den
Namen 825. Das angestrebte Maximum an Nutzwert
erzielte Jaeger-LeCoultre jedoch erst im Jahr 1965:
mit dem Modell Memovox Polaris, das ebenfalls mit
dem Kaliber 825 ausgestattet war. Den Quantensprung brachte ein Dreifachboden, der die Schallwellen auch durchs nasse Element hinreichend laut
transportierte. Darüber hinaus sorgten ein patentiertes Dichtungssystem und drei speziell abgedichtete
Kronen für Aufsehen. Der Beiname Polaris zielte
bewusst auf den US-amerikanischen Markt, denn
die dortigen Streitkräfte propagierten ihre PolarisRaketen als wirksames Machtsymbol. Bis 1970, als
die ursprüngliche Ära der Memovox Polaris zu Beginn der Quarzrevolution endete, entstand bei Jaeger-LeCoultre die überschaubare Summe von gerade
einmal 1714 Exemplaren.
1968
MASTER MARINER
BARRACUDA
Weil nicht jeder Taucher eine
Alarmfunktion braucht, wartete
Jaeger-LeCoultre 1968 mit einer
reinrassigen Taucherarmbanduhr
auf. Die Master Mariner Barracuda
widersetzte sich dem Druck des
nassen Elements bis 120 Meter
Tauchtiefe. Zur Indikation der verbleibenden Tauchzeit verwendeten
die Entwickler eine innenliegende
Drehlünette. Diese wurde mit einer
Zusatzkrone bei der Zwei auf den
Minutenzeiger justiert. Das Zifferblatt und die Zeiger mit Tritiumleuchtmasse schützte ein bombiertes Plexiglas. Für die Anzeige von
Zeit und Datum zeichnete das 1959
vorgestellte Kaliber 883 mit beidseitig wirkendem Zentralrotor und
Wippenwechsler verantwortlich.
Das 26 Millimeter große und 5,77
Millimeter hohe Uhrwerk verfügte
über 17 Steine, eine direkte Zentralsekunde und circa 45 Stunden Gangautonomie; seine Unruhfrequenz
lag bei 19800 Halbschwingungen
pro Stunde.
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Chronos
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JAEGER-LECOULTRE
1992
| Die Meilensteine
MASTER
CONTROL
1987
MECAQUARZ-KALIBER 630
Natürlich machte die Quarzrevolution
in den 1970er Jahren auch vor den
Portalen einer Traditionsmanufaktur
wie Jaeger-LeCoultre nicht halt, und so
entwickelten die Techniker in Le Sentier neben der überlieferten Mechanik
auch zeitbewahrende Elektronik. An
der Kapazität, einen Quarzchronographen auf die Beine zu stellen, hätte es
sicher nicht gemangelt. Aber in den
1980er Jahren begann sich das Blatt
wieder zu wenden. Deshalb setzte das
Traditionsunternehmen auf eine zeitschreibende Hybridlösung: Elektronik
zum Messen und Mechanik zum Stop-
pen der kostbaren Zeit. Das entsprechende Uhrwerk debütierte 1987 nach
dreijähriger Entwicklungszeit unter
der Bezeichnung 630. Jaeger-LeCoultre
schwärmte anlässlich der Premierenfeier, das „in seinem Volumen weltweit kleinste Chronographenwerk mit
analoger Anzeige“ aus der Taufe gehoben zu haben. Der Durchmesser des
233-teiligen Kalibers betrug 24, die
Höhe 3,7 Millimeter. Die Mechanik
stoppte auf die Viertelsekunde genau,
und die beiden Totalisatoren zählten
bis zwölf Stunden. Neben der Zeitund Datumsindikation war auch eine
Präzisionsmondphasenanzeige mit
von der Partie, die erst nach 122 Jahren
einen Tag von der Realität abwich. Das
Kaliber 630 fand sich beispielsweise
in diesem Modell der damaligen Premium-Linie Odysseus.
