Wahlmodul Existenzgründungsberatung 2012 Weiterentwicklung der Gründerpersönlichkeit Prof. Dr. Detlef Wehling 1. Kognitive, persönliche und kommunikative Ebenen der Weiterentwicklung 1.1. Kognitive Ebene 1.2. Persönliche Ebene 1.3. Kommunikative Ebene 1.4. Führungs- und Handlungskompetenz 2. Konkrete Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen 2.1. Fachliche Weiterbildung 2.2. Persönlichkeits-Training 2.3. Zeitmanagement, Projektmanagement 3. Anwendungsfelder de Weiterentwicklung 3.1. Organisation des Betriebs 3.2. Lieferanten- und Kundenbeziehungen 4. Netzwerk 5. Handlungshinweise für den Gründer und den Gründungsberater 1. Kognitive, persönliche und kommunikative Ebenen der Weiterentwicklung In der Aufbau- und Sicherungsphase des Unternehmens, die mit Beginn der Geschäftstätigkeit einsetzt, ist der Unternehmenserfolg in entscheidender Weise von der Gründerpersönlichkeit und insbesondere ihrer Weiterentwicklung abhängig. Um den wachsenden Anforderungen auf den unterschiedlichen Feldern gerecht zu werden, muss der Jungunternehmer sich weiterentwickeln und seine Qualifikationen erweitern und verbessern: In der Unternehmenssicherungsphase muss sich der Jungunternehmer in so unterschiedlichen Bereichen wie Kreativität, Belastbarkeit und Überzeugungskraft auf der einen Seite und in der Bearbeitung kaufmännischer, rechtlicher und produktionstechnischer Fragen auf der anderen Seite bewähren. Die Komplexität der Unternehmeraufgabe macht es erforderlich, genauer zu spezifizieren, auf welchen Ebenen die Gründerpersönlichkeit Verbesserungen anstreben muss. Drei Ebenen der Weiterentwicklung sind zu unterscheiden: die kognitive, persönliche und kommunikative Ebene.1 1.1. Kognitive Ebene Zum kognitiven Bereich zählen das Fachwissen, das Gründungs-Know-how und die Kompetenz in einzelnen Bereichen. Hinzu kommt die Fähigkeit, komplexe Strukturen durch die Kombination vorhanden Wissens besser zu erfassen und neue Lösungswege aufzuzeigen. Hierbei kommt es darauf an, das Wissen richtig zu bündeln und für die Problemlösung nutzbringend zu integrieren. Der kognitive Bereich umfasst daher aufgabenbezogene Fähigkeiten, die bei der Lösung einzelner Probleme der Unternehmenssicherung von entscheidender Bedeutung sind. Dazu gehört beispielsweise die Aufstellung von Konzepten zur Anschlussfinanzierung, die Integration neuer EDV-Programme aufgrund des erweiterten Produkt- oder Dienstleistungsangebots und die Aktualisierung des fachtechnischen Know-hows. Zudem sollten Kenntnisse in nicht delegationsfähigen Aufgabenbereichen erworben werden. 1 Pinkwart, S. 189-191. Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 2 In unterschiedliche Weise sind bei den meisten Jungunternehmern, die die Startphase hinter sich gebracht haben, die kognitiven Fähigkeiten ausgeprägt. Die individuelle Ausprägung ist abhängig von der Ausbildung und den beruflichen Erfahrungen des Gründers. Hierbei ist zu berücksichtigen, auf welchen spezifischen Qualifikationen aus seiner bisherigen beruflichen Laufbahn er aufbauen kann. In den meisten Fällen bilden die Erfahrungen aus dem früheren beruflichen Umfeld eine gute Grundlage, auf die aufgebaut werden kann. Weiterentwicklung von Branchen oder Produkten macht es dringend erforderlich, in den spezifischen Feldern eine Fortentwicklung zu betreiben. Die kognitiven Kriterien sind zu gliedern in unternehmerisches Profil, Ausbildungsvoraussetzungen und Berufserfahrung: Kognitive Kriterien Unternehmerisches Profil Ausbildungsvoraussetzungen Berufserfahrung - kaufmännische Qualifikation - fachliche Qualifikation - strategisches Denken - wirtschaftliches Denken - Realitätssinn - Lernpotenzial - schulische Allgemeinbildung - berufliche Weiterbildung - fachliche Weiterbildung - familiärer Hintergrund - kaufmännische Berufserfahrung - technische Berufserfahrung - Führungserfahrung - Vertriebserfahrung - EDV-Erfahrung 1.2. Persönliche Ebene Die persönliche Ebene ist geprägt durch die Belastungsfähigkeit, körperliche Fitness und psychische Stabilität. Dazu gehört auch der Drang nach Freiräumen und die Leistungsorientierung.2 Im Unternehmensalltag zeigen sich diese besonderen Fähigkeiten durch Selbstkontrolle des konkreten Erfolgsmaßstabs. Dies zielt auf die überdurchschnittliche Leistungsmotivation, notwendige, erlernbare Fähigkeiten sich zum richtigen Zeitpunkt anzueignen. Das Machbarkeitsdenken beinhaltet die Bewältigung von komplexen Situationen. Insgesamt sind als persönliche Eigenschaften hervorzuheben: 2 McClelland 1961. Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 3 Persönliche Eigenschaften der Gründungsperson – need for achievement Tüchtigkeit und Aktivität Machbarkeitsstreben – locus of control Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten, Glaube an die Machbarkeit bei der Umsetzung eigener Ideen Risikobereitschaft – risk-taking prospensity Unternehmensrisiko und Misserfolgsrisiko sind einkal kuliert Drang nach Freiräumen, Unabhängigkeit und Selbständigkeit Hingabe an die Sache – commitment Faktoren, die stärker emotional verankert sind Hohe Leistungsmotivation Diese persönlichen Eigenschaften von Unternehmern führen zu einer hohen Motivation zum Lernen, insbesondere wenn es um die gezielte Aneignung bestimmter Fähigkeiten geht. Die Persönlichkeitsdimension des Gründers impliziert die Chance, aus besonderen Fähigkeiten heraus Lernsituationen abzuleiten und sich darüber in der Persönlichkeit weiter zu entwickeln. So lässt sich zum Beispiel die überdurchschnittlich hohe Leistungsmotivation von Gründern durch die Verwendung eines konkreten Erfolgsmaßstabes, regelmäßige Rückkopplungen der erreichten persönlichen Fortschritte und das Vermeiden von Unterforderung im Lernprozess begünstigen. Der bei erfolgreichen Unternehmern festgestellten mittleren Risikoneigung kann dadurch entsprochen werden, dass die Komplexität und der bewältigbare Schwierigkeitsgrad der Problemstellungen überschaubar bleiben. Machbarkeitsdenken findet seinen Ausdruck in der Komplexitätsreduktion und im Vermeiden von Zufälligkeiten im Lernprozess. 1.3. Kommunikative Ebene Der kommunikative Bereich beschreibt die Sozialkompetenz und die auf die Märkte gerichteten kommunikativen Fähigkeiten des Gründers: Präsentieren eigener Ideen, Aufbau von Kundenverbindungen, Moderation von Teamarbeit und Umgang mit Konflikten. Es handelt sich dabei um die Dialogfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, sich auszudrücken und Informationen gezielt auszuwerten, die Kooperationsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, Konflikte auszutragen und Konsens herzustellen und die Fähigkeit, andere Individuen in Prozesse mit einzubeziehen und für Dritte soziale Verantwortung zu übernehmen. Um derartige Verhaltensweisen zu verbessern, sollte der Jungunternehmer gründungsrelevante Kommunikationsinhalte und Kommunikationssituationen in seinem Umfeld für sich erfahrbar machen. Dies betrifft unterschiedliche Felder auf der kommunikativen Ebene. In der internen Kommunikation geht es um die Verbesserung von Mitarbeitergesprächen oder der Moderation von Teamgesprächen. In der externen Kommunikation mit Lieferanten und Kunden sollte der Gründer Verhandlungsführung, Kundengespräch und Rhetorik trainieren. Auch im kommunikativen Bereich ist es in der Sicherungsphase entscheidend, Kontrollmechanismen aufzubauen, die internal locus of control ist das Frühaufklärungssystem, um der hohen KriProf. