Mittwoch, 13. Juli 2016 • Nr. 162 Kurz und knapp Corbyn ruft Partei zur Ruhe auf Foto: Reuters/Bernadett Szabo STEIN AUF EAGLE-BÜRO „Sie fragten uns nichts, schlugen sofort“: Aus Ungarn nach Serbien zurückgetriebene Flüchtlinge berichten von ärgsten Zuständen Abschiebung folgt auf Schläge SERBIEN Flüchtlinge leiden unter Ungarns verschärftem Grenzregime Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Subotica Die unerwünschten Flüchtlinge bekommen Ungarns verschärftes Grenzregime am Übergang zu Serbien schmerzlich zu spüren. Hunde werden auf Kinder gehetzt und schwangere Frauen zusammengeschlagen, bevor die Flüchtlinge abgeschoben werden. Nur die Blutspuren der Wunden im Gesicht, an Beinen und Nacken sind verkrustet. Doch die Erinnerung an den im nahen Ungarn erlebten Schrecken ist bei den im Schatten des Busbahnhofs im nordserbischen Subotica kauernden Männern noch immer frisch. „Sie fragten uns nichts, schlugen sofort“, erzählt der müde wirkende Moteza über seine schmerzhafte Begegnung mit Ungarns Staatsdienern. Drei Tage lang war der schmächtige Grenzgänger aus Kaschmir gemeinsam mit einem halben Dutzend von Schicksalsgenossen aus Indien und Pakistan über ungarische Felder und durch Wälder „ohne Wasser und Nahrung“ nach Norden in Richtung Budapest gezogen, bevor er Bekanntschaft mit Ungarns neuem Grenzregime machte: „Sie traten uns und prügelten uns mit Knüppeln. Ein Polizist schlug uns selbst mit seinen bloßen Fäusten ins Gesicht. Dabei versprühten sie Pfefferspray, direkt in die Augen.“ Obwohl sich Motezas Gruppe bereits etwa 60 Kilometer von der Grenze entfernt befunden habe, sei sie nach der erlittenen Prügelorgie von der Polizei nicht in ein Aufnahmelager, sondern zurück an den Grenzzaun verfrachtet worden. „Sie halten sich nicht einmal an die eigenen Regeln. Sie öffneten ein Tor, lachten und sagten, da drüben ist Serbien, bye, bye.“ Von Hunden gejagte Kinder Seit Anfang letzter Woche hat Ungarns Grenzschutz seine rigide Gangart gegenüber Flüchtlingen noch verschärft. Tausende Soldaten wurden als Verstärkung der Grenzpolizei an die Südgrenze zu Serbien entsandt, und der vor Jahresfrist errichtete Grenzzaun noch verstärkt. Nicht nur am Stacheldraht werden unerwünschte Grenzgänger nun noch resoluter zurückgeprügelt. Mit der Einführung einer „tiefen Grenzschutzkontrolle“ können Flüchtlinge, die in einer Pufferzone von acht Kilometern bis zur Grenze aufgegriffen werden, ohne Verfahren wieder abgeschoben werden. Das neue System werde eine „abschreckende Wirkung haben“, hatte György Bakondi, der Sicherheitsberater von Premier Viktor Orban, dieses begründet. Doch nicht nur, weil die „Rückführungen“ ohne Zustimmung Serbiens und auch von weit im Landesinnern aufgegriffenen Flüchtlingen erfolgen, regt sich Kritik: Es ist vor allem das brutale Auftreten der ungarischen Grenztruppen, das Serbiens Flüchtlingshilfe-Organisationen erschüttert. „Auch auf Kinder werden bissige Hunde gehetzt. Vergangene Woche wurde selbst eine hochschwangere Frau von ungarischen Grenzern brutal zusammengeschlagen“, beklagte Rados Djurovic, Direktor des Zentrums zum Schutz für Asylsuchende in Belgrad, die „völlig inhumanen“, staatlich sanktionierten Gewaltexzesse gegenüber den Flüchtlingen: „Die Leute kehren mit Bisswunden, mit gebrochenen Knochen und total verschreckt aus Ungarn zurück.“ Hatte Ungarns Kabinettsbüro vergangene Woche noch bis zu 1.000 „verhinderte Grenzübertritte“ und Rückführungen pro Tag vermeldet, sind die von Budapest verbreiteten Zahlen mittlerweile auf rund 200 pro Tag abgesackt. „Die Ungarn verschleiern, was sie genau tun“, glaubt indes Djurovic: Das verschärfte Grenzregime sei wegen seiner hohen Kosten dauerhaft kaum aufrechtzuerhalten, diene aber im Vorfeld des Referendums über die abgelehnte EU-Quote zur Verteilung der Flüchtlinge „vor allem innenpolitischen Zie- Die Leute kehren mit Bisswunden, mit gebrochenen Knochen und total verschreckt aus Ungarn zurück Rados Djurovic, Direktor des Zentrums zum Schutz für Asylsuchende in Belgrad len“. Von der Grenze zu Ungarn ist der hochgewachsene Hadis nach fünf vergeblichen Versuchen, den Zaun illegal zu überwinden, vorläufig in Serbiens Hauptstadt Belgrad zurückgekehrt. Er wolle erst wieder zu Kräften kommen, dann werde er die „sehr gefährliche“ Passage durch Ungarn auf seinem anvisiertem Weg nach Frankreich erneut versuchen, „so lange, bis es klappt“: „Bei mir zuhause ist Krieg, morden die Taliban und ist alles zusammengebrochen. Ich habe keine Wahl: Einen Weg zurück gibt es für mich nicht.