Zuckerperlen für die Toten

Zuckerperlen für die Toten
Ob aus weißer, brauner oder schwarzer Schokolade: In Mexiko gehören
Totenköpfe zum „Tag der Toten“, dem „Día de los Muertos“, einfach dazu. Die
Lebenden ehren an diesem Tag die Verstorbenen mit süßen Gaben.
Zwei Millimeter beträgt der Durchmesser der Zuckerkügelchen. Stück für
Stück klebt Jorge (11) die winzigen Perlen auf einen Totenkopf – der nicht etwa
aus Knochen besteht, sondern aus mexikanischer Schokolade. Jorge lebt mit
seiner Familie in Oaxaca de Juarez, einer Großstadt im südmexikanischen
Bundesstaat Oaxaca. Vergangenes Jahr starb seine Oma Rosana. Nun, am „Tag
der Toten“, dem „Día de los Muertos“, will er sie wiedertreffen und ihr mit
seinem selbstgebastelten Totenkopf eine Freude machen.
Fröhlichkeit und Feierlaune
Der „Tag der Toten“ zählt zu den Höhepunkten der mexikanischen Feiertage.
In diesen Tagen – so besagt es der mexikanische Volksglaube – kehren die Seelen der Verstorbenen zurück, um den Lebenden und Hinterbliebenen einen
Besuch abzustatten. Von Trauer, die hierzulande oft auf den Friedhöfen vorherrscht, ist dabei nichts zu spüren. In Mexiko dominieren Fröhlichkeit und
Feierlaune im Umgang mit den Verstorbenen – und die Lust auf Süßes. „Meine Oma mochte gerne Süßigkeiten. Früher haben wir für den ,Tag der Toten‘
immer zusammen die Zuckerperlen auf die Schokoladentotenköpfe für Opa
geklebt – und die, die wieder runtergefallen sind, haben wir dann gegessen“,
erinnert sich Jorge mit einem Lächeln.
Der Verstorbenen gedenken
Die Totenköpfe bestehen aus weißer, brauner oder dunkler Schokolade,
manchmal ist der Schädel auch komplett aus Zucker. Der „Día de los Muertos“ ist eine Art mexikanische Adaption der christlichen Feiertage Allerheiligen und Allerseelen. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November wird
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ausschließlich der verstorbenen Kinder gedacht, die als Angelitos – als kleine
Engel – wiederkehren. In der zweiten Nacht ehren Familien ihre verstorbenen
erwachsenen Verwandten, wie Jorge seine Großmutter. „Natürlich glaube ich
nicht daran, dass ich meine tote Oma wirklich treffe. Aber zusammen mit
meinen Eltern sitzen wir an ihrem Grab und denken ganz fest an sie.“
Totenbrot aus Hefeteig
Mit knallorangen Ringelblumen und Chrysanthemen in Rosa und Weiß
schmückt die Familie das Grab von Oma Rosana. Den gebastelten Totenkopf
mit seinen Perlen aus Zucker hat Jorge dabei. Und auch das selbstgebackene
Pan de Muertos, das Totenbrot aus Hefeteig, das je nach Geschmack mit Zuckerguss und Zuckerstreuseln verziert wird, stellt er auf einem Teller als Opfer dazu. Es ist wie ein Wunder: Am darauf folgenden Morgen sind die Totenköpfe und das Brot verschwunden! Ob es Oma Rosana wohl geschmeckt hat?