07_16 Rundbrief - Miriam Wasserhess

Miriam Wasserheß im Juli 2016
Weitere Infos unter: www.miriam-wasserhess.de
Frau Gerlachs Präventionsprogramm
• WäldchenWäldchen-Forst
• Mit geschlossenen Augen durch den Wald
• Sunflowers inside
• Jeder Moment ist eine Prävention
• Singletasking
•
…..Ihr vermisst Geschichten mit und über Frau Gerlach?
Gerlach? Danke für Euer Feedback.
Feedback. Et voilà!
voilà!
Wäl
Wäldchendchen-Forst
Mittlerweile ist es ein unausgesprochenes Ritual geworden, dass Frau Gerlach und ich uns im
„Wäldchen Forst“ wie wir spaßeshalber unseren Platz nennen, treffen. (Rundbrief April 16)
Jeden 2. Donnerstag punkt 16:15 Uhr sitzt sie dort. (Bei schlechtem Wetter selbstverständlich mit
wasserabweisender Unterlage für die Holzbank und Regenschirm für ihren immer perfekt
zurechtgemachten, grauschimmernden Pagenschnitt.) Wer Frau Gerlach kennt, weiß dass sie stets
gerade sitzt und auch ganz gerade Platz nimmt. Es wirkt, als wäre sie soeben von ihrer letzten
Ballettstunde nach Hause gekommen. Ich selbst wirke da um einiges weniger graziös.
Rückenentlastung bedeutet bei mir: Schultern runter, Rücken wohlgeformt in „n“ Stellung und
Bauch in kleinen wellenformenden Bewegungen zusammengefaltet. Ich darf es nicht laut sagen,
aber ich liebe es genau so zu sitzen.
An manchen Donnerstagen ist Frau Gerlach flapsig, ermahnt mich liebevoll, zeigt mir Dinge auf. An
anderen Tagen bekomme ich die Erschöpfung ihres Alters zu spüren. (Auch wenn sie dies tunlichst
zu vermeiden versucht.) Nicht das ich nicht wüsste, dass 84 Jahre kein Pappenstiel sind. Sie strahlt
einfach eine solche Stärke und Kraft aus. Wenn ich dann Ihre Schwäche wahrnehme, wird mir
bewusst, dass alles im Leben endlich ist. Manchmal frage ich mich was, außer ihren guten Genen,
ihre Gesundheit und ihren Lebensmut ausmacht?
Sunflowers inside
Vorgestern war es wieder soweit, unser „Wäldchen-Forst-Date“. Frau Gerlach saß bereits auf ihrer
in dunkelblau gehaltenen Unterlage. Grazil - bis ins kleinste Detail Grand Dame. Dazu ihren farblich
passenden, dunkelblauen Regenschirm. Schaut man jedoch ganz genau auf den Schirm, sieht man
etwas in goldgelber, rotumrandeter Schrift hervorblitzen. Eigentlich typisch Frau Gerlach.
Das ist sie, wie sie leibt und lebt. Eine Dame, die den Schalk hinterm Ohrläppchen trägt.
Ich liebe sie dafür.
Singletasking
Frau Gerlach schaute in die Ferne, so als würde sie über etwas sinnieren. Ich dachte zuerst, sie
hätte mich gar nicht wahrgenommen. Doch noch bevor ich Platz genommen hatte, sagte sie in
ihrer unverblümten Art: „Mein Liebchen, heute bist Du aber spät dran.“
Ich hatte mich daran gewöhnt, dass bei Frau Gerlach alles etwas anders ablief. Ich schmunzelte sie
an und schon sprudelte es aus mir heraus: „Guten Abend Frau Gerlach“, (ich erwartete mittlerweile
nicht mehr, dass sie auf derartige Begrüßungsfloskeln antwortete und plapperte direkt weiter.) „Ich
war heute Morgen beim Arzt, ich habe eine Entzündung in der Schulter, bin überlastet, ausgelaugt.
Die Zeit rennt und ich hechte ihr nur noch hinterher. Dr. Gruber meinte, es wäre dringend Zeit
Präventionsmaßnahmen anzugehen. Singletasking nannte er das. Sich nur auf eine Sache zu
konzentrieren. Meditationstechniken zu erlernen.“ Als ich spürte, dass Frau Gerlach bereits zu einer
Antwort ausholte, sagte ich ihr: „Frau Gerlach, ich bitte Sie, sagen sie nichts – bitte sagen Sie noch
Miriam Wasserheß im Juli 2016
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nichts!... Wie stellt der gute Herr sich das denn vor? Wann, bei einem Tag der nur 24 Stunden hat,
kann ich Zeit finden an Präventionskursen teilzunehmen? Singletasking zu erlernen? Mein Tag ist
getaktet. Ich bin noch nicht in Rente und kann nicht wie Sie gnadenlos pünktlich am WäldchenForst sitzen.“ Ich stocke kurz. Eigentlich wollte ich meine Sitznachbarin nicht beleidigen. Ich schaue
erschrocken zur Seite, in der Hoffnung ein verzeihliches Lächeln von Frau Gerlach zu erhaschen.