1989
GRAND
RÉVEIL
Die Renaissance mechanischer Armbanduhren
ließ 1989 bei Jaeger-LeCoultre ein Modell zur
Serienreife gedeihen, dessen Funktionszusammenstellung es bis dahin bei der Marke noch nie
gegeben hatte: Die Grand Réveil vereinte einen
automatischen Aufzug mit einem Wecker und
einem ewigen Kalender. Das verbaute Kaliber
919 basierte auf dem 13-linigen, von 1969 bis
1983 produzierten Kaliber 916. Es besaß eine
Unruhfrequenz von 28800 Halbschwingungen
pro Stunde, 17 Steine, zwei Federhäuser und eine
Gangautonomie von 44 Stunden. Samt ewigem
Kalender erreichte das Werk eine Bauhöhe von
8,3 Millimetern. Das Wort „Grand“ wählte die
Manufaktur übrigens weniger wegen der Dimensionen des markanten Gehäuses als wegen des
großartigen Klangs des Alarmgebers. JaegerLeCoultre spendierte seinem „großen Wecker“
nämlich eine echte Bronzeglocke, auf die ein
kleiner Hammer schlug. Außerdem wurde der
Wecker vom Automatikwerk entkoppelt, was
letztlich die hohe Klangqualität sicherte.
92
|
Chronos
04.2011
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Andere Uhrenmarken setzen auf offizielle Chronometerzeugnisse, ausgefertigt von der Schweizer Prüfbehörde
COSC. Jaeger-LeCoultre beschreitet seit 1992 einen völlig
anderen Weg: Die Master Control war der erste Repräsentant eines neuen, internen Prüfverfahrens. 1000 Stunden
oder umgerechnet 41 Tage und 16 Stunden muss jede einzelne Armbanduhr auf den Prüfstand. Anders als bei der
COSC betrifft der Check nicht nur die Werke, sondern
komplett fertiggestellte Zeitmesser. Einmal bewegen sich
die Probanden, ein anderes Mal nicht. Zeitweise stehen
sie unter Einwirkung gezielter Stöße oder wechselnder
Magnetfelder. Vorschrift ist auch eine Druckprüfung des
Gehäuses. Auf diese Weise sind die ersten 1000 Stunden
die vermutlich härtesten im Leben einer Jaeger-LeCoultre.
In der Master Control konnte das 1984 lancierte Automatikkaliber 889 seine Qualitäten unter Beweis stellen. Seine
technischen Merkmale: Durchmesser 28,4 Millimeter,
Höhe 3,25 Millimeter, Unruhfrequenz 28800 Halbschwingungen pro Stunde, Sekundenstopp, Datum mit Schnellschaltung, beidseitig aufziehender Kugellagerrotor mit
äußerem Segment aus 21-karätigem Gold.
1993
REVERSO
TOURBILLON
Die Branche staunte nicht schlecht, als JaegerLeCoultre während der Basler Uhrenmesse
1993 die bis dahin komplizierteste Reverso
enthüllte. Das rotgoldene Reverso Tourbillon
galt nicht nur als Krönung der erfolgreichen
Uhrenlinie, sondern auch als unangefochtener
Messestar. Auf den ersten Blick blieb die Komplexität des aus 194 Komponenten zusammengefügten Manufakturkalibers 828 im Verborgenen. Vor dem massivsilbernen Zifferblatt
rotierten in zentraler Position die Zeiger für
die Stunden und Minuten. Oberhalb der Sechs
drehte die kleine Sekunde ihre Runden. Staunen
rief erst das Umdrehen des Wendecontainers
hervor. Dort zeigte sich das Minutentourbillon
unter einer filigranen Brücke in voller Pracht.
Außerdem gab es auf der Rückseite eine großflächige Gangreserveanzeige zu sehen. Von
selbst verstehen mögen sich die Tatsachen, dass
beidseitig verwendete Saphirgläser optimalen
Einblick und andauernden Schutz vor Kratzern
boten und der Abverkauf der nur 500 Exemplare zügig über die Bühne ging.
