Der Investor ist kein Homo oeconomicus

Themenorientierte Anlagestrategie
„Der Investor ist kein Homo oeconomicus“
Für den Aktienfonds Europe Absolute Class A analysiert Klaus Röpke von Danske Invest die Einflüsse
globaler Trends auf Unternehmen. Im Interview erläutert der Portfoliomanager, wie die aktuellen
Kursschwächen genutzt werden können.
Herr Röpke, was ist das Besondere an Ihrem Aktienfonds?
Klaus Röpke: Mein Kollege Jens Larsson und ich nutzen seit Ende der 80er Jahre einen thematischen
Investment-Stil. Dieser Themenansatz ist eine andere Art, um Aktien auszuwählen. Dabei bestimmt
nicht der wirtschaftliche Zyklus oder eine fest vorgegebene Anlagestrategie die Aktienselektion.
Stattdessen sind strukturelle Veränderungen für uns entscheidend.
Welche strukturellen Veränderungen meinen Sie damit konkret?
Röpke: Neue Technologien, Geopolitik und Demographie führen zu wesentlichen
Strukturveränderungen. Denn sie schaffen neue Märkte und führen zu neuem Wachstum. Themen wie
Big Data, Marktplätze und Nachfragerückgang in China wirken für uns als Filter für die Auswahl von
Unternehmen mit strukturellem Wachstum. Auf solche Aspekte richten wir unsere Titelselektion aus.
Mit diesem fundamentalen Anlagestil haben wir zwischen 2008 und 2015 einen Ertrag von 82 Prozent
erwirtschaftet, während der MSCI Europa Aktienindex um drei Prozent gefallen ist. Hinzu kommt: Das
Risiko, sprich die Volatilität des Ertrags, lag mit 8,5 Prozent deutlich unter dem Marktindex (19,5
Prozent).
Welche Überzeugung steckt hinter dieser Investment-Philosophie?
Röpke: Der Investor ist normalerweise kein Homo oeconomicus. Er verfügt weder über alle relevanten
Informationen noch verhält er sich stets rational. Das bedeutet: Wenn ein Anleger nach einer
strukturellen Veränderung ein Unternehmen auf Basis seiner aktuellen Wachstumsraten bewertet,
unterschätzt er leicht dessen langfristiges Potenzial. Denn ein Unternehmen passt sich einer
strukturellen Veränderung nicht linear an, sondern folgt einer S-Kurve mit exponentiellen
Wachstumsraten.
Mit unserem Themenansatz können wir dieses Wissen schneller in branchenübergreifende
Investment-Ideen umsetzen als Anleger mit eindimensionaler Fokussierung auf Länder oder Branchen.
Dieser zeitliche Vorsprung ist ein starker Wettbewerbsvorteil. Er hilft uns, ein überdurchschnittliches
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Return-zu-Risiko-Verhältnis zu erzielen.
Wie wirkt sich dieser Ansatz auf Ihre Portfolio-Gestaltung aus?
Röpke: Die Investment-Themen bleiben typischerweise zwei bis drei Jahre im Fonds. In der frühen
Phase eines Themas ist die Korrelation der zugrundeliegenden Aktien mit dem Markt gering. Je mehr
aber ein Thema vom Markt aufgegriffen wird, umso stärker korrelieren auch unsere Aktien. Das
verbleibende Kurspotenzial sinkt und die Gewichtung der Themen wird dann entsprechend angepasst.
Wichtig ist, dass die von uns identifizierten Investment-Themen wenig miteinander korrelieren und sie
gleichzeitig die Gewinnsituation der Unternehmen wesentlich beeinflussen. Darüber hinaus soll die
Strategie weder eine ausgeprägte Neigung zu makroökonomischen Entwicklungen aufweisen noch zu
stark auf die Faktoren Value oder Momentum ausgerichtet sein.
Insgesamt umfasst der Fonds mit Stand von Ende Juni 60 Positionen, die sich aus zwölf
Investment-Themen zusammensetzen. In den drei wichtigsten Themen haben wir etwa 50 Prozent des
Fondsvermögens investiert.
