PDF-Download - Katholische Kirche beim hr

hr2-kultur „Zuspruch“ für Samstag, 2. Juli 2016
Alexander Matschak, Wiesbaden
Mariä Heimsuchung
Von etwas heimgesucht zu werden, ist ja gemeinhin keine besonders schöne Sache.
Wenn ich in den Duden schaue, dann steht da unter dem Begriff „heimsuchen“: „Bei
jemandem in einer ihn schädigenden oder für ihn unangenehmen, lästigen Weise
eindringen“. Ziemlich negative Dinge also. Und trotzdem: Heute feiert die Katholische
Kirche das Fest Mariä Heimsuchung. Da kann man sich schon fragen: Was wird
denn da gefeiert?
Die Antwort mag etwas verwundern: Ein Besuch bei Verwandten. Sicher, auch der
kann manchmal ziemlich lästig sein. Die Bibel erzählt aber von einem ganz anderen,
einem besonderen Verwandtenbesuch. Erzählt wird, wie sich die schwangere Maria
auf den Weg macht, um ihre schwangere Kusine Elisabet zu besuchen. Und diesen
Besuch nennt das Evangelium nach Lukas – vielleicht etwas altmodisch – Heimsuchung (Lk 1,39-56). Maria wird die Mutter Jesu werden, Elisabet die Mutter von Johannes dem Täufer.
Für beide Frauen sind die Schwangerschaften eine große Herausforderung. Die Bibel erzählt: Elisabet ist schon alt und kann eigentlich keine Kinder mehr bekommen.
Jetzt hat sich ihr Leben plötzlich auf den Kopf gestellt, sie ist schon im sechsten Monat schwanger. Und Maria? Sie ist, so würde man vielleicht heute sagen, ungewollt
schwanger. Ohne die Sicherheit einer Ehe, ohne den Schutz eines Ehemanns. Möglicherweise hat sie bei der älteren Elisabet Rat und Beistand gesucht. Vielleicht war
sie unsicher, hat gezweifelt. Gerne würde ich wissen, worüber sich die beiden Frauen
wohl unterhalten haben. Und nicht umsonst ist Maria drei Monate bei Elisabet geblieben, wie es am Schluss der Erzählung heißt. Vielleicht hat sie diese Zeit genutzt, um
sich auf das vorzubereiten, was kommen wird: Die Geburt ihres Kindes, das ein Engel zuvor „heilig“ und „Sohn Gottes“ nannte. Was für eine Aufgabe wartete auf diese
junge Frau!
Vielleicht zweifelt Maria. Aber: Sie verzweifelt nicht. Denn Marias Besuch bei Elisabet
ist auch eine Geschichte des großen Gottvertrauens. Davon zeugt der Lobgesang
Marias, der auch zu dieser Geschichte gehört. Trotz einer ungewissen Zukunft kann
Maria beten: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über
Gott meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe,
von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an
mir getan und sein Name ist heilig.“ Magnificat wird dieser Lobgesang genannt. Und
ich finde: Hier betet eine junge Frau, demütig, aber auch voller Kraft, Freude und
Selbstbewusstsein. Jedes Mal, wenn ich dieses Gebet spreche, berührt es mich tief.
Denn es sagt mir: Gott ist mit mir – trotz aller Schwierigkeiten, die das Leben bringen
kann. Vertraue auf ihn.