Die Meilensteine | JAEGER-LECOULTRE
MASTER
GRANDE
MEMOVOX
Es passte noch nie zu Jaeger-LeCoultre,
sich auf einstmals erworbenen Lorbeeren auszuruhen. In diesem Sinne entwickelte die Manufaktur ihre „Stimme der
Erinnerung“ über Jahrzehnte hinweg
weiter. Die Bemühungen führten 2000
zur Master Grande Memovox. Das Attribut „Master“ signalisiert Kundigen,
dass es sich hierbei um mehr als nur
einen Armbandwecker handelt. Jedes
Exemplar muss ein 1000-stündiges
Prüfprozedere absolvieren, bevor es
die Fabrikationsstätte verlassen darf.
Der bemerkenswerte Klang des Alarmmechanismus ist das Ergebnis langer
Werkstoffforschungen. Ein winziger
Hammer schlägt an eine Tonfeder und
lässt diese im Gehäuseinneren vibrieren. Doch damit nicht genug: Bei der
Master Grande Memovox lassen sich
vom Zifferblatt neben der Zeit auch
Datum, Wochentag, Monat, Jahr und
Mondphase ablesen. Kalenderkorrekturen sind bis 2100 entbehrlich. Für den
Aufzug von Geh- und Schlagwerk des
Kalibers 909 ist ein Rotor aus 22-karätigem Rotgold zuständig. Das aus 349
Komponenten zusammengefügte Uhrwerk läuft nach Vollaufzug 45 Stunden.
1996
REVERSO
CHRONOGRAPHE
RÉTROGRADE
1996 brillierte Jaeger-LeCoultre auf der Basler Messe einmal mehr mit der wohl spektakulärsten Uhrenneuheit.
Um ehrlich zu sein, war die Idee eines doppelseitigen
Chronographen nicht ganz neu: Movado hatte bereits
1939 den Prototypen eines derartigen Zeitschreibers
vorgestellt, die Kreation anschließend aber niemals in
Serie produziert. Ganz anders Jaeger-LeCoultre. Das
innovative Formkaliber 829 mit den Dimensionen
23,3 x 26,8 x 4,5 Millimeter war in jeder Hinsicht zur
Serienreife gediehen, als es in besagtem Jahr debütierte.
Seine manuell zu spannende Zugfeder speicherte Kraft
für 40 Stunden Gangautonomie, und vier Hertz Unruhfrequenz gestatteten das Stoppen auf die Achtelsekunde
genau. Natürlich verfügte das Werk über ein Schaltrad
zur Steuerung der Chronographenfunktionen. Das
Schaltrad, die Unruh, der Stoppsekundenzeiger sowie
der retrograde 30-Minuten-Totalisator zeigten sich
wieder erst nach dem Wenden des Containers. Die Zeitseite hatte Jaeger-LeCoultre auf Zeiger für Stunden und
Minuten, ein Fensterdatum und eine eher unscheinbare
Indikation bei der Fünf reduziert. Letztere signalisierte,
ob der Chronograph gerade lief oder nicht. Die Auflage
betrug wie schon beim Tourbillon 500 Exemplare.
2000
2005
MASTER COMPRESSOR
EXTREME WORLD
CHRONOGRAPH
2004
GYROTOURBILLON
Bis 2005 gab es bei Jaeger-LeCoultre
kein rundes Chronographenwerk
mit Selbstaufzug. Dann wartete die
Manufaktur mit gleich zwei derartigen Uhrwerken auf: den Kalibern
751 und 752. Infolge gleicher Plattform messen beide 26,2 Millimeter.
Die Steuerung der Chronographenfunktionen obliegt einem Schaltrad,
und infolge der Unruhfrequenz von
vier Hertz lässt sich auf die Achtelsekunde genau stoppen. Ein Rotor
mit 22-karätigem Goldsegment und
Keramikkugellager versorgt das
Federhausduo mit Energie für maximal 65 Stunden. Das kompliziertere 752 beseelt den bis 100 Meter
wasserdichten Master Compressor
Extreme World Chronograph. Das
Wort „Extreme“ bezieht sich auf die
zweiteilige Schale, deren Werkcontainer aus Titan luftgefedert in einem
Platinträger ruht. Stöße bis zu 900 G
nimmt das Werk gelassen hin. Zum
Vergleich: Beim Mountainbiken
entstehen nur 500 G. Auf eine hilfreiche Weltzeitindikation müssen
die Käufer auch nicht verzichten.