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 4 senanfälligkeit gerade in den ersten Jahren nach der Gründung zu begegnen. Ähnlich wie dies von Piloten mit einem Flugsimulator trainiert wird, soll anhand von Planspielen und Simulationsmodellen erfahren werden, wie kritische Situationen erfolgreich bewältigt werden können. 1.4. Führungs- und Handlungskompetenz Die Weiterentwicklung der Gründungspersönlichkeit ist dann erfolgreich, wenn die drei Dimensionen der kognitiven, persönlichen und kommunikativen Ebene im Einklang sind und gemeinsam wirken. Dadurch entsteht die Führungs- und Handlungskompetenz des erfolgreichen Gründers. Sie lässt sich folgendermaßen darstellen: Lernen Kognitive Dimension Persönliche Dimension Handeln Entscheiden Kommunikative Dimension Es sind die Gründer erfolgreich, die auch über das notwendige Know-how aus anderen Fachdisziplinen verfügen und dieses kompetent integrieren können.3 Die hohen Anforderungen, die an den Jungunternehmer gestellt werden, sind geprägt durch ein hohes Maß an Komplexität, an Unsicherheit über die Zukunft und durch begrenzte zeitliche und materielle Ressourcen. Die richtige Kombination der vielfältigen Interdependenzen zeichnet die Führungs- und Handlungskompetenz des erfolgreichen Gründers aus. 3 Albach S. 988. Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 5 Führungs- und Handlungskompetenz Qualifikationen Fachliche und Berufsspezifische Wissen Fertigkeit Fachliche und berufsübergreifende „Schlüsselqualifikationen“ Problemlösungskompetenz kognitive Ebene Interaktionsfähigkeit kommunikative Ebene Sachkompetenz Verantwortungsfähigkeit persönliche Ebene Sozialkompetenz Auf dieser Grundlage können folgende Lernziele zur Weiterentwicklung der Gründerpersönlichkeit formuliert werden: Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten Förderung ökonomischer Kreativität Festigung der Entscheidungsfähigkeit Praxis- und problemorientierte Anwendung des betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Know-hows Managementqualifikationen Vernetztes Denken Komplexitätsbewältigung Kommunikationsfähigkeit Konflikt- und Stressbewältigung Strategische Orientierung Überträgt man diese Lernziele auf die konkrete Handlungssituation im Gründungsunternehmen, so betrifft es 1. die einzelnen Prozesse des Gründungsmanagements und die Anwendung des betriebswirtschaftlichen Know-hows. Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 6 2. die Schlüsselqualifikationen des Entrepreneurs wie Führungs- und Verhandlungstechniken, Präsentations- und Kreativitätstechniken, Zeitmanagement und Konflikt- und Stressbewältigung und 3. die Bedeutung und Bedingungen des Umfeldes (Netzwerk) Konkrete Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen Die konkreten Maßnahmen und ihre Inhalte lassen sich nach verschiedenen Kriterien zuordnen. Bei Anwendung auf die eigene Unternehmerpersönlichkeit lernt der Gründer für sich, sein individuelles Lernprofil zu erarbeiten. Die Übersicht zu den grundlegenden Lerninhalten für Jungunternehmer in der Sicherungsphase zeigt, nach welchen Kriterien welche Lerninhalte relevant sind: GründungsProzessbezogene Aspekte Gründungstheorien Ideengenerierung Erfolgsfaktoren Businessplan Balanced Scorecard Gründungsphasen Gründungsakteure Gründungsumfeld Gründungsplanung Innovationsprozess Gründerpersonbezogene Aspekte Teamgründungen Kommunikation Verhandlungsführung Präsentationstechniken Commitment Belastungsfähigkeit Gründerumfeld Betriebswirtwirtschaftliche Aspekte Strategische Planung Marketingaspekte Betriebsorganisation Personal Rechnungswesen Investition Finanzierung Produktion Controlling FuE Steuern Rechtliche Aspekte Produkt- und Ideenschutz Rechtsformwahl Vertragsgestaltung Bürokratische