“ Abdeslam sieht Privatsphäre in der Zelle beeinträchtigt FRANKREICH Paris-Attentäter geht gegen Videoüberwachung vor Der mutmaßliche Paris-Attentäter Salah Abdeslam geht gegen die Videoüberwachung in seiner Zelle vor. Das Verwaltungsgericht von Versailles befasst sich heute mit einem entsprechenden Antrag von Abdeslams Anwalt. In dem Papier wird die ständige Überwachung als Beeinträchtigung der Grundrechte und der Privatsphäre des Angeklagten bezeichnet. Die Kritik von Abdeslams Anwalt Frank Berton entzündet sich unter anderem am Besuch eines Parlamentariers in dem Gefängnis im Süden von Paris, in dem der mutmaßliche Dschihadist in Isolationshaft einsitzt. Der Abgeordnete hatte nach seinem Besuch berichtet, er habe Abdeslam über eine Videokamera beim Zähneputzen und beim Gebet beobachtet. Grund- lage für die Überwachung ist ein Erlass des französischen Justizministeriums: Dieses hatte es Mitte Juni erlaubt, den Islamisten rund um die Uhr für drei Monate lang über Kameras beobachten zu lassen. Nach Ansicht von Abdeslams Anwalt verstößt der Erlass gegen die europäische Menschenrechtskonvention und steigert das Risiko eines Suizids. Abdeslam gilt als der einzige Überlebende der Attentate von Paris im November mit 130 Toten. Ermittelt wird gegen den französischen Staatsbürger unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes, wegen Freiheitsberaubung im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Pariser Konzerthalle Bataclan sowie wegen Besitzes von Sprengstoff und Waffen. (AFP) Der Chef der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, hat die Mitglieder nach einem Angriff auf das Wahlkreisbüro seiner Rivalin Angela Eagle zur Ruhe aufgerufen. Es sei „extrem beunruhigend“, dass Eagle bedroht worden sei und andere Parlamentsabgeordnete bedroht und beschimpft würden, sagte Corbyn. Das Wahlkreisbüro Eagles in Wallasey bei Liverpool war mit einem Stein attackiert worden, der eine Fensterscheibe zerschlug. Er rufe alle LabourMitglieder und Anhänger auf, ruhig zu bleiben und „einander mit Respekt und Würde zu begegnen, selbst wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt“, erklärte Corbyn. Regierung will Hitlers Geburtshaus ÖSTERREICH Österreichs Regierung will das Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau am Inn enteignen. Der Ministerrat stimmte gestern für einen Gesetzentwurf, mit dem die bisherige Eigentümerin Gerlinde Pommer enteignet und das Gebäude in Staatsbesitz überführt werden soll. Der Staat will sich damit langfristig die Kontrolle über das Haus sichern, damit es nicht zu einem Pilgerort für Nazis werden kann. Was mit dem Gebäude passieren soll, ist aber noch völlig offen. U-Boot verfängt sich in Fischernetz VOR BRITISCHER KÜSTE Einen ungewöhnlichen Fang hat ein französischer Fischkutter vor der britischen Küste gemacht: Dem Schiff ging ein portugiesisches U-Boot ins Netz. Das U-Boot „Tridente“ verhedderte sich bei einer gemeinsamen Übung mit der britischen Marine in dem Netz des Fischkutters „Daytona“, wie die französische Meerespräfektur gestern mitteilte. „Das U-Boot ist sofort aufgetaucht und hat Kontakt mit dem Fischkutter aufgenommen.“ Mit Pappkarton gegen Stechuhr ITALIEN Städtische Angestellte des süditalienischen Ortes Boscotrecase haben sich beim Betrug an der Stechuhr einen Pappkarton über den Kopf gezogen, um nicht erkannt zu werden. Erwischt wurden sie trotzdem, wie italienische Medien gestern berichteten. Die Polizei nahm insgesamt 23 Angestellte fest, die für Freunde ein- oder ausstempelten oder sich nach dem Einstempeln sofort wieder auf den Weg machten. Zwei von ihnen hatten sich einen Karton übergestülpt. Persönlich erstellt für: asbl asti EUROPA 11 Tageblatt
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