Wo findet denn strukturelles Wachstum derzeit beispielsweise statt?
Röpke: Eines unserer großen Long-Themen ist gegenwärtig „Marktplätze“: Online-Händler bringen auf
ihrer Internetseite, also dem Marktplatz, das Angebot und die Nachfrage vieler Unternehmen und
Verbraucher zusammen. Solche Online-Portale erlauben es nicht nur Konsumenten, Kleidung,
Flugtickets oder Hotelzimmer von zu Hause aus billiger zu kaufen. Sie helfen darüber hinaus auch den
Anbietern dabei, ihre Kapazitäten besser auszulasten und die Marge zu steigern.
Es überrascht daher nicht, dass Online-Händler seit 2010 in jedem Markt Europas stärker wachsen als
der traditionelle Einzelhandel. Marks&Spencer zum Beispiel verliert seit Jahren Marktanteile an Asos.
Denn der Online-Händler bietet seinen Kunden ein größeres Angebot an, analysiert Daten zum
Kaufverhalten und liefert die Ware frei Haus. Während sich der Gewinn von Asos unserer Schätzung
nach bis 2020 verdreifachen wird, sollte das Ergebnis von Marks&Spencer deutlich fallen.
Und wo erwarten Sie Einbußen infolge von Strukturveränderungen?
Röpke: Unser gegenwärtig größtes Short-Thema ist „Nachfragerückgang in China“. Grund: die dortige
Wachstumsschwäche. Das Reich der Mitte hat in den letzten 15 Jahren überinvestiert. Das Land hat im
Schnitt 20 Prozent Überkapazitäten in der Stahl-, Zement-, Aluminium-, Schifffahrts-, Automobil- und
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chemischen Industrie sowie im Banksektor.
Wenn Chinas Investitionen, die 43 Prozent vom Bruttosozialprodukt betragen, auf das Niveau
westlicher Volkswirtschaften (23 Prozent vom Bruttosozialprodukt) absinken, sollte die Nachfrage nach
Investitionsgütern auf das Niveau von 2005 zurückgehen. Angesichts der absehbaren
Nachfrageschwäche, des Preisdrucks und des Margenverfalls bei den europäischen Lieferanten
erwarten wir Kursrückgänge zum Beispiel für die skandinavischen Unternehmen Sandvik, SKF, Alfa
Laval, Atlas Copco und FL Smidth. Entsprechend haben wir hier Short-Positionen aufgebaut.
Welche Erwartungen haben Sie an das zweite Halbjahr 2016?
Röpke: Die Entscheidung der Briten zum Verlassen der EU drückt auf die Risikobereitschaft der
Investoren. Einen Dominoeffekt des Brexit auf andere Staaten in Europa erwarten wir aber nicht. Denn
in Großbritannien werden Konjunkturentwicklung, Währung und Unternehmensgewinne in 2017 zu sehr
schwächeln, als dass weitere Länder diesem Beispiel folgen wollen. Im restlichen Europa dürften die
Erträge der Unternehmen eher steigen. Zum einen wird das billige Geld der Notenbank von jenen
Marktteilnehmern nachgefragt werden, die in strukturelles Wachstum investieren können. Zum anderen
werden die Digitalisierung vieler Geschäftsmodelle, globale Überkapazitäten und künstliche Intelligenz
die Lohnzuwächse für viele niedrig halten, während sie die Gewinne für wenige steigen lassen.
Wenn die Gewinne steigen während die Risikoprämie sinkt und die Niedrigzinsphase anhält, macht eine
hohe Kassenhaltung wenig Sinn. Deshalb bietet die derzeitige Kursschwäche eine Chance, um in
strukturelle Wachstumsaktien zu investieren. Diese Unternehmen werden in einer Phase niedrigen
Wachstums nicht nur profitabler sein als zyklische Aktien, sondern auch neu bewertet werden.
Dieser Artikel erschien am 08.07.2016 unter folgendem Link:
https://www.private-banking-magazin.de/themenorientierte-anlagestrategie-der-investor-ist-kein-homo-oeconomicus-1467974565/
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