Stolpersteine Arbeitsrecht Handelsrecht. Fachliche Weiterbildung Für die fachliche Weiterbildung sollte der Jungunternehmer in seiner Region in Erfahrung bringen, welche Institutionen Schulungsmaßnahmen für Gründer anbieten. Ein zentraler Anlaufpunkt für Informationen dazu sind meistens die Industrie- und Handelskammern, die ebenso wie die Handwerkskammern eigene Schulungsprogramme für Gründer durchführen. Zudem gibt es inzwischen einzelne Seminare in Volkshochschulen zur Weiterbildung in Facetten wie PC-Schulung und Buchhaltung. Andere, private Anbieter von Schulungsmaßnahmen können ebenfalls in Anspruch genommen werden. Es empfiehlt sich, bei der Industrieund Handelskammer nachzufragen, ob eine Liste dieser Anbieter als Angebot in der Region vorhanden ist. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die privaten Bildungsträger oftmals höhere Seminargebühren verlangen als die Institutionen der Region. Ein besonderes Angebot für die fachliche Weiterbildung von Gründern bieten seit einigen Jahren die Hochschulen an. Fachhochschulen und Universitäten stellen inzwischen in vielen Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 7 Regionen ein hochqualifiziertes Weiterbildungsangebot für Gründer zur Verfügung. Diese Angebote sind gezielt an Gründer in der Region gerichtet und bieten oftmals hervorragende mehrteilige Seminare an. Die Fachhochschulen oder Universitäten stellen dazu ausführliche Informationen im Internet zur Verfügung. Hierbei ist es ratsam, sich im ersten Schritt darüber zu informieren, welche Bildungsträger Programme für Gründung in der jeweiligen Region anbieten. Beispielhaft sind hier die Initiativen der Weiterbildungsinitiative WINQ der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (www.haw-hamburg.de/winq) oder die Unternehmensschmiede der Universität Bielefeld (www.unternehmensschmiede.de, bzw. www.unibielefeld.de genannt. Auch das Weiterbildungsangebot der örtlichen Industrie- und Handelskammer sowie deren Dachorganisation Deutscher Industrie- und Handelstag (www.diht.de) können genutzt werden. Beispielhaft wird das Weiterbildungsangebot einer Hochschule im folgenden Schaubild dargestellt. Die Veranstaltungen richten sich an Jungunternehmer mit kaufmännischer Ausbildung und an Techniker und Ingenieure. Die Anzahl der Kreuze steigt mit wachsendem Qualifizierungsbedarf und soll dem Jungunternehmer bei der Entscheidung helfen, welche Seminare er je nach beruflicher und akademischer Vorbildung belegen sollte. Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 8 Kaufleute Techniker Ingenieure Allgemeine Grundlagen: Rahmenbedingungen, Formen und Folgen der Selbständigkeit, Unternehmereigenschaften, Beratungshilfen xx xx Rechtsgrundlagen: Rechtsformen, Schuld- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht, Schutzrechte, Gewerberecht, Versicherungen x xx Externes Rechnungswesen, Steuern: Buchführung und Jahresabschluss, Steuern und Abgaben x xxx Internes Rechnungswesen, Controlling: Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsund Finanzrechnung, Controlling x xx Volkswirtschaftliche Grundkenntnisse: Marktmechanismen, Marktformen, internationale Zusammenhänge x xx xx xxx Markt: Marketinginstrumentarium, kundenorientiertes Handeln x xx Konstitutive Entscheidungen: Produkt, Marktsegment, Rechtsform, Standort x xx Finanzierung: Kapitalbedarf, Kapitalbedarfsdeckung, Finanzierungshilfen, Risikokapital xx xx Businessplan: Umsatzplan, Kostenplan, Finanzplan, Chancen-Risiko-Analyse, Leitfaden der Gründung x xx Personalwesen: Personalführung, Organisation x xx Managementtechniken, Training persönlicher Eigenschaften x x Praxisprojekt und/oder Planspiel zur Gründung oder Übernahme x x Strategische Grundlagen: Markt-, Wettbewerbsund Umfeldanalyse, Positionierung und strategische Zielsetzung, Strategieumsetzung und –anpassung Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 9 Persönlichkeitstraining Im vorherigen Abschnitt wurde darüber gesprochen, dass der Gründer sich Lernziele setzen muss. Darüber hinaus muss er sich zeitliche und inhaltliche Ziele setzen. Hier ist eine Fristsetzung für die Verbesserung und Selbstkontrolle ratsam, nach der gefragt wird, ob die Ziele an die eigene Persönlichkeit in dem gesetzten zeitlichen Rahmen erreicht wurden. Auch im Team kann es zu ungeplanten, positiven oder negativen persönlichen Ausprägungen kommen. Diese müssen von der Unternehmensführung moderiert und geleitet werden, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines externen Teamtrainers. Ein solcher moderierender Coach nimmt beispielsweise neutral Arbeitsabläufe, Wünsche und Beschwerden zu jedem Arbeitsplatz auf und versucht mit allen direkt oder indirekt Betroffenen Arbeitsmodi für jeden Aufgabenbereich zu finden und schriftlich festzuhalten. Auch Coaching für ein bestimmtes Ziel des Unternehmens ist möglich, in dem die Wünsche, Möglichkeiten und Ideen aller daran beteiligter Mitarbeiter gesammelt und verbunden werden. Gruppendynamischen Prozesse sorgen manchmal für Veränderungen im Team in unerwartete, unerwünschte Richtungen. Daher ist die Beobachtung des Teams und der eigenen Person notwendig. Wenn der Jungunternehmer in diesem Bereich eigenen Schulungsbedarf hat oder Schulungsbedarf für das Team oder einzelne Mitarbeiter erkennt, sollte er aktiv nach Schulungsmöglichkeiten suchen und diese wahrnehmen. Eine gute Methode besteht darin, sich regelmäßig Seminarangebote anzufordern oder im Internet zu recherchieren und dann zu überprüfen und abzugleichen, welches Seminar besonders interessant ist. Personalführung, Rhetorik und Präsentation sind markante Beispiele. Bei Persönlichkeitstraining gibt es eine breite Facette von Fragestellungen, deren Kern immer die Wirkung von einzelnen Personen auf andere ist. Dabei kann es beispielsweise um den Umgang zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Hierarchiestufen gehen oder um das Miteinander einer Hierarchiestufe, um die Wirkung nach außen im Allgemeinen oder im Speziellen, z.B. bei Präsentationen oder im Verkauf. Auch methodisch sind Persönlichkeitstrainings sehr unterschiedlich und sind im Spektrum von knapp-sachlich bis psychologisch-einfühlsam angesiedelt. Ein Beispiel: Ein kleines Team hat sich als Finanzdienstleistergesellschaft selbständig gemacht. Die Vertragspartner – Banken und Versicherungen – sind seriöse Anbieter, das Jungunternehmerteam kennt das Geschäft aus der Angestelltensicht und ist entsprechend qualifiziert. Es kommen zahlreiche Verkaufsgespräche zustande, die Zahl der Abschlüsse ist jedoch unverhältnismäßig gering. Dieser Abschlussschwäche gilt es zu begegnen. Seminartechnisch gibt es zwei Ansätze: Entweder läuft das Verkaufsgespräch optimal, der Berater erkennt aber nicht, wann es Zeit für den Abschluss ist oder kann Einwänden nicht begegnen. Hier sind Verkaufstrainings mit dem Schwerpunkt Abschlussorientierung und Einwandbehandlung empfehlenswert. Oder das Naturell des Verkäufers ist konträr zu dem des Kunden, so dass im Gespräch ein Ton und eine Verkaufsmethode angewandt wird, die speziell diesen Kundentypus abschreckt. Hier bieten psychologisch angelegte Verkaufs- oder Verhaltenstrainings Möglichkeiten der Selbsterkenntnis. Ein breites Angebot an diversen Persönlichkeitstrainings findet sich in der Zeitschrift managerSeminare. Von hier aus können Gründungsberater und Gründer weiter recherchieren. 