Doch sie sitzt wieder in gleicher Sitzposition wie vorhin. Blick in die Ferne, ihre glasklaren Augen
nach vorne gerichtet. Ich schnaufe tief. Diese Frau macht mich rasend, begeisternd, ängstlich und
verzückt zugleich. Also rede ich in doppelter Geschwindigkeit weiter: „Wie dem auch sei, so wie
sich das Dr. Gruber vorstellt geht das nicht! Außerdem muss das alles auch finanziert werden. Ich
schaue so schon, wie ich den Monat überstehe und mir wenigstens ab und zu etwas gönnen
kann. Präventionskurs! Wer weiß wo ich da hinkomme. Vielleicht zu einem noch älteren Semester
als Ihre Mittwochs-Skattisch-Runde. Also neee…ich weiß ja nicht.“
Mit geschlossenen Augen durch den Wald
Im ersten Moment sorge ich mich, weil Frau Gerlach abrupt aufsteht. Ob ich zu weit gegangen
bin? Sie wird doch jetzt nicht etwa gehen? Weiterhin ist Ihr Blick nach vorne gerichtet, als sie wie
aus dem nichts sagt: „Komm mit Liebchen und bitte sei für einen kleinen Moment lang still!“ (Und
glaubt mir, jeder der Frau Gerlach kennt, hält dann auch seinen Mund.) Sie geht leichten Schrittes
mit mir auf dem kleinen Weg in den Wald. Im Wald ist ein mir bekannter Pfad, wunderschön,
uneben, schmal und mit Wurzeln umsäumt. Zwischen uns die schweren, starken Bäume. Frau
Gerlach streckt mir ihre Hand entgegen und sagt: „Nimm meine Hand, schließe die Augen und lass
Dich von mir führen.“ Ich schließe sie und nach einer Zeit nehme ich wahr, wie sich unsere Schritte
zwischen den Bäumen sanft, weich und lauschig anhören. Ich kann den Boden durch meine
Schuhe hindurch fühlen. Überall werden wir umringt von Gesängen. Gesänge die von hoch oben
aus den Baumkronen kommen und von vielen verschiedenen Vogelarten gezwitschert werden. Sie
umhüllen mich. Der Wind tanzt mit den grünen Blättern, die Äste rauschen. Als Frau Gerlach
langsamer wird, lässt sie meine Hand los und ich öffne die Augen. Es war ein kurzer, wunderbarer
Augenblick. Der Pfad macht eine leichte Linksbiegung und nach einer Weile sehe ich von Weitem
unser Bänkchen.
Jeder Moment ist eine Prävention
Als wir uns wieder hingesetzt haben, dreht sich Frau Gerlach wie so oft zu mir um und schaut mir
tief in die Augen. „Janine, jeder Tag ist eine Prävention. Warum glaubst Du, bin ich meist so
überpünktlich vor unserem Wäldchens-Treff? Prävention ist nicht nur für Euch Kücken etwas. Nein,
jedes Jahr in dem ich älter werde, begleitet mich Prävention mehr und mehr. Bevor wir uns treffen,
gehe ich genau diesen Weg, den wir abgelaufen sind. Nehme die Bäume, die Erde, die Vögel, die
Witterung wahr. Ich erde mich. Selbstverständlich gibt es wunderbare Kurse, nachhaltige Kurse.
Und es gibt DICH! Wenn die Zeit knapp ist: werde Dein eigener Präventionskurs! Nutze jede
Gelegenheit als Prävention. Nimm die Luft beim Kochen in der Küche wahr, spüre die JuliRegentropfen auf Deiner Haut, genieß die Seife beim Händewaschen auf deiner Fingerkuppe,
fühle das angenehme Frottee beim Abtrocknen. Nicht nur jeder Anfang, nein: JEDEM MOMENT
LIEGT EIN ZAUBER INNE! Sei Deines Glückes Schmied. Und Liebchen – bevor ich jetzt in die
Rückenschule zu Dr. Gruber gehe, nimm dies mit auf den Weg: Gesundheit ist teuer, Krankheit ist
teurer.“
teurer Frau Gerlach packt ihre Unterlage zusammen, greift beschwingt nach ihrem Schirm und
geht davon. Zu Dr. Gruber…..ist das zu fassen?
Atme tief ein: Heute mache ich aus MULTI – SINGLE! Wenn ich sitze, sitze ich. Wenn ich gehe,
gehe ich. Wenn ich arbeite, arbeite ich, wenn ich lache, lache ich.
Und habe ich das ganze 7 Minuten gepackt, fühle ich mich stolz wie ein Yogi, zücke mein
Smartphone und whatsappe
whatsappe es meinen Freundinnen!
Freundinnen! MULSI. Mal Multi mal Single! Prävention darf
Spaß machen! Prävention fängt beim Händewaschen an und hört bei der Pilgerreisen auf. Und
wer sagt, dass Händewaschen nicht auch eine Art Pilgerreise sein kann?