Und schließlich offeriert der 1000
Stunden lang getestete Stopper noch
ein intelligentes System zum schnellen Armbandwechsel.
Wer das 2004 in Genf vorgestellte Gyrotourbillon
von Jaeger-LeCoultre vors Auge bekam, tat gut
daran, beim Betrachten eine Uhrmacherlupe zu
benützen. Nur so wurde das Bewegungsschema
der massivgoldenen Unruh transparent. Der äußere,
0,035 Gramm leichte Aluminiumkäfig rotiert einmal
pro Minute um seine Achse. Das innere, um 90 Grad
versetzt drehende Titangestell ist zweieinhalbmal
so schnell. Summa summarum wiegen die 90 Teile
des hochkomplexen, durch sechs Stoßsicherungen
geschützten Drehkörpers 0,33 Gramm. Durch seine
vielseitigen Bewegungen gleicht er die Auswirkungen der Erdanziehungskraft in praktisch allen Lagen
der Platinarmbanduhr aus. Das Handaufzugskaliber
177 besteht aus 679 Komponenten; seine Gangautonomie beträgt mehr als acht Tage. Zu den Komplikationen gehört auch ein ewiger Kalender mit
drei retrograden Zeigern. Der obere linke ist für die
erste, der rechte für die zweite Monatshälfte zuständig. Dazu gesellt sich bei der Sieben eine rückspringende Monatsindikation. Außerdem besitzt die Uhr
einen weiteren, mit dem Kalender gekoppelten
Minutenzeiger. Er trägt einen Stern und indiziert
statt der mittleren die wahre Sonnenzeit. Zuletzt
gibt es noch eine Gangreserveanzeige bei vier Uhr.
Jaeger-LeCoultre limitierte die Edition des Gyrotourbillons auf 75 Exemplare.
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Chronos
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Die Meilensteine | JAEGER-LECOULTRE
2006
2009
REVERSO GRANDE
COMPLICATION
ÀTRIPTYQUE
Drei Zifferblätter in einer mechanischen Armbanduhr, das gab es vor
dem Lancement der Reverso Grande
Complication à Triptyque noch nie.
Anlässlich des 75. Geburtstags seines
Klassikers Reverso bewies JaegerLeCoultre, dass solches tatsächlich
möglich ist. Vorderseitig im Wendegehäuse lässt sich die bürgerliche
Zeit ablesen, rückwärtig Sternzeit,
Sternenhimmel, Tierkreiszeichen,
Zeitgleichung sowie die Zeiten des
Sonnenauf- und Sonnenuntergangs,
jeweils individuell berechnet für
den Wohnort des Trägers. In der
Bodenplatte befindet sich noch ein
ewiges Kalendarium. Insgesamt
verfügt das Handaufzugswerk vom
Kaliber 175 über 18 verschiedene
Komplikationen und einmalige
konstruktive Details. Die unab-
96
|
Chronos
04.2011
dingbare Schnittstelle zwischen den
Gehäuseteilen verkörpert ein patentierter Hebelmechanismus, der die
Befehle des Werks an die Anzeigen
in der Bodenplatte weitergibt. Dem
damaligen Geburtstag der Reverso
entsprechend, fertigte die Manufaktur 75 Stück.
HYBRIS MECHANICA
À GRANDE SONNERIE
2007
DUOMÈTRE À
CHRONOGRAPHE
Bezogen auf Armbanduhren verfügt der Duomètre à Chronographe über ein bemerkenswertes
Funktionsspektrum. Sein Handaufzugskaliber
380 besteht aus 390 Komponenten. Zwei unabhängige Räderwerke teilen sich ein Schwing- und
Hemmungssystem. Die präzisen Impulse adressieren sich einmal an die Zeitanzeige in der linken
Hälfte des klar strukturierten Zifferblatts. Für die
Sekunden ist ein zentral positionierter Zeiger
zuständig. Die zweite Hälfte des Uhrwerks, die
rechte Zifferblattseite und eine weitere Zentralsekunde bleiben dem Chronographen vorbehalten.