2.3. Zeitmanagement, Projektmanagement Zeitmanagement ist die Kunst, die Vielzahl möglicher Termine in einer Präferenzordnung zu sortieren, den zeitlichen Aufwand für die einzelnen Termine und Aufgaben richtig einzu- Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 10 schätzen und daraus einen Terminkalender zusammenzuführen, der realistisch ist, mit dem also die angestrebten Ziele in der kalkulierten Zeit erreicht werden. Die Aufgaben von Unternehmern und ihren Mitarbeitern sind grundsätzlich und je nach Art des Unternehmens sehr unterschiedlich. Einige Mitarbeiter werden hauptsächlich zeitaufwändige Projektarbeit leisten, die ein völlig anderes Zeitmanagement erfordert als das der Mitarbeiter, die nacheinander viele kleine Arbeiten zu erledigen haben wie beispielsweise Akquisitionslisten abzutelefonieren oder eine Akte nach der anderen bearbeiten. Entsprechend sollte das Zeitmanagement im Unternehmen organisiert sein. Insbesondere bei den Mitarbeitern, die kompliziertere, zeitaufwändige, thematisch stark variierende Aufgaben haben, lohnt sich ein einheitliches Zeitmanagement-System. Es gibt verschiedene Zeitplan-Kalender, beispielsweise von HelfRecht, success, Timesystem usw. Dazu bieten einige Hersteller Seminare zur Optimierung des Kalendersystems und Online-Beratung an (z.B. www.HelfRecht.de). Grundsätzlich sollten alle Mitarbeiter mit PC-Arbeitsplatz einen Terminkalender im Computer haben, der von allen oder ausgewählten Kollegen eingesehen oder auch geführt werden kann. So können beispielsweise Verkaufstermine von Mitarbeitern für Verkäufer direkt in deren Kalender eingestellt werden, so dass es nicht zu Überschneidungen kommt. Der Berater sollte dem Gründer auf diese Notwendigkeit hinweisen, um das Ziel einer optimalen Terminplanung zu erreichen. Es gibt inzwischen eine Fülle von Angeboten in diesem Bereich, die preislich für ein junges Unternehmen im Rahmen bleiben. Der Jungunternehmer sollte nach Firmenkonditionen und Rabatten fragen. Verschiedene Institute und selbst Volkshochschulen bieten Seminare zum Zeitmanagement an. Ein Tipp: Der Gründer sollte ein solches Seminar testweise und für seinen eigenen Nutzen besuchen. Wenn der Trainer des Seminars seinen Vorstellungen entspricht, sollte er ihn für ein bis zwei Tage für sein Unternehmen zu einem festen Honorar und auf die speziellen Terminanforderungen des Unternehmens abgestimmt buchen. Im zweiten Schritt sollten sich Gründer mit dem Projektmanagement vertraut machen.4 Der Berater sollte den Gründer fragen, welche Projekte in welchem Zeitraum geplant sind. Ziel dabei ist, festzulegen, welche personellen oder sonstigen Ressourcen wie lange im Projekt gebunden werden. Möglicherweise sind Projekte oder Aufträge parallel zu bewältigen. Auch die Rolle und zeitliche Einbindung des Gründers ist für jedes Projekt neu zu definieren. Schließlich ist zu beachten, dass dem Gründer genug Zeit für strategische Unternehmensentscheidungen bleibt. Nur wenn das gewährleistet ist, behält der Gründer seine Handlungskompetenz. Auch im Projektmanagement zeigt sich Führungsfähigkeit. Ist der Gründer wirklich in der Lage zu delegieren und sich vom operativen Geschäft abzukoppeln, dann beweist er Führungsfähigkeit. Er kann dies lernen durch Eigenbeobachtung und durch Controlling seines Know-hows und mit einer kritischen Bilanz, wie die persönliche Situationsanalyse vor einem Jahr war und wie sie jetzt ist. Softwaregestütztes Projektmanagement bietet beispielsweise Microsoft mit der Programmfamilie MS Project an (www.microsoft.com/germany) 4 Hier weiterführend geeignet: Litke. Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 11 3. Anwendungsfelder der Weiterentwicklung 3.1.Organisation des Betriebs Die meisten Unternehmen fangen klein an mit einer einfach strukturierten betrieblichen Organisation. Sie sind mit ihren besonderen Gegebenheiten auf die Gründerpersönlichkeit zugeschnitten: Sehr klein Einfach strukturiert Wenig formalisiert. Damit gehören sie zur Gruppe der simple organization: Offene Arbeitsteilung Geringe Formalisierung des Verhaltens Einfache Hierarchie. Die Entscheidungsbefugnisse liegen in den Händen der Gründungspersönlichkeit. Flexibilität, Führungskraft, Teamgeist, das Gespür für Situationen sind wichtige Qualifikationen, die zu Beginn individuell unterschiedlich ausgeprägt sind. Sie sollten weiter entwickelt werden. Auch eine simple organisation unterliegt Veränderungen, bei der sich immer wieder neu die Frage stellt, ob das Gründungsteam oder die Mitarbeiter ihren Aufgaben gerecht werden. Die Organisation kann wachsen, die Aufgaben können sich ändern, der Markt kann sich ändern, auf all diese Veränderungen ist eine flexible Antwort notwendig. Sobald das Unternehmen erfolgreich ist und wächst, stellt es vor neuen organisatorischen Anforderungen, die wesentlich komplexer sind als die des neu gegründeten Unternehmens. Der Gründer muss wissen, wie ein größerer Betrieb zu organisieren ist und muss dieses Wissen in aller Regel neu erwerben auf dem Wege der Weiterbildung. Der Seminarbedarf richtet sich dabei sowohl auf Persönlichkeitsbildung als auch auf Fachbildung. Im Persönlichen geht es dabei beispielsweise um Führung, Coaching, Delegieren, Zeit- und Projektmanagement, im Fachlichen um juristische Fragen, Rechnungswesen, Controlling, Strategieplanung etc. 3.2.Lieferanten- und Kundenbeziehungen Während die Organisation des wachsenden Betriebes nach innen gerichtet ist, geht es bei Lieferanten- und Kundenbeziehungen des wachsenden Unternehmens um die Außenbeziehung. Hier sind strategische Entscheidungen zu fällen, ob beispielsweise mehr Kunden/Lieferantenbeziehungen aufgebaut werden sollen oder ob bestehende Verbindungen vertieft werden sollen. Dabei kann es um strategische Unternehmensentscheidungen wie Kooperation, gegenseitige Beteiligung oder Bau eines gemeinsamen Unternehmensdaches gehen. Im Persönlichen besteht Weiterbildungsbedarf in der Wirkung der Unternehmensmitarbeiter nach außen, eben zu Kunden und Lieferanten. Hier geht es wiederum um Seminare wie Verkaufsschulungen, Rhetorik, aber auch je nach Zielgruppe um Umgangsformen, „dressed for success“, bei international ausgerichteten Unternehmen auf die Kenntnis von gesellschaftlichen Umgangsformen in anderen Ländern und weitere spezielle Kenntnisse. Als Seminaranbieter kommen die klassischen Schulungsinstitute in Frage. Eine preisgünstige Lösung für Rhetoriktrainings sind die Seminare der politischen Stiftungen. Für spezielle Fragen, beispielsweise ein Intensivtraining in Businessenglish oder –französisch können private Lehrer Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 12 gewonnen, die Angebote der Bildungsinstitute British Council oder Institut Francais oder der Sprachschulen genutzt werden. 4. Netzwerk Das Sozialkapital des Gründers ist das Netzwerk. Sozialkapital ist das konzeptionelle Instrument aus unterschiedlich starken, persönlichen Verbindungen im Umfeld. Das regionale Netzwerk bezieht sich auf das direkte Umfeld der Gründung und beinhaltet die Nutzung persönlicher Kontakte zum gegenseitigen Vorteil. Der Anreiz für den Gründer besteht darin, dass er verschiedene Potenziale besser nutzen kann. Diese strategisch genutzten Verbindungen verbessern die Erfolgschancen des Unternehmens. Damit eröffnet der Einsatz von Sozialkapital breiteren Handlungsspielraum, um Gewinnmöglichkeiten zu erkennen, neue Produktideen zu finden, Zugang zu Märkten zu gewinnen oder Handlungen zu koordinieren. Netzwerk ist Wissen und Lernen. Wissen und