Die Betätigung des Drückers bei der Zwei setzt
den Chronographenzeiger in Bewegung. Zudem
startet die „Seconde Foudroyante“ oberhalb der
Sechs. Infolge der drei Hertz Unruhfrequenz
bildet sie den Zeittakt und – nach dem Anhalten
des Stoppers – auch die exakten Sekundenbruchteile ab. Konzentrisch angeordnete Totalisatoren
für 60 Minuten und zwölf Stunden erleichtern das
intuitive Erfassen gestoppter Zeitintervalle. Im
„Süden“ des runden Totalisatorenfelds befindet
sich noch eine digitale Anzeige für die Minuten
nach der letzten ausgeschriebenen Zahl. Nach
manuellem Vollaufzug läuft jedes der beiden
Räderwerke 50 Stunden lang. Eine jeweils eigene
Gangreserveanzeige ist Ehrensache.
2009 krönte Jaeger-LeCoultre sein bisheriges Leistungsspektrum mit der Hybris Mechanica à Grande
Sonnerie. Gut 1300 Bauteile, 26 Funktionen und 17
Patente symbolisieren die „mechanische Überhöhung“, repräsentiert durch das Handaufzugskaliber
182 mit bislang einzigartigem Schlagwerk. Erstmals
überhaupt erklingt der legendäre Westminsterschlag
am Handgelenk in ganzem Umfang: Die Grande Sonnerie mit vier Tonfedern und vollem Klangspektrum
für die Stunden- und die verschiedenen Viertelstundenschläge besitzt ein eigenes Federhaus, das zwölf
Stunden Gangautonomie gewährleistet. Die Petite
Sonnerie schlägt nur die vollen Stunden, und eine
Repetition informiert auf Anforderung minutengenau
über die Uhrzeit. Durch den innovativen Mechanismus, zu dem auch vier neuartige Hämmer und Tonfedern sowie das Verschweißen der Klangstäbe mit dem
bombierten Saphirglas gehören, erreicht der Schall
ungekannte Dimensionen. Wird Ruhe gewünscht,
lässt sich das Schlagwerk auch abschalten. Zur Funktionspalette gehören ferner ein ewiger Kalender und
ein fliegendes Tourbillon. Mechanik-Voyeure können
die neu- und einzigartige Schlagwerkkadratur von
vorn bewundern.
2011
REVERSO RÉPÉTITION
MINUTES À RIDEAU
Die limitierte Edition der Reverso
mit Minutenrepetition war 1994
schnell ausverkauft. Zum 80. Geburtstag der Wendeuhr folgte 2011
die Reverso Répétition Minutes à
Rideau. Gefälligen Klang liefern
zwei Tonfedern aus einer speziellen
Legierung. Ihre kantige Form bietet
den zugehörigen Hämmern eine
größere Anschlagfläche. Für das
Spannen des Schlagwerkmechanismus haben sich die Konstrukteure
etwas ganz Besonderes einfallen
lassen, nämlich eine verschiebbare
Jalousie. Nach Aktivierung der Repetition gleitet sie langsam zurück.
Im Gegensatz zu herkömmlichen
Systemen, die gerade einmal zehn
bis 30 Prozent der ursprünglich
ausgeübten Federkraft übertragen,
nutzt diese Methode ungefähr 80
Prozent. Das 5,89 Millimeter hohe,
340-teilige Manufakturkaliber 944
mit drei Hertz Unruhfrequenz
montiert jeweils ein einziger Uhrmacher vom ersten bis zum letzten
Handgriff. Insgesamt werden 75 der
klangstarken Zeitmesser gebaut.
04.2011
Chronos
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Stand: September 2014
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