Lernen sind Erfolgsbedingungen. Das Netzwerk besteht aus Wissenteilen (Kooperationsbeziehungen) und Lernteilen (Universitätskontakte, Erfahrungsaustausch). Damit ist ein Netzwerk ein Erfolgsfaktor für eine Unternehmensgründung. Netzwerkbeziehungen sind Kooperationsbeziehungen. Ein Rückgriff auf Teile des Netzwerks kann neue Kooperationen hervorrufen. Praktisch gesehen können berufliche Kontakte aus früherer Tätigkeit dazu führen, Kundenbeziehungen aufzubauen. Die Nutzung gemeinsamer Infrastruktur in Technologiezentren und die Kommunikation darüber kann sogar zu unternehmerischen Kooperationen z.B. für komplementäre Produkte führen. Zunächst besteht das Netzwerk des Unternehmensgründers aus einem funktional nicht ausdifferenzierten Netzwerk. Zunehmend entwickelt sich eine Differenzierung nach den jeweiligen unternehmensbezogenen Problemstellungen wie Standortwahl, Ansiedlung im Technologiepark, Finanzierung, Marketing und Vertrieb. Die Gründungsperson nutzt Unterstützungsleistungen aus dem noch unscharf strukturierten Netzwerk und setzt sie im Gründungsprozess um. Damit werden die Netzwerkbeziehungen zunehmend differenziert und besser nutzbar. Was kann ein Netzwerk bei dieser gegebenen Zielsetzung leisten? Regionale Partnerschaften, Wettbewerbsfähige Ausbildungs-, Forschungs- und Wirtschaftsziele, Umsetzungsfähige Projekte entwickeln, die in regionale Innovationsprofile eingebunden sind, hohe Attraktivität für Investoren und private Finanzierungsquellen, Vorteile regionaler Kommunikation, Kooperation und der Durchführung von Vorhaben. Die erfolgreiche Arbeit eines Netzwerkes, dargestellt in regionaler Kommunikation, Kooperation und Durchführung von Vorhaben im gegenseitigen Interesse, muss messbar sein. Daher ist in der Dynamik involviert, dass man in der Region flexible, aber dauerhafte Kooperationsstrukturen schafft mit einem Controlling in der Konzeptumsetzung. Dies begründet eine langfristig auf Innovation ausgerichtete Strategie. Für die Entwicklung des Netzwerks kann nun wiederum spiegelbildlich zur Entwicklung des Unternehmens der dynamische Prozess im Netzwerk in drei Phasen untergliedert werden: Qualifizierungsphase, Entwicklungsphase und Umsetzungsphase. Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 13 Zielgerichtet sollte die Effektivität und Arbeitsweise des Netzwerkes an einzelnen Fragen des Gründungsmanagements gemessen werden. Projektmanagement in der Praxis bezieht sich in den Phasen der Existenzgründung auf einzelne Ziele. Bei der Erstellung des Businessplans kann möglicherweise auf die Erfahrung der Wirtschaftsjunioren oder der Mitglieder des Regionalkreises des Bundesverbands Junger Unternehmer zurückgegriffen werden. Auch Unternehmer der Initiative Alt hilft Jung könnten sich zur Beratung bereit finden. Bei der Standortentscheidung können aus dem Netzwerk Informationen über Standortpreise, den Ruf eines Standorts oder eines Technologiezentrums und dessen Einbindung in die Unternehmensumgebung geben. 5. Handlungshinweise für den Gründer und den Gründungsberater Der Gründungsberater sollte den Jungunternehmer, der den Unternehmensstart bereits bewältigt hat, immer wieder darauf stoßen, dass das bisher Erreichte nicht ohne Einsatz erhalten bleibt und Wachstum erst recht nicht möglich ist. Er sollte den Jungunternehmer auffordern, regelmäßig zu prüfen, wo es organisatorische oder persönliche Reibungspunkte und wo es fachliche Defizite gibt. Je früher Reibungspunkte und Defizite erkannt sind, desto schneller kann ihnen konstruktiv entgegengewirkt werden, indem Weiterbildungsmaßnahmen aus den vielen Richtungen durchgeführt werden, die oben geschildert wurden. Prof. Dr. Detlef Wehling Persönlichkeit - 14
© Copyright 2024 ExpyDoc